Gesetzen wird die Abänderung eines Stauwerkes überdies dadurch erschwert, bez.
verbindert, daß diese nur durchgeführt werden muß, insofern dem
Besitzer selbst nicht dadurch ein überwiegender Nachteil
zugefügt wird, oder soweit die Abänderung erfolgen kann, ohne die nötige Triebkraft des fraglichen Werkes zu beeinträchtigen,
oder endlich, falls die Versumpfung oderÜberschwemmung in keiner andern minder kostspieligen
Weise beseitigt
werden kann.
8) Versenkung des angesammelten
Wassers in eine durchlassende
Schicht des
Untergrundes, falls eine solche in hinreichender
Mächtigkeit
und mit angemessener
Kapazität der Wasserführung in nicht zu beträchtlicher Tiefe zu erreichen ist.
Kann durch die hier geschilderten
Mittel die
Vorflut nicht beschafft werden, so verbleibt noch 9) die
Erhöhung des
Niederungsgebiets durch
Kolmation (s. d.), ein
Verfahren, welches bei reichlicher
Menge von Sinkstoffen in den zur Aufhöhung
zu benutzenden Wasserläufen oft, wenn auch erst nach einer längern
Reihe von
Jahren, sehr gute Erfolge erzielt hat, und endlich
10) die mechanische Wasserhebung, um das in dem Sumpfgebiet angesammelte
Wasser in den höher gelegenen
Ableitungskanal zu heben. Es ist dieses
Mittel am Platz, wenn der
Rezipient nicht entsprechend gesenkt werden kann und das
zu meliorierende Gebiet Aussicht auf hohe
Erträge gewährt. Es besitzt dieses
Mittel namentlich an den Ausmündungen der
Ströme
ins
Meer eine große Bedeutung, da hier eine anderweitige Vorflutbeschaffung ausgeschlossen ist. So sind
in
Holland, an der deutschen Nordseeküste, ferner in neuester Zeit an der Mündung des
Po bei
Ferrara
[* 2] sehr bedeutende Wasserhebewerke
aufgestellt, um das in den
Marschen angesammlte ^[richtig: angesammelte]
Wasser abzuleiten.
Als Triebkraft für die Wasserhebewerke dient in
Holland und an der deutschen Nordseeküste noch vielfach
die Windkraft. In neuerer Zeit benutzt man jedoch vorwiegend
Dampfmaschinen
[* 3] mit Zentrifugalpumpen oder Overmarssche
Pumpräder
zur Trockenhaltung der
Niederungen, falls eine natürliche
Vorflut nicht zu erzielen ist. Aber auch im
Binnenland wird bereits
die
Dampfmaschine
[* 4] zur Entwässerung versumpfter Gebiete benutzt, besonders in eingedeichtenNiederungen, wenn lange
anhaltendes
Hochwasser es unmöglich macht, das
Binnenwasser auf natürliche
Weise abzuführen.
An die Beschaffung der
Vorflut schließt sich die Binnenentwässerung an, welche je nach der
Situation durch einen Hauptkanal
oder durch ein
Netz von
Kanälen erfolgt. Die
Richtung derselben bestimmt die
Lage des
Terrains, während die Anzahl und
Profile nach der sorgfältig zu ermittelnden abzuführenden Wassermenge bestimmt werden. Oft gelingt es Hierdurch, das
Terrain vollständig zu sanieren; zuweilen wird jedoch noch eine lokale Trockenlegung der einzelnen
Parzellen durch offene
Gräben oder durch
Drainage
[* 5] (s. d.) erforderlich.
Vgl. Franzius und
Sonne,
[* 6] Der
Wasserbau (2. Aufl., Leipz. 1882);
Perels, Handbuch
des landwirtschaftlichen
Wasserbaues (2. Aufl., Berl. 1884).
in der
Physiologie die allmähliche
Ausbildung des formlosen
Keims eines lebenden, insbesondere tierischen,
Wesens zu bestimmterer Gestaltung und
Gliederung sowie zu selbständigem
Individualleben (s.
Entwickelungsgeschichte);
[* 7] in der
Logik Auseinandersetzung,
Erklärung, Verdeutlichung eines
Begriffs oder
Gedankens nach
Inhalt und
Umfang. Über die Entwickelung des
Menschen
s.
Embryo. - Militärisch ist Entwickelung zum
Gefecht das Hervorziehen der
Truppen aus den schmalen Marschkolonnen oder aus der
Rendezvousformation in die breitere Gefechtsfronte. Diese Entwickelung erfolgt womöglich außerhalb der Sehweite,
mindestens außer wirksamer Schußweite vom Gegner.
[* 7] (Ontogenie), die
Wissenschaft von der
Entwickelung des pflanzlichen oder tierischen Lebewesens
von der
Eizelle an bis zu seiner Vollendung; sie umfaßt also nicht nur die
Embryologie (s.
Embryo), sondern auch alle
spätern
Metamorphosen. Bis zur Mitte des vorigen
Jahrhunderts hatte man im
Sinn derEvolutions- oder Präformationstheorie angenommen,
daß die
Entwickelung des
Embryos nur auf einer Entfaltung von Teilen beruhe, welche im
Ei
[* 8] bereits vorgebildet vorhanden seien.
Diese
Anschauung gipfelte konsequenterweise in der
Einschachtelungstheorie, nach welcher jede
Tier- oder Pflanzenart ursprünglich
nur in einem
Individuum oder
Paar vorhanden gewesen sein sollte, welches aber die
Keime aller folgenden Individuen derselben
Art, einen in dem andern eingeschachtelt, enthalten habe. Auf einer Auswickelung solchergestalt eingeschachtelter vorgebildeter
Teile sollte demnach alle
Entwickelung beruhen.
DiesenAnschauungen machte K. F.
Wolff ein Ende, indem er 1759 in seiner
»Theoria generationis« den Nachweis führte, daß der
Embryo aus einer
Reihe von
Neubildungen hervorgeht, welche durch die Zeugungsstoffe
veranlaßt, aber in keiner
Weise, weder im
Ei noch im
Sperma, vorgebildet vorhanden sind
(Epigenesis-,
Postformationstheorie).
Allein
Wolff war seinen Zeitgenossen viel zu weit vorangeeilt, und das Ansehen seiner Gegner, an deren
SpitzeA. v.
Haller stand, war zu groß, als daß seine Leistungen nach
Gebühr hätten gewürdigt werden können; deshalb gerieten
seine
Arbeiten in Vergessenheit, bis
Merkel 1812 einzelne Teile derselben von neuem herausgab. Durch
Oken wurde die Entwickelungsgeschichte zu derselben
Zeit zwar genauer studiert, aber zugleich in denDienst einer besondern naturwissenschaftlichen
Theorie
gestellt, nach welcher aller tierischen
Entwickelung das
Ziel der
Menschwerdung zu
Grunde liegen sollte, so daß die niedern
Tiere nur als eine Art
Hemmungsbildung des
Menschen, als
Wesen, die auf dem Weg der
Menschwerdung auf einer niedern
Stufe stehen
geblieben seien, betrachtet wurden, während derMensch und die höhern
Tiere umgekehrt in ihrer
Entwickelung
durch alle niedern
Stufen hindurchgehen müßten.
Diese in
Deutschland
[* 9] namentlich durch
Oken,
Rudolphi, in
Frankreich durch
EtienneGeoffroy de
Saint-Hilaire und
Serres verteidigte
sogen. Hemmungstheorie setzte, wie man sieht, die
Einheit des
Plans sämtlicher
Tiere voraus und mußte erst durchBaer und
Cuvier widerlegt werden, bevor das
Studium der Entwickelungsgeschichte emporblühen konnte. Der Aufschwung derselben begann mit den Forschungen
von Pander undBaer, welche von
Döllinger in
Würzburg
[* 10] zu erneuerten Forschungen auf diesem Gebiet veranlaßt worden waren.
Pander ist der
Urheber der sogleich näher zu erwähnenden
Keimblättertheorie, währendBaer zum erstenmal die
Entwickelung höherer
Wirbeltiere durch alle Stadien und in allen Einzelheiten genau verfolgte, weshalb er auch mit
Recht als
der
»Vater der Entwickelungsgeschichte« bezeichnet wird. Das
Resultat dieser Untersuchungen war, daß die
Tiere nicht nach einheitlichem
Plan sich
¶
mehr
entwickeln, und daß man wenigstens vier verschiedene Hauptabteilungen unterscheiden müsse, daß die Entwickelung stets vom
Allgemeinen ins Spezielle gehe, und daß sich zuerst die Kennzeichen der Klasse, dann die der Ordnung und hierauf nacheinander
die der Familie, Gattung und Art ausbilden. So erkennt man beim Hühnchen zuerst nur das Wirbeltier, dann
den Vogel, hierauf einen Angehörigen der Scharrvögel, das Huhn, und zuletzt die spezielle Art. Damit blieben aber die Thatsachen
unerklärt, auf welche die Okensche Schule ihre Hemmungstheorie gestützt hatte, daß nämlich höhere Tiere wirklich in ihrer
Entwickelung durch gewisse Zustände hindurchgehen, die bei tiefer stehenden Tieren bleibend sind, also
z. B. der lungenatmende Frosch
[* 12] durch den Zustand eines Kiementiers, und diese Thatsache war um so frappanter, als man bald
hernach auch bei den Embryos der höhern Wirbeltiere, die niemals durch Kiemen atmen, bis zum Menschen hinauf das Auftreten von
Kiemenspalten und andern Einrichtungen bemerkte, die bei niedern Tieren bleibend sind.
Für diese embryologischen Thatsachen konnte erst die durch Darwin zum Siege gelangte Deszendenztheorie die gesuchte Erklärung
geben, und hier waren es Huxley, O.Schmidt, FritzMüller, Häckel u. a., welche bald den Zusammenhang darlegten. In zweifellosester
Weise gelang dies FritzMüller (1865) durch seine Studien über die Entwickelung der Krebse, indem er zeigte,
daß Arten aus den verschiedensten Krebsfamilien, die im ausgewachsenen Zustand nur eine ziemlich entfernte Verwandtschaft
und nicht die geringste Ähnlichkeit
[* 13] miteinander zeigen, anfangs in fast gleicher Gestalt als sogen. Nauplius-Larve erscheinen.
Es ist dies ein kleines, sechsfüßiges Tier mit einem unpaarigen Ange auf dem Kopf, und einzelne niedere
Krebsformen gehen zeitlebens nur wenig über seine Gesamtorganisation hinaus.
Mit derselben Form beginnen aber auch gewisse Garneelen, die den höchsten Krebsfamilien angehören, ihre Entwickelung und
gehen
dann durch andre Larvenformen hindurch, die man als Zoëa- und Mysis-Larven bezeichnet hat, weil sie gewissen mittlern
Krebsgeschlechtern gleichen; kurz, der Schluß, wurde unabweisbar, daß die Nauplius-Larve dem gemeinsamen
Ahnen des Krebsgeschlechts gleiche, und daß die höhern, vollkommener differenzierten Krebsarten von den mittlern Formen abstammen,
deren Nachbilder ebenfalls in den Metamorphosen ihrer Larve auftreten.
Ganz unabweisbar wurde dieser Schluß bei jenen Krebsarten, die im erwachsenen Zustand zu einem Klumpen ohne alle Gestaltung
entartet sind, und deren Zugehörigkeit zum Krebsgeschlecht fast nur noch an der Nauplius-Larve oder durch
die Entwickelung überhaupt erkennbar ist (s. Entartung). Auf diese Thatsachen begründete FritzMüller die Folgerung, welche
Häckel unter dem Namen des biogenetischen Grundgesetzes kurz dahin formuliert hat: die Entwickelungsgeschichte des Individuums (Ontogenesis) ist
die abgekürzte Wiederholung seiner Stammesgeschichte (Phylogenesis).
Dieser Schluß hat sich seither in tausendfältiger Weise bewährt und das Studium der Entwickelungsgeschichte zu einer der wichtigsten Erkenntnisquellen
sowohl für die Ermittelung der natürlichen Verwandtschaften als besonders der Abstammung der Organismen erhoben. Freilich
ist diese Quelle
[* 14] eine nur mit großer Vorsicht zu benutzende, weil nicht immer ungetrübte, wie dies schon
FritzMüller erkannte. Die in der Entwickelungsgeschichte erhaltene geschichtliche Urkunde wird nämlich allmählich verwischt, indem die Entwickelung
einen immer geradern Weg vom Ei zum fertigen Tier einschlägt, sie wird außerdem sowohl, wenn das Tier sich nicht frei, sondern
in einem Ei entwickelt, als auch, indem es als Larve den Einflüssen des Kampfes ums Dasein ausgesetzt wird,
nachträglich verändert, also im Hinblick auf den getreuen Bericht der Stammesgeschichte gefälscht, und das ist, was Häckel
als Fälschungsgeschichte (Cenogenesis) bezeichnet. Das biogenetische Grundgesetz gibt uns demnach, wenn mit der
[* 7]
^[Abb.: Entwickelungszustände von Monoxenia Darwinii. Vergrößert.]
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