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vollkommen der geologischen Bildung und den Höhenverhältnissen des Landes. Die Ostküste ist nur wenig gegliedert, und der Mangel an natürlichen Häfen wird nur unvollkommen durch die Flutmündungen einiger großer Flüsse [* 2] ersetzt, so daß man zu künstlichen Hafenbauten hat seine Zuflucht nehmen müssen. Die Flachküste, teilweise Marschland, herrscht vor, und wo Steilküsten vorkommen, sind dieselben aus Kreide, [* 3] Sand oder Thon gebildet, die dem Anprall der Wellen [* 4] nur wenig Widerstand leisten.
Viel günstiger gestaltet ist die Südküste und namentlich die Westküste, wo steile Felsen aus härtestem Gestein dicht ans Meer herantreten und Buchten tief ins Land hineinschneiden. Aber auch hier, namentlich in Lancashire, kommen Flachküsten vor, und es ist bemerkenswert, daß gerade an einer solchen, an der Mündung des Mersey, der größte Handelshafen des Landes, Liverpool, [* 5] entstanden ist, während der prächtige, fjordartige Milfordhafen an der Küste von Wales nur wenig Anziehungskraft ausgeübt hat.
Bewässerung.
Wenn auch die Flüsse Englands sich mit denen des Kontinents nicht messen können, so sind sie doch infolge ihres Wasserreichtums und langsamen Laufs auf bedeutende Strecken schiffbar und leisten dem Verkehr wesentliche Dienste. [* 6] Eine Beschreibung der wichtigern Flüsse findet der Leser in besondern Artikeln, und wir beschränken uns daher hier auf die Namhaftmachung der wichtigsten unter ihnen mit Angabe der Größe ihres Flußgebiets und der Länge ihres Laufs.
Flüsse | Länge Kilom. | Flußgebiet QKilom. | QMeil. |
---|---|---|---|
Ostküste Tyne | 117 | 2727 | 49.52 |
Wear | 105 | 1181 | 21.44 |
Tees | 127 | 1927 | 34.99 |
Humber (Ouse, Trent etc.) | 298 | 24068 | 437.09 |
Witham | 103 | 2795 | 50.75 |
Welland | 116 | 1968 | 357.47 |
Nen | 161 | 2732 | 47.63 |
Ouse (Great Ouse) | 230 | 7164 | 130.10 |
Yare und Waveney | 85 | 2291 | 41.39 |
Themse | 323 | 13600 | 247.17 |
Medway | 71 | 1761 | 31.98 |
Südküste Avon von Salisbury | 98 | 1745 | 31.65 |
Stour | 87 | 1189 | 21.50 |
Westküste Ex | 89 | 1512 | 27.47 |
Parret | 61 | 1453 | 26.40 |
Severn | 299 | 21027 | 381.78 |
Towy | 93 | 1330 | 24.08 |
Dee | 129 | 2105 | 38.14 |
Mersey | 90 | 4460 | 71.00 |
Ribble | 87 | 1515 | 27.52 |
Eden | 111 | 2370 | 42.94 |
Die Mehrzahl der englischen Seen befindet sich im Cumbrischen Gebirge, in dem sogen. Seebezirk (Lake District). Windermere, der größte von ihnen, ist indes nur 15 km lang, kaum 1,5 km breit und bedeckt eine Fläche von nur 10 qkm. Auch in Wales liegen einige kleine Seen, unter welchen der 6 km lange Bala Lake der bedeutendste ist. England hat eine nicht unbedeutende Anzahl von heißen Quellen und Mineralwässern. Zu erstern gehören diejenigen von Bath (47° C.) und Bristol (24° C.) im W. Englands, die von Buxton (27° C.), Matlock (20° C.) und Bakewell (16° C.) in Derbyshire und die St. Taafe's Well bei Cardiff (26° C.) im südlichen Wales.
Sie treten sämtlich in der Steinkohlenformation auf. Von kalten Schwefelwässern sind zu erwähnen: das von Gilsland in Cumberland, Harrowgate in Yorkshire und Holbeck bei Leeds; [* 7]
von Laugenwässern: das von Malvern in Worcestershire;
von Eisenwässern: Cheltenham in Gloucestershire, Scarborough und Harrowgate in Yorkshire, Tunbridge Wells in Kent und Brighton in Sussex;
von Bittersalzwässern: Epsom in Surrey;
endlich von Kochsalzquellen: Leamington in Warwickshire, Landridnod in Radnorshire, namentlich aber Ashby de la Zouch und Droitwich in Cheshire.
Bemerkenswert sind noch die jod- und bromhaltigen Wässer von Purton Spa in Wiltshire und die alaunhaltigen Vitriolquellen von Sandrocks auf der Insel Wight.
Klima.
Das Klima Englands ist wesentlich durch die See bedingt, die von drei Seiten das Land umgibt, und namentlich dem Golfstrom verdankt es jene Milde, Gleichmäßigkeit und Feuchtigkeit, welche dem Wachstum von Menschen, Tieren und Pflanzen so ausnehmend günstig sind. Im Frühjahr, ehe noch die Strahlen der nach N. schreitenden Sonne [* 8] das Festland Europas erwärmt haben, herrschen kalte Winde [* 9] aus N. und O. vor. Im Sommer und Herbst sind kühle und feuchte Winde von entgegengesetzter Richtung, im Winter dagegen Nord- und Südwinde vorherrschend.
Die Nordostwinde streichen, ehe sie England erreichen, über eine ausgedehnte Meeresfläche und verlieren dadurch an Kälte, was bei reinen Ostwinden nicht der Fall ist. Diese Winde sind meistens trocken, werden aber zu gewissen Zeiten von Nebel (im N. auch von Schnee) [* 10] begleitet. Die West- und Südostwinde sind feucht und bringen Regen. Der Niederschlag an der Westküste ist bedeutender als im Innern des Landes und an der Ostküste, und während es in Liverpool jährlich an 228 Tagen regnet, ist dies in London [* 11] nur an 190 Tagen der Fall. Den Einfluß, welchen Gebirge auf die herabfallende Regenmenge auszuüben vermögen, erkennt man recht deutlich an den meteorologischen Stationen der Cumbrischen Gebirge, wo am Westabhang Regenmengen herabstürzen, wie sie sonst nur innerhalb der Tropen wieder angetroffen werden; denn während für ganz England die jährliche Regenmenge 760 mm nicht überschreitet, fallen hier, am Styepaß, 5702 mm. Das Maximum der Niederschläge fällt im größten Teil Englands auf den Winter und nur an einem Teil der Ostküste auf den Sommer.
Schnee ist verhältnismäßig selten und bleibt nur in den Gebirgen längere Zeit liegen. Die Temperatur fällt nur selten unter den Gefrierpunkt, und der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Stande des Thermometers im Jahresdurchschnitt ist für London 35,5° C., für den Südwesten Englands nur 27,7°. Die Schwankungen des Thermometers im Januar und Februar belaufen sich in London auf 13,8; im SW. auf 13,4,° im N. auf 18,9° und im April und Mai bez. auf 20,1,° 13,8° und 21,5° C. Das Klima [* 12] ist im Vergleich zu andern unter gleicher Breite [* 13] gelegenen Ländern ungemein mild, so daß man fast den ganzen Winter hindurch pflügen und säen kann, das Vieh immer auf den Weiden Nahrung findet und das ganze Jahr hindurch unter freiem Himmel [* 14] bleibt.
Seiner gemäßigten Seeluft verdankt England seine große Fruchtbarkeit und das herrliche Grün seiner Wiesen und Triften; aber eben infolge der gleichmäßigen Temperatur gedeihen gewisse Früchte nicht, welche einer hohen Sommertemperatur bedürfen, und wenn auch die Weintraube in einem großen Teil des Landes fast immer reift, so läßt sie doch an Saft und Süßigkeit viel zu wünschen übrig. In der folgenden Tabelle geben wir die Durchschnittstemperatur einer Anzahl von Orten in Celsiusgraden, den Niederschlag daselbst in Millimetern: ¶
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Breite | Jan. | Juli | Jahresmittel | Niederschlag | |
---|---|---|---|---|---|
Carlisle | 54° 54' | 2.32 | 14.61 | 8.32 | 771 |
Lancaster | 54° 3' | 2.52 | 14.29 | 7.98 | 1001 |
Liverpool | 5.° 25' | 4.42 | 16.34 | 10.45 | 866 |
Bristol | 51° 27' | 2.23 | 19.45 | 10.93 | 590 |
Penzance | 50° 11' | 5.90 | 16.72 | 10.99 | 1168 |
Gosport | 50° 47' | 3.89 | 17.80 | 11.01 | 823 |
London | 51° 31' | 2.32 | 16.35 | 9.13 | 483 |
Hull | 53° 46' | 4.05 | 16.23 | 9.55 | 465 |
Oxford | 51° 46' | 2.78 | 16.21 | 9.20 | 602 |
Manchester | 53° 30' | 2.74 | 15.90 | 9.29 | 902 |
Pflanzen- und Tierwelt.
In seiner Flora stimmt England mit dem kontinentalen Europa [* 16] überein, doch nimmt man vier Pflanzengebiete an, die aus einer Zeit stammen, als das Land noch mit dem Kontinent zusammenhing. Devon, [* 17] Cornwall und Südwales zeigen in ihrer Flora viel Übereinstimmendes mit der Bretagne und Normandie. Die zweite Einwanderung der Pflanzen kam aus Nordfrankreich und verbreitete sich namentlich über die Kreideregion. Während der Eiszeit [* 18] siedelten sich Pflanzen aus Norwegen [* 19] an, und schließlich verbreitete sich die mitteleuropäische Flora, die in den günstigsten Boden fand und die vorhandenen Floren nach W. und SW. verdrängte. Während die kühlen Sommer manche Früchte, wie Aprikosen, Pfirsiche, Trauben, im Freien nur unter dem Schutz einer Mauer reifen lassen, haben die warmen Winter es möglich gemacht, zahlreiche subtropische Gewächse zu akklimatisieren. Myrten und immergrünende südeuropäische Sträucher findet man fast überall im Freien, während im gesegneten Cornwall auch Kakteen, [* 20] die amerikanische Aloe, Proteen und Kamelien gedeihen.
Auch die Fauna ist die europäische. Viele der wilden Tiere sind indes längst verschwunden, so der Auerochs, der Bär, der Wolf, das Wildschwein und der Biber. Andre, namentlich der Fuchs, [* 21] überleben nur noch, weil man ihre Ausrottung hindert. Die einzigen wild lebenden Raubtiere [* 22] sind der Fuchs, der Dachs, der Fischotter, [* 23] das Wiesel, [* 24] der Iltis, [* 25] der Marder [* 26] und die wilde Katze, [* 27] alle sehr selten. Edelhirsche leben noch wild im Exmoor, sonst werden Damhirsche und Rehe gehegt.
Die Nagetiere [* 28] sind vertreten durch Hasen, Kaninchen, [* 29] Eichhörnchen, Murmeltiere und zahlreiche Mäuse und Ratten. Vögel [* 30] sind allenthalben zahlreich und werden teilweise der Jagd zuliebe gehegt, so namentlich Fasanen. Das rote Heidehuhn (red grouse) soll England eigentümlich sein. Störche sind nur seltene Besucher, dagegen soll die Nachtigall zuweilen bis nach Yorkshire hinaufgehen. Der Auerhahn und die Trappgans sind in historischer Zeit verschwunden. Von den Reptilien ist nur die Natter giftig. Meer und Flüsse sind fischreich oder waren es, ehe noch Fabriken ihren Unrat in dieselben entleerten. Die englische Auster [* 31] war schon zur Zeit der Römer [* 32] berühmt.
Bevölkerung.
Die Bevölkerung von England und Wales hat trotz bedeutender Auswanderung seit dem Anfang dieses Jahrhunderts stetig zugenommen. Im J. 1801 betrug sie 8,892,536, 1881 aber 25,974,439 Seelen, also 192 Proz. mehr, so daß sich die durchschnittliche Jahreszunahme auf 1,37 Proz. belaufen hat. Auf die seit 1831 zwischen den Volkszählungen liegenden Jahrzehnte verteilt sich diese Zunahme wie folgt:
1831-41: | 14.52 Proz. |
1841-51: | 12.65 |
1851-61: | 11.93 |
1861-71: | 13.19 |
1871-81: | 14.36 |
Selbstverständlich verteilte sich diese Zunahme nicht gleichmäßig über das ganze Land. Am bedeutendsten war dieselbe in den großen Handelsstädten und in den Fabrikbezirken, während die ländlichen Gebiete vielfach eine Abnahme zeigten. So nahm die Bevölkerung [* 33] in den Städten 1871-81 um 19,63, auf dem Land nur um 7,42 Proz. zu, und in 13 Grafschaften und in 985 von den 2175 Bezirken, in welche das Königreich behufs Aufnahme des Zivilstandes geteilt ist, wurde sogar eine Abnahme konstatiert. Am raschesten wuchs die Bevölkerung in Surrey, Durham, Essex, Lancashire und Derby, während sich eine Abnahme in Cornwall, Radnorshire, Huntingdonshire, Cardiganshire und Herefordshire zeigte.
Daß die Auswanderung die Bewegung der Bevölkerung sehr wesentlich beeinflußt hat, liegt auf der Hand, [* 34] wenn wir bedenken, daß 1851-61: 640,316, 1861-71: 649,742 und 1871-81: 996,038 Engländer von Geburt auswanderten. Daß aber die Folgen dieser Auswanderung durch Rückwanderung aus überseeischen Ländern und durch Zuwanderung von Irland, Schottland und dem kontinentalen Europa großenteils verwischt werden, ersieht man aus folgender Betrachtung. Im J. 1871 betrug die Bevölkerung 22,712,266 Seelen, und der Überschuß der Geburten belief sich 1871-81 auf 3,426,480 Seelen, so daß also die Bevölkerung 1881: 26,138,746 Seelen hätte zählen müssen, wenn keine Auswanderung stattgefunden hätte.
In der That aber belief sich die Bevölkerung nur auf 25,974,439 und beziffert sich somit der Verlust durch Auswanderung, insoweit er nicht durch Rück- und Zuwanderung ersetzt ward, auf nur 164,307 Seelen. Die Rück- und Zuwanderer aber beliefen sich auf 831,731 Seelen, und wenn auch unter ihnen das national-englische Element das Übergewicht hatte, so befanden sich unter ihnen doch auch zahlreiche fremde Elemente (namentlich Iren), durch welche die Zusammensetzung der Bevölkerung in nicht geringem Grad beeinflußt wird. Auswanderer englischer Geburt zählte man 1853-84: 2,664,016, nämlich 1853-75: 1,604,602, 1876-80: 425,550,1881: 139,976, 1882: 162,992, 1883: 183,236, 1884: 147,660 oder im Jahresdurchschnitt seit 1853: 83,250.
Dem Geschlecht nach kamen auf 1000 Bewohner männlichen Geschlechts 1821: 1044, 1841: 1046, 1861: 1056 und 1881: 1055 Bewohner weiblichen Geschlechts. Diese Schwankungen sind wesentlich durch die Auswanderung hervorgerufen, deren Einfluß noch deutlicher zu Tage tritt, wenn wir die Bevölkerung nach Altersklassen einteilen. Von je 100 Bewohnern waren unter 20 Jahre alt 1821: 49,0, 1841: 46,0, 1861: 45,2, 1871: 45,7, 1881: 46,2. Im J. 1881 war die Verteilung nach Altersklassen wie folgt (pro Mille):
Geschlecht | Altersklassen (in Jahren) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
unter 5 | 5-15 | 15-25 | 25-45 | 45-65 | über 65 | |
Männlich | 139.1 | 235.0 | 188.3 | 246.3 | 138.9 | 52.4 |
Weiblich | 132.2 | 223.2 | 187.1 | 262.1 | 146.4 | 49.0 |
Was körperliche Gebrechen betrifft, so kamen 1881 auf je 1 Mill. Bewohner: 879 Blinde, 572 Taubstumme, 1260 Blödsinnige und 1994 Irrsinnige.
Dem Zivilstand nach verteilt sich die Bevölkerung 1881 wie folgt in Prozenten:
Zivilstand | Gesamtbevölkerung | Davon über 15 Jahre | ||
---|---|---|---|---|
männlich | weiblich | männlich | weiblich | |
Ledig | 61.93 | 59.23 | 39.18 | 36.74 |
Verheiratet | 34.63 | 33.28 | 55.32 | 51.64 |
Verwitwet | 3.44 | 7.49 | 5.50 | 11.62 |
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