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lächerlich werden, so entsteht das humoristische (»Batrachomyomachie«; Kortums »Jobsiade«). Jenes entspricht dem Schauspiel, dieses der Posse. Andre setzen dem Epos, dessen Helden Menschen sind, dasjenige entgegen, dessen Helden über- (Götter, Heroen) oder untermenschliche Wesen (Tierepos: »Reineke Fuchs«) sind.
Geschichtliche Entwickelung des Epos.
In Bezug auf die Entstehung wird das kunstmäßig entstandene (Kunstepos) dem naturwüchsigen Epos (Volksepos) entgegengesetzt. Fast alle großen Kunstepen sind aus der Überarbeitung von ursprünglichen Volksepen hervorgegangen. Die Anfänge derselben verlieren sich bei den verschiedenen Völkern in ihr vorgeschichtliches Altertum. Die Heldenlieder der Chinesen hat Konfutse im »Schi-King« gesammelt; die Heldenthaten des Ägypterkönigs Ramses d. Gr. feiert das in einem Papyrus erhaltene historische Gedicht seines Hofpoeten Pentaur; das Siegeslied der Deborah (um 1300 v. Chr.) und die zwölf zusammenhängenden Abenteuer der (an den Sonnen- und Heraklesmythus mahnenden) Simsonsage zeigen die Spur epischer Heldendichtung bei den alten Hebräern.
Ein eigentliches Epos aber findet sich erst bei den Völkern arischer Abstammung und zwar sowohl bei jenen des Orients (Inder und Iranier) als des Occidents (Gräko-Italiker, Kelten, Germanen und Slawen). Von den beiden Hauptepen der Inder stellt das eine, der »Mahâbhârata«, den Kampf zweier arischer Heldengeschlechter, der Kuruinge und Panduinge, unter sich, das andre, das »Râmâyana«, den Kampf des Sonnenhelden Rama, als Repräsentanten des Ariertums, mit den dunkelfarbigen, in der Volksmeinung zu Affen [* 2] gewordenen Ureinwohnern des Landes (den sogen. Drawidastämmen) dar.
Als Verfasser des erstern wird Vjasa (der »Ordner«, so daß dieser Name auch den bloßen Sammler und Bearbeiter vorhandener Lieder bedeuten kann), als jener des zweiten Valmîki genannt; beide haben wiederholt (wie es wahrscheinlich ist, noch in der Zeit nach Christus) Umarbeitungen durch Einschübe und Erweiterungen erfahren. Der Charakter des Wunderbaren wird dem geschichtlichen Kern beider Dichtungen dadurch verliehen, daß die kämpfenden Helden teils Söhne und Enkel von Göttern, teils selbst Inkarnationen von solchen sind.
Das unterliegende Geschlecht hat im »Mahâbhârata« durch gewaltsamen Thronraub, aber auch das siegreiche dadurch schwere Schuld auf sich geladen, daß das Haupt desselben seine eigne Gattin frevelhaft im Würfelspiel auf einen Wurf gesetzt und verloren hat. Nachdem die Kuruinge, ihren Thronraub sühnend, gefallen sind, werden auch die Panduinge zur Strafe für ihren Frevel bis auf den letzten Mann erschlagen. Unter den zahllosen Episoden, welche die einfache Handlung umranken, ragt die Liebesgeschichte Nals und Damajantis durch Treue und Zartheit hervor.
Wie das »Mahâbhârata« durch den tragischen Untergang zweier mächtiger Geschlechter dem Charakter des tragischen, so entspricht das »Râmâyana«, welches den Sieg des Helden Rama über sich selbst und dadurch über seine Feinde schildert, jenem des erlösenden Epos. Als ihm, dem ältesten, sein Vater statt der Thronfolge Verbannung ankündigt, weil er seiner zweiten Gemahlin, die ihren eignen Sohn auf den Thron [* 3] erheben will, diese ihre Bitte zu erfüllen gelobt hat, unterwirft sich Rama freiwillig und gegen den Willen der Brüder dem ungerechten Befehl aus Gehorsam gegen die Eltern, während die Gattin und die Brüder freiwillig sein Schicksal teilen.
Für diese Treue gegen die Pflicht verleihen die Götter ihm den Sieg über die finstern Riesen der Insel (Ceylon), [* 4] die ihm die Gattin geraubt haben, und führen ihn nach 14 Jahren des Exils glorreich auf den Thron seiner Väter zurück. In der spätern Gestalt des indischen Epos trat die Götternatur der Helden, die nun fast sämtlich Inkarnationen der Gottheit selbst werden, immer mehr hervor und artete der wunderbare Charakter der Begebenheiten ins Maßlose, Abenteuerliche und Phantastische aus, während die physische Helden- ebenso wie die ethische Entsagungskraft (letztere namentlich in der Form übermenschlichen Büßertums) ins Grenzenlose gesteigert ward.
Die persische Heldensage, aus dem uraltpersischen Gegensatz eines Licht- und Finsternisreichs (Ormuzd und Ahriman) entsprungen und auf den Kampf der Nachkommen Dschems, des guten, mit Sohak, dem bösen Fürsten, übertragen, hat erst 1000 n. Chr. ihre kunstmäßige Bearbeitung durch Firdûsi, den Dichter des »Schâhnâmeh«; erhalten. Mittelpunkt derselben ist Rustem, der Unbesiegbare, den der böse Feind Ahriman lange vergebens (zuletzt durch dessen eignen ungekannten Sohn, der im Kampf gegen den Vater von dessen Hand [* 5] fällt) zu verderben sucht, bis er zuletzt durch Arglist in eine Wolfsgrube gelockt und in dieser begraben wird.
Kämpfen hier Götter zweier Reiche und dem entsprechend Iranier und Turanier als Völker verschiedener Abstammung im Spiegelbild des Epos, so sind es im Homerischen der Griechen nicht nur Glieder [* 6] derselben (olympischen) Götterwelt, sondern auch Völker derselben Abstammung (Troer und Achäer), die miteinander im Streit liegen. Während die einen (Apollon, [* 7] Ares, [* 8] Aphrodite) [* 9] den Troern, stehen die andern (Hera, [* 10] Athene, [* 11] Poseidon) [* 12] den Griechen bei; nur der »Vater der Götter und Menschen«, Zeus, [* 13] wägt gleichmäßig die Wagschalen beider ab. Wie im indischen »Mahâbhârata«, bildet in der »Ilias« der Verlust einer Frau, die dort freventlich vom eignen Gatten auf das Spiel gesetzt, hier ebenso freventlich vom Gastfreund entführt wird, den Hebel [* 14] der Handlung, der hier wie dort den Untergang des ganzen blutsverwandten Geschlechts (der Häuser Pandus und Priamos') nach sich zieht.
Helenas, der schönen Gattin des Atriden Menelaos, [* 15] Raub durch Paris, [* 16] Priamos' Sohn, den alle griechischen Fürsten zu rächen geschworen haben, einigt die zersplitterten Kräfte aller kleinen achäischen Heer- und Seekönige zu einer gemeinsamen großen Unternehmung übers Meer, deren Frucht nach zehnjährigen Kämpfen der Fall und Brand Trojas ist. Einzelne Helden und Thaten derselben mögen lange Zeit hindurch Stoff einzelner epischer Lieder wandernder Rhapsoden gewesen sein, ehe es einem oder dem andern der letztern gelang, sämtliche Thaten eines Helden oder jene sämtlicher Helden in epischer Folge aneinander zu reihen und zum Epos zu gestalten. Je nachdem jene Lieder einem der Helden vor Troja [* 17] als Preisgesänge galten oder Begebenheiten eines der von Troja Heimgekehrten berichteten, wurden sie Aristeia (»Heldenthaten«) oder Nostoi (»Heimfahrten«) genannt, und zwar ist aus dem Preisgesang auf Achilleus, den Sohn des sterblichen Helden Peleus und der Meergöttin Thetis, die Homerische »Ilias«, aus den Berichten von den zehnjährigen Irrfahrten des heimkehrenden »Dulders« Odysseus, des Königs von Ithaka, die »Odyssee« hervorgegangen. Das Wachstum der »Achilleis« zur »Ilias« vollzog sich (nach Wolf und Lachmann) allmählich und (nach Carriere) unter der läuternden Einwirkung des Homerischen Genius, zu dessen Werk es in der Meinung der Griechen ward, in welcher als Stammheros Homer ein ganzes ¶
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Sängergeschlecht vertrat. Auch hier wie bei den Indern, gehört das Epos, welches den »Untergang Ilions und des Volkes des lanzenkundigen Königs« besingt, der tragischen, dasjenige, welches den Sieg des »Dulders« Odysseus über das Ungemach der Meerfahrt und die nach seiner Gattin lüsternen Freier feiert, der erlösenden Gattung an. Wie im indischen Epos, erscheinen auch hier die führenden Götter in menschlicher, die Beschützerin des Odysseus und seines Sohns in Mentors, des erziehenden Freundes des letztern, Gestalt. An die Homerischen Epen, »wie Planeten [* 19] um die Sonne«, [* 20] reihen sich (seit 777 v. Chr.) die sogen. cyklischen Dichter, die Sage von Troja ergänzend oder andre Sagenstoffe, wie die Sagen von Theben, Athen [* 21] und Mykenä [* 22] (das Haus des Lajos, Theseus, Herakles), [* 23] besingend.
In Rom, [* 24] wo (nach Schwegler) alle Bedingungen zu einem Volksepos nach Art des Homerischen fehlten, entstand durch Vergil (70-19 v. Chr.) ein Kunstepos, das der Augusteischen Litteraturblüte angehört und die zuerst von Ennius (239-169) nach griechischem Muster episch erzählte Äneassage behandelt, durch welche die italische an die hellenische Sage (von Troja) sich anschließt. Das Wunderbare, das bei Homer im Einklang mit dem reinen Volksglauben hervortrat, ist für die nüchterne Aufklärung der Kaiserära zur hohlen Maschinerie geworden; im Vergilischen Epos scheint (nach Hegel) »der gewöhnliche Tag«. Dasselbe hat daher vielfach dem der neuern, in ihrer Reflexion [* 25] dem klassischen Zeitalter Roms verwandten Zeit und Bildung zum Muster gedient, während das ursprünglich heidnische und seit der Annahme des Christentums christianisierte der Slawen, Kelten und Germanen durch seinen religiös-gläubigen Hintergrund dem Homerischen Epos näher steht.
Die Slawen, wie sie am spätesten ihre ursprünglichen Sitze verlassen haben und zum Teil erst seit kurzem geschichtliche Völker geworden sind, stehen der Bildungsstufe des epischen Zeitalters im ganzen am nächsten; ja, einige Stämme derselben, wie die Serben, »leben ihre Poesie« (Talvj),
daher sich bei ihnen eine der Homerischen verwandte Heldendichtung bis auf unsre Tage im Schwange erhalten hat. Die Heldensage der Russen gruppiert sich um Wladimir (»die helle Sonne der weißen Stadt Kiew«, [* 26] um 1000 n. Chr.) und, im Gegensatz gegen die Könige, Fürsten und Edlen der übrigen arischen Heldengesänge, um den Bauernsohn Ilja, den edelsinnigen Helden, die Verkörperung der Volkskraft wie des Volksgemüts, hat aber kein zusammenhängendes Epos geschaffen.
Volksheld der Serben ist der Königssohn Marko, der nach 300jährigem Kampf mit den Ungläubigen sich in eine Höhle zurückgezogen hat, und von dessen Wiederkehr das Volk bessere Tage hofft, ähnlich wie auch »Kalewala«, das der Finnen, mit der Hoffnung auf eine schönere Zukunft schließt. Die Heldensage der Kelten gruppiert sich in Irland und Schottland um den gälischen Helden Fin, dessen Sohn Oisin (Ossian) Macpherson seine Nachdichtung des »Fingal« in den Mund gelegt hat; in der Bretagne um Morvan; in England und Wales um den Zauberer Merlin, König Artus und seine zwölf Ritter der Tafelrunde, deren Zahl und Abenteuer nach der Einführung des Christentums in dem ehemaligen römischen Gallien auf Karl d. Gr. und seine Paladine übertragen worden sind.
Träger [* 27] des epischen Volksgesanges waren bei den Kelten die den Rhapsoden der Griechen und den »Blinden« der Serben ähnlichen wandernden Volkssänger, die Barden. Ihnen glichen die nordischen Skalden, die Träger des ältesten germanischen Heldengesanges der skandinavischen Stämme, dessen Lieder auf Island [* 28] um 1100 n. Chr. unter dem Namen der (ältern) Edda (»Großmutter«) gesammelt wurden. Gegenstand derselben ist der Kampf der guten Götter (der Asen) mit den bösen (Loki),
der mit der »Götterdämmerung«, d. h. dem Untergang der erstern, endet. Aus den Liedern von Sigurd, dem Drachentöter, der das Gold [* 29] der Überirdischen geraubt und seiner Verlobten, der Heldenjungfrau Brunhilde, die Treue gebrochen hat, indem er sie unerkannt für einen andern gewinnt und sich selbst mit dessen Schwester vermählt, aber, dafür auf ihr Anstiften heimtückisch ermordet, in den Flammen des Scheiterhaufens, in welche sie freiwillig sich stürzt, wieder mit ihr vereinigt wird, ist das deutsche der »Nibelungen« hervorgegangen. Die Völkerwanderung der germanischen und hunnischen Stämme brachte die gotische Stammsage von Dietrich von Bern (dem Ostgoten Theoderich) und die hunnische von Etzel (Attila), die mit der nordischen zum germanischen Volksepos verschmolzen wurden.
Nach der Eroberung des römischen Reichs durch die Deutschen, der Christianisierung und teilweisen Romanisierung eines Teils der germanischen Stämme nimmt das Epos selbst christlichen, jenes der romanisierten Stämme (Goten, Franken, Normannen, Angelsachsen) auf altkeltischem Boden keltischen Charakter an. An die Stelle des Kampfes mit Drachen und bösen Göttern tritt der mit den Ungläubigen, den Arabern in Gallien und Spanien, [* 30] den Sarazenen im Morgenland und in Palästina, [* 31] dem Zweifel und der Sünde in der eignen Brust.
Held des Epos wird der christliche Ritter: Karl d. Gr., den die Sage mit Karl Martell identifiziert, mit seinen Paladinen, besonders Roland, in Frankreich (»Rolandslied«);
Ruy Diaz, genannt der Cid Campeador, in Spanien (Romanzen vom Cid);
König Artus und seine Tafelrunde als Hüter des heiligen Grals, des Symbols des höchsten Guts des Christentums (das »Epos vom innern Menschen«, sein Gang [* 32] vom Glauben durch Zweifel zum Heil in »Parzival« und »Titurel« des Wolfram von Eschenbach).
Die höchste Stufe des christlichen als des erlösenden Epos nach mittelalterlich-katholischer Auffassung stellt die »Göttliche Komödie«, Dantes Gang durch Hölle, Fegfeuer und Paradies, als Symbol der Vollendung aller Dinge in Gott dar. Durch die Auflösung der Scholastik und die Wiedererweckung des klassischen Heidentums im Zeitalter der Renaissance einerseits, die innere religiöse Vertiefung in das Wort der Schrift und den Gegensatz gegen die Verweltlichung der Kirche in jenem der Reformation anderseits wurden zwei neue Gattungen des Epos begründet, deren eine vornehmlich bei katholischen, die andre bei protestantisch gewordenen Völkern Pflege und Anklang fand.
Das der Renaissance beruhte, wie diese selbst, aus der Gleichgültigkeit gegen das Christentum, dessen Wunder für sie nicht mehr und nicht weniger Glaubwürdigkeit besitzen als jene des Heidentums, daher sie keinen Anstand nimmt, jene wie diese als bloße »epische Maschinerie« zu verwenden. Das der Reformation dagegen beruht, wie diese selbst, auf dem bewußten Gegensatz gegen den römischen Katholizismus, schließt jedes andre als das in der Bibel [* 33] beglaubigte Wunder von sich aus, aber (im Gegensatz gegen das glaubenslose der Renaissance) den Glauben an das biblische Wunder (Schöpfung, Fall, Erlösung) in sich ein. Repräsentanten des erstern, das Wunderbare des Heiden- und des Christentums (Jupiter und den »Gekreuzigten«) phantastisch vermengenden Epos sind Ariost (»Der rasende Roland« als Fortsetzung von Bojardos »Verliebtem Roland«) und ¶