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Bereich der abflußlosen Gebiete, oder endlich die großartige Umformung der Gesteinsflächen der tropischen Kontinente zur Lateritdecke. Hierauf folgt eine Klassifikation der Oberflächentypen des Festlandes. Begriffe und geographische Verbreitung der Kettengebirge, der Vulkangebirge, der Massengebirge (Massive), ferner der Längen- und Querthäler werden entwickelt, die Ursachen ihres Vorkommens erläutert. Hochebenen und Tiefebenen werden gleichfalls klassifiziert; der Begriff der mittlern Höhe für die einzelnen Erhebungsformen wie für das Festland im allgemeinen entwickelt und deren Werte festgestellt.
Nun folgt als vierter Hauptteil der allgemeinen Erdkunde [* 2] die biologische Geographie, behandelnd erstlich die geographische Verbreitung der Pflanzen nach ihren Hauptzonen (horizontal) und Regionen (vertikal genommen), endlich nach den Vegetationsformationen, deren wichtigste Wälder, Steppen und Wüsten sind. Besondere Wichtigkeit ist hierbei der geographischen Verbreitung der Nutzpflanzen beizumessen. Zweitens begreift die biologische Erdkunde die geographische Verbreitung der Tiere in sich nach ihren verschiedenen Faunengebieten. Auch hier steht die Verbreitung der nutzbaren Tiere obenan. Die Ursachen der gegenwärtigen Verbreitung vieler charakteristischer Tier- und Pflanzenfamilien sind häufig nicht ohne Bezugnahme auf die Lehren [* 3] der Paläontologie, also einer Hilfswissenschaft der Geologie, [* 4] zu erklären. Damit ist der Inhalt der physikalischen Erdkunde in großen Zügen umschrieben.
Die Anthropogeographie untersucht nun die Wirkungen aller der vorgenannten Erdoberflächenobjekte und Erdoberflächenerscheinungen auf die kulturliche und politische Geschichte der Menschheit. So wird die Einwirkung des Klimas, z. B. der Tropen, auf Einzelne wie auf Völker untersucht, es werden die Unterschiede der Lebens- und Arbeitsweise oder im Charakter schon der Nord- und Südländer in Europa [* 5] aufgedeckt, endlich die Rolle der gemäßigten Zone als eigentlicher Kulturzone begründet.
Der Ozean tritt in die Erscheinung als stärkste Schranke der Völkerverbreitung, wenn auch als keine unübersteigliche. Hier bildet der Seeverkehr in seiner Entwickelung gemäß der fortschreitenden Bemeisterung des Meers durch den Menschen eine klar umgrenzte anthropogeographische Aufgabe. An Binnenseen zeigt sich vielfach Anlehnung selbständiger Kulturen, die Flüsse [* 6] weisen in Wanderungen und im Verkehr den Weg zum Meer und umgekehrt von den Küsten ins Binnenland; ferner ist die Rolle der Flüsse als Grenzen [* 7] zu untersuchen.
Die Abhängigkeit menschlicher Geschichte von der horizontalen Konfiguration des Festen zeigt sich zunächst in den günstigen Wirkungen reicher Küstengliederung, im allgemeinen Gegensatz von Küsten- und Binnenland, ferner in der Geschichte der mittelmeerischen Völker, in der Absonderung der Inselbewohner (man denke auch an die der eingebornen Australier), in dem Gegensatz von Halbinselvölkern zu denen des Festlandrumpfes. Dies führt zur Lehre [* 8] von der geographischen Bedingtheit politischer Grenzen, anderseits auch der Vereinigung der Länder zu natürlichen Gruppen oder umgekehrt der Zergliederung einheitlicher Länder nach ihren innern Verschiedenheiten.
Hieran schließt sich, wiederum als schön abgegrenzte Aufgabe, die Lehre von der örtlichen Bedingtheit der Wohnstätten oder die Siedelungskunde, die schon früher in J. G. ^[Johann Georg] Kohl ihren Meister gefunden hat. Mit einer Würdigung der Raumverhältnisse in Beziehung zur politischen Macht der Länder und Reiche und ihrer Dauer in der Geschichte sind die Einwirkungen der horizontalen Konfigurationen der Festländer wohl erschöpft. Die vertikalen Unebenheiten der Erdoberfläche ergeben alsbald den Gegensatz zwischen Flach- und Gebirgsländern, sowohl hinsichtlich der Fähigkeit der Völkerverbreitung als Völkerscheidung.
Die Bedeutsamkeit der Hochebenen für ursprüngliche Kulturentwickelungen zeigt sich in reinster Form auf amerikanischem Boden. Die anthropogeographischen Einwirkungen der Vegetationsformationen sind besonders klare: die Urwaldvölker der Tropen, die Waldbewohner der gemäßigten Breiten, die Steppen- und Wüstenvölkerzeigen spezifische Charakterzüge in Kultur und Geschichte. Ebenso klar sind die historischen Funktionen der nutzbaren Pflanzen und Tiere, aber auch der dem Menschen feindlich gegenübertretenden Lebeformen, die auf den Charakter stählend einwirken können. So etwa gliedert sich nach Friedrich Ratzel in seinen Hauptpunkten der anthropogeographische Stoff.
Geschichte der Erdkunde.
[Altertum.]
Die Erdkunde ist unzweifelhaft eine alte Wissenschaft zu nennen. Zwar wissen wir von den geographischen Kenntnissen der alten Kulturvölker Mesopotamiens und Ägyptens, deren astronomisches Wissen unsre Bewunderung verdient, nur wenig, und auch die berühmte Völkertafel der Genesis kann nur als vereinzeltes, wenn auch altes Bruchstück einer merkwürdig ausgedehnten ethnographischen Kenntnis gelten, an der vielleicht auch den Phönikern ein Anteil gebührt.
Von den Chinesen sagten wir oben schon, daß sie es nicht über eine trockne Chorographie in der engen Form der Heimatskunde hinausgebracht haben; freilich besitzen sie eine solche schon seit Jahrtausenden, während erst seit dem 3. Jahrh. vor unsrer Zeitrechnung spärliche Berichte von fernen Ländern auftreten. Im klassischen Altertum besaßen die Römer [* 9] sicherlich die genaueste chorographische Kenntnis ihres Weltreichs und einiger angrenzender Gebiete. Der hohe Norden [* 10] Europas, das nördliche Asien [* 11] jenseit des Kaspischen Meers, also Sibirien, waren der Kenntnis der Alten ganz verschleiert; von China [* 12] waren so unklare Begriffe vorhanden, daß Ptolemäos es doppelt auf seinen Karten eintrug; die südostasiatische Inselwelt war kaum über Java hinaus, Ostafrika bis in die Gegend von Sansibar, [* 13] Westafrika bis etwa zum heutigen Sierra Leone bekannt, während man vom Innern Afrikas einige verwirrte Nachrichten über die Negerländer südlich der Wüste und die Seengebiete am obern Nil findet. Näheres s. unter Asien (S. 928) und Afrika [* 14] (S. 169).
Wo eine wissenschaftliche Durchdringung des geographischen Stoffes versucht ist, treffen wir immer auf griechische Namen, so daß zweifelsohne die Griechen die Schöpfer der wissenschaftlichen Erdkunde genannt werden dürfen. Während noch Anaxagoras (geb. 499 v. Chr.) lehrte, daß die Erde eine Fläche sei, und der vielgereiste Herodot dieselbe sich scheibenförmig und in der Mitte etwas ausgehöhlt dachte, waren die Pythagoreer die ersten, welche die Kugelgestalt der Erde annahmen, eine Anschauung, die aus mathematischen Gründen zuerst Parmenides aus Elea (um 460) lehrte.
Entschieden für die Gebildeten aller spätern Zeiten wurde die Streitfrage indessen erst durch Aristoteles, der die Mondverfinsterungen als den ersten sinnlichen Beweis von der Kugelgestalt unsers Planeten [* 15] zu Hilfe nahm, während später Ptolemäos die Lehre durch die Wahrnehmung erhärtete, daß auf hoher See zuerst die Spitzen von Küstengegenständen sichtbar werden. Was die Größe unsrer Erde anbelangt, so hatte den Umfang derselben Aristoteles auf 400,000, Pytheas aus Marseille [* 16] auf 300,000, Archimedes auf weniger ¶
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als 300,000 Stadien (à 184,97 m) geschätzt. Der erste aber, der die Erde wirklich gemessen hat und zwar nach einem Verfahren, das noch jetzt befolgt wird, ist der Athener Eratosthenes (276-196). Er erwählte den Erdbogen zwischen Alexandria und Syene (Assuân) am Nil, von welchen Orten er annahm, daß sie unter demselben Meridian lägen, zur Messung. Seine Rechnung ergab für den Erdumfang 252,000 Stadien, von denen 40 auf 1 ägyptischen Schönus (= 6,3 km) gingen, d. h. für den Erdgrad 110,25 km, was der Wahrheit überaus nahe kommt, aber nur einem Zufall zuzuschreiben ist. Ptolemäos verwarf indes diese Messung und zog die des Posidonios vor, welche den Erdumfang zu 180,000 olympischen Stadien, d. h. 1/6 zu klein, fand. Darstellungen der Erde, Vorläufer unsrer Karten, finden wir zuerst bei Anaximander (gest. 547); die neue Kunst bildete Hekatäos (geb. 544) weiter aus, und Aristagoras erregte um 500 in Lakedämon Aufsehen mit einer ehernen Tafel, auf welcher der Erdkreis eingeschnitten war.
Diese ältesten Karten sind verloren gegangen, ebenso wie jene des Marinos aus Tyros, der zuerst bei der Ortsbestimmung [* 18] Längen und Breiten berücksichtigte. Von großer Bedeutung wurden die Karten des Alexandriners Claudius Ptolemäos (um 125 n. Chr.), die bis ins 15. Jahrh. Geltung behielten, und deren Fehler erst im 18. Jahrh. völlig beseitigt wurden (s. Ptolemäos). Zwei Lehren waren im Altertum herrschend über die Verteilung des Trocknen und Flüssigen auf der Erdoberfläche.
Die sogen. Homerische Schule, zu der Eratosthenes und Strabon zählten, betrachtete die drei Festlande der Alten Welt als eine zusammenhängende Insel, die vom Weltmeer (Okeanos) umflossen werde. Eratosthenes aber vermutete schon, daß es außer unsrer Menschenweltinsel noch andre Weltinseln gäbe, auf denen unbekannte, von uns verschiedene Geschöpfe lebten, eine Ansicht, die dem Entdecker Amerikas allerdings unbekannt geblieben ist. Kolumbus bekannte sich nämlich zu den Anschauungen der Gegner jener Homerischen Schule, die von Aristoteles, Hipparch, Marinas und Ptolemäos vertreten waren. Diese wollten kein allumgrenzendes Weltmeer anerkennen, sondern dachten sich den Indischen und Atlantischen Ozean, wie das Mittelmeer, vom Land umschlossen und die Wasserbedeckung zwischen dem äußersten Westen und Osten des Bewohnbaren so eng, daß eine westliche Überfahrt nach dem Morgenland ungewöhnlich erleichtert schien.
Die Kenntnis der Alten von den Gebirgen war eine geringe. Plinius schätzte einige Alpengipfel bis auf 50,000 römische Schritt (etwa 15mal höher als der Montblanc in Wirklichkeit), und nach Aristoteles glänzten die Gipfel des Kaukasus noch vier Stunden lang, nachdem die Sonne [* 19] in der Ebene untergegangen war. Die ersten Bergmessungen stellte indessen schon Dikäarchos (360-290 v. Chr.) an, welcher dem Pelion 6250 römische Fuß gab. Sehr früh schon lehrte Empedokles (440) den feuerflüssigen Kern unsers Planeten, von dessen höherer Temperatur die heißen Quellen Zeugnisse ablegten, und die Vulkane [* 20] betrachtete man damals schon als Ausgänge, durch welche jenes heißflüssige Erdinnere mit der Oberfläche verkehre.
Erdbeben [* 21] dagegen erschienen den meeranwohnenden Hellenen als unterirdische, von Poseidon [* 22] angestiftete Revolutionen, weshalb jener Gott auch den Beinamen des Erderschütterers trug. Nicht unbekannt war den Alten, daß sich Teile der Festländer heben oder senken könnten, und daß die Landenge von Suez wie der Nordrand Libyens bis zur Ammonsoase ehemals mit Meer bedeckt gewesen, schlossen sie aus den dort eingebetteten Seemuscheln. Die hydrographischen Vorstellungen der Alten waren mangelhaft, wie schon daraus hervorgeht, daß sie die großen Flüsse in ihrem mittlern Lauf sich meist gabeln lassen, eine Erscheinung, die nur einmal (Verbindung des Amazonenstroms mit dem Orinoko durch den Cassiquiare) auf der Erde vorkommt.
Bei den Alten aber floß z. B. die Donau gleichzeitig in das Adriatische und das Schwarze Meer. Größere Meerestiefen haben die Alten schwerlich gemessen, obwohl Kleomedes und Papirius Fabianus von 15 Stadien (= 3500 m, also für das Mittelmeer nicht unwahrscheinlichen Werten) sprachen. Schon die Phöniker erkannten an der atlantischen Küste Spaniens Ebbe und Flut, deren doppelten täglichen Rhythmus sie vom Zenithstand des Mondes abhängig machten. Über die Gesetze des Luftkreises hat schon Aristoteles einige der höchsten Wahrheiten ausgesprochen; er erkannte das regelmäßige Eintreten der Landbrisen und ahnte das Drehungsgesetz der Winde; [* 23] auch lehrte er, daß die Sonne durch Verdampfung dem Meer Wasser entziehe, und wußte, daß die warme Luft mehr Feuchtigkeit gelöst enthalten könne als die kalte.
Schon frühzeitig erkannten im Hinblick auf die Schneeberge die alten Griechen, daß die Abnahme der Wärme [* 24] mit den wachsenden Breiten durch die senkrechte Erhebung der Erdoberfläche beschleunigt werde. Selbst in der Nähe des Äquators ließ Ptolemäos seine Nilquellseen von Schneewasser gefüllt werden. Am klarsten dachte darüber Strabon, der uns zuerst belehrt, daß nördliche Länder, wenn sie tiefer liegen, wärmer sein können als südlichere Hochebenen, wobei ihm als Erwärmungsmesser der Anbau von Gewächsen, besonders des Ölbaums, dienen mußte.
Was die Verbreitung von Gewächsen und Tieren betrifft, so nahmen die Alten an, daß je weiter südlich, desto riesenhafter die Formen werden, wofür ihnen Elefanten und Nashörner als Beweis dienten. Die Farbe der Menschen wurde nach der Ansicht der Hellenen nach dem Äquator zu immer dunkler, während sie nach N. zu heller werde. Dabei legte man aber keinen oder geringen Wert auf die beschreibende Völkerkunde, so daß viele der von den Alten genannten Völker heute nicht mehr identifiziert werden können (z. B. die Skythen). So viele Wahrheiten die Alten aber auch ausgesprochen haben, sie waren sämtlich unter einem Schutte der gröbsten Irrtümer verborgen, und diese Irrtümer hatten gleiche Berechtigung neben den Wahrheiten.
[Mittelalter.]
Im Beginn des Mittelalters zeigt unsre Wissenschaft lediglich Symptome des Verfalles. Die lateinisch schreibenden Geographen schöpften ihr Wissen nicht aus griechischen Quellen, und die gelehrtesten Männer hielten sich im günstigsten Fall an Plinius, während Strabon, Herodot, Ptolemäos vergessen waren. Dafür bevölkerten Phantasiegebilde und Wundergestalten die Werke, während man von Naturbeschreibung der Länderräume gänzlich absah und höchstens kahle Ortsverzeichnisse gab.
Für die räumliche Erweiterung der Erdkunde in dieser Periode wurde nur nach N. und NW. hin gesorgt, ohne daß aber an diesen merkwürdigen Entdeckungen der Wissenschaft ein eigentlicher Nutzen erwuchs. Irische fromme Mönche besuchten schon gegen Ende des 8. Jahrh. Island, [* 25] welches dann später von Wikingern wieder gesehen und endlich 874 von vertriebenen norwegischen Edlen besiedelt wurde. Von dort aus wurde 983 Grönland, etwas später auch Labrador und Neufundland entdeckt, auch vorübergehend besiedelt, ohne daß diese Funde wagehalsiger Abenteurer indes außerhalb der altnordischen Völker beachtet wurden. Im N. Europas ¶