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Eiferer, die »näselnden und grinsenden Rundköpfe und Heiligen«, zwei Generationen hindurch unerschöpflichen Witzstoff für alle Schriftsteller des Zeitalters, die mit Augen für das Lächerliche begabt waren. Dann kam, wie Macaulay sagt, die Reihe des Ernsthaftsehens an die Lacher. Die glaubensreichen Brüder griffen zu den Waffen, [* 2] siegten, herrschten und traten den ganzen Haufen der Spötter unter ihre Füße. »Die Theater [* 3] wurden geschlossen, die Schauspieler gestäupt, die Musen [* 4] von ihren Lieblingsstätten verbannt.« Die schmucken, glänzenden Jünglinge, die, wie Carew (gest. 1639), John Suckling (gest. 1641) u. a., als Kavaliere für das Königtum gefochten und Lust und Galanterie besungen hatten, waren gefallen oder saßen in den Kerkern, wo Überzeugungstreue und Leiden [* 5] ihre Poesie veredelten. Die häßliche und lächerliche Seite des Puritanertums, die heuchlerische Scheinheiligkeit, dem unbarmherzigen Gelächter preiszugeben, gelang nach der Restauration am besten Sam. Butler (gest. 1680) in seinem unvollendet gebliebenen komischen Epos »Sir Hudibras«. Zu den bessern Dichtern der Restauration gehört Sir John Denham (gest. 1668),
der mit seinem »Cooper's hill« eine eigne Dichtungsart, die lokale, einführte, welche in der poetischen Beschreibung einer gewissen Landschaft besteht, ausgeschmückt mit Reflexionen; Edmund Waller (gest. 1687),
einem Hofpoeten, fehlten das tiefe Gefühl, die Natürlichkeit und Phantasie der ältern Kavaliere. Dieser loyalen und leichtfertigen Poesie gegenüber steht »wie ein einsamer Riese« der die edle Seite des Puritanertums repräsentierende John Milton (1608-74). Die Unsterblichkeit seines dichterischen Namens knüpft sich an das Hauptwerk seines Lebens, das Epos »The Paradise lost« (begonnen 1655, vollendet 1665). Milton hat in diesem Epos die störende Sklaverei des Reims [* 6] abgeschüttelt, es bedurfte auch keiner bestechenden Form; denn an Größe, Erhabenheit, Schönheit der Beschreibung, Reichtum der Phantasie und Kraft [* 7] des Ausdrucks wird es von wenigen übertroffen. Unter den übrigen Dichtungen Miltons gebührt den gefeierten Schilderungen des Fröhlichen und Schwermütigen (»L'Allegro« und »Il Penseroso«) der höchste Preis; zu seinen schwächsten Produkten gehört das Werk, das er als Abschluß des »Verlornen Paradieses« betrachtet wissen wollte: »The Paradise regained«, worin die Versuchung Jesu in der Wüste in frostiger Rhetorik dargestellt ist.
IV. Von der Restauration bis zum Ende des 18. Jahrh.
Als das Königtum mit Karl II. restituiert war, änderte sich die Physiognomie Englands mit Einem Schlag. Die eintönigen Gebete der Puritaner verstummten, um grellen Zotenliedern Platz zu machen, die Heiligkeit verschwand von der Tagesordnung, Frivolität, zügelloser Cynismus traten an ihre Stelle. Die Politik der Stuarts war schmachvoll; das protestantische England wurde die Magd des katholischen Frankreich, dessen sprichwörtliche Liederlichkeit mit dem zurückkehrenden Monarchen in die Hauptstadt einzog.
Die Litteratur ist das treue Spiegelbild dieser Zustände: auch sie schreitet im französischen Modekleid und spreizt sich wohlgefällig in Schamlosigkeit und Unzucht. Populär war die Litteratur seit dem Ausbruch der Revolution nicht mehr; die künstliche Nachahmung eines fremden, völlig heterogenen Geisteslebens, in der sich die vornehme Gesellschaft gefiel, war nicht geeignet, dem Volk die Litteratur zu erschließen. Auch an der philosophischen Skepsis, die sich in den Werken eines Shaftesbury, Bolingbroke ausspricht, nahmen nur Auserwählte teil.
Vertreter des französischen Klassizismus war John Dryden (1631-1700), der, Dichter und Kritiker zugleich, die Zeitgenossen unter sein wuchtiges Zepter zu beugen verstand. Er gab der in den Kaffeehäusern verkehrenden litterarischen Gesellschaft den Ton an, auf den sofort aller Welt Urteil und Meinung gestimmt wurde. Auf das Theater übte der Hof [* 8] scheinbar einen vorteilhaften Einfluß. Karl II. erwies ihm besondere Gunst und erteilte 1660 zwei Schauspielergesellschaften ein Privilegium.
Eine derselben stand unter der Leitung von William Davenant (gest. 1668), der in Bezug auf szenischen Apparat dem Bühnenwesen zu erheblichen Fortschritten verhalf. Indessen konnte sich das Theater der allgemeinen Stimmung nicht entziehen: sein wesentlicher Charakter besteht in einer erschreckenden Schamlosigkeit und Unsittlichkeit, und es ist für den Geist der Zeit höchst bezeichnend, daß die Dichter es sich angelegen sein ließen, die zügellosesten und frechsten Verse den Schauspielerinnen in den Mund zu legen.
Als Muster der Tragödie galt natürlich die damals auf ihrer Höhe befindliche französische, deren Steifheit und Regelmäßigkeit die gebildete Gesellschaft zur Bewunderung fortriß. Daneben hielt man von andrer Seite noch an den Traditionen des altenglischen Dramas fest, und das Charakteristische in der Tragödie der Restaurationszeit ist gerade das Suchen nach einer höhern Einheit und Versöhnung des französischen und englischen Geschmacks. Das Ende dieser Bestrebungen war der vollständige Sieg des erstern.
Dryden kam in seinem »Essay on dramatic poesy« (1667) zu dem Resultat: Shakespearescher Geist in französischer Form - das sei das Ziel, dem der englische und jeder Tragödiendichter nachstreben müsse. Die nach diesen Maximen ausgeführten heroischen Stücke Drydens erhoben sein Ansehen eine Zeitlang von Jahr zu Jahr, bis die Reaktion eintrat, und zwar vorzugsweise herbeigeführt durch einen der schärfsten Angriffe, die in ästhetischen Dingen jemals durch die Satire gemacht worden sind.
Der witzige George Villiers, Herzog von Buckingham, ließ 1671 die parodistische Komödie »The Rehearsal« aufführen, in welcher Dryden selbst zur Hauptfigur gemacht war und unter der Form einer Theaterprobe die Helden aller Drydenschen Stücke zur Darstellung kamen. Die Festzüge, der Schlachtenlärm, die jähen und gewaltsamen Schicksalsveränderungen, die Geistererscheinungen und alles das, worin Dryden vorzüglich das Wesen des Erhabenen und Romantischen suchte, wurden köstlich persifliert.
Die Wirkung war durchgreifend: auch Dryden strebte fortan nach größerer Natürlichkeit. Unter seinen Zeitgenossen ragen Nathaniel Lee (1657-93), eine bedeutende Kraft, die selten in ihren Produktionen zu schöner Mäßigung gelangt, und Thomas Otway (gest. 1685, »Venice preserved«) hervor. Die oben erwähnte dramatische Frechheit und Liederlichkeit herrschte begreiflicherweise hauptsächlich in der Komödie. Hier war sie arg genug, um selbst Voltaires Gefühl zu empören. Von Karls II. frecher und ausschweifender Umgebung ging die Entsittlichung aus, und der Lustspieldichter war, wie H. Hettner treffend sagt, die Zunge des verdorbensten Teils der verdorbenen Gesellschaft. Die bedeutendsten Komödiendichter dieser Zeit sind William Wycherley (gest. 1715) und William Congreve (gest. 1729), die in ihren Dichtungen ein so völlig verwildertes sittliches Denken und Fühlen zeigen, daß man keine derselben ohne Widerwillen lesen kann, wiewohl Schärfe dramatischer Charakteristik und lebendige Handlung ihnen nicht abzusprechen sind. Neben ihnen stehen George Etherege ¶
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(gest. 1690), Edw. Ravenscraft und die übel berüchtigte Aphra Behn (gest. 1689). Alle drei, eine Frau unter ihnen, übertrafen an Zügellosigkeit und schmutziger Gemeinheit die oben genannten Meister, und doch bildeten ihre Stücke auf der damaligen Bühne die eigentlichen Zugstücke, wie auch die Romane der Aphra Behn Lieblingsstücke der Lesewelt waren. Schon unter Jakobs II. Regierung nahm das englische Leben wieder einen Aufschwung zu Ehrbarkeit und Gesetztheit, die entschiedenste Reaktion zum Bessern aber erfolgte mit der Revolution.
Das Privatleben Wilhelms von Oranien charakterisierte sich durch sittenstrenge Frömmigkeit, und auch das Volk wurde wieder ernster. Sofort erhoben sich die offensten und heftigsten Angriffe gegen das zügellose Bühnenwesen. Die erste Opposition ging aus von Richard Blackmore, der in seiner »Satire upon wit« (1699) den schlüpfrigen Witz der Zeit züchtigte. Tiefere Wirkung übte Jeremy Colliers Schrift »A short view of the immorality and profaneness of the English stage« (1698). Obwohl hier neben dem wirklich Frevelhaften die Bühne überhaupt bekämpft wird, so war doch der Einfluß der Schrift außerordentlich.
Besonders deutlich gewahrt man ihn gleich in den Lustspielen von George Farquhar (1678-1707) und Sir John Vanbrugh (1666-1726); beide stehen mit einem Fuß noch auf dem Boden der alten Verderbnis, mit dem andern haben sie bereits einen kühnen Schritt zum Bessern gethan. Besonders Farquhars Komödien sind ausgezeichnet durch glückliche Erfindung, überraschenden Situationenwitz und leichten epigrammatischen Dialog. Vanbrugh steht seinem Vorgänger an Frische und Kraft der Komik bedeutend nach; an sittlicher Haltung, wiewohl es auch bei ihm an Schlüpfrigkeit und Derbheit nicht ganz mangelt, überragt er ihn.
Auf dem Weg sittlicher Respektabilität hat denn das englische Drama seitdem beharrt und ist nachmals sogar häufig in den der frühern Verwilderung entgegengesetzten Fehler trockner und langweiliger Lehrhaftigkeit geraten. So muß bei Nicholas Rowe (1673-1718) die moralische Vortrefflichkeit die ästhetische so ziemlich ganz und gar ersetzen. Die glänzendste Leistung der moralisierenden Dramatik ist aber das Trauerspiel »Cato« von Joseph Addison (1672-1719). Dies Stück, das seiner Zeit außerordentlichen Erfolg errang und das noch von Macaulay den besten Dichtungen von Racine und Corneille gleichgestellt wird ist ein klägliches, im französischen Geschmack streng durchgeführtes Machwerk. Auch die Komödie folgt dieser Tendenz. Am entschiedensten stellt sich der Bruch mit der Vergangenheit in den Lustspielen des Schauspielers Colley Cibber (gest. 1757) dar, deren Wert an sich freilich gering ist.
Richard Steele (1671-1729) stellte sich in seinen Lustspielen die Aufgabe, die englische Bühne, die bisher eine Schmach für Sitte und Religion gewesen, so zu gestalten, wie es der Unterhaltung gebildeter Christen gezieme. Verhältnismäßig das frischeste Lustspieltalent ist Susanna Centlivre (gest. 1723), die, mit echter Lustigkeit begabt, nur selten in den didaktischen Ton verfällt, vielmehr häufig mit ihren Witzen an ihre leichtfertige Vorgängerin Aphra Behn erinnert.
Was so mit langsamen Schritten auf dem Gebiet des Dramas geschah, eine Rückkehr zu anständigem Ton, verwirklichte Alexander Pope (1688-1744) im Epos. In »The rape of the lock« (»Lockenraub«) löst er die Aufgabe, einen an sich unbedeutenden, immerhin galanten Stoff in dezentester, durchaus künstlerischer Weise vorzutragen, und der Beifall, den ihm die entzückte Mitwelt spendete, zeugt von der vorteilhaften Änderung des Geschmacks. Außer der genannten Epopöe schrieb Pope Lehrgedichte und kam auch darin den Zeitgenossen entgegen, die für philosophische Ausführungen höchst empfänglich waren.
Freilich werden diese Dichtungen durch Popes eigne Bemerkung gerichtet, der in der Vorrede zum »Essay on man« bemerkt, daß er diese Gedichte ebensogut hätte in Prosa schreiben können, aber gereimte Verse gewählt habe, weil dieselben leichter im Gedächtnis hafteten. Diese Verse aber imponierten durch Wohllaut und Glätte den Engländern gewaltig, und bis heute wird er deshalb von ihnen gerühmt; wenn sie ihn aber gleichzeitig als »the poet of reason« bezeichnen, so ist dies nur ein zweifelhaftes Lob. Die wichtigsten unter den mitstrebenden Poeten Popes waren Matthew Prior (1664-1721), besonders bekannt durch frische und witzige Lieder sowie durch zierliche, aber mutwillige kleine Erzählungen, John Gay (1688 bis 1732), der treffliche Fabeln schrieb, und der Elegiker und Balladendichter Thomas Tickell (gest. 1740).
Das litterarische Kaffeehaus hatte unter der neuen Dynastie aufgehört, das Kapitol des Geschmacks zu sein. Enge Privatzirkel, zum Teil von vornehmen Damen geleitet, vereinigten die Schöngeister, Philosophen und Dichter, und an die Stelle Drydenscher Litteraturorakel trat die Kauserie. Pikant und witzig urteilte man hier über die Tagesneuheiten und die, welche sie verfaßt; hierher wandte sich der religiöse Skeptizismus, hier fand selbst die emporblühende Naturwissenschaft, als deren Vertreter Newton erscheint, reges Interesse. Aber was die Wissenschaft auf den verschiedensten Gebieten errungen, konnte nicht länger Eigentum weniger Auserwählten sein: das Licht [* 10] brach sich mit Gewalt Bahn und verbreitete sich über die Masse. Den Weg dazu bildeten die Wochenschriften. Die erste derselben war »The Tatler«, 1709 von Richard Steele (gest. 1729) begründet.
Sie brachte Mitteilungen über die mannigfaltigsten Gegenstände aus den Gebieten der Politik, der Litteratur, des Theaters, des sozialen Lebens etc. Unter ihren Mitarbeitern trug keiner so viel zu dem glänzenden Erfolg des Unternehmens bei wie Joseph Addison. Von ihm rührten, namentlich seit aus Gründen der Politik Schilderungen von Welt und Menschen, Sitten und Gewohnheiten, Tugenden, Thorheiten und Lastern den vorwiegenden Gegenstand bildeten, die vortrefflichsten Aufsätze her, die in dieser Gattung je geschrieben sind. Im J. 1711 trat der noch berühmter gewordene »Spectator« an des »Tatler« Stelle.
Die Seele dieser neuen Zeitschrift war ebenfalls Jos. Addison. Nach mehr als anderthalb Jahrhunderten besteht der größere Teil seiner Aufsätze die seltene Probe, daß sie wirken, als ob sie soeben der Feder ihres Urhebers entsprungen seien. Andre ähnliche Unternehmungen, zum Teil von denselben Personen ausgehend, folgten, wie »The Guardian«, »The Lover«, »The Englishman«, »The Idler« und »The Rambler«, die beiden letztern von Samuel Johnson herausgegeben. Man behauptet nicht zu viel, wenn man diesen Zeitschriften die heilsamste Umgestaltung des künstlerischen Geschmacks wie der gesamten sittlichen und politischen Denkart des englischen Volkes zuschreibt, und es ist keine Übertreibung zu nennen, wenn Nathan Drake, der die Geschichte dieser hochwichtigen Wochenschriften verfaßt hat, Addison und Steele unter die größten Wohlthäter Englands, ja der ganzen Menschheit zählt. In gleichem Sinn, wenn auch mit verschiedenen Mitteln, wirkte eine Reihe andrer Schriftsteller. Mit der Satire diente Jonathan Swift (1667-1745) der Aufklärung. In seinem Märchen »The tale of a tub« führt er auf die Kirche ¶