mehr
insbesondere an S. Clarke (1675-1729) und dem Grafen Shaftesbury (1670-1713), als rationale Moralphilosophie aber außer den beiden Genannten noch in Wollaston (1659-1724) und Fr. Hutcheson, dem Entdecker des sittlichen Gefühls (moral sense) (1694-1747), Beattie (1735-1803), Ferguson (1724-1816) u. a. Vertreter gefunden. Beiden Schulen gemein war die Opposition gegen die geoffenbarte Religion, an deren Stelle der Materialismus den offenen Unglauben, Herbert, Locke, Clarke und Shaftesbury den Deismus und die natürliche oder Vernunftreligion setzten, während gleichzeitig politische Rationalisten, wie Algernon Sidney (1622-83) und John Milton (1608-74), das »Königtum von Gottes Gnaden« des Robert Filmer (gest. 1647) bekämpften.
Jene begründeten die Schule der sogen. Freethinkers (»Freidenker«),
zu welchen Charles Blount, Collins, Lyon, [* 2] Tindall und vor allen John Toland (gest. 1722), der Vorläufer der französischen Encyklopädisten, gehörten, und die im Zeitalter der Aufklärung ihren Einfluß über die ganze gebildete Welt ausbreiteten. Der Empirismus Lockes gestaltete sich bei Arthur Collier (gest. 1732, »Non-existence of an external world«) und George Berkeley (gest. 1753) zum empirischen Idealismus um, während David Hume (1711-76) durch denselben zum Skeptizismus geführt wurde.
Als Moralphilosoph schloß sich Hume wie sein Geistesverwandter Adam Smith (1723-90) an die Schule des moral sense Hutchesons an, während Thomas Reid (1710-96) wieder auf Herberts common sense zurückging und die sogen. schottische Schule stiftete, welche nach ihm von Dugald Stewart (1753-1823), Thomas Brown (1778-1820) fortgesetzt und durch Sir William Hamilton (1788-1856) dem Kantschen Standpunkt genähert wurde. Als Gegner derselben trat von materialistischer Seite her Priestley (1733-1804), vom Standpunkt des Lockeschen Empirismus John Stuart Mill (1806-73) auf, während sie durch Royer-Collard und Cousin in Frankreich großen Einfluß gewann. Gegenwärtig ist die schottische Schule, zu welcher außer den Genannten auch James Mill (1775-1836), Bentham (gest. 1832), John Young, Ballantyne, Abercrombie, Wylne, James Macintosh (gest. 1832) u. a. gezählt werden, durch Whewell, Mansel, Mac Cosh u. a., die empirische Schule durch den Psychologen Alex. Bain, Sidgwick und die Mitarbeiter der philosophischen Zeitschrift »The Mind« vertreten.
Durch John Stuart Mill und den Kulturhistoriker Buckle ist auch der Positivismus Comtes in England eingeführt, dessen materialistische Psychologie jedoch abgelehnt worden, was von seiten andrer englischer Positivsten, wie G. H. Lewes, Tylor u. a., nicht geschieht. Dem Positivismus verwandt ist das von seinem Urheber, dem bedeutendsten unter den lebenden englischen Philosophen, Herbert Spencer (geb. 1820), als »Evolutions- oder Entwickelungsphilosophie« bezeichnete System, das sich wie jener den Aufbau des Wissens »nach der natürlichen Ordnung der Wissenschaften« (Biologie, Psychologie, Soziologie und Moral) zur Aufgabe macht, aber im Gegensatz zu jenem das Vorhandensein einer jenseit der Erfahrung gelegenen (metaphysischen) Welt nicht schlechthin leugnet, sondern dieselbe als allerdings »unbekannten« (unknown) Hintergrund am Horizont [* 3] der empirisch bekannten Welt der Erscheinungen bestehen läßt.
Dem im Gefolge der Naturwissenschaften, besonders der Darwinschen Deszendenztheorie, drohenden Überhandnehmen des Materialismus haben Wright, Collyns Simon, Fraser, Hodgson u. a. durch Wiederbelebung des Berkeleyschen »Immaterialismus« einen Damm vorzuschieben gesucht. Durch Abbot, den Übersetzer Kants, Stirling (»The secret of Hegel«),
Max Müller, den Übersetzer der »Kritik der reinen Vernunft« (1881),
hat auch deutsche Philosophie in England Eingang gefunden; letzterer hat dabei in der Vorrede bemerkt, daß die englische Philosophie, was die durch Kant bewirkte Umwälzung in der Philosophie betrifft, »noch nicht bei Kant angelangt« sei. Um die Geschichte der Philosophie haben sich außer dem ersten neuern Historiker derselben, Stanley, in jüngster Zeit Thomson, Lewes, Flint, Morris, G. Grote u. a. Verdienste erworben.
Theologie.
Die Theologie hat in England nie jene wissenschaftliche Ausbildung erlangt, die sie durch den deutschen Geist erfuhr. Von den frühsten Zeiten her wurde sie nach herkömmlicher, von der Kirche vorgeschriebener Weise getrieben und mit scholastischen Spitzfindigkeiten ausgestattet. Über den freisinnigen Johann Wiclef (gest. 1384) ward nach seinem Tod noch das Verdammungsurteil ausgesprochen. Die Reformation, welche den Geistesdruck nicht aufhob, sondern nur die kirchliche Obergewalt aus den Händen des Papstes in die Heinrichs VIII. spielte, förderte das Studium der theologischen Wissenschaft keineswegs; erst allmählich brachte die anglikanische Kirche auch Theologen hervor, denen die Reformation kein politischer Handel, sondern eine Herzenssache war, die sie mit Mund und Feder verteidigten. Dahin gehören unter andern der gelehrte John Hales (gest. 1656) und Jeremy Taylor (gest. 1667), der beredteste und phantasiereichste unter den Theologen seiner Zeit. Aber die eigentlich gelehrte Theologie begann erst im 17. und 18. Jahrh. Von förderndem Einfluß war auf sie das Studium der alten, besonders der orientalischen, Sprachen. John Fell (gest. 1686) besorgte mehrere brauchbare Ausgaben der Kirchenväter, sein Schüler John Mill (gest. 1707) die erste kritische Ausgabe des Neuen Testaments, wie mit Benjamin Kennikot (gest. 1783) die Kritik des alttestamentlichen Textes beginnt. R. Lowth schrieb über hebräische Poesie, R. Hurd über die Propheten, G. Hornes über die Psalmen, J. ^[John] Jortin über Kirchengeschichte. Das Kirchenrecht und die kirchliche Archäologie bearbeiteten Usher (gest. 1656), Beveridge (gest. 1708), Bingham (gest. 1723) u. a. Die positive Religion ward gegen die Angriffe des Deismus von Englische [* 4] Stillingfleet (gest. 1699), S. Parker (gest. 1687), W. Nichols (gest. 1712) und eine Unzahl andrer verteidigt. Gegen das Ende des 18. Jahrh. nahm die Zahl gelehrter Theologen der Hochkirche immer mehr ab, obgleich mancher Fortschritt in der kritischen und biblischen Litteratur zu verzeichnen ist. Hervorragend ist der Utilitarier W. Paley (gest. 1805); die Offenbarung verteidigten gegen die Skeptiker Gibbon und Paine die Bischöfe Rich. Watson (gest. 1816) und Sam. Horsley (gest. 1806), gegen sonstigen Unglauben Bischof Porteus (gest. 1808), G. Wakefield (gest. 1801) und der Philanthrop Wilberforce (gest. 1833). Um die Bibelkunde machten sich im 19. Jahrh. verdient: Horne, Tregelles, Westcott, Hort, Scrivener. Im Schoß der anglikanischen Kirche selbst regte sich zuweilen ein oppositioneller Geist, und die geistreichen Pamphlete des Satirikers Sidney Smith wiesen auf die praktischen Krebsschäden der englischen Kirche genugsam hin. Zunächst entwickelte sich allmählich neben der hochkirchlichen eine evangelische Partei als Reaktion gegen den geistlosen Mechanismus der ¶
mehr
Hochkirche und als eine echt religiöse, aber geistig befangene Bewegung. Dieser frühern Generation der »Evangelicals« verdanken die Engländer die Aufhebung der Sklaverei und die Stiftung mehrerer nützlicher Gesellschaften, die zum Teil noch in hoher Blüte [* 6] stehen. Die neuern Evangelicals repräsentieren vollständig den kontinentalen gläubigen Protestantismus, aber mit überwiegendem Calvinismus. Von theologischer Wissenschaft ist bei ihnen keine Rede; ihre Litteratur besteht fast nur aus Predigten und Erbauungsschriften. Das hochkirchliche Element steigerte sich durch die Oxforder Professoren John H. Newman (geb. 1801) und Edw. B. Pusey (gest. 1882), welche zur Erneuerung echter Katholizität alle katholischen Satzungen und Lehren, [* 7] soweit ihnen die 39 Artikel nicht ausdrücklich widersprachen, wieder aufnahmen, zugleich aber auch in der Litteraturgeschichte Englands durch ihre zündenden »Tracts for the times« glänzten.
Für eigentliche Gelehrsamkeit erwiesen sich nur die Anhänger der sogen. breitkirchlichen Richtung (broad-church) zugänglich und fruchtbar, an ihrer Spitze der Dean Arthur P. Stanley (1815-81); zu nennen sind ferner die Gelehrten Oxfords: Hussey, Jowett, Mansell, Macbride, die Gebrüder Hare, Milman, Trench;
von Cambridge: Conybeare, Howson, Blomfield, Alford, Hardwick u. a. Der Predigtsammlungen (sermons) ist kein Ende in der Litteratur der Hochkirche;
klassisch und auch frei für seine Zeit redete der Erzbischof Tillotson (gest. 1694).
Auch unter jenen Protestanten, die sich der anglikanischen Kirche nicht anschlossen, zeigten sich im 17. Jahrh. hervorragende Schriftsteller: Richard Baxter (gest. 1691), dessen »Ewige Ruhe der Heiligen« mit Bunyans (gest. 1688) »Pilgerfahrt des Christen« zu den gelesensten aller Erbauungsbücher gehört. Dieselbe Zeit des religiösen Enthusiasmus gebar auch die Sekte der Quäker, deren gebildetere Anhänger Barclay, Penn, Whitehead, Ellwood ihre Lehren in Schriften verteidigten. Berühmte Nonkonformismen waren ferner: Whiston, Doddridge, Law und die Methodisten Whitefield (gest. 1770) und Wesley (gest. 1791). Von den englischen Dissenters der neuern Zeit, die ein gelehrtes Streben an den Tag legten, nennen wir: Lardner, Farmer, Foster, Leland, Hall, [* 8] Clarke;
von den Schotten: Blair, Campbell, Alison, Thomson, den ausgezeichneten Prediger und Schriftsteller Chalmers, Brown, Wardlaw, Guthrie, Caird, Cumming, Candlish.
Geschichtsschreibung.
Die Geschichtschreibung wurde in England im Mittelalter vorwiegend von Geistlichen, meist Benediktinermönchen, gepflegt und in lateinischer Sprache [* 9] abgefaßt. Eins der ältesten und wertvollsten Geschichtswerke ist die Geschichte der englischen Könige und der englischen Kirche bis 1142 von Wilhelm von Malmesbury. Der Streit zwischen Staat und Kirche in England im 12. Jahrh. rief auch Geschichtswerke hervor, so die von Gervasius von Canterbury und von Johannes von Salisbury, die auf kirchlichem Standpunkt stehen, während Benedikt von Peterborough, dessen Werk dem von Roger von Hoveden zu Grunde liegt, und namentlich Matthäus Paris [* 10] (gestorben um 1259), der bedeutendste englische Geschichtschreiber des Mittelalters, in entschiedener Opposition zu Papsttum und Kirche stehen.
Nur litterarischen und sagengeschichtlichen, nicht historischen Wert haben die Reimchroniken, besonders die des Meisters Wace aus Jersey, welcher nebst einer Geschichte der Normannen: »Roman de Rou« (»Romanze des Rollo«),
um 1160 die an Fabeln reiche Chronik Geoffreys von Monmouth zu einem erzählenden Gedicht: »Le [* 11] Brut d'Angleterre«, verarbeitete, welches Layamon ins Sächsische übersetzte und Robert von Gloucester und R. Mannyng nachahmten. Zu Anfang des 14. Jahrh. entstanden solche Reimchroniken, die nur nackte Erzählungen meist von Schlachten [* 12] und Festen ohne Urteil, Kunst und Phantasie brachten, in Masse. Auch Chroniken und Geschichtsbücher, z. B. in englischer Sprache, wurden gegen Ende des Mittelalters und in der Reformationszeit zahlreicher. Sie alle übertrifft Sir Walter Raleighs (gest. 1618) unvollendete Weltgeschichte.
Eigentliche Geschichtschreibung mit selbständiger Reflexion [* 13] und Charakterzeichnung rief erst der große Kampf zwischen Volk und Krone im 17. Jahrh. ins Leben. Thomas May (gest. 1650) beschrieb zuerst diesen Bürgerkrieg, dann Whitelocke (gest. 1676), Bischof Gilbert Burnet (gest. 1715) und Lord Clarendon (gest. 1674). Auf diese durch eine interessante Zeit hervorgerufene Geschichtschreibung folgten wieder ein Rückschritt und eine Reihe bloßer Kompilatoren, wie L. Echard, Strype, Kennet, Rapin, ein französischer Protestant, u. a. Lord Bolingbroke (gest. 1751, »Letters on the study of history«),
Nathaniel Hooke (gest. 1763) und C. Middleton (gest. 1750) brachten dann wieder einen großen Fortschritt in die englische Geschichtschreibung und waren die Vorläufer des großen Triumvirats der Vertreter der skeptisch-rationalistischen Aufklärungsperiode: David Hume (1711-76, »History of England«),
mit dem die neue historische Schule beginnt, William Robertson (1721-93, »History of Scotland«, »History of Charles V.«, »History of America«) und Edward Gibbon (1737-94, »History of the decline and fall of the Roman empire«),
dessen Werk trotz mancher Schwächen und Irrtümer zu den größten Triumphen historischer Kunst gehört. Ihr Erfolg rief eine Legion mehr oder weniger guter Geschichtswerke ins Leben. Mit besonderer Vorliebe wandte sich die Geschichtsforschung auf die Heimat selbst und ihre innere Geschichte. Würdig beschloß W. Roscoe (gest. 1831) die Reihe der englischen Historiker des 18. Jahrh. durch seine mit Wärme [* 14] und Liebe geschriebenen Biographien der Mediceer (»The life of Lorenzo de' Medici«, 1795, und »The life and pontificate of Leo X.«, 1803), welche insbesondere die damaligen Kulturzustände Italiens, [* 15] das Wiederaufleben der schönen Künste und Wissenschaften dankenswert beleuchten.
Vgl. Ebeling, Englands Geschichtschreiber (Berl. 1852).
Die Historiker des 19. Jahrh. zeichnen sich nicht nur durch größere Tiefe der Forschung und zum Teil durch kunstvolle Darstellung, sondern auch dadurch vorteilhaft aus, daß sie nach dem Vorgang Roscoes die Litteratur- und Kunstgeschichte gern mit der politischen verbinden, was ihren Werken einen höhern Grad von Anziehung und Belehrung verleiht. Um zunächst bei der vaterländischen Geschichte zu verweilen, so wurde jetzt die angelsächsische Geschichtsperiode, ein bisher ganz brach gelegenes Feld, mit besonderm Eifer bebaut. Der erste war Sharon Turner (1768-1847), dessen »History of the Anglosaxons« und »History of England during the middleages«, obschon in einem etwas affektierten Stil abgefaßt, ihm einen ehrenvollen Namen erwarben. Ihm folgten Thom, Wright (gest. 1877) und Sir Francis Palgrave (gest. 1861),
dieser mit den rühmlich bekannten Werken: »The rise and progress of the English commonwealth: Anglosaxon period« (1832) und »The ¶