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Dichtigkeit aber nur von Belgien [* 2] und England übertroffen wird. Besondere vorhandene Faktoren sind für den Bau und die Ausrüstung der Bahnen bestimmend gewesen. Der Massentransport auf große Entfernungen (Kohlen von Westfalen [* 3] und Schlesien, [* 4] Holz [* 5] aus Galizien, Getreide [* 6] aus Ungarn) [* 7] erforderte Güterwagen von großer Dauerhaftigkeit und Leistungsfähigkeit, der geringere Wohlstand des Landes größte Sparsamkeit in der Konstruktion des Schienenwegs, die indes die höchste erreichbare Sicherheit nicht verhindert hat und wenn dem deutschen Eisenbahnpersonal auch vielleicht die Selbstbestimmung des englischen fehlt, so zeichnet es sich dagegen durch Disziplin, Diensttreue, Redlichkeit und Fähigkeit in der Ausführung aus.
Die politische Gestaltung läßt zwei große
Gruppen hervortreten: die nördliche preußische, die einige
kleinstaatliche
Netze einschließt, und die der vier Mittelstaaten in staatlichem
Besitz. Seit der Herstellung des
Deutschen
Reichs ist die Sorge für die einheitliche Gestaltung des deutschen Eisenbahnwesens Reichsangelegenheit geworden; sie
ist in ihren Grundzügen durch die
Reichsverfassung geregelt und geht einer gedeihlichen Zukunft entgegen.
Durch Übernahme der elsässisch-lothringischen
Bahnen geschah der erste
Schritt zu eigner Thätigkeit des
Reichs auf dem Gebiet
des Eisenbahnwesens. Für einheitliche Gestaltung hat ungeachtet der Zersplitterung des Eisenbahnb
esitzes der
»Verein deutscher
Eisenbahnverwaltungen« (vgl. S. 441) vorzügliche Vorsorge getroffen. Im allgemeinen
kann man für die
Entwickelung des deutschen
Eisenbahnnetzes vier
Perioden unterscheiden: die erste, bis
1840, zeigt die ersten Anfänge von Eisenbahn bei großen
Städten und auch bei kleinern
Residenzen;
in der zweiten, bis 1848, entstehen schon Eisenbahnlinien zwischen den Mittelstädten;
in der dritten, bis 1866, tritt der preußische Staat als Bauunternehmer hinzu, wodurch auch zuerst wenig rentable Linien nach abgelegenen Landesteilen angelegt wurden;
in der vierten Periode, die noch jetzt andauert, herrscht das Bestreben vor, einerseits durch gerade Richtungen (Luftlinien) und Konkurrenzbahnen dem ganzen System eine größere Einheit zu geben und den Verkehr ohne Nebenrücksichten zu fördern, anderseits durch Sekundärbahnen die kleinern Orte und das Land an den großen Verkehr anzuschließen. Zu Ende der zweiten Bauperiode (1847) ward der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen gestiftet, dem gegenwärtig, mit Ausnahme einiger kleiner Industrie- und Nebenbahnen, sämtliche deutsche und österreichische sowie einige anschließende niederländische, belgische und russische Bahnen angehören.
Die erste Bahn in Deutschland, [* 8] die Ludwigsbahn (Nürnberg-Fürth), freilich nur 6 km lang, ward. eröffnet, die erste größere, von Leipzig [* 9] nach Dresden, [* 10] 1837-39 vollendet. 1838-40 erhielten die ersten Anfänge von Eisenbahn Berlin [* 11] (nach Potsdam), [* 12] Düsseldorf [* 13] (nach Elberfeld), [* 14] Magdeburg [* 15] (nach Leipzig), Frankfurt [* 16] a. M. (nach Wiesbaden), [* 17] Mannheim [* 18] (nach Heidelberg), [* 19] Köln, [* 20] München, [* 21] Mülhausen [* 22] im Elsaß u. a. Von Berlin aus wurde in der nächsten Zeit die Verbindung mit Stettin [* 23] 1843, Hamburg, [* 24] Magdeburg und Breslau [* 25] 1846, Köln und Dresden 1848, etwas später mit München 1851, Frankfurt a. M. und Danzig [* 26] 1852 erreicht.
In der dritten Periode kannte der Eisenbahnbau [* 27] natürliche Hindernisse nur noch in geringem Maß. Waren zuvor bereits kühne Viadukte aufgeführt worden, so traten jetzt großartige Tunnels und Brücken [* 28] hinzu. Unter den letztern wurden die Elbbrücke bei Wittenberge schon 1849, die Weichselbrücken bei Dirschau [* 29] und Marienburg [* 30] nach einer zwölfjährigen Bauzeit 1857, die Weichselbrücke bei Thorn [* 31] 1873, die erste Rheinbrücke bei Köln 1859, die zweite bei Kehl 1861, die dritte bei Mainz [* 32] 1862, die vierte bald darauf bei Koblenz [* 33] vollendet; seitdem ist der Rhein noch mehrfach überbrückt worden.
Die Länge der im Betrieb befindlichen Eisenbahn in Deutschland betrug 1836: 6, 1837: 20, 1838: 140,5, 1839: 262,5, 1840: 548,9, 1845: 2304, 1850: 6044,3, 1855: 8289, 1860: 11,660,1, 1865: 14,806,3, 1870: 19,694,3, 1880: 33,835,6, 1883: 35,235,8 und 1885: 39,141 km. Was das Verhältnis der Ausdehnung [* 34] der Eisenbahn zur Bevölkerung [* 35] betrifft, so waren die 14 Großstädte, welche bei der Volkszählung vom über 100,000 Einw. zählten, schon im J. 1867 sämtlich Eisenbahnstationen.
Dagegen gab es unter den 102 Mittelstädten (20,000-100,000 Einw.) im J. 1867 noch 7 ohne Eisenbahn; bis zum Jahr 1880 sind auch diese sämtlich mit Eisenbahn versehen worden. Von den 641 Kleinstädten (5000-20,000 Einw.) waren im J. 1867 nur 340 mit, 301 dagegen ohne Eisenbahn; im J. 1880 waren bereits 509 Kleinstädte mit Eisenbahn versehen, während nur noch 132 der Eisenbahn entbehrten. Von den 1975 Landstädten (2000-5000 Einw.) hatten im J. 1867 nur 468 (24 Proz.) Eisenbahn, und 1507 waren ohne Eisenbahnverbindung; im J. 1880 gab es aber bereits 932 Landstädte (47 Proz.) mit Eisenbahn und nur 1043 ohne Eisenbahn. Im ganzen waren im J. 1880: 1557 Städte mit 14,901,579 Einw. Eisenbahnstationen und 1175 mit 3,866,676 Einw. noch ohne Eisenbahnverbindung.
Im J. 1884 belief sich die mittlere Betriebslänge der deutschen Eisenbahnen (mit Ausnahme der Schmalspur- etc. Bahnen) auf 37,098 km, so daß auf 100 qkm 6,86 km Bahnen und auf je 10,000 Einw. 8,09 km Bahnen entfielen. Die Gesamtlänge verteilte sich wie folgt: Staatsbahnen [* 36] und auf Rechnung des Staats verwaltete Eisenbahn 25,836 km Hauptbahnen und 4073 km Strecken von untergeordneter Bedeutung, in Summa 29,909 km;
Privatbahnen unter Staatsverwaltung 631 km, wovon 87 km untergeordneter Bedeutung;
Privatbahnen unter eigner Verwaltung 5441 km Hauptbahnen und 1117 km Bahnen untergeordneter Bedeutung, in Summa 6558 km. Hierzu treten 249 km Schmalspurbahnen sowie etwa 1700 km Anschlußbahnen für Privatzwecke.
Das verwendete Anlagekapital für sämtliche deutsche Bahnen belief sich auf 9,459,527,092 Mk., d. h. auf 1 km Eigentumslänge 264,497 Mk. Von den verwendeten Anlagekapitalien sind beschafft worden bei Staatsbahnen durch Staatsanleihen 7,705,993,907 Mk. und aus extraordinären Fonds 595,638,484 Mk., bei Privatbahnen durch Emission von Aktien 572,083,701 Mk., von Obligationen 312,257,680 Mk., durch andre Emissionsarten 192,553,320 Mk. Auf sämtlichen deutschen Eisenbahn mit normaler Spurweite betrug die Zahl der 1884 beförderten Personen 259,085,139, das Gewicht der gegen Frachtberechnung beförderten Güter 15,747,582,150 Ton. Für 1 km durchschnittlicher Betriebslänge betrugen die Einnahmen aus dem Personenverkehr 7252 Mk. und aus dem Güterverkehr 18,612 Mk.
In Frankreich hat die Zentralisation des ganzen Staatswesens auch der Gestaltung des Eisenbahnwesens ihre Signatur verliehen. Die Linien und das ganze Netz konzentrieren sich ostensibel um Paris; [* 37] vom Zentrum laufen die Radien in den Hauptrichtungen nach den Grenzen, [* 38] nach welchen leicht Truppenmassen zu werfen sind. Als man mit dem Eisenbahnbau begann, stand ein zahlreiches ¶
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Kontingent wohlunterrichteter Baumeister und Techniker aus den Staatsschulen verfügbar, streng diszipliniert, aber ohne jenen englischen Geist freier Initiative. Wie im geistigen Leben, so kennt auch im Eisenbahnwesen Frankreich nur einen Brennpunkt, Paris. Die Generalinspektionen der Brücken und Chausseen denken für die Eisenbahnbeamten der Provinzen; diese führen als wohldisziplinierte Organe die Anordnungen aus, wobei der fachwissenschaftlich hoch entwickelten Tüchtigkeit des Personals die Anerkennung keineswegs zu versagen ist.
Die französischen Bahnen entstanden durch Zusammenwirken des Staats mit dem Privatkapital, welch letzteres sich allein zum Ausbau des Netzes nicht als ausreichend erwies. Die Formen der Staatsunterstützung waren mannigfaltiger Art: bare Zuschüsse in Geld oder Grund und Boden (bis 1884 in einer Gesamtsumme von mehr als 1½ Milliarden Frank), Zinsgarantie-Zuschüsse (infolge des Gesetzes vom welche mit Einschluß der Zuschüsse für die algerischen Bahnen bis 1883 den Gesamtbetrag von 700 Mill. Fr. erreichten, Begünstigung der Fusionen, lange Konzessionsdauer, milde Handhabung des staatlichen Beaufsichtigungsrechts.
Durch seine Eisenbahnpolitik hat der Staat sechs mächtige Monopolgesellschaften großgezogen, welche ihre einflußreiche Stellung den wechselnden Ministerien der Republik gegenüber vortrefflich auszubeuten verstanden, dabei aber den Verkehr schlecht bedienten und namentlich einer weitern Ausbreitung des Netzes durch Anlage wenig rentabler Nebenlinien hinderlich waren. Diese Verhältnisse gaben 1877 dem Minister de Freycinet den Anstoß zur Einleitung einer Staatseisenbahnpolitik, welche mit dem Ankauf von einigen Tausend Kilometer notleidender kleinerer Bahnen und mit der Aufstellung eines Plans für 16,000 km neuer Hauptbahnen und 40,000 km Nebenbahnen begonnen wurde.
Der Ausführung dieses Plans, welcher in wenigen Jahren eine Summe von 6½ Milliarden Fr. erfordert haben würde, stellten sich, abgesehen von finanziellen Hindernissen, namentlich auch Schwierigkeiten beim Betrieb heraus, da die zahlreichen auf Kosten des Staats erbauten kleinen Strecken isoliert innerhalb der größern Privatbahnnetze gelegen sind. Infolgedessen ist durch eine Reihe von Verträgen mit den sechs großen Gesellschaften 1884 die Ausführung der im Freycinetschen Bautenplan vorgesehenen Bahnlinien den bestehenden Gesellschaften unter finanzieller Beteiligung des Staats sowie unter gleichzeitiger Verlängerung [* 40] der den Gesellschaften erteilten Konzessionen auf durchschnittlich 75 Jahre übertragen worden. Diese Verträge haben die Verwirklichung der Staatsbahnprojekte in unabsehbare Ferne verschoben. Die Gesamtlänge des französischen Eisenbahnnetzes betrug Anfang 1885 über 30,000 km.
Österreich-Ungarn [* 41] (wie die Schweiz) [* 42] wurde durch die natürlichen Verhältnisse gezwungen, zwei große Probleme im Eisenbahnwesen zu lösen: hohe Alpen, [* 43] welche die Provinzen scheiden, waren zu durchbrechen und zugleich große Massentransporte auf weite Entfernungen zu überwinden. Die Tracierung von Gebirgsbahnen hatte bis dahin unerhörte Steigungen und Krümmungen zu überwinden. Die »Gebirgsmaschine«, deren Physiognomie in der Schmiegsamkeit des Radstandes in den Kurven, sei es durch Gelenkstellung, sei es durch verschiebbare Achsen, und durch die ein Maximum der Zugkraft erzielenden Verhältnisse von Cylindermaß, Raddurchmesser und Gewicht gegeben ist, mußte geschaffen werden, sowohl in ihren Modifikationen für Last- als für Schnellzüge. Auf diesem Gebiet der Technik ist Österreich [* 44] auf dem Kontinent vorangegangen. Die relativ geringere Dichtigkeit der Bevölkerung, das Vorwiegen des Ackerbaues und die weiten Entfernungen des Reichs haben langsamere Bewegung und geringere Zahl der Züge, bez. Eilzüge veranlaßt.
Die Gesamtlänge des österreich-ungarischen Eisenbahnnetzes betrug erst 21,786 km. Der Stillstand in der Entwickelung des Bahnnetzes hat seit 1880 eine kräftige Initiative seitens des Staats zum Ankauf von Bahnen und zur Verbindung sowie zum Ausbau der in ihrer Gliederung bis dahin zum Teil noch unzusammenhängenden einzelnen Verkehrsgruppen hervorgerufen. Das Staatsbahnwesen ist namentlich in Ungarn binnen wenigen Jahren weit vorgeschritten und hat zu einer verhältnismäßigen Verdichtung des zuvor lose zusammengefügten und unvollständigen Schienennetzes geführt.
Das Eisenbahnnetz der Schweiz ist ein in hohem Grad mannigfaltiges. Normalspur, Schmalspur, Bergbahn mit gewöhnlichem Betrieb, mit Zahnrad, mit System Wetli, Straßenbahnen, Tramways etc. finden sich hier bunt durcheinander. Das hauptsächlichste Charakteristikum des schweizerischen Eisenbahnwesens bilden die Bergbahnen, deren Bau durch den mächtigen Strom der Vergnügungsreisenden, welcher sich alljährlich in die Schweiz ergießt, ungemein gefördert wurde und zuletzt in der Gotthardbahn seinen höchsten Triumph gefeiert hat. Das gesamte Netz hatte Anfang 1885 eine Länge von 2960 km, wovon nur 84 km sich in Staatsbesitz befanden.
In Italien [* 45] hat der Bau der Eisenbahn seit der Wiederherstellung der staatlichen Einheit einen kräftigen Aufschwung genommen. Durch ein Gesetz vom wurde die Regierung zum Bau von 6020 km neuer Strecken im Bauwert von 1,204,500,000 Frank ermächtigt; das Gesetz bezeichnet die einzelnen Strecken und teilt sie je nach ihrer Bedeutung für den Verkehr und dem derselben entsprechenden Maß der Beteiligung der Provinzen und Gemeinden an der Beschaffung der Baumittel in vier Klassen ein.
Mit der Ausführung dieses Gesetzes ist 1880 begonnen worden und dadurch die Länge des italienischen Eisenbahnnetzes Ende 1883 schon auf 9666 km angewachsen, wovon 4525 km vom Staat betrieben wurden. In besonders ausgedehntem Maß findet seit 1877 die Benutzung öffentlicher Straßen zur Anlage von Schienengeleisen für Dampfbetrieb (tramvie a vapore) statt. Diese Benutzung erfolgt meist in der Weise, daß, wie bei den gewöhnlichen Pferdebahnen, die Schienen in den Straßenkörper versenkt werden, so daß durch dieselben der Verkehr des Lastfuhrwerks nicht behindert wird. 1883 waren bereits 1400 km dieser Dampftramways im Betrieb.
Eine durchgreifende Veränderung hat das italienische Eisenbahnwesen seit dem erfahren. Die bis dahin in Wirksamkeit gewesenen drei großen Verwaltungen, der Oberitalienischen, der Römischen und der Südbahnen, sind seit jener Zeit aufgelöst und an deren Stelle auf Grund staatsseitig abgeschlossener Pachtverträge die Betriebsgesellschaften der Mittelmeer-, Adriatischen und Sizilischen Bahnen getreten. Gleichzeitig wurde das Tarifwesen auf gesetzlichem Weg einer einheitlichen Regelung unterzogen.
In Rußland ward bis zum Tode des Kaisers Nikolaus der Eisenbahnbau in keiner Weise begünstigt. Als aber der Handelsverkehr mit dem Ausland zunahm und der Krimkrieg gezeigt hatte, wie notwendig ein ausgedehntes Eisenbahnnetz auch in militärischer Hinsicht für Rußland sei, um Truppenmassen ¶