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Schwestern in klösterlicher Gemeinsamkeit lebte. Entscheidend für politische und Kulturverhältnisse des Elsaß blieb der nach den Sprachgrenzen vollzogene Vertrag zu Mersen 870, nach welchem die Zugehörigkeit des Landes am westlichen Rheinufer zum ostfränkischen, dem Deutschen Reich für Jahrhunderte hinaus festgestellt wurde. Als sich im 10. Jahrh. das Herzogtum Schwaben erneuerte, wurde auch das Elsaß zu demselben geschlagen. Der besondere Titel des Herzogtums Elsaß wurde neben dem von Schwaben bis zum Ausgang des staufischen Hauses (1268) geführt.
Nach dem Aufhören des schwäbisch-elsässischen Herzogtums zerfielen die Gebiete zwischen Vogesen und Rhein in eine große Zahl selbständiger, reichsunmittelbarer Herrschaften und Gemeinwesen, unter denen diejenigen der Reichsstädte dem Land für die Folge den ganz besondern Charakter aufdrückten. Als Vertreter der Reichsgewalt waren Landgrafen und königliche Reichsvögte bestellt. Seit dem 12. Jahrh. bestanden Landgrafen und Landgerichte im obern und niedern Elsaß. Im obern Elsaß, von älterer Zeit her als Sundgau bezeichnet, besaßen die Grafen von Habsburg die Landgrafschaft; im Nordgau oder Unterelsaß wurde das königliche Landgericht von den Grafen von Öttingen gepflegt.
Die Landgrafschaft verlor aber hier im 14. Jahrh. neben den selbständigen Reichsgebieten alle Bedeutung, und so wurden die damit verbundenen Güter und Rechte an die Straßburger Bischöfe verkauft. Eine größere Bedeutung bewahrten die Reichsvögte im Unterelsaß so gut wie im obern Teil des Landes, so daß die Habsburger als solche auf die Städte und die reichsunmittelbaren geistlichen Stifter bis auf die Zeit der französischen Eroberung immerhin einen ganz ansehnlichen Einfluß übten.
Solange die deutsche Reichsgewalt im Elsaß mächtig war, fanden die städtischen Gemeinwesen die größte Begünstigung. Im 14. Jahrh. zählte man außer Straßburg, welches niemals unter der königlichen Vogtei stand, zehn Städte im Elsaß: Hagenau, Kolmar, Schlettstadt, Weißenburg, Oberehnheim, Rosheim, Mülhausen, Kaisersberg, Türkheim, Münster. Die städtischen Rechte entwickelten sich ganz allmählich. Nicht nur den Grundherren gegenüber mußte sich das bürgerliche Gemeinwesen Anerkennung erwerben, sondern auch die Stellung der verschiedenen Klassen und Stände gab Anlaß zu Reibung und Kampf. In Kolmar wie in Straßburg gab es alte Geschlechter, welche die dem Gemeinwesen gestattete Selbstverwaltung anfänglich besorgten, und Neubürger, die sich ihren Anteil an den Verfassungsrechten erst erkämpfen mußten.
Eine aristokratische Grundlage der Verfassung, wie sie in Kolmar, Straßburg und den meisten andern Städten bestand, reizte einzelne Gewalthaber, wie die Rösselmann in Kolmar, mit Hilfe der niedern Stände eine absolute Gewalt zu errichten, welche dann rasch zur Einführung demokratischer Elemente in die Stadtverfassung führte. In Straßburg war der Bischof der natürliche Träger jener Ideen, welche sich der patrizischen Verwaltung entgegensetzten; Bischof Walter von Geroltseck bot 1262 Ritter und Fußtruppen in gewaltiger Zahl auf, um den widerspenstigen Rat der Stadt zu demütigen, wurde jedoch durch die Tapferkeit der gut geführten Bürger in einem hartnäckigen Treffen bei Oberhausbergen gänzlich geschlagen und genötigt, seinen Kampf gegen das Stadtrecht aufzugeben.
Als oberster Herr der Stadt galt fernerhin niemand als Kaiser und Reich, an welchem die Stände des Elsaß überhaupt mit aller Zähigkeit festhielten. Die Städte des Elsaß nahmen genau den Gang der Entwickelung wie die übrigen deutschen Städte am Rhein oder diesseit des Rheins. Im 14. Jahrh. kamen demnach auch im Elsaß die Bewegungen der Handwerker und Zünfte an die Tagesordnung, welche in Straßburg zu einer durch die Verschmelzung aristokratischer und demokratischer Ideen merkwürdigen Verfassung führten, die sich mit wenigen Änderungen bis zur französischen Revolution erhalten hat.
Nachbildungen fand übrigens die Verfassung von Straßburg in den meisten elsässischen Städten, wie in Kolmar, Mülhausen, Weißenburg, wenn auch in verschiedenen Formen. Die Städte suchten sich im Elsaß durch gegenseitige Bündnisse untereinander zu schützen, wie sie auch an den größern und allgemeinen Bündnissen teilnahmen. Dem rheinischen Städtebund von 1255 waren sieben elsässische Städte zugeschworen. Seit 1354 bildeten aber die oben genannten zehn Städte einen besondern Bund. Mülhausen näherte sich mehr den Städten der oberschwäbischen Eidgenossenschaft und trat schließlich ganz dem schweizerischen Bund bei. Straßburg schloß im 15. und 16. Jahrh. auf längere oder kürzere Zeit mit Basel, Zürich, Augsburg, Ulm und andern deutschen Städten Schutz- und Trutzverträge.
In allen Jahrhunderten elsässischer Selbständigkeit und Eigenart findet sich nicht Ein Beispiel, daß zwischen den Gemeinwesen des Grenzlandes und französischen Städten oder Herrschaften irgend welche Beziehungen angeknüpft worden wären. Drüben aber, jenseit der Vogesen, war immer ein sehr mächtiges Verlangen nach den Gebieten des linken Rheinufers vorhanden. Schon die Kaiser Otto II. und Otto III., Konrad II. und Heinrich III. hatten die »Rheingelüste« der Franzosen zurückzuweisen und zu bekämpfen. Im J. 1365 fielen die nach der Schlacht bei Poitiers aus dem französischen Kriegsdienst entlassenen Söldnerscharen, 40,000 Mann, in das Elsaß plündernd ein und wagten es selbst, Straßburg aufzufordern, sich ihnen zu ergeben.
Die französischen Söldner, die man, weil sie in den englischen Kriegen gedient hatten, »Engländer« nannte, erneuerten unter Anführung des Herrn Enguerrand von Coucy den Krieg 1375. Unter dem Vorwand von Erbansprüchen, welche die Coucy auf die österreichischen Besitzungen im Elsaß erhoben, wurde diesmal die Unternehmung ausgeführt, und Herzog Leopold III., der Landgraf im Elsaß, war außer stande, den Plünderungen ein Ziel zu setzen, bis Coucy dann selbst nach der Schweiz abzog.
Als 1444 Kaiser Friedrich III. mit den Schweizern in Unfrieden war und mit Frankreich ein Bündnis schloß, schien endlich für die französische Krone die Zeit gekommen zu sein, ihre Absichten vollständig zu enthüllen. Der Dauphin wurde zwar von den Schweizern bei St. Jakob (1444) zurückgewiesen, setzte sich aber um so mehr im Elsaß fest, nahm eine Anzahl Schlösser und Städte ein und bezog die Winterquartiere in dem ausgeplünderten Land. Im Frühjahr 1445 griffen die Franzosen insbesondere Straßburg und Mülhausen an und suchten die Bürger zu zwingen, sich unter den königlichen Schutz von Frankreich zu begeben. Allein manche glückliche Ausfälle mannhaft verteidigter Plätze, Mangel an Proviant und Unbotmäßigkeit der Söldner (Armagnaken) nötigten den Dauphin zum Rückzug. Gefährlicher war der Versuch, welcher wenige Dezennien später gemacht wurde, das Elsaß dem burgundischen Reich Karls des Kühnen einzuverleiben. Herzog Siegmund von Tirol verpfändete 1469, um sich an den Schweizern und den
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mit ihnen Verbündeten im Sundgau, insbesondere der Stadt Mülhausen, zu rächen, einen Teil seiner elsässischen Besitzungen dem Herzog Karl dem Kühnen. Doch war es dem Zusammenwirken Straßburgs mit andern links- und rechtsrheinischen Städten zu danken, daß die Vögte und Söldner Karls des Kühnen aus dem Elsaß verjagt wurden. Hierauf trat Straßburg dem großen Bund Lothringens und der Schweizer gegen Karl den Kühnen bei, und seine Truppen fochten bei Granson und Nancy, wo der Burgunderherzog seinen Tod fand.
Wie aber die politischen Verhältnisse des Elsaß durchaus und überall an Deutschland und sein Verfassungsleben anknüpften, so waren auch das gelehrte und künstlerische Schaffen in den mittelalterlichen Klöstern, die religiöse Richtung und die Geschichtschreibung der bürgerlichen Kreise, die Entwickelung des Baustils, aus welcher die großartigsten Denkmäler des Mittelalters hervorgingen, durchaus deutsch. Der Mönch Otfried von Weißenburg unternimmt seine Übersetzung der Evangelien in deutsche Verse mit dem bewußten Zweck, damit die Deutschen das Lob Gottes in ihrer Zunge singen könnten.
Das Rittertum, welches von Frankreich die allerstärksten Antriebe erhalten hatte, nimmt in der Liebesdichtung Reinmars von Hagenau und in dem berühmtesten Roman des Mittelalters, in des Straßburger Gottfried »Tristan und Isolt«, wesentlich deutsche Charakterzüge auf. In der Zeit der Vertiefung des religiösen Geistes in Deutschland waren es die Elsässer, unter denen die Lehre der Mystiker die unglaublichsten Erfolge hatte. Meister Eckard war zwar nicht im Elsaß geboren, wirkte aber befruchtend, wie nirgends, in Straßburg, und Johannes Tauler, in Straßburg um 1300 geboren, verdunkelte fast den Ruhm jenes seines Lehrers.
Die »Gottesfreunde« im Elsaß bildeten einen Bund, welcher für die deutsche Reformation eine ähnliche Stellung erwarb wie die Lollharden in England für die anglikanische Kirche. In der Entwickelung der echt deutschen Geschichtschreibung geht das Elsaß fast allen andern Stämmen voran. Eine popularisierende Absicht verfolgten die thätigen Dominikaner des Elsaß in der Geschichtschreibung, wenn sie sich auch zunächst, wie die Verfasser der »Kolmarer Chroniken«, von dem Gebrauch der Gelehrtensprache nicht trennten; auch in Straßburg wurde die erste bürgerliche Stadtgeschichte auf Geheiß des angesehenen Herrn Ellenhard »vor dem Münster« lateinisch verfaßt und erst später von dem Priester Closener übersetzt. Der letztere brachte im 14. Jahrh. eine ganze Sammlung Straßburger Historien zusammen, welche von Jakob von Königshofen (bis 1420) wesentlich erweitert und mit Zuthaten andrer einheimischer Geschichtschreiber, wie des Matthias von Neuburg, Alberts von Straßburg u. a., versehen wurden.
Während hierauf im 15. Jahrh. der Mainzer Patrizier Johann Gensfleisch von Gutenberg zu Straßburg die erste Buchdruckpresse aufstellte, Martin Schön oder Schongauer zu Kolmar seine weitberühmten Kupfertafeln gravierte, begann in der fruchtbaren Litteratur des Elsaß der Vorkampf der Reformation. Geiler von Kaisersberg, Wimpheling und Sebastian Brant waren die jedem Deutschen wohlbekannten Männer, welche den Boden des südwestlichen Deutschland für die Überzeugungen der Reformation vorbereiteten. Selbst der Franziskaner Thomas Murner, welcher vor der wirklichen Erscheinung des neuen Geistes zur Umkehr riet und seine Satire gegen Luther richtete, hatte doch durch seine frühern Bücher geholfen, das Mittelalter zu begraben.
Elsaß seit der Reformation.
Die Reformation nahm von den elsässischen Städten und insbesondere von Straßburg im ersten Anlauf Besitz. Unter den Reformatoren von Straßburg trat Matthias Zell aus Kaisersberg zuerst als Anhänger Luthers auf, fand aber bald Helfer seiner Bestrebungen in Wolfgang Köpfel, Capito genannt, aus Hagenau, Kaspar Hedio aus Ettlingen in Baden und vor allen in Martin Bucer, welcher durch seine vermittelnde Stellung unter den Reformatoren eine weit über das Elsaß hinausgehende Bedeutung erlangte.
Bucer wirkte in Straßburg von 1523 bis zur Einführung des Interim nach dem Augsburger Reichstag 1548. Einer der wichtigsten Augenblicke der Geschichte des Elsaß war es, als der Rat mit Zustimmung der gesamten Schöffenversammlung die Messe abschaffte. Aber eben in dieser Zeit begann sich in den großen Reichskörperschaften unter der Führung des habsburgischen Hauses eine katholische Reaktion bemerkbar zu machen. Blutige Verfolgungen der Anhänger der neuen Lehre waren im Elsaß besonders seit dem Bauernkrieg an die Tagesordnung gekommen.
Nach der Beendigung desselben schritt die österreichische Herrschaft, soweit ihre Macht reichte, besonders im Sundgau zur Ausrottung der evangelischen Lehre, welche mit der Sache der Bauern zusammengeworfen wurde. Den einheimischen Ketzergerichten und den Beschlüssen der Reichstage von 1529 und 1530 hätte die elsässische Reformation zum Opfer fallen müssen, wenn nicht das Straßburger Stadtregiment unter der Leitung des Stadtmeisters Jakob Sturm von Sturmeck (s. d.) klug und gemäßigt allen Angriffen des Katholizismus Widerstand zu leisten vermocht hätte.
Schon von Beginn des Schmalkaldischen Bundes an war Straßburg Mitglied desselben. Daß sich die Stadt auf dem Augsburger Reichstag zur reformierten Lehre der Schweizer bekannte, hinderte nicht ein eifriges politisches Zusammenhalten mit den lutherischen Ständen. Im Schmalkaldischen Krieg standen die Straßburger Bundestruppen unter Schärtlins Kommando. Da aber der Bund unterlag, so mußte sich der Stadtrat bequemen, die kaiserlichen Mandate auszuführen, bis der Augsburger Religionsfriede auch den elsässischen Reichsständen Ruhe und Sicherheit gewährte. Es folgte die Zeit, wo Johannes Sturm seine epochemachenden Schulreformen durchführte und auf der vom Kaiser Maximilian II. gegründeten Straßburger Akademie ein reges wissenschaftliches Leben begann. Damals geschah es auch, daß Fischart zu Straßburg den Stoff zu seinen unvergleichlichen Schöpfungen fand und Daniel Specklin, ebenfalls ein geborner Straßburger, neben seinen geographischen und historischen Arbeiten dem Elsaß den Ruhm erwarb, den ersten militärischen Baumeister zu besitzen.
Der erste ernstliche Versuch, Straßburg dem französischen Reich einzuverleiben, wurde vom König Heinrich II. von Frankreich gemacht, als er Metz, Toul und Verdun dem Deutschen Reich entriß. Die Verlockungen und Drohungen des französischen Hofes vermochten jedoch die Straßburger nicht einzuschüchtern. Eine der entscheidendsten Wendungen im gesamten Schicksal des Elsaß in der neuern Zeit trat durch den Vertrag der österreichischen Erzherzöge mit der Krone von Spanien ein, wonach alle Rechte des habsburgischen Hauses im Elsaß an die spanische Linie desselben abgetreten wurden. Man muß diesen Umstand im Auge behalten, wenn man die zunehmenden Sympathien für Frankreich während des Dreißigjährigen Kriegs unter den Elsässern
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richtig beurteilen will. Seit war ihnen die Wahl nur zwischen der Abhängigkeit von Spanien und der von Frankreich gelassen. Das letztere erhielt im Westfälischen Frieden genau diejenigen Rechte und Besitzungen, welche Österreich unmittelbar vor Ausbruch des Kriegs den Spaniern abgetreten hatte. Der günstigste Fall für die Entwickelung des Elsaß wäre eingetreten, wenn sich Herzog Bernhard von Weimar, wie er beabsichtigte, in dem Grenzland eine selbständige fürstliche Gewalt zu schaffen vermocht hätte. Aber was mit französischem Geld und französischer Unterstützung gewonnen war, sollte auch den Franzosen zu gute kommen. Bernhards Tod lieferte das Elsaß in die militärische Gewalt der Franzosen.
Elsaß unter französischer Herrschaft.
Die Rechte der Reichsstände im Elsaß waren durch den Westfälischen Frieden allerdings besonders anerkannt und wahrgenommen worden. Allein die Art und Weise, wie von seiten Frankreichs der Westfälische Friede ausgelegt wurde, gestattete eine Ausdehnung der Oberhoheit der französischen Krone selbst über die Reichsstädte, in welchen Frankreich durch jenen Frieden eigentlich nur die bis dahin von den Habsburgern geübten Vogteirechte erhielt. Die Eroberungen, welche die Franzosen seit dem Westfälischen Frieden im Elsaß machten, waren vorherrschend administrativer Natur.
Hierbei wurden sie von einheimischen Elsässern bestens unterstützt. Auch das Beginnen der Reunionskammern Ludwigs XIV. machte im Elsaß nicht jenen abstoßenden und empörenden Eindruck, den man sonst und bis auf den heutigen Tag davon empfand. Das Hereinziehen der verschiedenen kleinen Herrschaften unter das herrschende Gesetz von Frankreich erschien den minder begünstigten Ständen des alten zerrissenen Reichslandes als ein wesentlicher Fortschritt. Auch in Straßburg machten sich seit dem Abschluß des Westfälischen Friedens viele hervorragende Personen mit dem Gedanken vertraut, daß die Stadt früher oder später unter die Schutzhoheit der französischen Krone kommen werde. Der einzige Mann, welcher im Elsaß, durch Jahresgehalt und regelmäßige Dotationen gewonnen, offen für das Interesse Frankreichs wirkte, war der Bischof Franz Egon von Fürstenberg (s. Fürstenberg 2), welcher jedoch in dem protestantischen Straßburg gar keinen Einfluß besaß.
Mehr als 100 Jahre hindurch änderte die französische Herrschaft im Elsaß an den nationalen Verhältnissen des Landes nichts. In gewisser Art kam der deutsche Charakter des Volkes gerade im 17. und 18. Jahrh. litterarisch und wissenschaftlich erst recht zur Geltung. Innige Beziehungen zwischen Deutschland und der entrissenen Mark blieben auf dem geistigen Gebiet bis zur französischen Revolution bestehen. Von Straßburg war Philipp Jakob Spener ausgegangen, dessen Richtung auf das praktische Christentum im Elsaß immer einheimisch gewesen und schon in Tauler, in Kaisersberg und in den Straßburger Reformatoren hervorgetreten war.
Die Universität in Straßburg gelangte unter der französischen Regierung ebenfalls zur vollen Blüte und zu großem Ansehen. Besonders waren es Juristen, Historiker und Philologen, welche eine große Anziehungskraft ausübten: Johannes Schilter, Jeremias Oberlin und Johann Scherz, Johann Daniel Schöpflin, Schweighäuser. Goethes Aufenthalt in Straßburg fällt gleichzeitig mit demjenigen Herders in die Jahre 1770 und 1771. Inzwischen waren die Franzosen auf dem politischen und ökonomischen Gebiet desto thätiger, die Einheit der Interessen der deutschen Provinz mit denen des französischen Reichs herzustellen.
Industrie und Handel wurden gehoben. Der Tabaksbau, wohl schon seit 1620 im Elsaß begonnen, wurde durch die französische Regierung eine Quelle des Landeswohlstands. Auch die Weinproduktion, welche im Beginn der französischen Herrschaft unter dem Druck der neuen Staatsgrenzen litt, hob sich im Lauf des 18. Jahrh. bedeutend. In den Städten waren zwar die alten Verfassungen unangetastet geblieben, doch gewöhnte man allmählich die Bevölkerung an den Einfluß der französischen Administration.
Die Regierung ernannte die sogen. Prätoren, welche mit den konservativen Stadträten zwar meist im Streit lagen, aber doch energisch für Verbesserung der Zustände wirkten. Gewaltig waren aber die Änderungen in den konfessionellen Verhältnissen des Landes. Schon unter Ludwig XIV. wurden die abscheulichsten Gewaltmaßregeln zur Katholisierung der Bevölkerung in Anwendung gebracht, daher überwog seit der Mitte des 18. Jahrh. in Straßburg das katholische Element.
Beim Ausbruch der Revolution in Paris war das Land konservativ und partikularistisch gesinnt. Erst nachdem durch die Beschlüsse der französischen Nationalversammlung vom die alten städtischen Einrichtungen beseitigt worden waren, gelangten in Straßburg die Franzosenfreunde zur Regierung. Die Elsässer traten damals mit Begeisterung für die Ideen der konstitutionellen Monarchie ein und bewährten auch ihren konstitutionellen Patriotismus gegenüber den einrückenden Heeren Österreichs und Preußens 1792. Seit dem Februar 1793 stand das Elsaß unter der Diktatur von Konventskommissaren, denen sich deutsche Jakobiner, wie Eulogius Schneider, zur Verfügung gestellt hatten.
Allein das deutsche Jakobinertum war den Franzosen verdächtig. Der Straßburger Maire Monet aus Savoyen machte den Vorschlag, alle deutsch sprechenden Elsässer zu deportieren und das Land an französische Sansculotten zu verteilen. Der Sturz Robespierres und seiner Parteigenossen in Paris brachte indessen dem Elsaß ruhigere Tage, und in den folgenden Jahren wuchsen die Sympathien für Frankreich in einer erstaunlichen Weise. Teils die Errungenschaften der Revolution, teils die militärische Schule unter Napoleon I. brachten den Bruch des Elsaß mit seiner deutschen Vergangenheit zum Abschluß.
Wichtig für die Territorialverhältnisse des Elsaß war die Annexion der Stadt Mülhausen (1798), die, obwohl sie die französische Oberherrschaft anerkannte, doch eine selbständige Republik im Bund mit den Schweizern geblieben war. In der großen Armee Napoleons spielten viele Elsässer eine hervorragende Rolle. Kellermann, Kléber und Rapp waren Elsässer. Als nach der Schlacht bei Leipzig die verbündeten Armeen den Rhein überschritten und österreichische Truppen in den letzten Tagen des Dezembers 1813 das obere Elsaß besetzten, während Wittgensteins russisches Korps durch Niederelsaß zog, war die Gesinnung der Städte und der Landbevölkerung eine sehr feindselige.
Der in den siegreichen deutschen Armeen aufgekommene Gedanke, das Elsaß dem Deutschen Reich zurückzugewinnen, wurde von der Diplomatie vereitelt. Die französischen Departements des Ober- und Niederrheins, von Präfekten regiert, entsprachen ziemlich genau den Grenzen des alten Sundgaues und Nordgaues. Nur Landau kam durch den zweiten Pariser Frieden an Bayern. Unter den Präfekten des Niederrheins bewahrt man dem Marquis von Lezay-Marnesia (s. d.) das beste Andenken.
Seit der Restauration machten alle französischen Regierungen gleichmäßig den Versuch, die
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französische Sprache im Elsaß zur ausschließlichen Herrschaft zu bringen und die deutsche auszumerzen. Unter der Regierung des zweiten Kaiserreichs gelang dieser Versuch zum Teil durch die Unterstützung, die der katholische Klerus dabei leistete. Dennoch hielten die Elsässer in der Wissenschaft und in der Dichtung die deutsche Muttersprache mit wahrhaft erstaunenswerter Zähigkeit fest, und selbst die litterarischen Vereine bedienten sich bis auf die neueste Zeit häufig des Deutschen bei ihren Publikationen.
Nachmals konnte freilich zuweilen die Bemerkung gemacht werden, daß diese Eigentümlichkeit der Deutsch-Franzosen im Elsaß wenig Bedeutung für politische und nationale Gesinnung habe. Während des deutsch-französischen Kriegs 1870/71 bezeugten die Elsässer bei jeder Gelegenheit ihre Sympathien für Frankreich. Im Frankfurter Frieden wurden die in den Präliminarien zu Versailles bestimmten Grenzen für die Abtretung des Elsaß und Deutsch-Lothringens nicht unbedeutend berichtigt. Im Kanton Brie an der luxemburgischen Grenze galt es, eine Anzahl wirklich deutscher Gemeinden zu gewinnen; deshalb wurden noch außer Belfort im Süden von den französisch redenden Kantonen Giromagny, Fontaine, Delle noch weitere 385 qkm mit 25,000 Einw. zurückgegeben, so daß der bei Frankreich gebliebene Teil des Sundgaues im ganzen 660,7 qkm mit 55,000 Menschen beträgt.
Elsaß als deutsches Reichsland.
Die Verschmelzung Elsaß-Lothringens mit Deutschland war durch die eigentümliche Stellung, in die es zu dem neuen Deutschen Reiche gebracht wurde, nicht wenig erschwert. Der Bundesrat beschloß nämlich, Elsaß-Lothringen für ein Reichsland zu erklären, über welches das Reich selbst der Träger der Souveränität war, und dessen Landesgesetzgebung dem Bundesrat und dem Reichstag zufiel. Doch verlangte der Bundesrat für einige Jahre die Diktatur, welche ihm auch vom Reichstag bis zum bewilligt wurde.
Hierauf wurde das Reichsland nach Abberufung des Generalgouverneurs Grafen Bismarck-Bohlen und des Zivilkommissars Kühlwetter nach dem Muster einer preußischen Provinz organisiert. Am ward der bisherige Oberpräsident von Hessen-Nassau, v. Möller, zum Oberpräsidenten mit dem Sitz in Straßburg ernannt, ihm ein Kollegium unter dem Titel »kaiserlicher Rat von Elsaß-Lothringen« beigegeben und im Reichskanzleramt eine besondere Abteilung für die Reichslande unter dem Unterstaatssekretär Herzog gebildet.
Die drei alten Departements wurden in Regierungsbezirke verwandelt, diese wieder in 22 Kreise eingeteilt und die Bildung von Kreis- u. Bezirkstagen angeordnet. Die Bevölkerung verhielt sich der deutschen Verwaltung gegenüber teils gleichgültig, teils feindlich. Die Gebildeten sehnten die Rückkehr der französischen Herrschaft herbei, besonders die katholische Geistlichkeit ward die heftigste Gegnerin Deutschlands, seitdem durch Einführung der allgemeinen Schulpflicht durch Beseitigung der Schulbrüder und Schulschwestern aus den Elementarschulen und durch den Erlaß eines Unterrichtsgesetzes die Macht des Klerus über die Schule auch in Elsaß-Lothringen gebrochen worden war, gleichzeitig in Frankreich aber die Klerikalen zur Herrschaft zu gelangen Aussicht hatten.
Unter dem Terrorismus des Klerus und der Gebildeten, der durch öffentliche und geheime Mittel (so durch die Flugblätter der Elsässer Liga) ausgeübt ward, wurde bewirkt, daß die Wohlthaten der neuen Verwaltung, die bedeutenden Entschädigungen für Kriegsverluste, die Verringerung der Steuerlast, die Verbesserung des Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesens, die Abschaffung des Tabaksmonopols u. dgl., gar nicht gewürdigt wurden, dagegen manche notwendige Belästigungen die heftigsten Klagen hervorriefen, so besonders die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und die Ausführung der Optionsangelegenheit.
Auf Grund des Frankfurter Friedensvertrags forderte die Regierung 1872 die Bevölkerung auf, sich bis 1. Okt. zu erklären, ob sie Franzosen sein wollten. Dies erklärten nun 160,000, aber nur 50,000 wanderten nach Frankreich aus; die übrigen, darunter viele Unerwachsene, beanspruchten die Vorrechte der Fremden, also Befreiung von der Dienstpflicht, ohne ihren Wohnsitz verlassen zu müssen. Dies wollte natürlich die Regierung nicht gelten lassen; sie behandelte die trotz der Option Zurückbleibenden als Deutsche und verfolgte mit Strenge alle, die ohne Option sich der Militärpflicht entzogen und dann ohne Erlaubnis nach Elsaß-Lothringen zurückkehrten.
Die großen Verdienste, die sich die Regierung durch die Organisation der höhern Schulen und die Errichtung einer Universität in Straßburg erwarb, fanden selbst bei den Liberalen keinen Beifall, weil die französische Sprache in den Schulen teils abgeschafft, teils beschränkt wurde. Ja, in den größern Städten machte sich die Opposition am schärfsten bemerkbar: in Straßburg mußte der Bürgermeister Lauth abgesetzt und acht Tage später der Gemeinderat suspendiert werden, weil sie der Regierung offen opponierten.
Ähnliches geschah später in Metz und Kolmar. Von den im August 1873 gewählten Kreis- und Bezirksräten verweigerten so viele den Eid der Treue, den sie dem Kaiser leisten sollten, daß von 22 Kreistagen nur 14, von den 3 Bezirkstagen nur einer beschlußfähig war und eröffnet werden konnte. So kam es, daß bei den ersten Reichstagswahlen 10 Ultramontane und 5 liberale Protestler gewählt wurden. Die 15 elsässischen Deputierten erhoben bei ihrem Eintritt in den Reichstag feierlichen Protest gegen die Annexion, und die Protestler nahmen an den Verhandlungen nicht mehr teil.
Eine gemäßigtere Haltung zeigten die Kreis- und die Bezirksräte, welche im Sommer 1874 gewählt waren und ruhig und sachgemäß die Geschäfte erledigten. Die Errichtung eines Provinziallandtags konnte man den Elsässern zwar noch nicht zugestehen, doch verordnete der Kaiser daß je zehn Delegierte der drei Bezirkstage zu einem beratenden Landesausschuß zusammentreten sollten. Dieser trat zu seiner ersten Session zusammen, beriet das Budget für 1876 sorgfältig durch und nahm in seiner zweiten Session die Regierungsvorlage an, wonach alle Gesetze, die der Landesausschuß genehmigt habe, fortan vom Kaiser nur unter Zustimmung des Bundesrats verkündet werden sollten; der Reichstag sollte nur zugezogen werden, wenn Regierung und Landesausschuß sich nicht verständigen könnten. Der Reichstag stimmte dem Gesetz bei.
Der Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung zeigte sich bei den beiden Besuchen des Kaisers im September 1876 in Weißenburg und Wörth und im Mai 1877 in Straßburg und Metz, ferner aber in der Bildung einer neuen Partei, der sogen. Autonomsten, deren Organ das von Schneegans redigierte »Elsässer Journal« war, und die als letztes Ziel die Regierung des Landes durch das Land selbst im Auge hatten. Bei den zweiten Reichstagswahlen eroberten die Autonomsten schon sämtliche unterelsässische Wahlkreise; die Ultramontanen behielten 6, die Protestler 4.
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Die Wirkung dieses Auftretens einer selbständigen elsässischen Partei war, daß durch das Gesetz vom die Einsetzung eines Statthalters, eines Ministeriums und eines Staatsrats bestimmt, das Wahlgesetz für den Landesausschuß verändert und dessen Befugnisse erweitert wurden. Oberpräsident v. Möller legte infolgedessen sein Amt nieder, und Feldmarschall v. Manteuffel übernahm als Statthalter die Regierung des Reichslandes. An die Spitze des Ministeriums trat als Staatssekretär der bisherige Vertreter der elsässischen Angelegenheiten in Berlin, Herzog, der jedoch im Sommer 1880 ausschied, da er das Einlenken des Statthalters gegenüber den Ultramontanen mißbilligte. Er hatte den bisherigen Staatssekretär des deutschen Reichsamtes des Innern, Hofmann, zum Nachfolger.
Bei den Neuwahlen für den Landesausschuß im Herbst 1879 erlangten die Autonomsten wieder die Majorität, blieben aber an Einfluß weit hinter den Ultramontanen zurück, denen der Statthalter durch Wiedereröffnung des Zillisheimer Seminars entgegenkam. Während Möller an den Verwaltungsgrundsätzen des preußischen Beamtentums festgehalten hatte und rein sachlich nach dem Gesetz verfahren war, befolgte Manteuffel die französische Praxis, die Konsequenzen der Gesetze durch Berücksichtigung besonderer Fälle zu mildern und hierdurch besonders die Sympathien der höhern Stände, der sogen. »Notabeln«, zu gewinnen.
Ja, er trug sogar kein Bedenken, diesen Notabeln zuliebe deutsche Beamte zu bestrafen, was in den altdeutschen Kreisen große Unzufriedenheit erweckte. Er erntete dafür einen Dank der Bevölkerung in Schmeicheleien und Huldigungen, die ihm bei seinen Reisen im Lande dargebracht wurden. Auch befleißigte sich der Landesausschuß im ganzen einer sachlichen Haltung bei der Beratung des Landesbudgets und der sonstigen Regierungsvorlagen. Aber der Statthalter steigerte durch sein Entgegenkommen in vielen Dingen, namentlich in der Schul- und Optantenfrage, nur die Ansprüche des Klerus und der Notabeln.
Als er sich daher genötigt sah, die Agenturen der französischen Versicherungsgesellschaften aufzuheben, einige Preßorgane zu unterdrücken, durch ein Reichsgesetz den Gebrauch der französischen Sprache im Landesausschuß zu verbieten und eine Anzahl Optanten, welche nach Elsaß-Lothringen zurückgekehrt waren, ohne sich der Wehrpflicht zu unterziehen, auszuweisen, reizte er die maßgebenden Kreise so gegen sich auf, daß diese bei den Reichstagswahlen auf das heftigste gegen das herrschende System agitierten, bei den Neuwahlen 1881 die Autonomistenpartei wieder verschwand und ebenso. 1884 nur Klerikale und Protestler gewählt wurden.
Auch die wiederholten Erklärungen Manteuffels, daß, solange Elsaß-Lothringen nicht reichstreu wähle, von der Verleihung einer selbständigen Verfassung keine Rede sein könne, thaten keine Wirkung, wie die Wahlen von 1884 bewiesen. Einen Fortschritt in der Verschmelzung Elsaß-Lothringens mit dem Reich hatte das seit 1879 herrschende Regiment also nicht aufzuweisen; die Beamten und die eingewanderten Deutschen aber waren verbittert und entmutigt. Manteuffel starb in Karlsbad. An seiner Stelle wurde Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst, bisher Botschafter in Paris, zum Statthalter ernannt, der am sein Amt antrat und, ohne förmlich mit der Politik seines Vorgängers zu brechen, doch von dem persönlichen Eingreifen in die Verwaltung absah. - Über die Geschichte des Bezirks Lothringen s. d.
Vgl. Schöpflin, Alsatia illustrata (Kolm. 1751-1761, 2 Bde.);
Strobel und Engelmann, Vaterländische Geschichte des Elsaß (Straßb. 1840-49, 6 Bde.);
Spach, Histoire de la basse Alsace et de la ville de Strasbourg (das. 1860);
Derselbe, Moderne Kulturzustände im Elsaß (das. 1873-74, 3 Bde.);
Derselbe, Biographies alsaciennes (das. 1863-71, 3 Bde.);
Lorenz und Scherer, Geschichte des Elsaß (3. Aufl., Berl. 1885);
kürzere Darstellungen der Geschichte des Elsaß von Glöckler (Freiburg 1876) und Rathgeber (2. Aufl., Straßb. 1882);
Baquol-Ristelhuber, Dictionnaire du Haut- et du Bas-Rhin (3. Aufl., das. 1865);
Mitscher, Elsaß-Lothringen unter deutscher Verwaltung (Berl. 1875);
Du Prel, Die deutsche Verwaltung in Elsaß-Lothringen 1870-79 (Straßb. 1879 ff.);
die publizistischen Schriften von Schneegans, Grad u. a.; M. Hertz, Deutsche Sage im Elsaß (Stuttg. 1872);
v. Löher, Aus Natur und Geschichte von Elsaß-Lothringen (Leipz. 1871);
Noë, Elsaß-Lothringen, Naturansichten und Lebensbilder (Glog. 1872);
Kraus, Kunst und Altertum in Elsaß-Lothringen (Straßb. 1876-84, 2 Bde.);
Woltmann, Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß (Leipz. 1875);
Schmidt, Histoire littéraire de l'Alsace (15. und 16. Jahrh., Par. 1879, 2 Bde.);
»Alsatia; Beiträge zur elsässischen Geschichte, Sage, Litteratur etc.« (hrsg. von Aug. Stöber, Mülhaus. 1853-68; neue Folge, Kolm. 1872-85);
im Anschluß hieran das »Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Litteratur Elsaß-Lothringens« (1885 ff.);
»Alemannia; Zeitschrift für Sprache, Litteratur und Volkskunde des Elsaß« (hrsg. von Birlinger, Bonn 1871 ff.).