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Methode hat indes nur zu einer Vertiefung der Morphologie der Erdoberfläche führen können, nachdem sich überdies herausgestellt hatte, daß das von ihm vielfach geübte vergleichende Kartenstudium allein wissenschaftlich gesicherte Resultate nicht ergab, sondern das Rüstzeug der Geologie zu Hilfe gezogen werden mußte. Gegenwärtig darf der vor einigen Jahren noch lebhaft geführte Streit, ob Karl Ritter oder Oskar Peschel die vergleichende Geographie geschaffen habe, als abgethan und müßig erachtet werden, da das Vergleichen eine mit jeder streng wissenschaftlichen Thätigkeit verbundene Geistesoperation bildet, somit keinem Zweig, keiner Richtung der Geographie als spezifisches Merkmal zukommen kann.
Allgemeine Erdkunde.
Gehen wir nun näher auf den Inhalt der allgemeinen Erdkunde ein, so zerlegen wir denselben gemäß der oben angedeuteten dualistischen Auffassung in zwei Hauptteile: die physikalische Geographie und die Anthropogeographie. Zur physikalischen Geographie im weitesten Sinn gehört auch die mathematisch-astronomische Propädeutik, welche sich 1) mit der Stellung der Erde im Planetensystem beschäftigt und 2) die Erdkugel als mathematischen Körper betrachtet, dessen getreue Abbildung die Karte liefern soll. Demnach hat erstlich die astronomische Geographie zu lehren: die Orientierung auf der Erdoberfläche nach den Himmelsrichtungen (Kompaßstriche), die Umdrehung der Erde um ihre Achse, die Bewegung der Erde um die Sonne (Zeitrechnung), endlich die Bewegung des Mondes um die Erde und deren Wirkungen. Zum zweiten bestehen die Abbildungen der Erdkugel entweder in Projektionen (s. d.) auf die Ebene (sogen. perspektivischen Projektionen), oder auf abwickelbare Flächen (Kegel- und Cylinderprojektionen), oder in konventionellen Netzen, welche entweder das Prinzip der geringsten Winkelverzerrung (Winkeltreue, Konformität) oder der Äquivalenz der Flächen (Flächentreue) obenan stellen. Auf diese Einführung läßt die physikalische Geographie noch Betrachtungen des Erdkörpers als eines Ganzen folgen: die Erdkugel wird gemessen, d. h. es wird ihre sphäroidale Gestalt, ihre Größe festgestellt, darauf die Dichtigkeit und damit das Gewicht ermittelt (s. Erde, S. 746). Man schließt hieran vielfach gleich Auseinandersetzungen über gewisse physikalische Eigenschaften des Erdkörpers: den Erdmagnetismus, die Temperatur des Erdinnern, welch letztere zu einem Überblick über die vulkanischen Erscheinungen und die Theorien der Entstehung des Erdkörpers führen, welche der Geologie entlehnt werden.
Von den materiellen Erdoberflächenteilen behandelt nun die physikalische Erdkunde in der Meteorologie die Atmosphäre. Sie lehrt darin die Erwärmung durch die Sonne und die Modifikationen dieser Erwärmung durch die Eigenschaften der Atmosphäre selbst sowie die Verteilung von Wasser und Land auf der Erdoberfläche, die Periodizität der Erwärmung (tägliche und jährliche Schwankung), die Abnahme der Temperatur mit der Höhe und deren Modifikationen bei auf- und absteigender Luftströmung; endlich die geographische Verteilung der Wärme, wobei die Lehre von den Isothermen und Isanomalen den echt geographischen Charakter der Meteorologie beweist, ebenso die Schöpfung von Temperaturzonen auf Grund besonders wichtiger Isothermlinien. Alsdann wird die Rolle, welche der Wasserdampf in der Atmosphäre spielt, erörtert, die Verdunstung, absolute und relative Feuchtigkeit, der Taupunkt, die Formen der Niederschläge, Tau, Reif, Nebel, Wolken, Regen, Schnee, Hagel, ihre Ursachen und ihre geographische Verbreitung behandelt. Die Lehre vom Luftdruck zeigt das Gewicht der Luft, die periodischen Schwankungen und die geographische Verteilung des Luftdrucks an der Erdoberfläche (Isobaren). Darauf führt das Buys-Ballotsche Gesetz zu den Beziehungen zwischen Luftdruck und Wind; es sind die Land- und Seewinde, Berg- und Thalwinde und das allgemeine System der Luftzirkulation über der Erdoberfläche zu erörtern. Die moderne Meteorologie charakterisiert noch weiterhin bestimmte Luftdruckgebiete von hohem oder niedrigem Barometerstand, die barometrischen Maxima oder Minima (Depressionen) nach ihren Wirkungen auf die Winde in ihrem Bereich, die dann das Wetter in jedem gegebenen Moment regulieren, wie es auf synoptischen Karten zum Ausdruck gebracht wird. Systematisch werden die klimatischen Einwirkungen der Luftströmungen behandelt, indem die letztern große und ständige Anomalien in der Erwärmung sowie die Verteilung der Niederschläge zur Folge haben. Auch die Stürme der Tropen wie der gemäßigten Breiten, die Tornados, Wasserhosen sowie die Böen, namentlich die Gewitterböen aller Breiten mit ihren elektrischen Entladungen, gehören hierher. Endlich schließt die Darstellung einiger nur lokal wirksamer Winde (heiße Winde der Sciroccoklasse, kalte Winde der Boraklasse, Fallwinde der Föhnklasse) diesen ersten Abschnitt der Erdoberflächenkunde.
Die Hydrosphäre liefert im Ozean den Hauptgegenstand der Hydrographie im weitern Sinn. Die Ozeanographie oder Meereskunde lehrt die Verteilung von Wasser und Land, die Einteilung, d. h. Abgrenzung und Klassifikation, der Meeresräume (in Ozeane, Mittel- und Randmeere), endlich die Tiefenverhältnisse (Bodenrelief, Bodensedimente). Dann folgt das Meerwasser nach seiner chemischen Zusammensetzung, nach Salzgehalt, Durchsichtigkeit und Farbe sowie der Wärmeverteilung an der Oberfläche wie in den Tiefen; hierher gehören auch die für die Schiffahrt so wichtigen Eisverhältnisse. Die Bewegungen der Meeresoberfläche in Wellengestalt und die Gezeiten sind Gegenstand fernerer Abschnitte, der letzte und fast der wichtigste umfaßt die Meeresströmungen. Die Hydrographie im engern Sinn behandelt sodann das süße Wasser in seinen verschiedenen Gestalten als Lehre von den Quellen, Flüssen, Landseen und den Gletschergebieten der Erde.
Der dritte Hauptteil der physikalischen Geographie hat zum Gegenstand die Morphologie der trocknen Erdoberfläche, die zwiefach, nach ihrer horizontalen Gliederung und ihrer Plastik, erforscht wird. Die horizontale Gliederung ergibt die Einteilung des Landes in Erdteile, beschreibt deren Küsten und ihre Formänderungen durch die Arbeit des Meers mittels positiver und negativer Niveauänderungen des Meeresspiegels (Hebungen, Senkungen) oder unter der Einwirkung des Windes (Dünen) oder vorzeitlicher Vereisung (Fjorde). Darauf folgt die weitere Gliederung des Festlandes in Halbinseln und Inseln, welche in verschiedene Arten klassifiziert werden (meist nach ihrer Entstehung). Die plastische Gliederung der Landflächen untersucht zunächst die Kräfte, welche Formänderungen erzeugen: die Vorgänge der Erosion oder der Thalbildung einerseits, der Sedimentbildung anderseits, letztere Ablagerungen an den Küsten oder in Binnenseen als Deltas schaffend oder im Innern der Festlande fluviatile Alluvionen entlang den Flußthälern oder glaziale Ablagerungen vorzeitlicher Gletscher oder äolische Ablagerungen im
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Bereich der abflußlosen Gebiete, oder endlich die großartige Umformung der Gesteinsflächen der tropischen Kontinente zur Lateritdecke. Hierauf folgt eine Klassifikation der Oberflächentypen des Festlandes. Begriffe und geographische Verbreitung der Kettengebirge, der Vulkangebirge, der Massengebirge (Massive), ferner der Längen- und Querthäler werden entwickelt, die Ursachen ihres Vorkommens erläutert. Hochebenen und Tiefebenen werden gleichfalls klassifiziert; der Begriff der mittlern Höhe für die einzelnen Erhebungsformen wie für das Festland im allgemeinen entwickelt und deren Werte festgestellt.
Nun folgt als vierter Hauptteil der allgemeinen Erdkunde die biologische Geographie, behandelnd erstlich die geographische Verbreitung der Pflanzen nach ihren Hauptzonen (horizontal) und Regionen (vertikal genommen), endlich nach den Vegetationsformationen, deren wichtigste Wälder, Steppen und Wüsten sind. Besondere Wichtigkeit ist hierbei der geographischen Verbreitung der Nutzpflanzen beizumessen. Zweitens begreift die biologische Erdkunde die geographische Verbreitung der Tiere in sich nach ihren verschiedenen Faunengebieten. Auch hier steht die Verbreitung der nutzbaren Tiere obenan. Die Ursachen der gegenwärtigen Verbreitung vieler charakteristischer Tier- und Pflanzenfamilien sind häufig nicht ohne Bezugnahme auf die Lehren der Paläontologie, also einer Hilfswissenschaft der Geologie, zu erklären. Damit ist der Inhalt der physikalischen Erdkunde in großen Zügen umschrieben.
Die Anthropogeographie untersucht nun die Wirkungen aller der vorgenannten Erdoberflächenobjekte und Erdoberflächenerscheinungen auf die kulturliche und politische Geschichte der Menschheit. So wird die Einwirkung des Klimas, z. B. der Tropen, auf Einzelne wie auf Völker untersucht, es werden die Unterschiede der Lebens- und Arbeitsweise oder im Charakter schon der Nord- und Südländer in Europa aufgedeckt, endlich die Rolle der gemäßigten Zone als eigentlicher Kulturzone begründet. Der Ozean tritt in die Erscheinung als stärkste Schranke der Völkerverbreitung, wenn auch als keine unübersteigliche. Hier bildet der Seeverkehr in seiner Entwickelung gemäß der fortschreitenden Bemeisterung des Meers durch den Menschen eine klar umgrenzte anthropogeographische Aufgabe. An Binnenseen zeigt sich vielfach Anlehnung selbständiger Kulturen, die Flüsse weisen in Wanderungen und im Verkehr den Weg zum Meer und umgekehrt von den Küsten ins Binnenland; ferner ist die Rolle der Flüsse als Grenzen zu untersuchen. Die Abhängigkeit menschlicher Geschichte von der horizontalen Konfiguration des Festen zeigt sich zunächst in den günstigen Wirkungen reicher Küstengliederung, im allgemeinen Gegensatz von Küsten- und Binnenland, ferner in der Geschichte der mittelmeerischen Völker, in der Absonderung der Inselbewohner (man denke auch an die der eingebornen Australier), in dem Gegensatz von Halbinselvölkern zu denen des Festlandrumpfes. Dies führt zur Lehre von der geographischen Bedingtheit politischer Grenzen, anderseits auch der Vereinigung der Länder zu natürlichen Gruppen oder umgekehrt der Zergliederung einheitlicher Länder nach ihren innern Verschiedenheiten. Hieran schließt sich, wiederum als schön abgegrenzte Aufgabe, die Lehre von der örtlichen Bedingtheit der Wohnstätten oder die Siedelungskunde, die schon früher in J. G. ^[Johann Georg] Kohl ihren Meister gefunden hat. Mit einer Würdigung der Raumverhältnisse in Beziehung zur politischen Macht der Länder und Reiche und ihrer Dauer in der Geschichte sind die Einwirkungen der horizontalen Konfigurationen der Festländer wohl erschöpft. Die vertikalen Unebenheiten der Erdoberfläche ergeben alsbald den Gegensatz zwischen Flach- und Gebirgsländern, sowohl hinsichtlich der Fähigkeit der Völkerverbreitung als Völkerscheidung. Die Bedeutsamkeit der Hochebenen für ursprüngliche Kulturentwickelungen zeigt sich in reinster Form auf amerikanischem Boden. Die anthropogeographischen Einwirkungen der Vegetationsformationen sind besonders klare: die Urwaldvölker der Tropen, die Waldbewohner der gemäßigten Breiten, die Steppen- und Wüstenvölkerzeigen spezifische Charakterzüge in Kultur und Geschichte. Ebenso klar sind die historischen Funktionen der nutzbaren Pflanzen und Tiere, aber auch der dem Menschen feindlich gegenübertretenden Lebeformen, die auf den Charakter stählend einwirken können. So etwa gliedert sich nach Friedrich Ratzel in seinen Hauptpunkten der anthropogeographische Stoff.
Geschichte der Erdkunde.
[Altertum.]
Die Erdkunde ist unzweifelhaft eine alte Wissenschaft zu nennen. Zwar wissen wir von den geographischen Kenntnissen der alten Kulturvölker Mesopotamiens und Ägyptens, deren astronomisches Wissen unsre Bewunderung verdient, nur wenig, und auch die berühmte Völkertafel der Genesis kann nur als vereinzeltes, wenn auch altes Bruchstück einer merkwürdig ausgedehnten ethnographischen Kenntnis gelten, an der vielleicht auch den Phönikern ein Anteil gebührt. Von den Chinesen sagten wir oben schon, daß sie es nicht über eine trockne Chorographie in der engen Form der Heimatskunde hinausgebracht haben; freilich besitzen sie eine solche schon seit Jahrtausenden, während erst seit dem 3. Jahrh. vor unsrer Zeitrechnung spärliche Berichte von fernen Ländern auftreten. Im klassischen Altertum besaßen die Römer sicherlich die genaueste chorographische Kenntnis ihres Weltreichs und einiger angrenzender Gebiete. Der hohe Norden Europas, das nördliche Asien jenseit des Kaspischen Meers, also Sibirien, waren der Kenntnis der Alten ganz verschleiert; von China waren so unklare Begriffe vorhanden, daß Ptolemäos es doppelt auf seinen Karten eintrug; die südostasiatische Inselwelt war kaum über Java hinaus, Ostafrika bis in die Gegend von Sansibar, Westafrika bis etwa zum heutigen Sierra Leone bekannt, während man vom Innern Afrikas einige verwirrte Nachrichten über die Negerländer südlich der Wüste und die Seengebiete am obern Nil findet. Näheres s. unter Asien (S. 928) und Afrika (S. 169).
Wo eine wissenschaftliche Durchdringung des geographischen Stoffes versucht ist, treffen wir immer auf griechische Namen, so daß zweifelsohne die Griechen die Schöpfer der wissenschaftlichen Erdkunde genannt werden dürfen. Während noch Anaxagoras (geb. 499 v. Chr.) lehrte, daß die Erde eine Fläche sei, und der vielgereiste Herodot dieselbe sich scheibenförmig und in der Mitte etwas ausgehöhlt dachte, waren die Pythagoreer die ersten, welche die Kugelgestalt der Erde annahmen, eine Anschauung, die aus mathematischen Gründen zuerst Parmenides aus Elea (um 460) lehrte. Entschieden für die Gebildeten aller spätern Zeiten wurde die Streitfrage indessen erst durch Aristoteles, der die Mondverfinsterungen als den ersten sinnlichen Beweis von der Kugelgestalt unsers Planeten zu Hilfe nahm, während später Ptolemäos die Lehre durch die Wahrnehmung erhärtete, daß auf hoher See zuerst die Spitzen von Küstengegenständen sichtbar werden. Was die Größe unsrer Erde anbelangt, so hatte den Umfang derselben Aristoteles auf 400,000, Pytheas aus Marseille auf 300,000, Archimedes auf weniger