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Verfahren wurde 1856 von Henry Bessemer erfunden, und seitdem ist in der ganzen Eisenindustrie eine vollständige Umwälzung eingetreten. Die ersten Versuche von Bessemer schlugen fehl, indem zwar Kohlenstoff und Silicium aus dem Roheisen entfernt wurden, aber Phosphor und Schwefel darin zurückblieben. Spätere in Schweden [* 2] mit dem dortigen Holzkohlenroheisen angestellte Versuche ergaben gute Resultate; deshalb wurde das Bessemer-Verfahren in England auch wieder aufgenommen, und man erzielte nun hier ebenfalls Erfolge, besonders seitdem Mushet gezeigt hatte, daß die Nachteile einer zu weit gegangenen Oxydation durch einen Spiegeleisenzusatz wieder beseitigt werden konnten.
In der neuern Zeit ist ein wesentlicher Fortschritt im Bessemer-Verfahren dadurch gemacht worden, daß man gelernt hat, auch aus stark phosphorhaltigem Roheisen (sogen. Thomaseisen) ein brauchbares schmiedbares Eisen [* 3] zu erzeugen (Thomas-Gilchristsches Verfahren). Das Wesen des Bessemer-Verfahrens besteht darin, daß man durch das flüssig gemachte Eisen von unten stark gepreßte Gebläseluft (mit 80-140 cm Quecksilberpressung) in vielen feinen Strahlen leitet und die Entkohlung ohne Anwendung besondern Brennmaterials durchführt.
Dieses ist dadurch möglich, daß bei der Einwirkung des Windes auf das flüssige Roheisen zunächst Silicium und Mangan, daneben auch Eisen und darauf der Kohlenstoff oxydiert werden, wobei namentlich durch das verbrennende Silicium eine so hohe Temperatur entsteht, daß das Metall während der verhältnismäßig kurzen Dauer des Prozesses (10-25 Minuten) flüssig bleibt. Siliciumarme Weißeisensorten, deren amorpher Kohlenstoff sehr rasch (weit rascher als der Graphit des Graueisens) verbrennen würde, eignen sich deshalb nicht für den Prozeß, weil durch die Verbrennung nicht die erforderliche Temperatur erzeugt wird. Da der Prozeß wegen der energischen Einwirkung des Windes bei der hohen Temperatur so rasch verläuft, hat ein größerer Schwefelgehalt nicht Zeit, sich hinreichend zu verschlacken.
Ein Phosphorgehalt des Roheisens ist bei der gewöhnlich angewandten, viel Kieselsäure enthaltenden Ausfütterung der Bessemerbirne (saurer Prozeß) sehr schädlich, weil die Phosphorsäure aus dem entstehenden phosphorsauren Eisenoxydul durch die Kieselsäure der sauren Schlacke ausgeschieden und darauf reduziert wird und deswegen Phosphor wiederum ins Eisen geht. Der Phosphorgehalt des Roheisens darf aus diesem Grund beim sauren Prozeß höchstens 0,1 Proz. betragen.
Wenn man bedenkt, daß mehr als 97 Proz. aller in Deutschland [* 4] geförderten Eisenerze so phosphorhaltig sind, daß das daraus erzeugte Roheisen zum gewöhnlichen Bessemer-Prozeß nicht zu verwerten ist und man deshalb früher auf die Einfuhr ausländischer phosphorfreier Erze angewiesen war, so ergibt sich daraus, von welch hoher Bedeutung es ist, daß der Bessemer-Prozeß im J. 1879 von Thomas und Gilchrist so weit ausgebildet wurde, daß er nahezu allgemein anwendbar wurde und namentlich auch bei Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens gutes schmiedbares Eisen lieferte. Die Entphosphorung des Roheisens geschieht in der basisch ausgefütterten Bessemerbirne (basischer Prozeß).
α) Saurer (oder gewöhnlicher) Bessemer-Prozeß. Man verwendet am besten ein graues Roheisen (vgl. die Analysen von Bessemerroheisen) mit 3-4,5 Proz. Kohlenstoff, 2-4 Proz. Silicium, 0-4 Proz. Mangan und weniger als 0,1 Proz. Phosphor, 0,06 Proz. Schwefel und 0,3 Proz. Kupfer. [* 5] Man kann den Entkohlungsprozeß nur so weit fortsetzen, daß gerade schmiedbares Eisen entsteht (schwedisches Verfahren); weit häufiger treibt man aber die Oxydation so weit, daß das Kohleneisen nicht bloß völlig entkohlt wird, sondern sogar noch Sauerstoff aufnimmt, fügt dann aber flüssiges Spiegeleisen hinzu, dessen Mangangehalt den das Produkt brüchig machenden Sauerstoff wegnimmt, und dessen Kohlenstoffgehalt das entkohlte Eisen wieder kohlt (englisches Verfahren).
Letztere Methode ist die fast allein noch angewendete, weil sie sicherer ein Produkt mit bestimmtem Kohlenstoffgehalt gibt. Beim schwedischen Verfahren hat man vorübergehend einen feststehenden Ofen mit Düsen an der Peripherie angewendet (schwedischer Bessemer-Ofen), zur Zeit wird aber fast nur noch der englische Ofen mit beweglicher Birne (Konverter, Retorte) benutzt. Die Bessemerbirne A [* 1] (Fig. 24 auf Tafel III) mit Hals B besteht aus dickem Eisenblech und ist innen mit feuerfestem, wenig thonhaltigem Sand (Ganister) oder mit schamottehaltigem Thon ausgestampft oder zuweilen auch mit feuerfesten Ziegeln ausgekleidet.
Das Bodenstück C ist entweder an dem Hauptkörper A fest angenietet, oder kann davon abgenommen werden, um voll feuerfesten Materials gestampft zu werden, in welchem man konische Öffnungen zur Aufnahme von sieben Thonformen (Fern, Feren) läßt, deren jede wieder 7-13 cylindrische Kanäle (Düsen) von 9-12 mm Durchmesser zur Windzuführung hat. Mittels eines hydraulischen Kolbens k wird der auf Rollen [* 6] laufende Windkasten D unter dem Boden der Birne angedrückt. Die Birne ist in Zapfen [* 7] a und b aufgehängt, welche auf einem Gestell E ruhen.
Die Gebläseluft strömt aus der Windleitungsröhre F durch die Röhre c in einen Raum zwischen dem Zapfen a und der auf dem Ständer E ruhenden Hülse [* 8] d und begibt sich durch das Rohr e in den damit durch einen Bügel f verbundenen Windkasten D, aus welchem der Wind durch die Düsen in die Birne gelangt. Die Regulierung des Windes geschieht entweder von einem Arbeiter mittels eines Ventils an der Windleitungsröhre, oder der Windzutritt reguliert sich beim Kippen des Apparats von selbst mittels eines exzentrischen Ringes auf dem Zapfen a, welcher beim Drehen einen Hebelarm hebt und senkt und damit auch ein über der Röhrenmündung F in G befindliches, durch ein Gewicht niedergehaltenes Ventil. [* 9]
Die Bewegung der Birne A geschieht durch eine Kippvorrichtung mittels Zahnrades H, in welches eine von dem Kolben einer hydraulischen Presse [* 10] bewegte Zahnstange g eingreift. Bei großen Birnen wendet man zu diesem Betrieb auch Dampfkraft, bei kleinen Bewegungen durch Handkurbeln an. Kleinere Birnen fassen bis 1000, größere bis 8000 kg; eine solche z. B. von 5-6000 kg Inhalt hat im mittlern Teil 1,5-2 m Durchmesser und 0,8-1 m Höhe, im Bodenteil resp. 0,7-1 und 0,6-0,8 m; Weite an der Mündung des 1,8 m hohen Halses 0,26-0,4 m, oberer konischer Teil 0,7 m hoch und am Hals 0,6 m weit.
Das Arbeitsverfahren in einem solchen Apparat ist folgendes: Man läßt das Roheisen entweder direkt aus einem Hochofen oder aus einem Kupolofen [* 11] in einer Rinne durch den Hals der geneigten Birne A' einfließen und kippt diese dann auf bei gleichzeitiger automatischer Anlassung des Windes. Bei dem sauren Prozeß gibt man vor der Entkohlung keinen Zuschlag zum Roheisen. Der Hals B' [* 1] (Fig. 25 auf Tafel III) befindet sich dann unter einem mit der Esse L' in Verbindung stehenden Schirm K'. Bei der Einwirkung der Gebläseluft oxydiert sich zunächst das Silicium neben Mangan und wenig Eisen, während der Graphit in dem Maß, als das Silicium ¶
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abgeschieden wird, in gebundenen Kohlenstoff übergeht (Feineisenbildung); es entsteht dabei eine saure Schlacke mit 45-52 Proz. Kieselsäure. Diese erste Periode (Fein- oder Schlackenbildungsperiode) ist beendigt, wenn sich an der Halsmündung eine kleine zugespitzte Flamme [* 13] von orangegelber Farbe mit einigen blauen Streifen und weißem Saum bei geringer Leuchtkraft zeigt. Jetzt beginnt in der zweiten Periode (Rohfrisch-, Koch-, Eruptions- oder Stahlbildungsperiode) eine starke Oxydation des Eisens unter Bildung von Eisenoxyduloxyd, welches den amorphen Kohlenstoff unter starkem Aufkochen des Bades durch Kohlenoxydgasbildung oxydiert. Es findet ein lebhafter Auswurf von Schlacken und Eisenteilchen aus dem Birnenhals statt, und es zeigt sich eine helle, dichte, stark leuchtende, stoßweise austretende Flamme, mit Eisenfunken, Sternchen und Eisenkügelchen untermischt.
Sobald sich das Metallbad wieder beruhigt hat und dann ein stahlartiges Produkt erzeugt ist, setzt man in der nun folgenden Garfrischperiode die Entkohlung durch neugebildetes Eisenoxyduloxyd weiter fort, bis sich ein sauerstoffhaltiges Produkt (überblasenes Eisen) gebildet hat. Die Flamme zeigt dann reichliche Funken von Eisen, und ein gänzliches Aufhören derselben deutet das Ende des Prozesses an. Das Spektroskop [* 14] bietet bei Beobachtung der dem Birnenhals entsteigenden Flamme ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um die einzelnen Stadien und den Schluß der Entkohlung zu erkennen.
Ist die Entkohlung vollendet, so schreitet man zum Rückkohlen, neigt zu dem Ende die Birne, läßt in einem Kupolofen oder Flammofen M eingeschmolzenes Spiegeleisen durch den Hals einlaufen oder setzt glühendes Ferromangan oder Siliciumeisen zu, richtet die Birne nochmals auf, bläst, wenn erforderlich, noch 2-3 Sekunden und läßt dann bei abgestelltem Wind 5-10 Minuten ruhig stehen, damit absorbierte, blasige Güsse erzeugende Gase [* 15] entweichen können. Hierauf wird die Birne A, wie in [* 12] Fig. 25 auf Tafel III angedeutet, geneigt und ihr Inhalt in eine mit feuerfester Masse ausgekleidete Gießpfanne [* 16] N entleert, welche sich am Ende des Balanciers O eines hydraulischen Kolbens P befindet, der gehoben und gesenkt werden kann. Q ist ein verschiebbares Gegengewicht am andern Ende des Balanciers, welches je nach dem Inhalt, somit dem Gewicht der Gießpfanne N. vor- oder zurückgeschoben wird.
Zur Füllung der im Halbkreis um den Kran [* 17] stehenden eisernen Formen wird ein Stopfen h aus einer Öffnung im Boden der Pfanne gezogen und diese mittels Bewegung des Balanciers im Halbkreis über die Formen geführt, indem der Arbeiter durch eine Einrückvorrichtung bei i das Getriebe [* 18] k in das Zahnrad l eingreifen läßt. Das Kippen der Gießpfanne N behufs ihrer Reinigung geschieht mittels der Stange m durch Drehung bei n; o Blechwand zum Schutz des die Kurbelscheiben i und n drehenden Arbeiters; p p' Lager [* 19] für die Preßcylinder der hydraulischen Maschine, [* 20] welche zur Bewegung der Kippvorrichtung dient.
Die großartigsten Leistungen weisen in der Neuzeit die Bessemerwerke in den Vereinigten Staaten [* 21] von Nordamerika [* 22] auf, wo z. B. auf Edgar Thompsons Werk in Pittsburg ein Paar Birnen in 24 Stunden 53 Güsse machten und 352½ Ton. à 1016 kg Stahlbarren (Ingots) und das Schienenwalzwerk 221½ T. Schienen lieferten. Diese großartige Produktion wird ermöglicht durch Vergrößerung der Apparate (Birnen zu 6-7 T. = 5080-7112 kg, mit rasch auswechselbaren Böden), durch zweckmäßige Konstruktion der maschinellen Vorrichtungen zum Bewegen der Birne, zur Handhabung der Gießpfanne, zur Verarbeitung der Stahlgüsse etc., durch passende Anordnung der Schmelzvorrichtungen (die Konverter stehen z. B. an 3 m über der Hüttensohle, die Gießformen auf derselben, wodurch der Transport derselben erleichtert und der Gießer mehr vor der Hitze geschützt ist als in der Gießgrube), durch Erzeugung von stets nur einem und demselben Fabrikat, z. B. Schienen, wo dann der Arbeiter große Fertigkeit erlangt, u. dgl. Die Stahlgüsse werden vor der weitern Verarbeitung auf Schienen, Achsen etc. in noch glühendem Zustand meist vorgeschmiedet oder vorgewalzt, und nur selten werden kleine Blöcke direkt fertig gewalzt oder profiliert gegossen.
β) Der basische Prozeß gewinnt immer mehr an Wichtigkeit; in Deutschland bestehen gegenwärtig auf 13 Eisenhütten 41 Birnen mit basischem Futter. Das phosphorhaltige Roheisen (Thomaseisen) muß 1,5-3 Proz. Phosphor, 2,5-3,5 Proz. Kohlenstoff, bis 2,5 Proz. Mangan, weniger als 1 Proz. Silicium und 0,1 Proz. Schwefel enthalten. Das basische Futter wird neuerdings meist dargestellt, indem man zerkleinerten Dolomit (Magnesiumcalciumcarbonat) bei hoher Temperatur im Kupolofen brennt und darauf den gebrannten, gemahlenen Dolomit mit ca. 7 Proz. Teer zu einer plastischen Masse verarbeitet, welche in die Bessemerbirne gestampft wird. Zum geschmolzenen Roheisen werden ca. 20 Proz. eines basischen Zuschlags (gebrannter Kalkstein, Dolomit, Gemenge von Dolomit mit Roteisenerz etc.) gegeben, um die Erzeugung einer stark basischen Schlacke (Thomasschlacke) zu ermöglichen, aus welcher die Phosphorsäure durch Kieselsäure nicht wieder ausgeschieden werden kann. Im übrigen wird der basische Prozeß in derselben Weise und in denselben Apparaten wie der saure Prozeß ausgeführt.
c) Erzeugung von Flußstahl durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Schmiedeeisen (Siemens-Martin-Prozeß, Martin-Prozeß). Man benutzte früher bei diesem schon seit dem Anfang des 18. Jahrh. bekannten Verfahren Tiegel aus feuerfestem Thon oder Graphit. In neuerer Zeit ist die Tiegelschmelzerei nur noch vereinzelt in Gebrauch (z. B. wenn es sich um die Erzeugung eines vorzüglichen Flußstahls handelt), weil die Produktion zu gering ist. Die Stelle des Tiegels vertritt jetzt der überwölbte, mit Quarzsand ausgekleidete Herd eines mit Regenerativfeuerung (nach Siemens'; Ponsards oder Richeroux' System) versehenen Flammofens. 1865 versah zuerst Martin den Flammofen mit Siemensscher Regenerativfeuerung in nachstehender Weise [* 12] (Fig. 26 u. 27 auf Tafel III). A Flammofenherd, auf einer mit Thonbrei überzogenen Eisenplattenunterlage mit sehr feuerfestem Sand muldenförmig ausgeschlagen, mit Neigung nach der einen Breitseite zu dem mit einer Rinne b kommunizierenden Stich hin. a Arbeitsöffnungen.
Unterhalb des Herdes liegen zwei Paar mit feuerfesten Steinen in Lücken ausgesetzte Regeneratoren, von denen die beiden innern L und L' von der Verbrennungsluft, die beiden äußern G und G' von brennbaren, in einem Generator erzeugten Gasen (Kohlenoxydgas) durchstrichen werden. Bei passender Stellung der (hier nicht gezeichneten) Wechselventile treten in den Regeneratoren erhitzte Gase und Luft durch die miteinander abwechselnden vertikalen Kanäle g und l auf den Schmelzherd, verbrennen hier, erhitzen das Schmelzgut und entweichen am entgegengesetzten Ende durch die Kanäle g' und l' nach unten in die betreffenden Regeneratoren für Gas- und Lufterhitzung. Sind diese heiß genug ¶