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ganzen Leiters versetzt, auf dessen Oberfläche sich alle Elektrizität begeben hat. Metallteile an elektrischen Apparaten brauchen daher nicht massiv zu sein, sondern können ebensogut hohl sein. Auf einer Kugelfläche verbreitet sich die Elektrizität überall gleichmäßig; sie hat überall dieselbe Dichte, d. h. auf gleichen Flächenteilen ist die gleiche Elektrizitätsmenge vorhanden. Auf Körpern von andrer Gestalt sammelt sich die Elektrizität an denjenigen Stellen am dichtesten an, welche am meisten hervorragen, besonders an Kanten, Ecken und Spitzen.
Namentlich auf Spitzen häuft sich die Elektrizität dergestalt an, daß sie aus denselben auszuströmen scheint; in Berührung mit einem elektrischen Körper werden nämlich die Luftteilchen gleichnamig elektrisch und um so stärker abgestoßen, je größer die Dichte der Elektrizität auf dem Körper ist; an Spitzen entweicht die elektrisch gewordene Luft so kräftig, daß sie sich der entgegengehaltenen Hand [* 2] als elektrischer Wind fühlbar macht und eine Kerzenflamme zur Seite bläst.
Ein leichtes mit seiner Mitte auf eine Spitze aufgesetztes Metallrädchen (das elektrische Flugrad), dessen zugespitzte Speichen alle nach derselben Richtung gekrümmt sind, wird durch den Rückstoß der den Spitzen entströmenden Luft der Strömungsrichtung entgegen in Umdrehung versetzt. Ein mit einer Spitze versehener Leiter kann nicht oder nur schwach elektrisch gemacht werden, weil der von der Spitze ausgehende elektrische Wind die Elektrizität rasch entführt. Soll daher ein Leiter die Elektrizität behalten, so muß man ihm unter Vermeidung aller scharfen Kanten und Ecken eine möglichst abgerundete Gestalt geben; soll er dagegen seine Elektrizität rasch abgeben, so muß man ihn mit Spitzen versehen.
Nähert man einem isolierten Leiter, z. B. einem an den Enden abgerundeten, auf einem Glasfuß wagerecht aufgestellten Metallcylinder, vom einen Ende her einen elektrischen Körper, etwa einen geriebenen Glasstab, so wirkt die (positive) Elektrizität des letztern auf die beiden in dem Leiter anfangs noch miteinander verbundenen Elektrizitäten und trennt sie, indem sie die ungleichnamige (negative) an das nähere Ende heranzieht, die gleichnamige (positive) nach dem entferntern Ende zurückdrängt.
Daß die beiden Enden des Metallcylinders in der angegebenen Weise entgegengesetzt elektrisch geworben sind, erkennt man an elektrischen Doppelpendeln, die man daselbst aufgehängt hat; jedes derselben besteht aus zwei Holundermarkkugeln, welche an leinenen Fäden nebeneinander hängen und im unelektrischen Zustand sich berühren; beim Annähern der Glasstange sieht man jedes Pendelpaar auseinander gehen, weil die beiden Holundermarkkugeln eines jeden, gleichnamig elektrisch geworden, sich abstoßen und zwar, wie man sich leicht durch Prüfung überzeugen kann, die am nähern Ende mit negativer, die am entferntern Ende mit positiver Elektrizität. Man nennt diese durch den Einfluß eines genäherten elektrischen Körpers in einem Leiter bewirkte Trennung der beiden Elektrizitäten elektrische Verteilung oder Influenz.
Würde man nun den elektrischen Körper (den Glasstab) wieder entfernen, so würden sich die beiden getrennten Elektrizitäten sofort wieder vereinigen, der isolierte Leiter in den unelektrischen Zustand zurückkehren und die Pendelpaare wieder zusammenfallen. Berührt man dagegen bei fortdauernder Gegenwart des Glasstabes den Metallcylinder mit dem Finger, so ist der abgestoßenen positiven Elektrizität ein Ausweg eröffnet, sie entweicht durch den leitenden menschlichen Körper in die Erde, und das am entferntern Ende aufgehängte Pendelpaar klappt zusammen; aber die am nähern Ende angehäufte negative Elektrizität kann durch den Finger nicht entweichen, weil sie, von der positiven des Glasstabes angezogen, festgehalten oder, wie man sagt, gebunden wird.
Nimmt man jetzt erst den Finger und dann den Glasstab weg, so verbreitet sie sich frei über den ganzen Cylinder, und beide Pendelpaare fahren auseinander mit negativer Elektrizität. Der Metallcylinder ist also jetzt negativ geladen durch den Einfluß eines positiv elektrischen Körpers, ohne daß dieser von seiner Elektrizität das mindeste abgegeben hat. Es wäre jedoch irrig, anzunehmen, daß jene negative Elektrizität ohne entsprechenden Arbeitsaufwand gewonnen worden sei; denn indem man den positiv elektrischen Glasstab von dem negativ elektrischen Leiter entfernte, hatte man die zwischen beiden wirksame Anziehung zu überwinden und dabei eine Arbeit zu leisten, deren Ergebnis die auf dem Leiter auftretende elektrische Energie ist.
Ein leitend aufgehängtes Pendelpaar, seien es nun zwei an Leinenfäden aufgehängte Holundermarkkügelchen oder wegen der bedeutendern Empfindlichkeit zwei Strohhälmchen oder noch besser zwei Goldblättchen, ist sehr geeignet, die auf einem Leiter, mit dem sie verbunden sind, herrschende elektrische Spannung anzuzeigen, u. dient daher als Elektroskop. [* 3] Das Goldblattelektroskop [* 1] (Fig. 1) besteht aus einem in ein Glasröhrchen mit Siegellack eingekittetes Messingstäbchen, welches oben eine Messingplatte, unten als elektrisches Doppelpendel zwei Streifen aus Blattgold trägt. Um die Pendel [* 4] vor Luftströmungen zu schützen und zugleich das Ganze zu isolieren, ist das Röhrchen mittels eines Korks oder einer eingekitteten Metallfassung in den Hals eines Glasgefäßes eingesetzt.
Hält man einen elektrischen Körper, z. B. eine geriebene Glasstange, in einiger Entfernung über die Platte, so gehen die Pendel auseinander mit positiver der positiv elektrische Glasstab hat nämlich in dem Metallkörper des Elektroskops Verteilung bewirkt, indem er positive Elektrizität in die Pendel trieb, negative in die Platte heranzog. Berührt man jetzt die Platte mit dem Finger, so entweicht die abgestoßene positive Elektrizität, und die Pendel fallen zusammen, während die negative Elektrizität in der Platte gebunden bleibt.
Wird nun nach Wegnahme des Fingers auch der Glasstab entfernt, so wird diese negative Elektrizität frei, verbreitet sich über den ganzen Metallkörper und zwingt die Pendel, auseinander zu gehen. Das Elektroskop ist demnach mittels des positiven Glasstabes mit negativer Elektrizität dauernd geladen. Mittels einer geriebenen Kautschuk- oder Siegellackstange hätte man es auf dieselbe Weise positiv laden können. Nähert man dem negativ geladenen Elektroskop den Glasstab wieder, so gehen die Pendel mehr zusammen, weil der Glasstab durch seine verteilende Wirkung positive Elektrizität in die Pendel treibt und negative aus ihnen herauszieht und somit ihre negative Spannung vermindert; nähert man dagegen eine negativ elektrische Siegellackstange, so wird eine neue Menge negativer Elektrizität in die Pendel getrieben, und sie gehen weiter auseinander. Das geladene Elektroskop gibt also nicht bloß
[* 1] ^[Abb.: Fig. 1. Goldblattelektroskop.] ¶
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über das Vorhandensein von freier Elektrizität in dem zu prüfenden Körper, sondern auch darüber Aufschluß, ob diese Elektrizität positiv oder negativ ist, indem die Pendel im erstern Fall bei positiver, im letztern Fall bei negativer Ladung weiter auseinander gehen. Aus dem Zusammengehen der Pendel dagegen kann man noch nicht schließen, daß der genäherte Körper elektrisch ist. Denn die Pendel gehen auch zusammen, wenn man die Hand oder irgend einen andern unelektrischen Leiter dem geladenen Elektroskop nähert.
Die auf dem Metallkörper des Apparats verbreitete Elektrizität wirkt nämlich verteilend auf die beiden Elektrizitäten der Hand: die abgestoßene gleichnamige entweicht in den Boden, während die angezogene ungleichnamige in der Hand gebunden bleibt und zugleich einen Teil der Elektrizität des Apparats in die Platte heraufzieht und bindet, so daß die elektrische Spannung auf den Pendeln geschwächt wird. Man begreift jetzt auch, warum ein elektrischer Körper einen unelektrischen, z. B. die Holundermarkkugel des elektrischen Pendels, anzieht. Er trennt in ihr zunächst die beiden Elektrizitäten, und da hierbei die ungleichnamige näher an ihn herankommt, so zieht er diese stärker an, als er die weiter zurückgedrängte gleichnamige abstößt.
Kommt nun die Kugel mit dem elektrischen Körper, z. B. einem geriebenen Glasstab, in Berührung, so wird ihre durch diese Verteilung hervorgerufene negative Elektrizität durch eine gleichgroße Menge positiver Elektrizität des Glasstabes aufgehoben, die positive Verteilungselektrizität aber bleibt auf dem Kügelchen zurück und bewirkt, daß es nun vor der Glasstange flieht. Man sieht also, daß der Vorgang, welcher auf den ersten Blick als eine Mitteilung von positiver Elektrizität von seiten des Glasstabes an das Kügelchen erscheint und in seinem Erfolg einer solchen auch gleichkommt, eigentlich in einem Austausch gleicher Mengen entgegengesetzter Elektrizität zwischen dem Kügelchen und dem Glasstab besteht.
Aus der Weite des Auseinandergehens der Pendel eines Elektroskops kann man durch oberflächliche Schätzung auf die Größe der elektrischen Spannung schließen. Zur wirklichen Messung derselben dienen die Elektrometer [* 6] (s. d.), welche zum größten Teil auf dem Prinzip der Drehwage (s. d.) beruhen. Mittels der Drehwage hat Coulomb dargethan, daß zwei elektrische Teilchen sich gegenseitig anziehen oder abstoßen mit einer Kraft, [* 7] welche im geraden Verhältnis der wirkenden Elektrizitätsmengen und im umgekehrten Verhältnis des Quadrats ihrer Entfernung steht (Coulombs Gesetz).
Nähert man einem elektrischen Körper einen Leiter mehr und mehr, so werden an den einander zunächst gegenüberstehenden Stellen der beiden Körper entgegengesetzte Elektrizitäten mit wachsender Dichte sich anhäufen, indem die in letzterm durch Verteilung geweckte und nach seinem äußersten Punkt hingezogene ungleichnamige Elektrizität die entgegengesetzte Elektrizität des erstern Körpers ebenfalls nach dessen gegenüberstehendem Punkt hinzieht. Ist die Dichte der beiden Elektrizitäten groß genug geworden, so durchbrechen sie die trennende Luftschicht und vereinigen sich unter knisterndem Geräusch oder mit einem Knall durch einen elektrischen Funken, welcher in Dampf [* 8] verwandelte und glühende Teilchen der Leiter, zwischen welchen er übergeht, mit sich reißt.
Der elektrische Körper ist nun entladen. Entlädt man ihn durch eine Reihe von Leitern, die durch Zwischenräume voneinander getrennt sind, z. B. durch eine Reihe rautenförmiger Stanniolblättchen [* 5] (Fig. 2), welche auf eine Glastafel (Blitztafel) oder längs einer Schraubenlinie auf eine Glasröhre (Blitzröhre) aufgeklebt sind, so springt an jeder Unterbrechungsstelle ein Funke über, was einen hübschen Anblick gewährt. Der Blitz ist nichts andres als ein ungeheurer elektrischer Funke, welcher zwischen zwei entgegengesetzt elektrischen Wolken oder zwischen einer elektrischen Wolke u. der Erde überschlägt.
Aus Spitzen ausströmend, bildet die positive Elektrizität Lichtbüschel (s. Elektrische Büschel), [* 9] die negative Lichtpünktchen. Im luftverdünnten Raum, z. B. im elektrischen Ei [* 10] (Fig. 3), einem mit Messingfassungen versehenen eiförmigen Glasgefäß, in welches mit Kugeln endigende Messingstäbe (b und b') hineinragen, geht die Elektrizität, weil die verdünnte Luft ihrem Durchgang einen geringern Widerstand entgegensetzt, auf größere Entfernungen über; die Lichterscheinung besteht in einer von der positiven Kugel ausgehenden rötlichvioletten Lichtgarbe, welche sich fast bis zur negativen Kugel hin erstreckt; diese dagegen erscheint von einer blauen Lichthülle umgeben (vgl. Geißlersche [* 11] Röhren). [* 12]
Durch die Entladung, d. h. durch die Vereinigung der beiden getrennten Elektrizitäten, wird in den Körpern, welche sie vermitteln, eine Wärmemenge erzeugt, welche der Arbeit entspricht, die zu ihrer Trennung aufgewendet worden war (s. Wärme). [* 13] Über die mechanischen Wirkungen der Entladung s. Leidener Flasche. [* 14] Die Dauer eines elektrischen Funkens ist außerordentlich kurz; eine rasch sich drehende Pappscheibe, welche mit abwechselnd weißen und schwarzen Speichen bemalt ist, erscheint, von dauerndem Licht [* 15] beleuchtet, gleichmäßig grau, weil das Bild einer jeden schwarzen Speiche in unserm Auge [* 16] an derselben Stelle erscheint, an welcher das Bild der vorhergehenden weißen Speiche noch nicht erloschen ist, und sich daher mit diesem mischt; beleuchtet man aber die Scheibe im Dunkeln durch einen elektrischen Funken, so wird sie deutlich mit allen Speichen gesehen, als ob sie stillstände, weil sie sich während der kurzen Dauer des Funkens in unserm Auge nur in der Stellung abbilden konnte, welche sie im Augenblick der Beleuchtung [* 17] besaß. Die Geschwindigkeit der Fortpflanzung der Elektrizität in Leitern ist je nach den Umständen verschieden gefunden worden; sie ist jedenfalls sehr groß, wahrscheinlich etwa gleich derjenigen des Lichts (vgl. Geschwindigkeit).
Außer durch Reibung [* 18] kann die Trennung der beiden Elektrizitäten auch noch durch andre Vorgänge bewirkt werden, namentlich durch gegenseitige Berührung zweier verschiedenartiger Stoffe (Berührungselektrizität, Galvanismus, [* 19] s. d.) und durch Einwirkung von Wärme (Thermoelektrizität [* 20] und Pyroelektrizität, s. d.).
[Geschichtliches.]
Der erste Schritt zur Entwickelung der Elektrizitätslehre geschah, als Gilbert in einem Werk über den Magnet 1600 die Beobachtung mitteilte, daß außer Bernstein [* 21] auch gewisse andre Körper durch Reiben die Eigenschaft annehmen, leichte Körperteilchen anzuziehen. Otto v. Guerike zu Magdeburg, [* 22] der Erfinder der Luftpumpe, [* 23] machte auch den ersten Anfang zur Konstruktion der Elektrisiermaschine [* 24] (s. d.) und wies die elektrische Abstoßung nach.
[* 5] ^[Abb.: Fig. 2. Elektrische Funken (Blitzröhre).
Fig. 3. Elektrisches Ei.] [* 25] ¶