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(gest. 1690), Edw. Ravenscraft und die übel berüchtigte Aphra Behn (gest. 1689). Alle drei, eine Frau unter ihnen, übertrafen an Zügellosigkeit und schmutziger Gemeinheit die oben genannten Meister, und doch bildeten ihre Stücke auf der damaligen Bühne die eigentlichen Zugstücke, wie auch die Romane der Aphra Behn Lieblingsstücke der Lesewelt waren. Schon unter Jakobs II. Regierung nahm das englische Leben wieder einen Aufschwung zu Ehrbarkeit und Gesetztheit, die entschiedenste Reaktion zum Bessern aber erfolgte mit der Revolution.
Das Privatleben Wilhelms von Oranien charakterisierte sich durch sittenstrenge Frömmigkeit, und auch das Volk wurde wieder ernster. Sofort erhoben sich die offensten und heftigsten Angriffe gegen das zügellose Bühnenwesen. Die erste Opposition ging aus von Richard Blackmore, der in seiner »Satire upon wit« (1699) den schlüpfrigen Witz der Zeit züchtigte. Tiefere Wirkung übte Jeremy Colliers Schrift »A short view of the immorality and profaneness of the English stage« (1698). Obwohl hier neben dem wirklich Frevelhaften die Bühne überhaupt bekämpft wird, so war doch der Einfluß der Schrift außerordentlich.
Besonders deutlich gewahrt man ihn gleich in den Lustspielen von George Farquhar (1678-1707) und Sir John Vanbrugh (1666-1726); beide stehen mit einem Fuß noch auf dem Boden der alten Verderbnis, mit dem andern haben sie bereits einen kühnen Schritt zum Bessern gethan. Besonders Farquhars Komödien sind ausgezeichnet durch glückliche Erfindung, überraschenden Situationenwitz und leichten epigrammatischen Dialog. Vanbrugh steht seinem Vorgänger an Frische und Kraft [* 2] der Komik bedeutend nach; an sittlicher Haltung, wiewohl es auch bei ihm an Schlüpfrigkeit und Derbheit nicht ganz mangelt, überragt er ihn.
Auf dem Weg sittlicher Respektabilität hat denn das englische Drama seitdem beharrt und ist nachmals sogar häufig in den der frühern Verwilderung entgegengesetzten Fehler trockner und langweiliger Lehrhaftigkeit geraten. So muß bei Nicholas Rowe (1673-1718) die moralische Vortrefflichkeit die ästhetische so ziemlich ganz und gar ersetzen. Die glänzendste Leistung der moralisierenden Dramatik ist aber das Trauerspiel »Cato« von Joseph Addison (1672-1719). Dies Stück, das seiner Zeit außerordentlichen Erfolg errang und das noch von Macaulay den besten Dichtungen von Racine und Corneille gleichgestellt wird ist ein klägliches, im französischen Geschmack streng durchgeführtes Machwerk. Auch die Komödie folgt dieser Tendenz. Am entschiedensten stellt sich der Bruch mit der Vergangenheit in den Lustspielen des Schauspielers Colley Cibber (gest. 1757) dar, deren Wert an sich freilich gering ist.
Richard Steele (1671-1729) stellte sich in seinen Lustspielen die Aufgabe, die englische Bühne, die bisher eine Schmach für Sitte und Religion gewesen, so zu gestalten, wie es der Unterhaltung gebildeter Christen gezieme. Verhältnismäßig das frischeste Lustspieltalent ist Susanna Centlivre (gest. 1723), die, mit echter Lustigkeit begabt, nur selten in den didaktischen Ton verfällt, vielmehr häufig mit ihren Witzen an ihre leichtfertige Vorgängerin Aphra Behn erinnert.
Was so mit langsamen Schritten auf dem Gebiet des Dramas geschah, eine Rückkehr zu anständigem Ton, verwirklichte Alexander Pope (1688-1744) im Epos. In »The rape of the lock« (»Lockenraub«) löst er die Aufgabe, einen an sich unbedeutenden, immerhin galanten Stoff in dezentester, durchaus künstlerischer Weise vorzutragen, und der Beifall, den ihm die entzückte Mitwelt spendete, zeugt von der vorteilhaften Änderung des Geschmacks. Außer der genannten Epopöe schrieb Pope Lehrgedichte und kam auch darin den Zeitgenossen entgegen, die für philosophische Ausführungen höchst empfänglich waren.
Freilich werden diese Dichtungen durch Popes eigne Bemerkung gerichtet, der in der Vorrede zum »Essay on man« bemerkt, daß er diese Gedichte ebensogut hätte in Prosa schreiben können, aber gereimte Verse gewählt habe, weil dieselben leichter im Gedächtnis hafteten. Diese Verse aber imponierten durch Wohllaut und Glätte den Engländern gewaltig, und bis heute wird er deshalb von ihnen gerühmt; wenn sie ihn aber gleichzeitig als »the poet of reason« bezeichnen, so ist dies nur ein zweifelhaftes Lob. Die wichtigsten unter den mitstrebenden Poeten Popes waren Matthew Prior (1664-1721), besonders bekannt durch frische und witzige Lieder sowie durch zierliche, aber mutwillige kleine Erzählungen, John Gay (1688 bis 1732), der treffliche Fabeln schrieb, und der Elegiker und Balladendichter Thomas Tickell (gest. 1740).
Das litterarische Kaffeehaus hatte unter der neuen Dynastie aufgehört, das Kapitol des Geschmacks zu sein. Enge Privatzirkel, zum Teil von vornehmen Damen geleitet, vereinigten die Schöngeister, Philosophen und Dichter, und an die Stelle Drydenscher Litteraturorakel trat die Kauserie. Pikant und witzig urteilte man hier über die Tagesneuheiten und die, welche sie verfaßt; hierher wandte sich der religiöse Skeptizismus, hier fand selbst die emporblühende Naturwissenschaft, als deren Vertreter Newton erscheint, reges Interesse. Aber was die Wissenschaft auf den verschiedensten Gebieten errungen, konnte nicht länger Eigentum weniger Auserwählten sein: das Licht [* 3] brach sich mit Gewalt Bahn und verbreitete sich über die Masse. Den Weg dazu bildeten die Wochenschriften. Die erste derselben war »The Tatler«, 1709 von Richard Steele (gest. 1729) begründet.
Sie brachte Mitteilungen über die mannigfaltigsten Gegenstände aus den Gebieten der Politik, der Litteratur, des Theaters, des sozialen Lebens etc. Unter ihren Mitarbeitern trug keiner so viel zu dem glänzenden Erfolg des Unternehmens bei wie Joseph Addison. Von ihm rührten, namentlich seit aus Gründen der Politik Schilderungen von Welt und Menschen, Sitten und Gewohnheiten, Tugenden, Thorheiten und Lastern den vorwiegenden Gegenstand bildeten, die vortrefflichsten Aufsätze her, die in dieser Gattung je geschrieben sind. Im J. 1711 trat der noch berühmter gewordene »Spectator« an des »Tatler« Stelle.
Die Seele dieser neuen Zeitschrift war ebenfalls Jos. Addison. Nach mehr als anderthalb Jahrhunderten besteht der größere Teil seiner Aufsätze die seltene Probe, daß sie wirken, als ob sie soeben der Feder ihres Urhebers entsprungen seien. Andre ähnliche Unternehmungen, zum Teil von denselben Personen ausgehend, folgten, wie »The Guardian«, »The Lover«, »The Englishman«, »The Idler« und »The Rambler«, die beiden letztern von Samuel Johnson herausgegeben. Man behauptet nicht zu viel, wenn man diesen Zeitschriften die heilsamste Umgestaltung des künstlerischen Geschmacks wie der gesamten sittlichen und politischen Denkart des englischen Volkes zuschreibt, und es ist keine Übertreibung zu nennen, wenn Nathan Drake, der die Geschichte dieser hochwichtigen Wochenschriften verfaßt hat, Addison und Steele unter die größten Wohlthäter Englands, ja der ganzen Menschheit zählt. In gleichem Sinn, wenn auch mit verschiedenen Mitteln, wirkte eine Reihe andrer Schriftsteller. Mit der Satire diente Jonathan Swift (1667-1745) der Aufklärung. In seinem Märchen »The tale of a tub« führt er auf die Kirche ¶
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einen der schärfsten Angriffe, die jemals gewagt wurden, und verspottet jede Art des Glaubensbekenntnisses in schonungsloser Weise. »Gulliver's travels« sind eine Art Weltsatire, die allgemeine Menschenthorheit mit großer Meisterschaft, doch auch mit verletzender Bitterkeit verhöhnt. Daniel Defoe (1661 bis 1731) schuf mit seinem weltberühmten »Life and surprising adventures of Robinson Crusoe« das bald in ganz Europa [* 5] beliebte Genre der Robinsonaden und des Reiseromans.
Hatten schon die Wochenschriften häufig novellistische Beiträge gebracht, so fand dieser Litteraturzweig jetzt eine hervorragende Pflege, freilich zunächst mit der ausgesprochenen Absicht, zu lehren, wie ja jede Gattung der Poesie sich in den Dienst der Didaktik stellte. So ist Samuel Johnsons (1709-84) Roman »Rasselas« durchaus für den Verstand berechnet; ganz besonders aber wirkte Samuel Richardson (1689-1761) in dieser Richtung. Wie in Spanien, [* 6] Italien [* 7] und Frankreich, war auch in England der Roman zunächst als Ritterroman aufgetreten, ging dann in den Schäferroman über und verlor sich in die allegorische Gattung.
Dann machte der Reiseroman durch Defoe Epoche, und um die Mitte des 18. Jahrh. begann der Familien- und der humoristische Roman die Gunst der englischen Lesewelt und von dieser auf die des gesamten Kontinents zu gewinnen. Die Grundlage dazu legte Richardson mit seiner »Pamela«, die das unglaublichste Aufsehen machte; »Clarissa« hob den Dichter auf die Höhe des Ruhms, während die letzte seiner Arbeiten: »Sir Charles Grandison«, das schwächste Werk des Dichters war. Der Hauptmangel dieser Romane liegt in ihrer vorwiegenden moralischen Tendenz, ihre Lichtseite ist die Treue ihrer Lebens- und Herzensschilderungen.
Zwar sind die Helden und Heldinnen Richardsons als Ganzes genommen unmöglich, und Walter Scott nannte sie treffend fehlerfreie Ungeheuer, wie die Welt sie nie gesehen. Gleichwohl haben diese Gestalten eine Überzeugungskraft von zwingender Gewalt, und die mächtige Wirkung, welche die Werke des Dichters in und außer England hervorbrachten, war wohlverdient. In bedeutsamem Gegensatz zu Richardson steht Henry Fielding (1707-54). Seine Romane (»Joseph Andrews«, »Jonathan Wild« und »Tom Jones«) stellen sich zum Teil als eine feine Persiflage der idealisierenden Manier Richardsons dar, zugleich aber ist in ihnen eine so komische Kraft, solcher Reichtum der Schilderung und dabei solche Wahrheit der Darstellung zu finden, daß sie von unvergleichlichem Zauber sind und bleiben werden.
Fieldings realistische Manier erscheint gesteigert bei Tobias Smollet (1721-71). Er steht zwar als Romandichter hinter Fielding zurück, namentlich an Feinheit und Liebenswürdigkeit der Darstellung, die bei Smollet grell und burlesk erscheint; aber er entfaltet dabei doch eine so drastische Naturwahrheit, daß vorzüglich »Peregrine Pickle« und »Humphrey Clinker« auch jetzt noch einen unwiderstehlichen Reiz ausüben. Neben diesen Heroen des komischen Romans steht das humoristische Genie Laurence Sternes (1713-68). Leider sind seine beiden Hauptwerke: »Tristram Shandy« und »The sentimental journey«, unvollendet geblieben.
Der Hauptreiz dieser Dichtungen liegt in dem unendlichen Behagen, in dem unerschöpflichen Liebereichtum, womit Sterne Welt und Menschen betrachtete und umfaßte. Damit traf er einen Nerv der damaligen Menschheit, für deren »Empfindsamkeit« er das Wort sentiment erfand. In dieser Gefühlswelt lebte der junge Goethe, von ihr befreite ihn der »Werther«. So schneidet der Einfluß von Sternes Schriften tief in unsre Litteratur, nicht minder der von Oliver Goldsmith (1728-74),
dessen »Vicar of Wakefield« Goethe in Sesenheim vorlas. Als weniger bedeutend schließen sich an die genannten Romanschriftsteller: Richard Cumberland (gest. 1811, »Arundel«, »Henry«, »John de Lancaster«),
Charles Johnstone (gest. 1800),
Henry Mackenzie (gest. 1831, »The man of feeling«, »The man of the world«),
Hor. Walpole (gest. 1797, »The castle of Otranto«),
William Beckford (gest. 1844, »Vathek«),
Anne Radcliffe (gest. 1823, berühmt durch ihre Schauerromane: »Romance of the forest«, »The mysteries of Udolfo« etc.),
M. G. Lewis (gest. 1818, »The Monk«),
W. Godwin (gest. 1836, »Caleb Williams«),
Mary Edgeworth (gest. 1849) u. a.
Dieselben Strömungen durchdringen die übrigen Gattungen der Poesie. Das Studium der Natur hatte zu liebevoller Hingabe an dieselbe, zu aufmerksamer Betrachtung geführt und die tiefe Kluft offenbart, die sie von der Unwahrheit und raffinierten Kultur des Lebens scheidet. Goldsmith verherrlichte daher in seiner Elegie »The deserted village« den Dorffrieden, er beschrieb in »The traveller« die Natur nach eigner Anschauung. Auf gleicher Bahn bewegt sich James Thomson (1700-1748),
der Dichter der »Seasons«, eines bei aller ermüdenden Breite [* 8] naturwahren und darum epochemachenden Werkes. Einkehr in die Menschenbrust hält Edward Young (1681-1765),
dessen »Night-thoughts« um ihrer erhabenen, tief empfundenen Gedanken willen, die freilich auch vielfach nicht frei von Überschwenglichkeit sind, den Ruhm, den sie im Vaterland des Dichters wie auch bei uns gefunden haben, verdienen. Ursprünglicher, unmittelbarer, naturwahrer als Thomson und Young war William Cowper (1731-1800). Bei ihm stammt überall, selbst im Lehrgedicht, die Poesie aus der innersten Herzensregion, das Unbedeutendste gewinnt bei ihm wie in der Natur selbst Leben und Anziehungskraft, aber ein gewisses trübes Dämmerlicht liegt sonst allezeit über seiner dichterischen Stimmung.
Dazu tritt eine starke Vernachlässigung der Form, durch welche er ziemlich absichtlich Opposition gegen Pope machte, die sich aber ins Extrem holperiger Rauhigkeit in Vers und Reim verirrte. Neben Thomson stand das große lyrische Genie des unglücklichen William Collins (1720-56), der in seinen »Persian eclogues« und schwungvollen Oden den Sinn für Einfachheit, Schönheit der Beschreibung und Wahrheit dichterischen Gefühls zu wecken versuchte. Auch die Oden von Thomas Gray (1716-71) und Tobias Smollet verdienen Erwähnung. - Im Drama beginnt nicht minder ein neues Leben zu pulsieren.
Freilich läßt sich die moralisierende Richtung nicht aus dem Feld schlagen, sondern behauptet die Bühne noch geraume Zeit. Der Familienroman wurde sozusagen auf das Theater [* 9] verpflanzt und zeitigte hier das seiner Zeit auch in Deutschland [* 10] wuchernde »bürgerliche Trauerspiel«. Gewöhnlich bezeichnet man als Schöpfer dieser thränenreichen Gattung William Lillo (1693-1739), der, wie Richardson in seinen Romanen, Zwecke verfolgte, die außerhalb des dichterischen Gebiets liegen, nämlich von der Bühne herab das Schlechte abzustellen und das Gute zu fördern. Von seinen sieben Trauerspielen sind »George Barnwell« und »Fatal curiosity« die besten.
Auch Englische [* 11] Moore (in »The gamester«, 1753) kommt über Klugheits- und Sittenpredigerei nur selten hinaus, und wenn Cumberlands vielgepriesene Schauspiele (»The Jew«, »The Westindian«, »The Brothers« etc.) auch in der Anlage und Charakteristik die ¶