Gegensatz zu den hinzueroberten oder auf sonstige
Weise hinzugekommenen
Ländern. Im frühern
DeutschenReich waren Erblande diejenigen
Länder des deutschen
Kaisers, welche dieser als
Reichsfürst erblich besaß, im
Gegensatz zu dem übrigen
Deutschland,
[* 2] dessen
Oberhaupt er als erwählter Reichsbeherrscher war. Heutzutage versteht man unter Erblanden vorzugsweise diejenigen
Länder,
welche sich schon von alters her im
Besitz der regierenden Dynastie befinden, im
Gegensatz zu den nachmals,
z. B. durch völkerrechtliche
Verträge, an das betreffende Fürstenhaus gekommenen. So wurden in
Österreich
[* 3] die deutschen
Länder im
Gegensatz zu
Italien
[* 4] und
Ungarn
[* 5] als Erblande bezeichnet, und im
KönigreichSachsen
[* 6] spricht man noch jetzt von den
Erblanden, denen die
Oberlausitz, als später angefallen, gegenübergestellt wird.
(Feudum hereditarium, Erbleihe), erbliches Kolonatrecht (s.
Kolonat); dann Bezeichnung
einer bestimmten Art von bäuerlichen Nutzungsrechten, welche dem
Lehnrecht nachgebildet sind und in Beziehung auf das
Recht
an der
Sache alle
Wirkungen des
Lehnrechts enthalten, soweit diese nämlich nicht durch das besondere
Band
[* 7] der Vasallentreue
und der Ritterdienste bedingt sind.
Daher wird zwar die Successionsberechtigung nach den
Grundsätzen des
Lehnrechts beurteilt, nicht aber auch die Lehnsfolgefähigkeit. Die neuern Ablösungsgesetze haben die betreffenden
Rechte der
Gutsherrschaft für ablösbar erklärt, und jene frühern Nutzungsrechte sind jetzt meistens in volles
Eigentum umgewandelt.
(Vererbung, Heredität), die
Thatsache, daß körperliche und geistige Eigentümlichkeiten der Vorfahren
in mehr oder minder vollkommenem
Grad bei den Nachkommen wieder auftreten. Die Erblichkeit ist am vollkommensten
bei der ungeschlechtlichen
Vermehrung und
Fortpflanzung der
Pflanzen und
Tiere, wobei das junge
Wesen gleichsam nur eine Fortsetzung
des elterlichen ist, obwohl es sich dabei um eine
Verjüngung aus einzelnen
Zellen oder sehr kleinen Zellkomplexen, ganz ähnlich
wie bei der geschlechtlichen
Vermehrung, handeln kann.
Sollen daher
Varietäten von
Blumen,
Obst oder
Gemüse ganz unverändert erhalten bleiben, so greift man zu
Stecklingen, zur Okulation
und ähnlichen ungeschlechtlichen Vermehrungsarten. Wie aber hier der neue
Sproß sich nur darum nicht vom alten unterscheidet,
weil er dessen unmittelbare Fortsetzung ist, so müssen auch die männlichen und weiblichen Geschlechtszellen,
welche zu dem neuen
Keim verschmelzen, als solche unmittelbare Fortsetzungen der elterlichen
Person angesehen werden, und das
auffallende
Moment läge nur darin, daß sich die individuellen
Eigenschaften des
Vaters und der
Mutter gewöhnlich trotz ihrer
Verschmelzung bei dem Nachkommen von neuem entfalten. Es findet indessen hierbei eine gegenseitige (amphigone)
Erblichkeit in dem
Sinn statt, daß z. B. die
Eigenschaften des
Vaters bei der Tochter verborgen bleiben (verborgene oder latente Erblichkeit) und
erst bei deren
Söhnen hervortreten und umgekehrt. Man erwartet hiernach von selbst, daß die
Ähnlichkeit
[* 8] mit dem
Vater am
stärksten bei den
Söhnen und die
Ähnlichkeit mit der
Mutter bei den Töchtern hervortreten wird.
Die Erblichkeit geht so weit, daß oft unbedeutende körperliche und geistige Eigentümlichkeiten,
Warzen,
Muttermäler, Mienenspiel
und
Sprache,
[* 9]
Gesten und
Gangarten,
Gewohnheiten und
Neigungen, bis in die geringfügigsten Einzelheiten vererbt werden. Diese
regelmäßige, sogen. konservative Erblichkeit muß als das
Agens betrachtet werden, welches die organischen
Typen,
d. h. die
Arten und
Rassen, in ihren
Grenzen
[* 10] erhält,
und sie wird selbstverständlich am meisten durch
Inzucht begünstigt, während
Kreuzung und
Bastardierung der
Rassen Veranlassung zur
Bildung von Mittelformen geben. Der sich gleichbleibende Rassencharakter
der
Juden inmitten der andern
Völker ist ein gutes
Beispiel von dem Einfluß der
Inzucht auf die konservative
Erblichkeit.
Ein viel tiefer gehendes philosophisches
Interesse als letztere bietet indessen die ebenso bekannte
Thatsache der Erblichkeit neuerworbener
körperlicher und geistiger
Eigenschaften. Sehr bekannt in dieser Beziehung ist die Erblichkeit von
Körper- und
Geisteskrankheiten,
krankhafter
Neigungen etc., so daß unsre Spezialärzte für
Brustkrankheiten, Geistesstörungen etc. mit
ihren Nachforschungen immer schon bei den Vorfahren beginnen und solche
Fälle, in denen die
Krankheit schon im dritten und
vierten
Glied
[* 11] auftritt, stets für besonders bedenklich ansehen.
Unter den erblichen
Krankheiten stehen allgemeine konstitutionelle
Leiden,
[* 12] die lange Zeit auf den elterlichen
Organismus eingewirkt
haben, wie
Syphilis mit ihren Folgekrankheiten,
Rhachitis, Nervenleiden (Gehirnerkrankungen,
Krämpfe) etc.,
obenan. Dagegen ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß eigentliche Infektionskrankheiten, wie z. B.
Tuberkulose, wirklich vererbt werden können, und in solchen
Fällen wird wahrscheinlich nur die Körperkonstitution (enge
Brust etc.) vererbt, die zur
Aufnahme und
Ausbildung derartiger Krankheitskeime geeignet macht. In solchen
Fällen ist daher
auch stets
Hoffnung vorhanden, durch eine geeignete, von
Jugend auf sorgfältig überwachte Lebensweise,
Körperpflege, gymnastische Übungen etc., der konstitutionellen
Anlage entgegenzuwirken und die
Empfänglichkeit für eine
derartige
Krankheit zu vermindern.
Die ererbte
Anlage zu bestimmten
Krankheiten wird natürlich am stärksten sein, wenn beide Eltern dieselbe besaßen, weshalb
bei derartigen Befürchtungen die
Heiraten unter nahen Verwandten besonders gemieden werben müssen, weil
die gleichen
Anlagen sich in den Nachkommen summieren könnten. Anderseits darf man hoffen, daß die ererbte Krankheitsdisposition
in ihren Nachkommen geschwächt auftreten wird, wenn sie nicht bei beiden Eltern vorhanden war, und neuere Untersuchungen
haben gezeigt, daß auch die Widerstandsfähigkeit
(Immunität) gegen gewisse
Krankheiten erblich ist.
Dadurch erklärt sich die Entstehung ganzer gegen gewisse heimatliche Infektionskrankheiten immuner
Völkerschaften, wie z. B.
der gegen das
gelbe Fieber widerstandsfähigen
Neger. Besonders auffällig wird die Erblichkeit neuerworbener Eigentümlichkeiten, wenn
dieselben aus dem
Kreis
[* 13] der regelmäßigen
Bildungen heraustreten und schon
an sich auffällig sind, also z. B.
bei
Mißbildungen, Deformitäten und
Abnormitäten. So haben die
Familien der
Stachelschweinmenschen, der Sechsfingerigen, der
Haarmenschen etc. zeitweise Aufsehen erregt, und die
Abnormität ließ sich dann meist durch fünf, sechs und mehr
Generationen
verfolgen, bis sie ausstarb.
Mit erblichen
Krankheiten werden häufig gewisse
Leiden verwechselt, die in mehreren aufeinander folgendenGenerationen
durch gleichartige äußere Verhältnisse, wie
Klima,
[* 14] ungesunde
Wohnung, Beschäftigung, Ernährungsweise etc., erzeugt werden,
so daß
¶
mehr
bei den Kindern dieselben Krankheiten auftreten wie bei den Eltern, z. B. der Kropf mit seinen Folgekrankheiten in den Alpenländern.
In ähnlicher Weise kann auch der Nachahmungstrieb auf die Kinder wirken und namentlich gewisse Nervenkrankheiten (z. B. Veitstanz)
wieder erzeugen, ohne daß eigentliche Erblichkeit im Spiel ist. Man bezeichnet solche Fälle als scheinbare Erblichkeit (Pseudoheredität).
Ebenso müssen von den ererbten Krankheiten die angebornen (kongenitalen) und die durch Ansteckung von den Eltern empfangenen
unterschieden werden, wenn z. B. eine Frau, die ein gesundes Kind geboren hat, tuberkulös wird und ihren Säugling durch die
Milch ansteckt oder eine solche Ansteckung schon während der Schwangerschaft erfolgt ist, ohne daß man
von wirklicher Erblichkeit dabei reden könnte. Unter angebornen Krankheiten versteht man solche, die den Kindern und oft mehreren oder
allen derselben (sogen. kollaterale Vererbung) anhaften, aber den Eltern durchaus fehlen. Hierher gehören die meisten Fälle
von Mißbildungen und namentlich solche, die auf einem anders gearteten organischen Fehler der Eltern
beruhen. Auch die angeblichen Mängel in Trunkenheit erzeugter Kinder würden hierher gehören.
Besonders eindringlich für die Macht der Erblichkeit spricht die in neuerer Zeit durch lange Versuchsreihen von Brown-Séquard erwiesene
Thatsache, daß, außer den konstitutionellen Krankheiten und außer den von selbst entstandenen Abänderungen und Abnormitäten,
sogar die künstlich erzeugten oder durch einen Zufall erworbenen Verstümmelungen und Folgen operativer
Eingriffe in vielen Fällen erblich werden. In der Regel sind nur solche Verstümmelungen erblich, die durch ein längeres Siechtum
hervorgebracht werden; doch sind auch viele andre Fälle bekannt, bei denen man einen solchen Grund nicht angeben kann. Hierher
gehören wahrscheinlich die hornlosen Rinderrassen Südamerikas, die schwanzlosen Katzen
[* 16] der InselMan und
die indische Erdtümmlertaube der englischen Liebhaber, welche, wenn man sie nicht von der Erde aufnimmt, so lange umherkollert,
bis sie stirbt; denn dieses krankhafte Wälzen an der Erde kann man bei gesunden Tauben
[* 17] durch einen operativen Eingriff künstlich
hervorrufen.
Bei den neuerworbenen erblichen Eigenschaften wird nun ferner die wichtige Thatsache beobachtet, daß sie bei den Nachkommen
häufig nicht bereits mit auf die Welt gebracht werden, sondern sich erst in dem Alter entwickeln, in welchem sie bei den Vorfahren
zuerst auftraten, resp. erworben wurden (Gesetz der gleichalterigen oder homochronen Erblichkeit). So sind nicht
bloß Gesundheit und Langlebigkeit erblich, sondern Anzeichen von Geistes- und Körperkrankheiten entwickeln sich erst zu derselben
Zeit wie bei den Eltern, und dasselbe findet auch bei geringfügigen Eigentümlichkeiten statt.
Diese Erscheinung des Auftretens erblicher Abweichungen im gleichen Lebensalter hängt offenbar mit entwickelungsgeschichtlichen
Vorgängen zusammen und ist der Thatsache analog, daß junge männliche Tiere in den ersten Jahren, auch
wenn das Männchen vom Weibchen sehr verschieden aussieht, stets der Mutter gleichen und die charakteristischen Kennzeichen
und Zierden des Vaters, z. B. Geweih oder schönes Gefieder, erst bei Annäherung des Pubertätsalters empfangen. Es ist indessen
einiger Grund vorhanden, anzunehmen, daß in vielen oder den meisten Fällen eine neue Erbschaft von jeder
spätern Generation etwas früher angetreten wird (beschleunigte Erblichkeit), wovon wir den Grund nachher erkennen werden.
Auf
der Erblichkeit neuerworbener Eigenschaften beruhen die Veränderlichkeit der Arten in bestimmten Richtungen und die Möglichkeit
der Züchtung bestimmter vorteilhafter oder sonst erwünschter Rassen unter den Haustieren und Kulturpflanzen.
Hierbei kommt indessen noch ein begünstigendes Moment in Betracht, dessen gleichmäßige Wirkungsweise man mit dem Namen der
progressiven oder akkumulativen Erblichkeit bezeichnet hat. Da wir die Ursache der meisten Abänderungen der Lebewesen in den äußern
Lebensverhältnissen (Klima, Lebens- u. Ernährungsweise, Bodenbeschaffenheit, Umgebung etc.)
suchen müssen, so wird in der Regel nicht nur ein bestimmter Grad der Abänderung, sondern eine Tendenz
zur weitern Abänderung in derselben Richtung vererbt, und darauf beruht die Möglichkeit für den Züchter, bestimmte Varietäten
gleichsam auf Bestellung liefern zu können. Zu diesem Zweck wählen die Züchter immer nach derselben Richtung abändernde
Männchen und Weibchen zur Paarung aus und steigern so durch sorgfältige Inzucht, während die unbekannten abändernden Ursachen
fortdauern, die anfangs vielleicht nur einseitig aufgetretene Tendenz zu einer bestimmten Abänderung. Diesem Gesetz der progressiven
Erblichkeit verdanken wir den Reichtum unsrer Haustier-, Nutz- und Zierpflanzenformen, und auf ihm ruht nach der neuern
Weltanschauung in letzter Instanz auch der unerschöpfliche Reichtum der Natur an neuen und immer neuen Formen.
Zur Erklärung der Erblichkeitserscheinungen sind mancherlei Theorien aufgestellt worden. Außer Zweifel steht es zunächst,
daß die Erblichkeit von den chemischen, morphologischen und biologischen Kräften der männlichen und weiblichen Keimzellen, die sich
bei der Zeugung vereinigen, abhängt, wobei nach den neuestens von Strasburger, O. Hertwig, Kölliker u. a.
gewonnenen Anschauungen die Vereinigung des Kernprotoplasmas der Keimzellen die Hauptrolle spielt (s. Zeugung).
Jäger, Nußbaum und Weismann meinen, daß die Keimzellen dadurch so genau die Identität der Rasse bewahren können, weil sie
mehr oder weniger direkte Abkömmlinge der elterlichen Keimzellen seien, so daß man von einer »Kontinuität
des Keimprotoplasmas« sprechen könne. Allein gegen eine solche Auffassung spricht, daß bei vielen Pflanzen und niedern Tieren
nicht den Keimzellen allein, sondern allen möglichen Zellen ein Reproduktionsvermögen innewohnt, so daß man nur sagen kann,
daß die Erblichkeit an das Protoplasma (IdioplasmaNägelis) überhaupt gebunden ist, welches in den Keimzellen
in einer zur Wiederentfaltung seiner Entwickelungskräfte vorzüglich geeigneten Form abgesondert wird. Da nun auch die neuerworbenen
Eigentümlichkeiten aller Körperteile der Wesen vererbt werden, so folgt, daß die gegenwärtige Konstitution der Erzeuger
unbedingt auf die Beschaffenheit der Zeugungsprodukte einwirken muß, und daran knüpft sich die in ihren
Grundzügen bereits von Hippokrates dargelegte Pangenesistheorie Darwins, nach welcher von sämtlichen Teilen eines Organismus
stoffliche Beiträge zu den Zeugungssäften geliefert werden, so daß deren jeweiliger Zustand stets in den letztern ausgedrückt
ist. Diese Erblichkeitstheorie hat aber ihrer allzu materiellen Auffassung wegen wenig Beifall erworben, und es
sind eine Reihe andrer Theorien aufgestellt worden, welche an Stelle der chemischen und stofflichen Beschaffenheit des Keimprotoplasmas
den demselben innewohnenden Lebensprozeß in den Vordergrund stellen. In diesem Sinn erklärt Hering die Erblichkeit als eine Art Gedächtnisfunktion
der Materie, durch
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