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Dabei enthalten diese Zahlen das Maximum an Kohlehydraten, da ein noch größeres Quantum nicht mehr gut verdaulich ist, und das Minimum an Fett, welches wegen seines höhern Preises in der Kost des Arbeiters weit weniger vertreten ist als in der des Wohlhabenden.
Nachstehende Tabelle Forsters enthält das tägliche Kostmaß von einzelnen ausgewählten Individuen von verschiedenem Alter, Geschlecht und Beruf, die, ihrer Lebensstellung und ihren Arbeitsverhältnissen entsprechend, regelmäßig lebten und durchaus nicht zu Exzessen hinneigten. Besonders wurde auch noch darauf gesehen, daß die gewählten Individuen von mittlerer Körperkonstitution waren, nicht etwa besondere Angewöhnungen im Speisegenuß hatten, sondern in freier Wahl eine gemischte Kost nahmen, welche in weitern Kreisen der entsprechenden Bevölkerungsgruppe gebräuchlich war. Die Bestimmungen lieferten folgende aus den Beobachtungen mehrerer Tage berechnete Mittelzahlen:
Individuen nach Alter, Geschlecht etc. | Körpergewicht | Eiweiß | Fett | Kohlehydrate | Bemerkungen zur Kostart |
---|---|---|---|---|---|
Kilogr. | Gramm | Gramm | Gramm | ||
Mädchen, in der ersten Lebenswoche | 2.5 | 7 | 11 | 15 | Muttermilch |
- Ende der zweiten Lebenswoche | 2.7 | 12 | 20 | 27 | - |
Knabe, 1 Monat alt | 4.4 | 19 | 29 | 41 | - |
Arbeiterkind, 4 Monate alt | 5.5 | 29 | 20 | 120 | Kuhmilch und Mehl |
Kind, 5 Monate alt | 6.0 | 40 | 37 | 50 | Verdünnte Kuhmilch |
Arbeiterkind, 2½ Jahre alt | 10.0 | 36 | 27 | 150 | Meist Vegetabilien |
Erwachsener (Arzt), 28-30 Jahre alt | 70.0 | 130 | 95 | 325 | Gemischte Kost |
- (Arbeiter), 36-38 Jahre alt | 70.0 | 132 | 90 | 450 | - - (mehr Vegetabilien) |
- (wohlhabend, ohne körperl. Anstrengung) | 62.0 | 90 | 80 | 285 | - - |
- (Bergmann in Nassau) | 67.0 | 133 | 113 | 634 | - - (reich an Vegetabilien) |
Arbeiterfrau, 30 Jahre alt | - | 76 | 23 | 340 | Fast nur Vegetabilien |
Frau (wohlhabend) | 50.0 | 70 | 100 | 190 | Fleisch, Eier, Milch, Brot |
Mann, 65 Jahre alt | 62.0 | 116 | 68 | 345 | Gemischte Kost |
Frau, 60 Jahre alt | - | 80 | 50 | 265 | - - |
Stillende Frau, 25 Jahre alt | 55.0 | 250 | 220 | 530 | - - u. täglich 5 Lit. Milch |
Hinsichtlich der Eiweißnahrung ist es durchaus nicht gleichgültig, ob diese dem Körper in Form von animalischem oder vegetabilischem Eiweiß dargeboten wird. Denn wenn auch gewisse Pflanzenstoffe einen ganz namhaften Eiweißgehalt besitzen, und wenn auch das Pflanzeneiweiß im allgemeinen weit billiger im Preise steht als das Eiweiß tierischer Abstammung, so ist doch eine ausschließliche Ernährung mit Vegetabilien höchst unzweckmäßig, und es gedeiht der menschliche Körper am besten bei einer aus Fleisch und Pflanzenstoffen in zweckmäßiger Weise gemischten Kost. Besonders ist es erwiesen, daß die Ausnutzung der tierischen Speisen weit besser erfolgt als die der pflanzlichen. So hat z. B. das vegetabilische Eiweiß lange nicht den Wert einer gleichen Menge von tierischem, wie es in der Form von Fleisch, Milch oder Käse genossen wird. Die Grunde hierfür liegen zum Teil in der Einschließung des Pflanzeneiweißes in Cellulose. Weiter ist gegen die ausschließliche Pflanzenkost einzuwenden, daß ihr Wassergehalt, abgesehen von den Getreide- und Leguminosenkörnern, so bedeutend ist, daß schon das bloße Volumen der pflanzlichen Nahrung nachteilig wirkt; so enthält z. B.
Weißbrot | 74 Proz. Wasser | Schwarzbrot | 86 Proz. Wasser |
Frische Erbsen | 81-87 - - | Gelbe Rüben | 92 - - |
Kartoffeln | 85 - - | Wirsing | 96 - - |
Das große Volumen der Pflanzenkost verhindert das ordentliche Eindringen der Verdauungssäfte in die aufgenommene Nahrung, und hierdurch wird der Eintritt von abnormen Gärungen ungemein begünstigt. Auch führt die dauernde Aufnahme voluminöser Nahrungsmittel zu einer Ausdehnung der Magen- und Darmwandung mit nachteiligen Folgen. Während nämlich das Hungergefühl zu den Gemeingefühlen zählt und keineswegs von örtlichen Erregungen des Magens abhängig ist, ist das Gefühl der Sättigung nur auf solche zurückzuführen.
Nehmen deshalb Menschen, die an voluminöse Nahrung gewöhnt sind, gehaltvollere Kost in kleinere Mengen, so macht sich bei ihnen das Gefühl der Sättigung nicht geltend, wenn auch das kleine Volumen das früher aufgenommene größere bedeutend an Nährstoffgehalt übertrifft. Weiter ist gegen ausschließliche Pflanzenkost die Bildung großer Mengen wasserreicher Exkremente anzuführen. Endlich erzeugt der fortgesetzte Gebrauch reiner Pflanzenkost oftmals Verdauungsbeschwerden und Ekel; übrigens gibt schon die ganze Einrichtung des Verdauungsapparats dem Menschen eine Mittelstellung zwischen dem Fleisch- und Pflanzenfresser; während nämlich der Verdauungsapparat der Pflanzenfresser etwa 15-20 Proz. ihres Körpergewichts ausmacht, beträgt dieser Wert beim Fleischfresser nur 5-6 Proz., beim Menschen aber durchschnittlich 7-8 Proz.
Künstliche Ernährung.
Als künstliche Ernährung bezeichnet man das Einbringen von Nährstoffen in den Magen oder Darm mit Hilfe der Schlundsonde, des Klystiers oder durch Magen- und Darmfisteln. Sie erfolgt, wenn bei krankhaftem Verschluß des Mundes (Starrkrampf), bei Verengerung der Speiseröhre, bei Geschwülsten am Magenmund od. dgl. die normale Nahrungsaufnahme unmöglich gemacht oder doch äußerst erschwert wird; auch bei Geisteskranken, die jede Nahrungsaufnahme hartnäckig verweigern (Sitophobie), kann sie erforderlich werden.
Die Schlundsonden sind hohl und werden durch den Mund, bei Kinnbackenkrampf auch wohl durch die Nasenhöhle, in den Schlund eingeschoben. Ist die Schlundsonde tief genug eingeführt, keine Angst, Atemnot, kein Husten vorhanden, so kann man überzeugt sein, daß man das Rohr in die Speiseröhre und nicht in den Kehlkopf eingeführt hat, schiebt sodann das Rohr dreist weiter und setzt dann eine mit nahrhaften Brühen (Fleischpepton, Eidotter, Milch etc.) gefüllte große Spritze an dasselbe.
Das Einspritzen selbst geschehe langsam, um plötzlicher Überfüllung, Aufstoßen etc. vorzubeugen. Auch bei dem Ausziehen muß man, ebenso wie bei dem Einführen der Schlundsonde, vorsichtig zu Werke gehen, die Mündung tief senken, indem man sie mit dem Daumen verschließt, damit die Flüssigkeit nicht auströpfeln und in den Kehlkopf sich ergießen kann. Ernährende Klystiere finden hauptsächlich dann Anwendung, wenn die Applikation der Schlundsonde unausführbar ist. Besonders gebräuchlich sind gegenwärtig die
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Leubeschen Fleischpankreasklystiere. Fein gehacktes mageres Rindfleisch wird außerhalb des Körpers mit fein gehackter Bauchspeicheldrüse (Pankreas) von frisch getöteten Schlachttieren in schwach alkalischem Wasser bei Brutofenwärme digeriert; nachdem alsdann der größte Teil des Fleisches verflüssigt ist, wird die Masse in den Mastdarm eingespritzt. Auch Peptonklystiere sind gebräuchlich. In verzweifelten Krankheitsfällen kann auch die Applikation einer Magen- oder Darmfistel und die künstliche Ernährung durch den Fistelgang angezeigt sein, und ganz unzweifelhaft steht der Chirurgie nach dieser Richtung hin noch ein weites Gebiet offen.
Vgl. Voit, Über die Theorien der der tierischen Organismen (Münch. 1868);
Derselbe, Physiologie des Gesamtstoffwechsels und der Ernährung (in Hermanns »Handbuch der Physiologie«, Bd. 6, Leipz. 1881);
Ranke, Die Ernährung (Münch. 1876);
Forster, Ernährung und Nahrungsmittel (im »Handbuch der Hygieine und der Gewerbekrankheiten« von v. Pettenkofer und v. Ziemßen, Bd. 1, Leipz. 1882);
Meinert, Armee- und Volksernährung; ein Versuch, Voits Ernährungstheorie für die Praxis zu verwerten (Berl. 1881);
König, Die menschlichen Nahrungs- und Genußmittel (das. 1886).
Die Ernährung der Pflanzen.
Die Aufnahme der Nahrungsstoffe ist bei der Pflanze kein unmittelbar sichtbarer Vorgang wie bei den Tieren, die stofflichen Beziehungen der Pflanze zu den sie umgebenden Medien sind nur dem chemischen Experiment zugänglich. Um die Nährstoffe einer normal sich ernährenden blattgrünhaltigen Pflanze kennen zu lernen, kultiviert man dieselbe künstlich in einer Nährstofflösung, deren Bestandteile willkürlich abgeändert werden können. Zu diesem Zweck läßt man Samen von Mais, Gartenbohnen, Buchweizen u. dgl. zwischen feuchten Sägespänen keimen und taucht die Wurzeln der Keimpflanzen in das Wasser des Kulturgefäßes, nachdem man den Keimstengel in passender Weise befestigt hat.
Für die Kultur der meisten Pflanzen genügt eine Lösung, welche auf 1 Lit. Wasser 1 g Kaliumnitrat, 0,5 g Magnesiumsulfat, 0,5 g Calciumsulfat, 0,5 g Calciumorthophosphat, 0,5 g Chlornatrium nebst 0,005 g Eisenchlorid enthält. Das Gelingen einer solchen Wasserkultur ist ferner davon abhängig, daß den Versuchspflanzen hinreichend Licht und Wärme zu Gebote stehen, und daß man sie von Zeit zu Zeit einige Tage in reines Wasser oder in Gipslösung setzt, um das leicht eintretende Verderben der Wurzeln zu verhindern.
Man erzielt auf diese Weise Pflanzen, welche vollkommen normale Blätter, Blüten und Früchte entwickeln und ein Trockengewicht erreichen, welches das des ursprünglich verwendeten Samens um das Hundert- bis Tausendfache übertrifft. Es ergibt sich hieraus auf das unzweifelhafteste, daß die in den Salzen der Nährlösung vorhandenen Stoffe im Verein mit den Bestandteilen der atmosphärischen Luft vollkommen zur der Pflanze ausreichen. Als völlig unentbehrliche Elemente der aus dem Boden aufgenommenen Pflanzennahrung sind nämlich nur Kalium, Calcium, Magnesium, Eisen, Phosphor, Schwefel und Stickstoff zu bezeichnen.
Läßt man eins der genannten Nährsalze fort, so erfährt das Wachstum der Versuchspflanzen tiefgreifende Störungen, welche zuletzt ihren Tod herbeiführen. Bei Nichtzusatz von Eisensalzen z. B. unterbleibt die Chlorophyllbildung; die in einer eisenfreien Lösung sich entwickelnden Pflanzen erzeugen nach Entfaltung einiger weniger durch den Eisengehalt des Samens bedingter Blätter nur weiße, kränkliche Blattorgane. Diese Erscheinung der Chlorose (Bleichsucht) wird durch Zusatz von einigen Tropfen Eisenchlorid zur Nährlösung oder auch durch Bestreichen der Blätter mit einer sehr verdünnten Eisensalzlösung nach einigen Tagen wieder aufgehoben.
Andre Elemente außer den oben genannten, wie z. B. Chlor, Natrium und Silicium, sind im allgemeinen für die Ernährung überflüssig; in Bezug auf letzteres Element glaubte man früher aus dem hohen Kieselsäuregehalt vieler Gräser auf die Unentbehrlichkeit desselben schließen zu müssen. Direkte Wasserkulturen haben jedoch die Entbehrlichkeit der Kieselsäure für Gräser bewiesen; auch das sogen. Lagern des Getreides, das bisweilen aus dem Mangel an Kieselsäure erklärt worden ist, rührt nicht davon her, sondern wird durch zu starke gegenseitige Beschattung der Pflanzen und eine damit verbundene mangelhafte Ausbildung der Festigungseinrichtungen des Getreidehalms hervorgerufen. Die Elemente der oben genannten Normallösung finden sich auch nach Verbrennung irgend welcher Pflanze in ihrer Asche wieder, während andre in Pflanzenaschen auftretende Elemente, wie Lithium, Zink (bei Pflanzen galmeihaltigen Bodens), Aluminium, Mangan, Kupfer etc., nur als nebensächliche Bestandteile gelten müssen.
Da die Hauptmasse des Pflanzenkörpers nicht aus den Aschenbestandteilen, sondern aus organischen Verbindungen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel besteht, so haben diese Elemente für die der Pflanze ganz besondere Bedeutung. Durch zahlreiche Versuche wurde bewiesen, daß Sauerstoff und Kohlenstoff aus der Atmosphäre, Wasserstoff als Wasser aus dem Nährboden, Stickstoff niemals direkt, sondern nur als salpetersaures oder als Ammoniaksalz, Schwefel in Form von Sulfaten aus dem Nährboden aufgenommen werden.
Ihren Gesamtbedarf an Kohlenstoff entnimmt die Pflanze der atmosphärischen Luft, welche nur ca. 1/20 Volumprozent Kohlensäure enthält; letztere wird dabei unter Abspaltung eines gleichen Volumens Sauerstoff zersetzt, während der Kohlenstoff in Form einer noch unbekannten Verbindung von der Pflanze aufgenommen, d. h. assimiliert, wird. Die Assimilation ist immer an das Vorhandensein von Chlorophyll (s. d.) und an die Gegenwart genügend intensiven Lichts geknüpft; sie findet bei allen höher organisierten Gewächsen in einem besondern Gewebe, dem Assimilationsparenchym der Blätter und aller grün gefärbten Pflanzenteile, statt; chlorophyllfreie oder im Dunkeln erwachsene Pflanzen vermögen die Kohlensäure nicht zu zersetzen.
Die Zersetzung der Kohlensäure innerhalb der Chlorophyllkörner erfolgt im gelben Licht in stärkerm Maß als im roten und grünen, noch schwächer durch die blauen, violetten und ultravioletten Strahlen des Spektrums. Als erstes sichtbares Produkt der Assimilation tritt das Stärkemehl (Amylum) innerhalb der Chlorophyllkörner auf; enthält die einer Pflanze dargebotene Atmosphäre keine Kohlensäure, so unterbleibt die Bildung des Amylums ebenso wie unter Lichtabschluß, bei einem Kohlensäuregehalt von 5-10 Proz. findet dagegen unter intensiver Beleuchtung ein Maximum von Kohlensäurezersetzung und Stärkebildung statt. Die quantitative Ausgiebigkeit dieses Prozesses erhellt daraus, daß 1 qm Blattfläche in 10 Tagesstunden 4-8 g Stärkemehl zu produzieren vermag. Das Stärkemehl entsteht übrigens nicht nur im Chlorophyll assimilierender Blätter, sondern auch tiefer im Innern von Pflanzenteilen, in Stengeln, Knollen und Wurzeln; es entwickelt sich in letzterm Fall aus eigentümlichen, protoplasmatischen, farblosen Körnern, den
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sogen. Stärkebildnern, die sich unter Umständen, wie z. B. in der Rinde der Kartoffelknollen, bei hinreichender Beleuchtung zu wirklichen Chlorophyllkörnern umwandeln.
Da das Stärkemehl das einzige sichtbare Assimilationsprodukt ist, so müssen auch sämtliche organische Hauptbestandteile der Pflanze, nämlich die Kohlehydrate, die Fette und die Eiweißstoffe, zu der zuerst gebildeten Stärke in genetischer Beziehung stehen. Für die Kohlehydrate (Cellulose, die Zuckerarten, Inulin etc.) hat diese Annahme bei der nahen chemischen Verwandtschaft derselben untereinander keine Schwierigkeit. Daß auch die Fette in Kohlehydrate übergehen können, geht aus dem Verhalten fettreicher Samen bei der Keimung hervor: bei der auf Kosten des aufgespeicherten Fettes direkt Zucker und Stärkemehl gebildet werden.
Schwieriger erklärbar erscheint die Entstehung der Eiweißstoffe, da dieselben außer den Elementen eines Kohlehydrats noch Stickstoff (ca. 15 Proz.) und Schwefel (ca. 1 Proz.) enthalten und die beiden letztern im Stärkemehl nicht vorhanden sind. Da der Stickstoff als salpetersaures Salz und der Schwefel als Sulfat aufgenommen wird, so müssen notwendigerweise irgendwo in der Pflanze noch unbekannte stickstoff- und schwefelhaltige Radikale mit Kohlehydratmolekülen zusammentreten, um Eiweißsubstanz und damit den Hauptbestandteil des pflanzlichen Protoplasmas (s. Zelle) zu erzeugen. Da nun das Asparagin, eine im Pflanzenreich sehr verbreitete Amidosäure, direkt aus den Eiweißstoffen keimender Samen entsteht und sich in letztere bei Beginn der Assimilation unter Verbrauch von Kohlehydraten wieder umzusetzen vermag, so vermutet man in dem Asparagin diejenige Substanz, aus welcher unter Aufnahme von Schwefel Eiweißsubstanz überhaupt erzeugt wird.
Kohlehydrate, Fette und Eiweißstoffe bilden die Baustoffe sämtlicher Pflanzenorgane und werden als solche überall da verbraucht, wo Wachstum und Neubildung von Teilen stattfindet, d. h. also in den Knospen und den Wurzelspitzen der Pflanze. Der Stoffwechsel letzterer besteht demnach darin, daß sie aus den Elementen der Kohlensäure und des Wassers zunächst Kohlehydrate und Fette einerseits, unter Aufnahme von Stickstoff und Schwefel in noch unbekannter Verbindungsform Eiweißsubstanz anderseits produziert und den Verbrauchsstätten zuleitet.
Nicht direkt bei dem Aufbau der Pflanzenorgane beteiligte Verbindungen, wie Gerbsäure, die Gummiarten, die Pflanzenalkaloide, Oxalsäure und andre Pflanzensäuren, ätherische Öle, Harze etc., werden in irgend welcher Form, oft in besondern Gewebebehältern, dauernd ausgeschieden. Der Überschuß von produzierten Baustoffen wird bei ausdauernden Pflanzen ebenfalls in besondern Reservestoffbehältern, d. h. in Rhizomen, Knollen, Zwiebeln, im Endosperm und in den Keimblättern der Samen, bei Holzpflanzen auch im Parenchym der Rinde und des Holzes, niedergelegt, um erst nach einer bestimmten Zeit der Vegetationsruhe Verwendung zu finden.
Als Reservestoffe treten vor allen Protoplasma und überhaupt Eiweißsubstanzen, letztere auch in Form von Kristalloiden und Aleuronkörnern, besonders im Samen, auf, ferner Stärkemehl in großkörniger Form (Reservestärke), Zuckerarten, darunter besonders Glykose, z. B. in den Zwiebeln der Allium-Arten, Rohrzucker in der Runkelrübe, Inulin mit eigentümlichen Sphärokristallen in den Knollen von Dahlia, Helianthus tuberosus u. a., bisweilen Cellulose, wie im Endosperm des Dattelkerns und von Phytelephas, endlich Fette in den Samen der Kruciferen, Palmen, Kukurbitaceen, Euphorbiaceen u. a. Während diese Stoffe in den Reservemagazinen in ruhendem, passivem Zustand sich befinden, treten Verbindungen eigentümlicher Art, die sogen. Fermente, auf, sobald mit beginnendem Neuwachstum die plastischen Baustoffe aktiv und zur Ernährung wachsender Pflanzenzellen geeignet gemacht werden sollen.
Das Eigentümliche der Fermentwirkung besteht zum Teil darin, daß durch ein nur in sehr kleiner Quantität auftretendes Agens große Mengen eines andern Stoffes in lösliche Form gebracht werden. Längst bekannt ist die Diastase, welche bei der Keimung der Gerste und andrer Gräser auftritt und im stande ist, große Mengen von Stärkemehl in lösliche Glykose zu verwandeln; nach neuern Untersuchungen ist dieselbe jedoch viel verbreiteter, als früher angenommen wurde.
Als diastatisch bezeichnet man zunächst alle die Fermente, welche die Umwandlung und Lösung des Stärkemehls in Knollen, Wurzeln, Stengeln und Blättern bewirken, ferner aber auch Substanzen mit ähnlicher Wirkung wie das Invertin, das von Pilzen gebildet wird und den Rohrzucker in Dextrose und Levulose spaltet, das Ferment, welches in der überwinterten Runkelrübe den Rohrzucker im Frühjahr in Glykose umwandelt, sowie auch den Stoff, der das Inulin der Dahlia-Knollen beim Austreiben in Glykose überführt.
Die peptonisieren den Fermente führen dagegen unlösliche Eiweißsubstanz in lösliche Form über und wurden im Pflanzenreich als Sekret der insektenfressenden Pflanzen (s. d.), bei der Keimung der Samen von Vicia, Hanf, Lein und Gerste, im Plasma von Myxomyceten sowie im Milchsaft von Carica Papaya und Ficus Carica nachgewiesen. Ob die im Pflanzenreich sehr verbreitete Asparaginbildung auf Fermentwirkung beruht, ist zweifelhaft; jedenfalls aber wird das schwer diffundierende Eiweiß durch die Verwandlung in Asparagin in Lösung gebracht, und letzteres tritt daher überall in keimenden Samen oder austreibenden Sprossen und Winterknospen auf, da es das Material darstellt, aus welchem die Pflanze unter Zutritt von Kohlehydraten Eiweißsubstanz regeneriert. In besonders reichlicher Menge bildet sich Asparagin, wenn man die Versuchspflanzen im Dunkeln aufwachsen läßt, weil dann die Menge der Kohlehydrate zur Regeneration von Eiweiß nicht ausreicht; bei starker Beleuchtung verschwindet das Asparagin wieder.
Alle plastischen Stoffe haben auf ihrem Weg von den Entstehungsorten nach den Reservebehältern sowie von diesen nach den Verbrauchsstätten die zwischenliegenden Gewebe zu durchwandern und müssen zu diesem Zweck oft weite Strecken, z. B. in einem Baum von den Blättern bis zu den Wurzelspitzen viele Meter, zurücklegen. Da z. B. das feste Stärkemehl unmöglich die Zellwände durchdringen kann, so muß dasselbe bei dem Übertritt von einer Zelle zur andern in lösliche Glykose verwandelt und dann mit Hilfe der Stärkebildner (s. oben) in jeder Zelle von neuem in feinkörniger Form (transitorische Stärke) ausgeschieden werden.
Die Wege, in denen die Stärke wandert, sind in den Blättern die Parenchymscheiden (Stärkescheiden) der Gefäßbündel, im Holz die Holzparenchymzellen und das Markstrahlengewebe. Oft sind besondere Zuleitungsgewebe vorhanden, welche die plastischen Stoffe aus dem Assimilationsparenchym in das Ableitungsgewebe der Gefäßbündel überführen. Die schleimigen Eiweißstoffe wandern in den Siebteilen der Gefäßbündel entlang, während die Leitung von Wasser von den Holzzellen und Gefäßen besorgt wird. Der zur Bewegung der
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plastischen Stoffe in den Siebröhren (s. d.) notwendige Druck wird durch die Turgeszenz des umgebenden Parenchyms hervorgerufen; die siebartig durchbrochenen Querplatten der genannten Röhren ermöglichen dabei in der Vegetationszeit den direkten Durchtritt von einem Siebröhrenglied zum andern, während die Sieblöcher zur Winterszeit geschlossen sind. Eine ganz allgemeine Ursache der Stoffbewegung im Innern der Pflanze bildet die Diosmose, welche in Wechselströmungen von Flüssigkeiten ungleicher Konzentration durch eine Scheidewand (im Pflanzenkörper durch die mit einem Plasmaschlauch ausgekleidete Zellwand) besteht.
Die Strömung des Wassers und der in ihm gelösten Nährsalze von der Wurzel bis zu den obersten Sproßgipfeln wird stets durch die Verdunstung (Transpiration) in den assimilierenden Blattflächen hervorgerufen; die Bewegung der Wasserteilchen findet in der Wandung der Holz- und Gefäßzellen statt, welche in lebendem Zustand fortwährend von Wasser imbibiert sind und jede Verminderung ihres Wassergehalts durch sofortige Aufnahme neuer Wassermoleküle aus ihrer Nachbarschaft auszugleichen suchen.
Eine Erklärung dieses sogen. aufsteigenden Stroms durch Kapillarität widerspricht bekannten physikalischen Gesetzen. Das Vorkommen von Wasser im Innern von eingeschlossenen Holz- und Gefäßzellen erklärt sich daraus, daß in letztern der Luftdruck geringer ist als in der Atmosphäre und oft nur die Hälfte oder ein Drittel des atmosphärischen Druckes ausmacht; es kann daher unter diesen Umständen Wasser aus dem umgebenden Parenchym in die Gefäße eingepreßt werden.
Die Aufnahme des Wassers und der in ihm enthaltenen Nährstoffe aus dem Boden findet durch die Wurzelhaare statt, welche zwischen die mit einer dünnen Wasserhülle umzogenen Bodenpartikelchen eindringen und zum Teil mit denselben verwachsen. Da die Bodenteilchen durch Molekularattraktion Nährsalze, wie Kaliumverbindungen, Phosphate, Ammoniaksalze, mit großer Kraft festhalten, so wird durch die erwähnte Verwachsung den Wurzelhaaren die Aufnahme der Nährstoffe wesentlich erleichtert, zumal sie ein saures Sekret absondern, welches unter anderm kohlensauren und phosphorsauren Kalk in merklicher Weise auflöst.
Die lebende Wurzel nimmt Wasser überdies mit einer besondern Kraft, dem Wurzeldruck, auf, welche dadurch gemessen werden kann, daß man auf einen dicht über der Wurzel gemachten Stammquerschnitt eine weite, mit Wasser gefüllte, oben geschlossene, aber seitlich mit einem dünnen Steigrohr versehene Glasröhre wasserdicht aufsetzt. Das Wasser wird dann bei Sommerpflanzen mit einer Kraft hervorgetrieben, welche einer Quecksilbersäule des Steigrohrs von 20-30 cm, bei der Weinrebe sogar von 100 cm das Gleichgewicht hält.
Durch den Wurzeldruck wird das bekannte, schon von Hales studierte Bluten der Weinrebe und andrer Pflanzen hervorgebracht, eine Erscheinung, die eine gewisse Periodizität einhält, in der Regel vormittags zwischen 8-11 Uhr ein Maximum zeigt und wochenlang andauern kann. Sie erklärt sich am einfachsten durch die Annahme einer starken Turgeszenz innerhalb der als endosmotischer Apparat wirkenden Wurzelhaarzelle, deren Protoplasmaschlauch dem von außen eindringenden Wasser einen viel stärkern Filtrationswiderstand entgegensetzt, als solcher bei dem diosmotischen Austausch von Zelle zu Zelle stattfindet; da der Zellturgor einen Druck von mehr als 1 Atmosphäre zu erreichen vermag, so kann Wasser auf diese Weise über 10 m hoch getrieben werden.
Als letzte allgemeine Bedingung für die der Pflanze tritt das Vorhandensein von freiem Sauerstoff in ihrer Umgebung hervor, da alle ihre Lebensvorgänge, wie Wachstum, Protoplasmaströmung, Reizbarkeit u. a., sistiert werden, sobald die Sauerstoffzufuhr längere Zeit hindurch abgeschnitten wird. Die beständig und sowohl bei Beleuchtung als im Dunkeln stattfindende Wechselwirkung zwischen den organischen Verbindungen des Pflanzenkörpers und dem Sauerstoff der Luft wird als Atmung bezeichnet; die Pflanze oxydiert dabei einen Teil ihrer eignen Körpersubstanz zu Kohlensäure und Wasser und verzehrt deshalb in einem abgeschlossenen Raum den Sauerstoff, um dafür Kohlensäure auszuscheiden. Da dieser Prozeß der im Licht erfolgenden Kohlensäurezersetzung (Assimilation) entgegengesetzt ist, so wird er bei intensiver Beleuchtung durch letztern verdeckt und ist am leichtesten an nicht assimilierenden Keimpflanzen, an chlorophyllfreien Gewächsen oder auch an grünen Pflanzen im Dunkeln nachzuweisen.
Werden Pflanzen in einem abgeschlossenen Raum nach Verbrauch des vorhandenen Sauerstoffs weiter kultiviert, so fahren sie noch einige Zeit mit der Kohlensäureausscheidung fort, indem sie den notwendigen Sauerstoff ihrer eignen Körpersubstanz entnehmen. Diese sogen. intramolekulare Atmung, welche auch bei Tieren, z. B. den Fröschen, in sauerstofffreier Atmosphäre eintritt, wird von einigen Physiologen mit der Alkoholgärung in Parallele gebracht, da mit der Kohlensäure auch kleine Mengen von Alkohol auftreten; sie erscheint jedoch der normalen Atmung gegenüber als ein durchaus abnormer Vorgang. Über die durchaus abweichende der Pilze, Flechten, Schmarotzergewächse und der insektenfressenden Pflanzen s. die Spezialartikel.
Vgl. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (Leipz. 1882);
Detmer, Lehrbuch der Pflanzenphysiologie (Bresl. 1883);
Hansen, Die der Pflanzen (Leipz. 1885).