die in den dritten und letzten
Grad der
Eleusinischen Mysterien Aufgenommenen und damit
zur vollständigen
Erkenntnis der heiligen Geheimnisse Zugelassenen;
auch spöttischer
Name für die, welche sich einer nur
wenigen
Menschen zugänglichen, geheimern
Erkenntnis oder gar einer unmittelbaren
Anschauung göttlicher
Dinge rühmen;
(Epopöe, griech.), eine
Gattung der epischen (d. h. erzählenden)
Poesie, welche außer dem Epos selbst noch das
Märchen, den
Roman und die
Novelle sowie die eigentliche
Erzählung (s. diese
Artikel) umfaßt. Das
Charakteristische derselben
besteht darin, daß sie (wirklich, vermeintlich oder angeblich) Geschehenes (Geschichte,
Sage,
Fabel) als geschehen (nach
Lessing
»Handlungen als Begebenheiten«) statt, wie die dramatische
Poesie, als geschehend (»Begebenheiten als
Handlungen«)
darstellt.
Form der
Darstellung ist bei ihr, wie bei der dramatischen
Poesie, das Nacheinander (die
Succession), nur daß in der epischen
Dichtung das nacheinander Dargestellte (die einzelnen
Momente der
Erzählung) zwar aufeinander folgt, aber nicht eben, wie in der
dramatischen (die einzelnen
Akte der
Handlung), auseinander folgen muß. Die
Verbindung der in der Zeit aufeinander folgenden
Begebenheiten in der epischen.
Dichtung kann daher eine wunderbare entweder sein (wie im
Märchen und Epos), oder doch wenigstens
scheinen (wie im
Roman und in der
Novelle), während sie in der dramatischen eine nach dem Kausalgesetz
notwendige nicht nur sein, sondern auch scheinen muß.
Jene gestattet daher entweder wirklich (wie im
Märchen und Epos) oder doch wenigstens dem
Scheine nach (wie im
Roman und in der
Novelle) den
Eingriff übernatürlicher (persönlicher oder unpersönlicher, launischer oder sittlicher, guter oder böser)
Mächte in den
Lauf der Ereignisse (das Walten der
Gottheit oder des
Schicksals, dämonischer, neckender
oder gesetzmäßig herrschender
Geister, Mächte des
Lichts und der Finsternis); das
Drama schließt diesen aus (duldet keinen
deus ex machina).
Die epische
Dichtung beruht entweder wirklich (wie im
Märchen und Epos) auf der
Annahme einer
Führung derjenigen, deren
Schicksale sie berichtet, durch äußere Mächte
(Zufall, Verhängnis oder
Vorsehung), oder sie bringt (wie im
Roman und in der
Novelle) wenigstens den
Schein einer solchen hervor; die dramatische dagegen zerstört auch den
Schein, indem sie zeigt, daß
ein jeder der
Schmied seines
Schicksals sei.
Daher stellt das epische Gedicht seinen
Helden passiv, von der
Führung abhängig, das dramatische aktiv, sich selbst führend, dar.
Odysseus, der von
Athene
[* 2] in der
Fremde und zu
Hause,
Dante, der von Vergil durch
Hölle und
Himmel
[* 3] geleitet wird, sind epische,
Ödipus, der durch seine Selbstverblendung,
Lear, der durch seine Unbesonnenheit,
Richard III., der durch seinen
verbrecherischen
Ehrgeiz sein
Schicksal heraufbeschwört, sind dramatische
Helden. Jene werden bewegt, diese bewegen sich selbst.
Jene zieht der
Fluß der Begebenheiten mit sich fort, diese bringen ihn hervor. Verglichen mit dem rasch zum Ende fortstürzenden
dramatischen ist der epische Fortgang in der Zeit ein zögernder.
Während im
Drama jederMoment der
Handlung nur dazusein scheint, um den folgenden aus sich hervorzutreiben,
trägt die augenblickliche
Lage im
Epischen keine genügende
Notwendigkeitin sich, zu einer nächstfolgenden überzugehen; die
treibenden Mächte
(Zufall oder
Schicksal, freundliche oder feindliche) liegen außerhalb (nicht, wie im
Drama, innerhalb) der
Begebenheiten. Die
Epik »hat Zeit«; es steht ihr
frei, bei der in
einem gewissen Zeitaugenblick vorhandenen
Lage der
Dinge und
Personen beliebig zu verweilen, das eben Gegenwärtige behaglich
ins
Breite
[* 4] auszumalen, zu der ersten
Dimension
[* 5] (der Zeitfolge) die zweite (das Gemälde des Gleichzeitigen) hinzuzufügen,
das erzählende
Element durch das beschreibende zu ergänzen.
Das
Interesse, das sie erweckt, ist daher ganz verschieden von jenem, welches die dramatische Darstellungsform
erzeugt. Wie der epische
Held, ist der epische Zuhörer geduldig;
jener wartet sein
Los, dieser den Fortgang der
Erzählung
ab;
jenes weiß ersterer ebensowenig von sich wie diesen der
Hörer von dem bisher Vernommenen abhängig;
jenes wie dieser
kann durch ein (wirkliches oder doch anscheinendes)
Wunder ganz wider berechtigte Erwartung ausfallen.
Vom dramatischen
Helden wie vom Zuschauer des
Dramas gilt das Gegenteil;
jenen treibt es zur That, die sein
Los, diesen zum
Ausgang der
Handlung, der seine Erwartung besiegelt;
jener weiß sein
Geschick von seinem
Thun, dieser das künftig Eintretende
von dem bereits Geschehenen abhängig;
jenes wie dieses könnte nur durch ein (vom
Drama ausgeschlossenes)
Wunder wider die
berechtigte Erwartung ausfallen.
Durch dieses Passivitätsgefühl hat die
Stimmung des epischen
Helden wie des epischen Hörers
etwas mit der religiösen (dem Abhängigkeitsgefühl und der
Ergebung in das von außen verhängte
Schicksal) gemein,
das dem dramatischen fremd ist. Der epische
Held duldet, der dramatische kämpft gegen sein
Schicksal. Um dieser mit dem Gegenstand
religiöser Verehrung verwandten
Wirkung auf das
Gemüt willen ist die epische Darstellungsform zur
Aufnahme religiösen
Gehalts
vorzüglich geeignet, welche sie noch durch die Duldung wunderbaren oder doch wunderbar scheinenden Zusammenhanges
unter den erzählten Begebenheiten unterstützt.
Am geeignetsten aber zu diesem
Zweck ist diejenige
Gattung der
Epik, welche den letztern nicht bloß duldet, sondern fordert,
die wunderbare Fügung der erzählten Begebenheiten durch übernatürliche Mächte nicht bloß dem Anschein nach, wie der
Roman, oder nicht einmal dem
Scheine nach, wie dieErzählung, sondern wirklich zuläßt und dabei den
Schein
der Wunderbarkeit nicht, wie das
Märchen (welches das Übernatürliche als natürlich darstellt), vermeidet, sondern durch
ausdrückliche
Darstellung des Übernatürlichen als eines solchen provoziert.
Diese
Gattung ist das Epos oder
Heldengedicht. Dasselbe ist rein religiöser
Natur, d. h. es setzt den
Glauben an das Dasein
und Walten übernatürlicher (nicht notwendig sittlicher) Mächte voraus, von deren Leitung das Menschenschicksal abhängt.
Jede Form der
Religion, d. h. jede der verschiedenen Auffassungen jener Mächte (als persönliche oder
unpersönliche, als dämonische und göttliche,
Zufalls- und Schicksalsgewalt), hat ihr eignes der religiöse Unglaube, für
welchen dergleichen überhaupt nicht vorhanden sind, kann keins haben.
Die
Stelle desselben vertritt der
Roman, in welchem der
Lauf der Begebenheiten »romanhaft«, d. h.
dem
Scheine nach wunderbar, in
Wahrheit aber natürlich ist, während er im E. dem
Schein und dem (geglaubten)
Sein nach übernatürlich
ist. Das Epos gehört der religiösen, der
Roman wie das
Drama der philosophierenden Bildungsstufe des
Menschen
und der Menschheit an.
»Homer und Hesiod haben den Griechen ihre
Götter gemacht.« Da das eigentlich Handelnde im E. nicht
der epische
Held, sondern die führenden Mächte sind, so kann von einer
Einheit derHandlung, wie im
Drama, wo die That des
Helden sein
Los erzeugt, im E. nicht die
Rede¶
mehr
sein. Dem epischen Helden wird sein Los verhängt, der dramatische verhängt es sich selbst. Sollen daher die erzählten Begebenheiten
durch eine andre als durch die lockere Einheit derselben Zeitlinie verbunden sein, in welche sie fallen, so kann dies nur
durch die Einheit der leitenden Person (des epischen Helden) oder der thätigen Mächte (der leitenden Götter-
oder Schicksalsgewalt) oder beider zugleich sein. Dante, der, von Vergil geführt, die Reise durch die Hölle und das Fegfeuer,
von Beatrice geleitet, jene durchs Paradies vollführt, ist der epische Held, dessen Einheit die Teile des epischen Gedichts
zu einem Ganzen verknüpft, wie die Person des Odysseus die Schiffermärchen der »Odyssee«.
Dagegen ist die Einheit der »Ilias« nicht sowohl in der Einheit derPerson des Achilleus, seines Streits und seiner Versöhnung
mit Agamemnon, welche den Inhalt des Epos keineswegs erschöpft, als vielmehr in derjenigen der leitenden Götterwelt begründet,
von welcher das Schicksal der Kämpfer um Troja
[* 7] bedingt ist. Die Einheit derPerson macht die Erweiterung
des Epos durch An- oder Einfügung weiterer Begebenheiten, welche derselben Person widerfahren, die Einheit der leitenden Mächte
eine solche durch Ausdehnung
[* 8] der Erzählung auf weitere Ereignisse möglich, welche derselben Schicksalsgewalt entsprungen
sein sollen.
Wie jener nur durch die Grenze der Lebens-, wird dieser nur durch die Grenze der Herrschaftsdauer (Sturz
der olympischen Götter durch ein neues Göttergeschlecht: Götterdämmerung) ein Ziel gesetzt; an die Person des wandernden
Helden schießen kristallartig Erlebnisse wie an die Gestalten der waltenden Götter Verhängnisse über sterbliche Menschen
an. Während das Drama in seinen Charakteren und der Situation einen grundlegenden Anfang, in seiner Katastrophe
ein abschließendes Ende besitzt, läßt das Epos vor und nach dem durch seine Begebenheiten ausgefüllten Zeitabschnitt
Zeiträume zur Ausfüllung mit weitern Schicksalen des Helden oder mit weitern Schicksalsbestimmungen der Götter frei: Achilleus'
Schicksalen vor Troja gehen jene des Paris
[* 9] vor dem Krieg der Zeit nach voran, folgen jene desselben Helden
nach Achilleus' hinterlistiger Erlegung nach.
Die Entstehung des Epos aus einzelnen Liedern, deren jedes die Begebenheit nur eines oder weniger Zeitmomente, deren
Zusammenfassung aber die Begebenheiten einer ganzen Zeitreihe von beträchtlichem Umfang umfaßt, ist durch die lockere Einheit derPerson (des einzelnen Helden oder seines ganzen Geschlechts in auf- und absteigender, ja sogar in den Seitenlinien:
Lajos' Haus; die Atriden; die Nibelungen; Marko Kraljevic u. a.) oder der waltenden Mächte (die olympische, indische, nordische
Götterwelt; das Reich des Lichts und der Finsternis im persischen, Himmel und Hölle, Christus und Satan im christlichen Epos) nicht
nur möglich, sondern bei vielen derselben (wie beim Homerischen, indischen, serbischen Epos) sogar
wahrscheinlich gemacht.
Gegen die auf diesem Weg liegende Gefahr eines »unendlichen Epos« (desgleichen die Weltgeschichte ist) gilt die Warnung des Aristoteles,
daß das Epos sowenig wie die Tragödie (d. h. das Drama überhaupt) eine gewisse die Überschaubarkeit hindernde Ausdehnung
überschreiten, noch unter einer solchen im entgegengesetzten Sinn zurückbleiben solle. Die Abschnitte des Dramas, das eine
in der Zeit sich bewegende Handlung ist, werden durch die Ruhepunkte der Handlung, jene des Epos dagegen, das eine sich durch
die Zeit ausdehnende Erzählung ist, durch die Abschnitte der Zeit, welche die letztere braucht, festgesetzt.
Daß die Stillstände
der Erzählung jedesmal mit einem Stillstand des Erzählten zusammenfallen, ist dabei allerdings möglich,
aber keineswegs notwendig. Nicht bloß der Märchenerzähler (Scheherezade), sondern auch der epische Dichter (Ariost) bricht
seine Erzählung ebenda ab, wo sie am spannendsten wirkt; jener verschiebt die Fortsetzung auf den folgenden Tag,
dieser auf den folgenden (d. h. am folgenden Tag vorzutragenden) Gesang. Die Märchen der »Tausendundeine Nacht«, die Erzählungen
des Dekameron, Heptameron sind nach Tagen eingeteilt; die Gesänge des für die Recitation, wie das Drama für die Aufführung
(nicht zur Lektüre), bestimmten Epos sind bestimmt, tagweise vorgetragen zu werden.
Dieselben haben daher, wie die regelmäßigen Zeitabschnitte (Stunde, Tag, Jahr), untereinander gleiche
Länge, gleichviel welche Zeit das Erzählte umfassen mag. Die Zahl der Akte im Drama ist durch die Geschlossenheit der Handlung
und deren organischen Fortschritt bestimmt, die Zahl der Gesänge im E. willkürlich. Nicht nur die gleichzeitigen Begebenheiten
verschiedener Personen können zusammen verwoben (Mehrheit epischer Helden), sondern Begebenheiten einer
frühern Zeit können der Erzählung der gegenwärtigen eingeflochten werden (Episoden).
In der Regel hat der Erzähler allein das Wort; er kann dasselbe an einen seiner Helden abtreten, der es im eignen oder wieder
im Namen eines andern führt. Die lebhaftere Darstellungsweise, welche dadurch entsteht, ist der dramatischen
ähnlich, so daß manches epische Gedicht sich mit Leichtigkeit in ein dramatisches verwandeln ließe (z. B.
das Gespräch des Glaukos und Diomedes bei Homer), aber nicht gleich. Der epische Dichter stellt auch diese den Helden selbst
in den Mund gelegten Reden als geschehene (nicht als geschehende), als bloße Begebenheiten dar; das historische
Präsens ist ganz vom dramatischen verschieden.
von dem das sogen. bürgerliche
Epos (Goethes »Hermann und Dorothea«) eine Unterart darstellt. Ist dagegen das Unglück wie das Glück so unbedeutend, daß beide
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