mehr
fuhren die Normannen bis zu den höchsten Breiten, 870 bis in die Dwinamündung. Die Küsten der Ostsee wurden erst im 11. Jahrh. besser bekannt, und dänische Seefahrer besuchten zu Adams von Bremen [* 2] Zeit bereits den Finnischen Busen. Unbekannt blieb dem frühern christlichen Mittelalter, welches die griechischen Schriftsteller nicht benutzte, daß 569 Zemarchos sich im Auftrag des Kaisers Justinus II. zu Dissabulus, einem türkischen Chan, begab, dessen nomadisches Hoflager am Ektag (Altai?) stand. Nur vom Heiligen Land, wohin fromme Pilger wallfahrteten, erhielt man eingehendere Kunde.
Alle Gelehrsamkeit in jener Periode beschränkte sich auf den geistlichen Stand, und die klösterlichen Verfertiger der Weltkarten zweifelten nur, ob es orthodoxer sei, die trockne Ländermasse sich scheibenförmig oder viereckig zu denken. Die erste Ansicht, gestützt auf die Bibel, [* 3] welche den Ausdruck »Erdkreis« gebraucht, drang durch, und so entstanden denn die Radkarten des Mittelalters. (S. nebenstehende Skizze.)
[* 1] ^[Abb.: Radkarte des Mittelalters.]
Alle diese
Karten zerlegten den runden Erdkreis in eine östliche Hälfte, welche
Asien
[* 4] einnahm, und in
eine westliche, die unparteiisch zwischen
Europa
[* 5] und
Afrika
[* 6] geteilt wurde, so daß noch 1422 der geographische Dichter
Lionardo
Dati es aussprechen konnte: die Erdfeste sei als ein T in einem O leicht darzustellen. Eine solche Verteilung der Ländermassen
unter drei
Festlande war um so schwieriger zu beseitigen, als sie sich auf einen
Ausspruch des heil.
Augustinus
gründete.
Jerusalem
[* 7] aber war der
Mittelpunkt der
Welt.
Während im christlichen
Abendland die Erdkunde mehr und mehr verkümmerte, erfreute sie sich bei dem begabten
Volk der Araber eines
mächtigen Aufschwunges.
Kein
Volk war auch wie dieses
auf die Erforschung der
Alten Welt hingewiesen; erstreckte
es doch seine Herrschaft von
Spanien
[* 8] bis zum
Indus, vom
Kaukasus bis zu den afrikanischen Negerländern. Die jährlichen Pilgerfahrten
nach
Mekka führten die Gläubigen von den
Enden der
Welt zusammen, und der größte Festlandreisende aller
Zeiten, der mehr
Räume durchwanderte als
Marco Polo und
Livingstone zusammen,
Ibn Batuta, war ein Araber.
Auch über das christliche Abendland erstreckten sich die Wanderungen der arabischen Reisenden, und ihr Edrisi (12. Jahrh.) kam bis England und kannte die Färöer. Alte arabische Handelsverbindungen reichten in Rußland bis Kasan, [* 9] wie dort gefundene arabische Münzen [* 10] beweisen; man kannte auch die Steppen am Balchasch und die Filzjurten der nomadisierenden Kirgisen. Ebenso waren die innerasiatischen Straßen durch Turkistan bis nach Chambalik, der Kaiserstadt Peking, [* 11] bekannt; 1420 zog dorthin ein Botschafter des Schah Roch, des Timuriden.
Über Indien und das südliche China [* 12] waren die Araber, die auf dem Seeweg dorthin gelangten, wohlunterrichtet; ebenso schildern sie Javas Vulkane [* 13] und erzählen von den Muskatnüssen und Gewürznelken der Molukken. Unsicher dagegen erscheint, ob sie schon Kunde von Japan oder gar von Australien [* 14] besaßen. Ausgebreitet war ferner die Kenntnis der Araber von Afrika. An der Ostküste war eine Reihe arabischer Handelsstädte entstanden; ihr südlichster Punkt war das heutige Inhambane unter dem Wendekreis des Steinbocks.
Sie beschreiben auch Madagaskar [* 15] als Komr oder Mondinsel, ein Name, der sich in den benachbarten Komoren bis heute erhalten hat. Der Glaube des Propheten war ein treibendes Element für die Araber, und schon frühzeitig trugen sie denselben zu den Schwarzen Innerafrikas. 1086 setzte sich der Islam in Bornu, im Herzen Afrikas, fest, und vom 11. bis 13. Jahrh. überflutete er die Länder am mittlern Niger, das Sonrhayreich und Melli. An der Westküste wagten sich ihre Schiffe [* 16] aber nicht über Kap Nun hinaus, und hier brachen erst die Portugiesen Jahrhunderte später die alten Vorurteile. So umfaßte die Länderkunde der Araber ganz Europa mit Ausnahme des höchsten Nordens, die südliche Hälfte von Asien, Nordafrika bis zum 10. Breitengrad und die Gestade Ostafrikas bis zum Wendekreis des Steinbocks.
Eifrige Freunde der Astronomie, [* 17] hielten die Araber das mathematische Wissen in hohen Ehren. Das Werk des Ptolemäos war unter dem Namen »Almagest« im 9. Jahrh. schon ins Arabische übersetzt worden, und bei ihnen herrschte (im Gegensatz zum christlichen Abendland) weder Streit noch Zweifel darüber, daß die Erde eine Kugel sei und im Mittelpunkt des Weltalls schwebe. Die zahlreichen Ortsbestimmungen aus dem 13. Jahrh., namentlich jene des Abul Hasan aus Marokko, [* 18] überraschen noch jetzt durch ihre verhältnismäßige Genauigkeit; denn sie differieren durchschnittlich um nicht mehr als ⅓ Grad.
Weniger glücklich waren die Araber in der Kartendarstellung, und die beiden Gemälde des Edrisi (1154), welche uns erhalten sind, nämlich ein kreisförmiges Erdbild und eine viereckige Weltkarte in 70 Blättern, sind nicht rein arabische Werke, sondern mit den Kenntnissen des Abendlandes, namentlich des Ptolemäos, verquickt. Allen frühern Geographen voran stehen aber die Araber in Bezug auf ihre Schilderungen der Gesittung fremder Völker und der Merkwürdigkeiten entfernter Länder.
Diesen Fortschritten der Erdkunde konnten sich auch die abendländischen Geographen nicht
lange entziehen. Durch den
»Almagest« wurde
Ptolemäos wieder im
Abendland bekannt, und dasselbe war der
Fall mit andern »heidnischen«
Schriften, welche anfangs verketzert wurden. Es waren drei
Geistliche, die im spätern
Mittelalter unsre
Wissenschaft förderten:
Albert von Bollstädt (der
Große),
Roger
Bacon und
Vinzenz von
Beauvais. Außer der Berührung mit den Arabern
und dem Wiedergewinn der klassischen Schriftsteller durch dieselben
förderten die Mongoleneinbrüche im 13. und 14. Jahrh.
sowie die
Eröffnung des atlantischen Seewegs von
Italien
[* 19] nach
Flandern die Erdkunde. Die erste
Kunde des transuralischen
Asien verdanken
wir geistlichen
Botschaftern, welche an die
¶
mehr
Nachfolger des Dschengis-Chan (d. h. Großherrscher) gesandt wurden. Die bedeutendsten derselben sind: Plan Carpin, ein Italiener, welcher im päpstlichen Auftrag nach der Mongolenresidenz Karakorum wanderte, deren Standort erst 1873 der Russe Panderin in den Ruinen von Kara Balghassum bei Urga nachgewiesen hat. Ihm folgte der Niederländer Wilhelm von Ruysbroek (Rubruquis) als Botschafter Ludwigs des Heiligen (1253). Da die Mongolen den Handel begünstigten, so wurde im 14. Jahrh. ein geordneter Überlandverkehr bis nach Chambalik oder Peking in China eröffnet, über den wir durch den Florentiner [* 21] Balducci Pegoletti (1336) und die berühmte Katalanische Weltkarte vom Jahr 1375 unterrichtet sind.
Kein Reisender nach dem fernen Osten machte aber im Mittelalter mehr Aufsehen und gelangte weiter als der Venezianer Marco Polo. Schon 1254-1269 waren Niccolò und Maffio Polo bis nach Karakorum gelangt, und 1271 brachen sie abermals dorthin auf, begleitet von Marco, Niccolòs Sohn, und kamen erst 1295 nach Venedig [* 22] zurück. Die drei Polo wanderten also 24 Jahre im Morgenland; 17 Jahre davon stand Marco im Dienst Kublai-Chans, und drei Jahre dauerte seine Rückreise aus China nach Europa.
Turkistan, die Hochebene Pamir, [* 23] die Mongolei, China, Jünnan, das östliche Tibet und nördliche Birma lernte er kennen. Auf dem Seeweg über Kochinchina, Sumatra, Indien kehrte Marco heim und entzündete hier durch seine Schilderungen von China und Zipangu (Japan) den Gedanken der westlichen Überfahrt nach Asien. Bald wurde, namentlich durch Missionäre, ein dauernder Verkehr mit China angeknüpft; unter ihnen ragt hervor der Franziskaner Odorico de Pordenone, der 1316 seine Reise antrat und 15 Jahre im Morgenland blieb. Das Christentum breitete sich in China aus, und die Glaubensboten trugen viel dazu bei, das östliche Land in Europa besser bekannt zu machen. Auch über Indien verdanken wir um jene Zeit einem Venezianer, Niccolò Conti, die besten Nachrichten; er wanderte quer durch Dekhan, besuchte Hinterindien [* 24] und den Archipel, wo er die Heimat der Muskatnüsse und Gewürznelken sah. - Durch die Ausbreitung des Christentums in Nubien und Abessinien wurde auch die Kunde Afrikas wesentlich gefördert.
Den sogen. Erzpriester Johannes, den man lange im Himmelsgebirge in Asien gesucht, versetzte man nun in die abessinischen Alpen, [* 25] und das christliche Abendland strebte nach einem Bündnis mit den schwarzen abessinischen Christen gegen den gemeinsamen Feind, den vordringenden Islam. Wie die im Dogenpalast zu Venedig befindliche Weltkarte des Fra Mauro aus dem 14. Jahrh. zeigt, kannte man Abessinien damals sehr genau, und auf der berühmten Katalanischen Karte von 1375 ist Nordafrika bis nach Timbuktu und dem Goldmarkt Melli, beide am Ganatischen Nil gelegen, wie die Araber den Niger zu nennen pflegten, in großer Ausführlichkeit eingezeichnet.
Dadurch, daß im äußersten Westen der Alten zwischen dem Mittelmeer und dem Norden [* 26] Europas ein geregelter Frachtverkehr zur See entstand, wurde die Erdkunde erheblich bereichert. 1318 erschienen die ersten mit Gewürz beladenen Fahrzeuge der Venezianer in Antwerpen, [* 27] und gleichzeitig drangen die Genuesen nach Flandern vor. Ihnen verdanken wir (Ende des 13. Jahrh.) die Entdeckung der Kanarischen Inseln, die 1351 bereits auf einer italienischen Seekarte erschienen und 1402 von Europäern besiedelt wurden.
Die Madeiragruppe und die Azoren erscheinen gleichfalls in der Mitte des 14. Jahrh. als
wohlbekannt.
Einen entschiedenen Fortschritt zeigt in dieser
Periode die Kartographie, indem jetzt der Kompaß
[* 28] allgemein in Gebrauch kam;
er kürzte und sicherte den Lauf der Schiffe, denn seinem Gebrauch verdanken wir die alten Seekarten, die mit Wind- und Kompaßrosen
bedeckt sind. Die ältesten bekannten Kompaßkarten verfertigte der Venezianer Marino Sanuto (Anfang des 14. Jahrh.); 100 Jahre
später zeigen die Karten seines Landsmannes Fra Mauro bedeutende Fortschritte. Er zeichnete bereits Vorderindien auf die Ptolemäischen
Karten ein, die als Grundlage immer noch Geltung hatten; China, Ostasien waren schon nach Marco Polo, Conti u. a. eingetragen,
und eine solche Karte hatte auch der Entdecker Amerikas an Bord, als er den Seeweg nach »Indien« einzuschlagen
gedachte.
[Zeitalter der Entdeckungen.]
Eine völlig neue Zeit für die Geschichte der Erdkunde bricht an mit dem hochbegabten portugiesischen Infanten Heinrich, der den Beinamen des »Schiffers« oder »Seefahrers« führte. Mit ihm beginnt das »Zeitalter der Entdeckungen«, das bis ins 17. Jahrh. hineinreicht. Seinen Bemühungen seit 1415 gelang es, daß die Portugiesen, langsam an der Westküste Afrikas südwärts vordringend, mehr und mehr nautisches Geschick erwarben, bis endlich 1486 Bartholomeu Dias das »Kap der Stürme« umschiffte, dem König Johann II. den Namen des Kaps der Guten Hoffnung beilegte. Doch erst nach der Entdeckung Amerikas nahm Vasco de Gama 1498 die Fahrten der Portugiesen wieder auf: er fuhr an der Ostküste Afrikas aufwärts bis Melinde und kreuzte mit Hilfe der regelmäßigen Winde [* 29] den Ozean, um das ersehnte Ziel, Indien, auf dem Seeweg zu erreichen.
Schon frühzeitig hatte man in Portugal daran gedacht, den Weg nach Zipangu (Japan) und China durch eine Fahrt quer über den Atlantischen Ozean zu verkürzen. Der große Florentiner Astronom Toscanelli gab 1474 darüber ein von einer Karte begleitetes Gutachten ab, auf welcher er den Ostrand Asiens etwa in den Meridian des heutigen Kalifornien verlegte. An der Stelle Amerikas aber lag eine rätselhafte Insel, Antiglia, deren Name später auf die westindischen Inseln übertragen wurde.
Von Toscanellis Angaben erhielt der Genuese Kolumbus bei seinem Aufenthalt in Lissabon [* 30] Kunde, und lebhaft sie erfassend, beschloß er, Zipangu und das Quinsay Marco Polos auf dem atlantischen Weg zu erreichen. Im Dienst Spaniens trat er 1492 von Palos aus seine Fahrt an, kreuzte von der Kanareninsel Gomera ab den Atlantischen Ozean an seiner breitesten Stelle und landete 12. Okt. auf der Bahamainsel Guanahani (Watlingsinsel). Auf fernern Reisen entdeckte er die Mehrzahl der Antillen, Teile des Festlandes von Venezuela [* 31] und Zentralamerika. [* 32]
Seit 1499 waren neben ihm thätig Amerigo Vespucci und Juan de la Cosa. Ein Zufall führte zur Entdeckung Brasiliens durch den Portugiesen Cabral (1500). Spanische [* 33] Entdecker aber enthüllten 1513 die Länder nördlich vom Golf von Mexiko, [* 34] gleichzeitig überschritt Vasco Nuñez Balboa die Landenge von Panama; [* 35] es folgten die »Konquistadoren« Cortez in Mexiko, Pizarro in Peru, Almagro (1535) in Chile. [* 36] Inzwischen waren auf Anregung Amerigo Vespuccis die Fahrten südwärts von Brasilien [* 37] durch spanische Schiffe fortgesetzt, worauf Fernão da Magelhaens (Magellan) mit einem spanischen Geschwader durch die nach ihm benannte Straße die Südspitze Südamerikas umfuhr. Er durchsegelte in nordwestlicher Richtung den Stillen Ozean, entdeckte die Ladronen (Marianen) und ¶