mehr
über das Vorhandensein von freier Elektrizität
[* 2] in dem zu prüfenden
Körper, sondern auch darüber Aufschluß, ob diese Elektrizität
positiv
oder negativ ist, indem die
Pendel
[* 3] im erstern
Fall bei positiver, im letztern
Fall bei negativer
Ladung weiter auseinander gehen.
Aus dem Zusammengehen der
Pendel dagegen kann man noch nicht schließen, daß der genäherte
Körper elektrisch
ist. Denn die
Pendel gehen auch zusammen, wenn man die
Hand
[* 4] oder irgend einen andern unelektrischen
Leiter dem geladenen
Elektroskop
[* 5] nähert.
Die auf dem Metallkörper des
Apparats verbreitete Elektrizität
wirkt nämlich verteilend auf die beiden Elektrizitäten
der
Hand: die
abgestoßene gleichnamige entweicht in den
Boden, während die angezogene ungleichnamige in der
Hand gebunden
bleibt und zugleich einen Teil der Elektrizität
des
Apparats in die
Platte heraufzieht und bindet, so daß die
elektrische Spannung auf
den
Pendeln geschwächt wird. Man begreift jetzt auch, warum ein elektrischer
Körper einen unelektrischen, z. B. die Holundermarkkugel
des elektrischen
Pendels, anzieht. Er trennt in ihr zunächst die beiden Elektrizitäten
, und da hierbei
die ungleichnamige näher an ihn herankommt, so zieht er diese stärker an, als er die weiter zurückgedrängte gleichnamige
abstößt.
Kommt nun die
Kugel mit dem elektrischen
Körper, z. B. einem geriebenen Glasstab, in Berührung, so wird ihre durch diese
Verteilung hervorgerufene negative Elektrizität
durch eine gleichgroße
Menge positiver Elektrizität
des Glasstabes aufgehoben,
die positive Verteilungselektrizität
aber bleibt auf dem Kügelchen zurück und bewirkt, daß es nun
vor der Glasstange flieht.
Man sieht also, daß der Vorgang, welcher auf den ersten
Blick als eine Mitteilung von positiver Elektrizität
von seiten des
Glasstabes an das Kügelchen erscheint und in seinem Erfolg einer solchen auch gleichkommt, eigentlich in einem Austausch
gleicher
Mengen entgegengesetzter Elektrizität
zwischen dem Kügelchen und dem Glasstab besteht.
Aus der Weite des Auseinandergehens der Pendel eines Elektroskops kann man durch oberflächliche Schätzung auf die Größe der elektrischen Spannung schließen. Zur wirklichen Messung derselben dienen die Elektrometer [* 6] (s. d.), welche zum größten Teil auf dem Prinzip der Drehwage (s. d.) beruhen. Mittels der Drehwage hat Coulomb dargethan, daß zwei elektrische Teilchen sich gegenseitig anziehen oder abstoßen mit einer Kraft, [* 7] welche im geraden Verhältnis der wirkenden Elektrizitätsmengen und im umgekehrten Verhältnis des Quadrats ihrer Entfernung steht (Coulombs Gesetz).
Nähert man einem elektrischen Körper einen Leiter mehr und mehr, so werden an den einander zunächst gegenüberstehenden Stellen der beiden Körper entgegengesetzte Elektrizitäten mit wachsender Dichte sich anhäufen, indem die in letzterm durch Verteilung geweckte und nach seinem äußersten Punkt hingezogene ungleichnamige Elektrizität die entgegengesetzte Elektrizität des erstern Körpers ebenfalls nach dessen gegenüberstehendem Punkt hinzieht. Ist die Dichte der beiden Elektrizitäten groß genug geworden, so durchbrechen sie die trennende Luftschicht und vereinigen sich unter knisterndem Geräusch oder mit einem Knall durch einen elektrischen Funken, welcher in Dampf [* 8] verwandelte und glühende Teilchen der Leiter, zwischen welchen er übergeht, mit sich reißt.
Der elektrische Körper ist nun entladen. Entlädt man ihn durch eine Reihe von Leitern, die durch Zwischenräume voneinander getrennt sind, z. B. durch eine Reihe rautenförmiger Stanniolblättchen [* 1] (Fig. 2), welche auf eine Glastafel (Blitztafel) oder längs einer Schraubenlinie auf eine Glasröhre (Blitzröhre) aufgeklebt sind, so springt an jeder Unterbrechungsstelle ein Funke über, was einen hübschen Anblick gewährt. Der Blitz ist nichts andres als ein ungeheurer elektrischer Funke, welcher zwischen zwei entgegengesetzt elektrischen Wolken oder zwischen einer elektrischen Wolke u. der Erde überschlägt.
Aus Spitzen ausströmend, bildet die positive Elektrizität Lichtbüschel (s. Elektrische Büschel), [* 9] die negative Lichtpünktchen. Im luftverdünnten Raum, z. B. im elektrischen Ei [* 10] (Fig. 3), einem mit Messingfassungen versehenen eiförmigen Glasgefäß, in welches mit Kugeln endigende Messingstäbe (b und b') hineinragen, geht die Elektrizität, weil die verdünnte Luft ihrem Durchgang einen geringern Widerstand entgegensetzt, auf größere Entfernungen über; die Lichterscheinung besteht in einer von der positiven Kugel ausgehenden rötlichvioletten Lichtgarbe, welche sich fast bis zur negativen Kugel hin erstreckt; diese dagegen erscheint von einer blauen Lichthülle umgeben (vgl. Geißlersche [* 11] Röhren). [* 12]
Durch die Entladung, d. h. durch die Vereinigung der beiden getrennten Elektrizitäten, wird in den Körpern, welche sie vermitteln, eine Wärmemenge erzeugt, welche der Arbeit entspricht, die zu ihrer Trennung aufgewendet worden war (s. Wärme). [* 13] Über die mechanischen Wirkungen der Entladung s. Leidener Flasche. [* 14] Die Dauer eines elektrischen Funkens ist außerordentlich kurz; eine rasch sich drehende Pappscheibe, welche mit abwechselnd weißen und schwarzen Speichen bemalt ist, erscheint, von dauerndem Licht [* 15] beleuchtet, gleichmäßig grau, weil das Bild einer jeden schwarzen Speiche in unserm Auge [* 16] an derselben Stelle erscheint, an welcher das Bild der vorhergehenden weißen Speiche noch nicht erloschen ist, und sich daher mit diesem mischt; beleuchtet man aber die Scheibe im Dunkeln durch einen elektrischen Funken, so wird sie deutlich mit allen Speichen gesehen, als ob sie stillstände, weil sie sich während der kurzen Dauer des Funkens in unserm Auge nur in der Stellung abbilden konnte, welche sie im Augenblick der Beleuchtung [* 17] besaß. Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Elektrizität in Leitern ist je nach den Umständen verschieden gefunden worden; sie ist jedenfalls sehr groß, wahrscheinlich etwa gleich derjenigen des Lichts (vgl. Geschwindigkeit).
Außer durch Reibung [* 18] kann die Trennung der beiden Elektrizitäten auch noch durch andre Vorgänge bewirkt werden, namentlich durch gegenseitige Berührung zweier verschiedenartiger Stoffe (Berührungselektrizität, Galvanismus, [* 19] s. d.) und durch Einwirkung von Wärme (Thermoelektrizität [* 20] und Pyroelektrizität, s. d.).
[Geschichtliches.]
Der erste Schritt zur Entwickelung der Elektrizitätslehre geschah, als Gilbert in einem Werk über den Magnet 1600 die Beobachtung mitteilte, daß außer Bernstein [* 21] auch gewisse andre Körper durch Reiben die Eigenschaft annehmen, leichte Körperteilchen anzuziehen. Otto v. Guerike zu Magdeburg, [* 22] der Erfinder der Luftpumpe, [* 23] machte auch den ersten Anfang zur Konstruktion der Elektrisiermaschine [* 24] (s. d.) und wies die elektrische Abstoßung nach.
[* 1] ^[Abb.: Fig. 2. Elektrische Funken (Blitzröhre).
Fig. 3. Elektrisches Ei.] [* 25] ¶
mehr
Diese Untersuchungen wurden von andern, namentlich in England, fortgesetzt; aber mehr als ein Jahrhundert verging wiederum, bis der Engländer Gray (1727) die Entdeckung machte, daß auch die Metalle und andre Körper, welche man bis dahin nicht elektrisch machen konnte, diese Eigenschaft erlangten, wenn sie an seidenen Fäden hingen oder auf Glas [* 27] ruhten; er erkannte hiermit den wahren Unterschied zwischen Leiter und Nichtleiter. Beinahe 50 Jahre später, um 1773, unterschied Du Fay zwei Elektrizitäten und zeigte, daß die gleichartig elektrischen Körper sich abstoßen, hingegen die ungleichartig elektrischen sich anziehen.
Die Erfindung der Verstärkungsflasche ward 1745 vom Domherrn v. Kleist in Pommern [* 28] (daher Kleistsche Flasche) und einige Zeit später von Cunäus in Leiden [* 29] (daher Leidener Flasche) gemacht. Die Vermutung, daß Blitz und Donner die Wirkung einer elektrischen Entladung seien, sprach Benjamin Franklin, der berühmte Amerikaner, zuerst entschiedener aus, zeigte auch den Weg (vermittelst des Drachen), sie zur Gewißheit zu erheben, und erfand den Blitzableiter. Ein ganz neues Gebiet der Elektrizität wurde durch Entdeckung der Berührungselektrizität von Galvani (1789) und Volta in dem nach ersterm benannten Galvanismus eröffnet.
Während man bis dahin bloß die Erscheinungen des Gleichgewichtszustandes der Elektrizität im ruhenden Zustand beobachtet und studiert hatte, fand man jetzt, daß die in fortwährender Bewegung in einem Leiter begriffene der sogen. elektrische oder galvanische Strom, ganz neue, ungeahnte Beziehungen zu Wärme, Chemismus und Magnetismus [* 30] darbot. Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts vermochte Davy vermittelst des Stroms die Alkalien zu zersetzen und die Alkalimetalle im regulinischen Zustand auszuscheiden. Im J. 1820 entdeckte Örsted in Kopenhagen [* 31] durch Zufall den Elektromagnetismus. [* 32]
Ampère wies 1826 die gegenseitige Einwirkung elektrischer Ströme nach. Im J. 1827 entdeckte Ohm das nach ihm benannte Gesetz der Stromstärke, Faraday entdeckte 1831 die Induktion, [* 33] die Magnetelektrizität [* 34] und den Diamagnetismus; [* 35] 1833 erfanden Gauß und Weber den elektromagnetischen Telegraphen, [* 36] 1838 Jacobi die Galvanoplastik. [* 37] Das für die technische Anwendung der Elektrizität so wichtige dynamoelektrische Prinzip wurde 1866 von W. Siemens aufgestellt, und 1877 erfand Graham Bell das Telephon.
Vgl. Rieß, Reibungselektrizität (Berl. 1853, 2 Bde.);
Derselbe, Abhandlungen zur Lehre [* 38] von der Reibungselektrizität (das. 1867);
Becquerel, Traité de l'électricité (Par. 1855-56, 3 Bde.; mit der Fortsetzung: »Résumé de l'histoire de l'électricité«, 1858);
Kuhn, Angewandte Elektrizitätslehre (Leipz. 1866);
Carl, Die elektrischen Naturkräfte (Münch. 1878);
v. Beetz, Grundzüge der Elektrizitätslehre (Stuttg. 1878);
Ferrini, Technologie der Elektrizität und des Magnetismus (deutsch, Jena [* 39] 1878);
Maxwell, Lehrbuch der Elektrizität (deutsch, Berl. 1882, 2 Bde.);
Wiedemann, Lehre von der Elektrizität (Braunschw. 1882 bis 1885, 4 Bde.);
Hoppe, Geschichte der Elektrizität (Leipz. 1884);
Mascart und Joubert, Lehrbuch der Elektrizität und des Magnetismus (Berl. 1886).