[* ] Fig. 18-20. Gaszementstahlofen.
[* ] Fig. 22. Siemens' Gußstahlofen mit Regeneratoren.
[* ] Fig. 23. Siemens' Gußstahlofen mit Regeneratoren.
[* ] Fig. 26. Siemens-Martin-Ofen.
[* ] Fig. 27. Siemens-Martin-Ofen.
Zum Artikel »Eisen«.
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erhitzt (Oberflächenhärtung). Längere Zeit jedoch wiederholt bei Luftzutritt erhitzt, wird der Stahl verbrannt (überhitzt), kohlenstoffärmer und infolgedessen grobkörnig und mürbe, läßt sich aber durch Glühen mit Kohlenstoff abgebenden Substanzen (z. B. Cyan bildenden Schweißpulvern) wieder regenerieren. Stahl erstarrt weniger leicht als Eisen und löst sich je nach dem Grad seiner Härtung mehr oder weniger leicht in Säuren. Guter Stahl verbindet mit Härte bedeutende Elastizität und Festigkeit ohne Sprödigkeit, welche Eigenschaften modifiziert werden können hauptsächlich durch die Größe des Kohlenstoffgehalts (mit dem Kohlenstoffgehalt nehmen z. B. Härtbarkeit und Schmelzbarkeit zu, Schweißbarkeit aber ab), durch die Darstellungsmethode und die mechanische Bearbeitung, besonders aber durch fremde Beimengungen.
Gegen Rotbruch erzeugenden Schwefel ist Stahl weniger empfindlich als Schmiedeeisen, und zwar verträgt Flußstahl einen höhern Schwefelgehalt als Schweißstahl. Guter Stahl kann bis zu 0,012 Proz. Schwefel enthalten, bei 0,04 Proz. ist aber bereits jeder Stahl unbrauchbar. Gegen Kaltbruch bewirkenden Phosphor ist Stahl empfindlicher als Schmiedeeisen und zwar um so mehr, je reicher der Stahl an Kohlenstoff ist. Außerdem ist der nachteilige Einfluß von Phosphor im Flußstahl erheblicher als im Schweißstahl.
Bei Bessemerschienen setzt man die zulässige Grenze auf 0,1 Proz. Silicium macht den Stahl härter, spröder, schmelzbarer, weniger fest und minder schweißbar und zwar in um so höherm Grad, je höher der Kohlenstoffgehalt ist. In Bessemerstahl kann Silicium den Kohlenstoff zum großen Teil vertreten, ohne daß dadurch ein wesentlicher Nachteil entsteht. Bei Schienenstahl kann das Silicium die Hälfte des Kohlenstoffgehalts, bei Werkzeugstahl sogar noch mehr betragen. Kupfer kann z. B. im weichen Bessemerstahl bis zu 0,3 Proz. vorhanden sein, ohne für dessen Qualität schädlich zu werden. Wolfram macht den Stahl härter und erteilt ihm einen muscheligen Bruch sowie die Fähigkeit, den Magnetismus länger zu erhalten als gewöhnlicher Stahl (Anwendung von Wolframstahl zu Magnetstäben).
1) Darstellung von Schweißstahl.
a) Die Erzeugung von Stahl durch direkte Reduktion von Eisenerzen, die sogen. Rennarbeit, ist nur noch ganz vereinzelt im Gebrauch, und es kann bezüglich dieser Darstellungsart auf das Schmiedeeisen verwiesen werden.
b) Durch das Herdfrischen und durch das Puddeln wird Stahl ganz in derselben Weise und in denselben Apparaten aus dem Roheisen gewonnen, wie das beim Schmiedeeisen schon beschrieben ist, nur wird bei der Stahlerzeugung die Entkohlung nicht so weit getrieben. Dabei wird als Rohmaterial ein manganreiches Weißeisen besonders hoch geschätzt.
c) Erzeugung von Stahl durch Glühfrischen. Während man beim Herdfrischen und Puddeln die Temperatur bis zum Schmelzen des Roheisens steigert, gelingt die Entkohlung von Weißeisen auch schon in der Glühhitze (Glühfrischen) ohne Änderung des Aggregatzustandes, indem man 2 cm starke Stangen von Weißeisen, in Thonkasten von 5000 kg Inhalt in grobkörnigen Quarzsand eingepackt, 15-35 Tage zum Glühen erhitzt; durch den Sauerstoff der Luft entsteht auf der Oberfläche des Roheisens Eisenoxydoxydul, welches den gebundenen Kohlenstoff in Kohlenoxyd überführt.
Der erhaltene Stahl (Tunners Glühstahl) wird durch Umschmelzen in Tiegeln oder durch Umschweißen verbessert. Häufig ist es wünschenswert, eine spröde Gußware ohne Änderung der Form in schmiedbares Eisen überzuführen, um die Festigkeit zu erhöhen und die Möglichkeit einer leichtern Bearbeitung herbeizuführen (Temperguß, schmiedbarer Guß, hämmerbares Gußeisen). Man umgibt alsdann die aus reinem, möglichst graphitarmem, lichtgrauem oder halbiertem Roheisen gegossenen Gegenstände mit Roteisenstein (seltener mit andern Eisenerzen oder Braunstein, Zinkoxyd etc.) und glüht die schichtenweise in gußeiserne oder thönerne Kasten eingepackten Gegenstände 4-6 Tage lang in gemauerten Kammern bei Kirschrotglut. Die erfolgenden Gegenstände (z. B. Schlüssel, Pferdegeschirr- und Gewehrteile, Schrauben, Knöpfe, Thürbeschläge, Nägel, Portemonnaiebügel etc.) lassen sich in der Kälte und bei nicht zu hoher Temperatur schmieden und nehmen stahlartige Politur an, ohne jedoch große Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Stöße zu besitzen.
d) Erzeugung von Stahl durch Kohlung von Schmiedeeisen (Zementstahldarstellung). Möglichst reines Schmiedeeisen wird in etwa 50-130 mm breiten und 10-20 mm dicken Stäben in abwechselnden Lagen mit grobem Holzkohlenpulver (Zementierpulver, am besten Laubholzkohle) in Thonkasten A [* ] (Fig. 17 auf Tafel III) geschichtet, welche vom Feuerungsraum C aus erhitzt werden. Der viereckige Herdraum des Zementstahlofens ist mit einem flachen Gewölbe überspannt und dieses mit Zuglöchern versehen.
Die Kisten bleiben meist offen oder werden mit einer Decke von Ziegelpflaster, Quarzsand und Thon versehen und binnen 24 Stunden auf Kupferschmelzhitze gebracht und bei dieser Temperatur erhalten. Zeigt die Bruchfläche einer Probestange nach 8-9 Tagen, seltener 6-7 Tagen, ein feinkörniges Gefüge ohne Eisenkern, so läßt man den Ofen bei geschlossenen Öffnungen 3 Tage abkühlen. Man verwendet zum Zementieren auf 100 kg Schmiedeeisen (am besten eignet sich dazu mit Holzkohlen erzeugtes) ca. 27 kg Holzkohle (½-¾ im frischen Zustand); die Gewichtszunahme des erfolgenden Produkts beträgt 0,5-0,75 Proz. Auf der Crescent-Steelhütte zu Pittsburg in Pennsylvanien hat Swindell einen Zementierofen mit Gasfeuerung eingerichtet, bei welchem die Wärme sehr vollständig ausgenutzt wird [* ] (Fig. 18-20 auf Tafel III). A offen bleibende Kiste, a Kanal zur Gaszuführung, b Luftkanal; Gas und Luft treten an einer Seite, resp. durch die Kanäle c und d unter die Sohle e der Kiste, vereinigen sich hier, die Flamme steigt in Zügen f auf, und die Verbrennungsprodukte ziehen durch die Öffnung g in Kanälen h und i durch k und l in den Schornstein m. Bei dem Glühen in Holzkohle erleidet das Schmiedeeisen eine Kohlung, welche um so mehr nach innen fortschreitet, je länger das Zementieren dauert.
Die Kohlung wird begünstigt durch das Entstehen von Cyanverbindungen und durch die aus den frischen Holzkohlen entwickelten gasförmigen Produkte. Es geht dabei die sehnige Textur des Eisens anfangs in eine kristallinisch-schuppige über, das spezifische Gewicht nimmt von 7,76 auf 7,71 ab, die kristallinischen Blättchen werden immer kleiner, und der Prozeß ist beendigt, wenn die Stäbe bei sehr feinkörnigem Gefüge und dunkler Farbe brüchig werden, auch oberflächlich sich mit Blasen überziehen (Blasenstahl, Rohstahl). Dieser Stahl ist wegen seiner Brüchigkeit direkt nicht zu verwenden, sondern muß nach sorgfältigem Sortieren entweder durch Schweißen (Gärbstahl) oder Umschmelzen in Tiegeln (Tiegelgußstahl, s. unten) homogen gemacht werden. Man kann dem Zementstahl, dem Herd- und
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Puddelstahl gegenüber, sicherer eine bestimmte Härte geben, und aus bestem schwedischen Eisen dargestellt und in Tiegeln umgeschmolzen, liefert er den renommierten englischen Huntsmanstahl, welcher fast nur aus reinem Kohleneisen, höchstens mit 1/1000 Mangan und Silicium, besteht.
Behufs des Gärbens werden mehrere Stäbe zu einem Bündel (Garbe) zusammengelegt, dieses mit später abzuschlagenden Ringen umgeben, in einem offenen Gebläsefeuer zwischen Kohlen unter Aufstreuen von Sand (Schweißsand) ausgeheizt, die herausgenommene, nahezu schweißwarme, von Schlacke umgebene Garbe mit einem Handhammer zusammengeschlagen (das Ganzmachen), wieder ins Feuer gebracht und in schweißwarmem Zustand in mehreren Hitzen unter einem Schwanzhammer ausgereckt. Diese Operationen werden nötigen Falls noch drei- bis viermal wiederholt.
In die Rubrik des Zementstahls gehört auch noch der indische Damast- oder Wootzstahl, welcher auf die Weise dargestellt wird, daß man das durch Rennarbeit in niedrigen Herden erzeugte Eisen in kleinen Thontiegeln mit Holz von Cassia auriculata und Windenblättern im Gebläseofen so lange erhitzt, bis infolge einer oberflächlichen Kohlung das Eisen äußerlich zu schmelzen beginnt, während der innere, kohlenstoffärmere Kern nur teigartig wird. Die erkaltete Masse wird an der Luft ausgeglüht und bei Schweißhitze zu Stäben ausgeschmiedet, welche beim Ätzen mit Säuren eigentümliche ader- und wellenförmige Zeichnungen (Damast) erhalten, indem sich die kohlenstoffärmern Partien leichter auflösen als die stahlartigen, kohlenstoffreichern.
Wegen der Reinheit der angewendeten Rohmaterialien zeigt der Stahl große Elastizität im gehärteten Zustand. Bester Stahl dieser Art enthält nur 0,87-1,28 Proz. Kohlenstoff, zuweilen mit 0,04-0,14 Proz. Silicium. Dem echten Produkt kommt der unechte oder künstliche Damaststahl nicht gleich, welcher durch Zusammenschweißen von Stahl- und Schmiedeeisendraht, Winden des Stabes, Drehen, Durchhämmern und wiederholtes Schweißen der Masse erfolgt.
2) Darstellung von Flußstahl.
Flußstahl wird im geschmolzenen Zustand erhalten und ist deswegen stets homogener als Schweißstahl.
a) Die Erzeugung von Flußstahl (Gußstahl) durch Umschmelzen von Schweißstahl ist die älteste Darstellungsmethode und wurde zuerst 1740 von Huntsman in Sheffield ausgeführt. Das Umschmelzen wird am häufigsten mit Zement- und Glühstahl, zuweilen auch mit Herd- und Puddelstahl vorgenommen. Bei Anwendung von Zementstahl zerschlägt man die gehärteten Stahlstangen, sortiert die 20-80 mm langen Stückchen nach Bruch- und Oberflächenansehen und bringt dieselben (15-45 kg pro Tiegel) mittels eines Blechtrichters in glühende, sehr feuerfeste Tiegel von 390-420 mm Höhe [* ] (Fig. 21 auf Tafel III), welche entweder zu zweien oder vieren in einem mit Koks gespeisten Windofen, oder zu 20 und mehr in zwei Reihen in einem Siemensschen Regenerativofen stehen. Die Windöfen (Textfig. 5) haben für zwei Tiegel einen nach oben zusammengezogenen Schmelzraum a von etwa 940 mm Höhe, 630 mm Länge und 420 mm Breite mit Rost b, auf welchem die Tiegel stehen.
Der Aschenfall c ist verhältnismäßig tief und die mit dem Fuchs e kommunizierende Esse f bis 20 m hoch; g ist ein mittels Zugstange h zu stellender Temper und d ein Deckel auf dem Ofenschacht. Der Siemenssche Regenerativofen [* ] (Fig. 22 u. 23 auf Tafel III), in welchem die Heizung durch brennbare Gase und Luft, beide durch die abgehenden Feuergase stark erhitzt, bei hoher Temperatur geschieht, hat nachstehende Einrichtung: A Gasgenerator, auf dessen Rost a' durch den Cylinder b' Brennmaterial geschüttet wird.
Dasselbe verbrennt unmittelbar über dem Rost zu Kohlensäure, welche beim Durchstreichen der darüber befindlichen glühenden Brennmaterialsäule in brennbares Kohlenoxydgas übergeht. Dieses zieht durch den Kanal d, wenn dessen Absperrventil c (hier geschlossen) geöffnet ist und die Wechselklappe a die in der Zeichnung angegebene Stellung besitzt, durch den Kanal e, durch die noch kalten Regeneratoren f über die Feuerbrücke g in den mit beweglichen Deckelteilen versehenen Schmelzraum B, in welchem in zwei Reihen die Tiegel stehen.
Die Verbrennungsluft fällt in den mit einem Gatter überdeckten Schacht C ein, zieht, nachdem das Absperrventil h (hier geschlossen) geöffnet worden, bei der dermaligen Stellung des Wechselventils b durch den Kanal x, den kalten Regenerator k und die Feuerbrücke l in den Schmelzraum B, mischt sich hier mit den aus g hervortretenden Gasen, erhitzt nach Entzündung der letztern die Tiegel, und die heißen Verbrennungsprodukte ziehen an dem dem Eintritt entgegengesetzten Ende einerseits durch z, p, q und r, anderseits durch y, m, n und o in den Schornstein D, wobei die in den Regeneratoren enthaltenen Steine in Glut versetzt werden.
Ist dies zur Genüge geschehen, so stellt man die Wechselklappen a und b mittels einer bis über die Hüttensohle reichenden Handhabe um, worauf jetzt die brennbaren Gase aus A durch d, q, p und z, die Luft durch C, i, n, m und y in den Schmelzraum B ziehen und zwar beide, nachdem sie in den Regeneratoren p und m stark erhitzt worden. Die Feuergase ziehen jetzt durch q und l ab, und bei zeitweiligem Umstellen der Wechselklappen a und b wiederholt sich das Spiel. Nachdem der Stahl in den Tiegeln völlig geschmolzen ist, was man mittels einer in die Tiegel eingeführten Eisenstange fühlt, so läßt man denselben ½-¾ Stunde ruhig stehen, wobei die absorbierten Gase entweichen, und gießt ihn dann in Formen. Der Siemens-Ofen erfordert weniger Brennmaterialien und gestattet eine größere Produktion als der Windofen. Sicherer als Bessemer-, Martin- und Landorestahl gibt Tiegelstahl dichte Güsse.
b) Entkohlung des geschmolzenen Roheisens durch eingepreßte Luft (Bessemern). Dieses
[* ] ^[Abb.: Fig. 5. Windofen zum Umschmelzen des Rohstahls.]
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Verfahren wurde 1856 von Henry Bessemer erfunden, und seitdem ist in der ganzen Eisenindustrie eine vollständige Umwälzung eingetreten. Die ersten Versuche von Bessemer schlugen fehl, indem zwar Kohlenstoff und Silicium aus dem Roheisen entfernt wurden, aber Phosphor und Schwefel darin zurückblieben. Spätere in Schweden mit dem dortigen Holzkohlenroheisen angestellte Versuche ergaben gute Resultate; deshalb wurde das Bessemer-Verfahren in England auch wieder aufgenommen, und man erzielte nun hier ebenfalls Erfolge, besonders seitdem Mushet gezeigt hatte, daß die Nachteile einer zu weit gegangenen Oxydation durch einen Spiegeleisenzusatz wieder beseitigt werden konnten.
In der neuern Zeit ist ein wesentlicher Fortschritt im Bessemer-Verfahren dadurch gemacht worden, daß man gelernt hat, auch aus stark phosphorhaltigem Roheisen (sogen. Thomaseisen) ein brauchbares schmiedbares Eisen zu erzeugen (Thomas-Gilchristsches Verfahren). Das Wesen des Bessemer-Verfahrens besteht darin, daß man durch das flüssig gemachte Eisen von unten stark gepreßte Gebläseluft (mit 80-140 cm Quecksilberpressung) in vielen feinen Strahlen leitet und die Entkohlung ohne Anwendung besondern Brennmaterials durchführt.
Dieses ist dadurch möglich, daß bei der Einwirkung des Windes auf das flüssige Roheisen zunächst Silicium und Mangan, daneben auch Eisen und darauf der Kohlenstoff oxydiert werden, wobei namentlich durch das verbrennende Silicium eine so hohe Temperatur entsteht, daß das Metall während der verhältnismäßig kurzen Dauer des Prozesses (10-25 Minuten) flüssig bleibt. Siliciumarme Weißeisensorten, deren amorpher Kohlenstoff sehr rasch (weit rascher als der Graphit des Graueisens) verbrennen würde, eignen sich deshalb nicht für den Prozeß, weil durch die Verbrennung nicht die erforderliche Temperatur erzeugt wird. Da der Prozeß wegen der energischen Einwirkung des Windes bei der hohen Temperatur so rasch verläuft, hat ein größerer Schwefelgehalt nicht Zeit, sich hinreichend zu verschlacken.
Ein Phosphorgehalt des Roheisens ist bei der gewöhnlich angewandten, viel Kieselsäure enthaltenden Ausfütterung der Bessemerbirne (saurer Prozeß) sehr schädlich, weil die Phosphorsäure aus dem entstehenden phosphorsauren Eisenoxydul durch die Kieselsäure der sauren Schlacke ausgeschieden und darauf reduziert wird und deswegen Phosphor wiederum ins Eisen geht. Der Phosphorgehalt des Roheisens darf aus diesem Grund beim sauren Prozeß höchstens 0,1 Proz. betragen.
Wenn man bedenkt, daß mehr als 97 Proz. aller in Deutschland geförderten Eisenerze so phosphorhaltig sind, daß das daraus erzeugte Roheisen zum gewöhnlichen Bessemer-Prozeß nicht zu verwerten ist und man deshalb früher auf die Einfuhr ausländischer phosphorfreier Erze angewiesen war, so ergibt sich daraus, von welch hoher Bedeutung es ist, daß der Bessemer-Prozeß im J. 1879 von Thomas und Gilchrist so weit ausgebildet wurde, daß er nahezu allgemein anwendbar wurde und namentlich auch bei Verarbeitung phosphorhaltigen Roheisens gutes schmiedbares Eisen lieferte. Die Entphosphorung des Roheisens geschieht in der basisch ausgefütterten Bessemerbirne (basischer Prozeß).
α) Saurer (oder gewöhnlicher) Bessemer-Prozeß. Man verwendet am besten ein graues Roheisen (vgl. die Analysen von Bessemerroheisen) mit 3-4,5 Proz. Kohlenstoff, 2-4 Proz. Silicium, 0-4 Proz. Mangan und weniger als 0,1 Proz. Phosphor, 0,06 Proz. Schwefel und 0,3 Proz. Kupfer. Man kann den Entkohlungsprozeß nur so weit fortsetzen, daß gerade schmiedbares Eisen entsteht (schwedisches Verfahren); weit häufiger treibt man aber die Oxydation so weit, daß das Kohleneisen nicht bloß völlig entkohlt wird, sondern sogar noch Sauerstoff aufnimmt, fügt dann aber flüssiges Spiegeleisen hinzu, dessen Mangangehalt den das Produkt brüchig machenden Sauerstoff wegnimmt, und dessen Kohlenstoffgehalt das entkohlte Eisen wieder kohlt (englisches Verfahren).
Letztere Methode ist die fast allein noch angewendete, weil sie sicherer ein Produkt mit bestimmtem Kohlenstoffgehalt gibt. Beim schwedischen Verfahren hat man vorübergehend einen feststehenden Ofen mit Düsen an der Peripherie angewendet (schwedischer Bessemer-Ofen), zur Zeit wird aber fast nur noch der englische Ofen mit beweglicher Birne (Konverter, Retorte) benutzt. Die Bessemerbirne A [* ] (Fig. 24 auf Tafel III) mit Hals B besteht aus dickem Eisenblech und ist innen mit feuerfestem, wenig thonhaltigem Sand (Ganister) oder mit schamottehaltigem Thon ausgestampft oder zuweilen auch mit feuerfesten Ziegeln ausgekleidet.
Das Bodenstück C ist entweder an dem Hauptkörper A fest angenietet, oder kann davon abgenommen werden, um voll feuerfesten Materials gestampft zu werden, in welchem man konische Öffnungen zur Aufnahme von sieben Thonformen (Fern, Feren) läßt, deren jede wieder 7-13 cylindrische Kanäle (Düsen) von 9-12 mm Durchmesser zur Windzuführung hat. Mittels eines hydraulischen Kolbens k wird der auf Rollen laufende Windkasten D unter dem Boden der Birne angedrückt. Die Birne ist in Zapfen a und b aufgehängt, welche auf einem Gestell E ruhen.
Die Gebläseluft strömt aus der Windleitungsröhre F durch die Röhre c in einen Raum zwischen dem Zapfen a und der auf dem Ständer E ruhenden Hülse d und begibt sich durch das Rohr e in den damit durch einen Bügel f verbundenen Windkasten D, aus welchem der Wind durch die Düsen in die Birne gelangt. Die Regulierung des Windes geschieht entweder von einem Arbeiter mittels eines Ventils an der Windleitungsröhre, oder der Windzutritt reguliert sich beim Kippen des Apparats von selbst mittels eines exzentrischen Ringes auf dem Zapfen a, welcher beim Drehen einen Hebelarm hebt und senkt und damit auch ein über der Röhrenmündung F in G befindliches, durch ein Gewicht niedergehaltenes Ventil.
Die Bewegung der Birne A geschieht durch eine Kippvorrichtung mittels Zahnrades H, in welches eine von dem Kolben einer hydraulischen Presse bewegte Zahnstange g eingreift. Bei großen Birnen wendet man zu diesem Betrieb auch Dampfkraft, bei kleinen Bewegungen durch Handkurbeln an. Kleinere Birnen fassen bis 1000, größere bis 8000 kg; eine solche z. B. von 5-6000 kg Inhalt hat im mittlern Teil 1,5-2 m Durchmesser und 0,8-1 m Höhe, im Bodenteil resp. 0,7-1 und 0,6-0,8 m; Weite an der Mündung des 1,8 m hohen Halses 0,26-0,4 m, oberer konischer Teil 0,7 m hoch und am Hals 0,6 m weit.
Das Arbeitsverfahren in einem solchen Apparat ist folgendes: Man läßt das Roheisen entweder direkt aus einem Hochofen oder aus einem Kupolofen in einer Rinne durch den Hals der geneigten Birne A' einfließen und kippt diese dann auf bei gleichzeitiger automatischer Anlassung des Windes. Bei dem sauren Prozeß gibt man vor der Entkohlung keinen Zuschlag zum Roheisen. Der Hals B' [* ] (Fig. 25 auf Tafel III) befindet sich dann unter einem mit der Esse L' in Verbindung stehenden Schirm K'. Bei der Einwirkung der Gebläseluft oxydiert sich zunächst das Silicium neben Mangan und wenig Eisen, während der Graphit in dem Maß, als das Silicium
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abgeschieden wird, in gebundenen Kohlenstoff übergeht (Feineisenbildung); es entsteht dabei eine saure Schlacke mit 45-52 Proz. Kieselsäure. Diese erste Periode (Fein- oder Schlackenbildungsperiode) ist beendigt, wenn sich an der Halsmündung eine kleine zugespitzte Flamme von orangegelber Farbe mit einigen blauen Streifen und weißem Saum bei geringer Leuchtkraft zeigt. Jetzt beginnt in der zweiten Periode (Rohfrisch-, Koch-, Eruptions- oder Stahlbildungsperiode) eine starke Oxydation des Eisens unter Bildung von Eisenoxyduloxyd, welches den amorphen Kohlenstoff unter starkem Aufkochen des Bades durch Kohlenoxydgasbildung oxydiert. Es findet ein lebhafter Auswurf von Schlacken und Eisenteilchen aus dem Birnenhals statt, und es zeigt sich eine helle, dichte, stark leuchtende, stoßweise austretende Flamme, mit Eisenfunken, Sternchen und Eisenkügelchen untermischt.
Sobald sich das Metallbad wieder beruhigt hat und dann ein stahlartiges Produkt erzeugt ist, setzt man in der nun folgenden Garfrischperiode die Entkohlung durch neugebildetes Eisenoxyduloxyd weiter fort, bis sich ein sauerstoffhaltiges Produkt (überblasenes Eisen) gebildet hat. Die Flamme zeigt dann reichliche Funken von Eisen, und ein gänzliches Aufhören derselben deutet das Ende des Prozesses an. Das Spektroskop bietet bei Beobachtung der dem Birnenhals entsteigenden Flamme ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um die einzelnen Stadien und den Schluß der Entkohlung zu erkennen.
Ist die Entkohlung vollendet, so schreitet man zum Rückkohlen, neigt zu dem Ende die Birne, läßt in einem Kupolofen oder Flammofen M eingeschmolzenes Spiegeleisen durch den Hals einlaufen oder setzt glühendes Ferromangan oder Siliciumeisen zu, richtet die Birne nochmals auf, bläst, wenn erforderlich, noch 2-3 Sekunden und läßt dann bei abgestelltem Wind 5-10 Minuten ruhig stehen, damit absorbierte, blasige Güsse erzeugende Gase entweichen können. Hierauf wird die Birne A, wie in [* ] Fig. 25 auf Tafel III angedeutet, geneigt und ihr Inhalt in eine mit feuerfester Masse ausgekleidete Gießpfanne N entleert, welche sich am Ende des Balanciers O eines hydraulischen Kolbens P befindet, der gehoben und gesenkt werden kann. Q ist ein verschiebbares Gegengewicht am andern Ende des Balanciers, welches je nach dem Inhalt, somit dem Gewicht der Gießpfanne N. vor- oder zurückgeschoben wird.
Zur Füllung der im Halbkreis um den Kran stehenden eisernen Formen wird ein Stopfen h aus einer Öffnung im Boden der Pfanne gezogen und diese mittels Bewegung des Balanciers im Halbkreis über die Formen geführt, indem der Arbeiter durch eine Einrückvorrichtung bei i das Getriebe k in das Zahnrad l eingreifen läßt. Das Kippen der Gießpfanne N behufs ihrer Reinigung geschieht mittels der Stange m durch Drehung bei n; o Blechwand zum Schutz des die Kurbelscheiben i und n drehenden Arbeiters; p p' Lager für die Preßcylinder der hydraulischen Maschine, welche zur Bewegung der Kippvorrichtung dient.
Die großartigsten Leistungen weisen in der Neuzeit die Bessemerwerke in den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf, wo z. B. auf Edgar Thompsons Werk in Pittsburg ein Paar Birnen in 24 Stunden 53 Güsse machten und 352½ Ton. à 1016 kg Stahlbarren (Ingots) und das Schienenwalzwerk 221½ T. Schienen lieferten. Diese großartige Produktion wird ermöglicht durch Vergrößerung der Apparate (Birnen zu 6-7 T. = 5080-7112 kg, mit rasch auswechselbaren Böden), durch zweckmäßige Konstruktion der maschinellen Vorrichtungen zum Bewegen der Birne, zur Handhabung der Gießpfanne, zur Verarbeitung der Stahlgüsse etc., durch passende Anordnung der Schmelzvorrichtungen (die Konverter stehen z. B. an 3 m über der Hüttensohle, die Gießformen auf derselben, wodurch der Transport derselben erleichtert und der Gießer mehr vor der Hitze geschützt ist als in der Gießgrube), durch Erzeugung von stets nur einem und demselben Fabrikat, z. B. Schienen, wo dann der Arbeiter große Fertigkeit erlangt, u. dgl. Die Stahlgüsse werden vor der weitern Verarbeitung auf Schienen, Achsen etc. in noch glühendem Zustand meist vorgeschmiedet oder vorgewalzt, und nur selten werden kleine Blöcke direkt fertig gewalzt oder profiliert gegossen.
β) Der basische Prozeß gewinnt immer mehr an Wichtigkeit; in Deutschland bestehen gegenwärtig auf 13 Eisenhütten 41 Birnen mit basischem Futter. Das phosphorhaltige Roheisen (Thomaseisen) muß 1,5-3 Proz. Phosphor, 2,5-3,5 Proz. Kohlenstoff, bis 2,5 Proz. Mangan, weniger als 1 Proz. Silicium und 0,1 Proz. Schwefel enthalten. Das basische Futter wird neuerdings meist dargestellt, indem man zerkleinerten Dolomit (Magnesiumcalciumcarbonat) bei hoher Temperatur im Kupolofen brennt und darauf den gebrannten, gemahlenen Dolomit mit ca. 7 Proz. Teer zu einer plastischen Masse verarbeitet, welche in die Bessemerbirne gestampft wird. Zum geschmolzenen Roheisen werden ca. 20 Proz. eines basischen Zuschlags (gebrannter Kalkstein, Dolomit, Gemenge von Dolomit mit Roteisenerz etc.) gegeben, um die Erzeugung einer stark basischen Schlacke (Thomasschlacke) zu ermöglichen, aus welcher die Phosphorsäure durch Kieselsäure nicht wieder ausgeschieden werden kann. Im übrigen wird der basische Prozeß in derselben Weise und in denselben Apparaten wie der saure Prozeß ausgeführt.
c) Erzeugung von Flußstahl durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit Schmiedeeisen (Siemens-Martin-Prozeß, Martin-Prozeß). Man benutzte früher bei diesem schon seit dem Anfang des 18. Jahrh. bekannten Verfahren Tiegel aus feuerfestem Thon oder Graphit. In neuerer Zeit ist die Tiegelschmelzerei nur noch vereinzelt in Gebrauch (z. B. wenn es sich um die Erzeugung eines vorzüglichen Flußstahls handelt), weil die Produktion zu gering ist. Die Stelle des Tiegels vertritt jetzt der überwölbte, mit Quarzsand ausgekleidete Herd eines mit Regenerativfeuerung (nach Siemens'; Ponsards oder Richeroux' System) versehenen Flammofens. 1865 versah zuerst Martin den Flammofen mit Siemensscher Regenerativfeuerung in nachstehender Weise [* ] (Fig. 26 u. 27 auf Tafel III). A Flammofenherd, auf einer mit Thonbrei überzogenen Eisenplattenunterlage mit sehr feuerfestem Sand muldenförmig ausgeschlagen, mit Neigung nach der einen Breitseite zu dem mit einer Rinne b kommunizierenden Stich hin. a Arbeitsöffnungen.
Unterhalb des Herdes liegen zwei Paar mit feuerfesten Steinen in Lücken ausgesetzte Regeneratoren, von denen die beiden innern L und L' von der Verbrennungsluft, die beiden äußern G und G' von brennbaren, in einem Generator erzeugten Gasen (Kohlenoxydgas) durchstrichen werden. Bei passender Stellung der (hier nicht gezeichneten) Wechselventile treten in den Regeneratoren erhitzte Gase und Luft durch die miteinander abwechselnden vertikalen Kanäle g und l auf den Schmelzherd, verbrennen hier, erhitzen das Schmelzgut und entweichen am entgegengesetzten Ende durch die Kanäle g' und l' nach unten in die betreffenden Regeneratoren für Gas- und Lufterhitzung. Sind diese heiß genug
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geworden, so stellt man die Wechselventile um, und es treten jetzt Gas und Luft erhitzt durch. die Kanäle g' und l' auf den Herd u. s. f. Der Prozeß wird in der Weise ausgeführt, daß man 150-200 kg möglichst schwefel- und phosphorfreies Roheisen auf dem Herd einschmelzt, hierauf stark glühende Stahl- und Eisenabfälle in einzelnen Posten nacheinander einträgt, jedesmal mit Krücken oder Holzstangen umrührt, öfters Schlacke zieht und dann Schöpfproben nimmt, worauf man aus der Zähigkeit im rohen und gehärteten Zustand sowie aus dem Bruchansehen des Produkts den Verlauf des Prozesses ersieht. Da die im offenen Herd eingeschmolzenen Materialien mit Luft in Berührung kommen, so wird der Kohlenstoff nach und nach verbrannt.
Zuweilen wird der Oxydationsprozeß auch noch durch eisenoxydhaltige Zuschläge (Roteisenerz) und durch Einleitung von Gebläsewind gefördert. Man treibt den Oxydationsprozeß bis zur völligen Entkohlung, ja zuweilen bis zur Oxydation des Produkts und fügt dann Spiegeleisen oder Ferromangan oder Siliciumeisen zur Rückkohlung und Entfernung des Sauerstoffs, ähnlich wie beim Bessemern, hinzu. Hierauf sticht man das gekohlte Produkt durch die Rinne b in die mit Zapfen d im Boden versehene und auf Rädern bewegliche Gießpfanne c ab, unter welcher die Formen stehen.
Der Einsatz beträgt 1000-12,000, gewöhnlich 1500 bis 6500 kg. Das erzeugte Produkt wird Flammofenflußstahl oder Martinstahl genannt; es wird vorzüglich für Façonguß und für Gegenstände besonderer Qualität verwandt (z. B. Radeisen, Achsen, Walzen etc.). Die Ausgangsmaterialien müssen ganz rein sein, weil alle Verunreinigungen in das erzeugte Produkt mit übergehen. Es ist bei dem Martin-Prozeß ungleich leichter als bei dem Bessemer-Prozeß, eine verlangte Härtenummer genau zu treffen.
Der Martin-Prozeß gewinnt von Jahr zu Jahr größere Bedeutung für die Eisenindustrie. In neuester Zeit ist man mit Erfolg bestrebt gewesen, auch in diesem Prozeß eine Entphosphorung des Roheisens durch Anwendung basischer, aus Dolomit hergestellter Herdfutter zu bewirken. An Stelle des Flammofens benutzt man auch den mit Regenerativgasfeuerung versehenen Pernotschen Ofen mit rotierender, tellerförmiger Sohle, und zwar wird dabei meistens ein die Oxydation beschleunigender Zusatz von Roteisenerz gemacht. - Schließlich sei hier noch
d) der Siemenssche Erzprozeß (Landore-Prozeß) beschrieben, bei welchem die Oxydation des im Roheisen enthaltenen Kohlenstoffs wesentlich durch eisenoxydhaltige Zuschläge (Eisenerze) erfolgt. Dieser Prozeß ist von Siemens auf seinen Werken zu Landore in England mit Erfolg durchgeführt. Der Ofen mit Regenerativfeuerung hat eine ähnliche Einrichtung wie der erwähnte Siemens-Martin-Ofen [* ] (Fig. 26 u. 27 auf Tafel III). Man setzt Bessemerroheisen und die Hälfte davon Abfalleisen kalt ein, schmelzt die Charge, z. B. von 8 Ton., in 4-5 Stunden ein, fügt zu wiederholten Malen Eisenoxyd in Form sehr reiner Erze (z. B. Moktaerz) hinzu und unterbricht den Prozeß, wenn das durch genommene Schöpfproben erhaltene Produkt im Bruch körnig ist, sich zäh zeigt und die Schlacke oberflächlich dunkel, im Bruch dicht und im Innern etwas lichter erscheint. Je nach der dem Produkt zu gebenden Härte fügt man mehr oder weniger Kohlenstoff in Gestalt von Spiegeleisen oder manganreichem Eisen (Ferromangan) hinzu und sticht alsdann das Produkt in eine Gußpfanne und daraus in Formen ab. Eine Charge dauert etwa 8-10 Stunden. - Die folgende Tabelle gibt eine
Übersicht der wichtigsten Darstellungsarten von schmiedbarem Eisen aus Roheisen.
Verarbeitung durch Herdfrischen zu | Verarbeitung durch Puddeln zu | Verarbeitung durch Bessemern | Verarbeitung im Martin-Ofen mit Schmiedeeisen oder Stahl | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Schmiedeeisen. | Stahl. | Schmiedeeisen. | Stahl. | Verarbeitung der | |||||||||
Wird zu Stäben ausgereckt und dient als | Wird zu Stäben ausgereckt und dient als | Wird geschweißt und gewalzt. Verarbeitung | Wird geschweißt und gewalzt. Verarbeitung | Abfälle u. Enden | |||||||||
1) Handelsware für Schmiede, Schlosser, zur Drahtfabrikation etc. | 2) Material für den Zementationsprozeß. Es entsteht Zementstahl. Material zu Tiegelgußstahl für die feinsten Werkzeuge. | 3) Material für den Zementationsprozeß. Es entsteht Zementstahl. Material zu Gärbstahl für Federn, feine Werkzeuge etc. | 4) Handelsware (Kärntener Rohstahl) für Anfertigung von Werkzeugen etc. | 5) Material für Gärbstahldarstellung. Benutzung wie sub 3. | 6) zu Handelsware, als: Stabeisen, Façoneisen, Blech etc. | 7) durch den Zementationsprozeß zu Zementstahl. Benutzung wie sub 2 und 3. | 8) Wird im Martin-Ofen mit Roheisen geschmolzen und zu Eisenbahnschienen, Radreifen oder Façonguß verarbeitet. | 9) zu Handelsware (Schienen, Radreifen, Material für gröbere Werkzeuge etc.). | 10) durch Tiegelschmelzen zu Tiegelgußstahl, Achsen, Radreifen, Blechen. | 11) Blöcke durch Schweißen und Walzen zu Eisenbahnschienen, Radreifen, Blechen | 12) zu Tiegelgußstahl, Geschützen, Maschinenteilen, Façonguß. | 13) im Martin-Ofen wie sub 8. | 14) wie sub 8 und 13. |
Die Zusammensetzung der verschiedenen Sorten von schmiedbarem Eisen ergibt die Tabelle, S. 424.
Chemische Eigenschaften des Eisens.
Reines Eisen (Klavierdraht enthält nur 0,3 Proz. Verunreinigungen) ist fast silberweiß, kristallisierbar, weicher, hämmerbarer, weniger fest als Schmiedeeisen und vom spez. Gew. 7,84, das Atomgewicht ist 55,9. Es ist das härteste aller dehnbaren Metalle, läßt sich bei Weißglut schweißen, bröckelt aber bei höherer Temperatur unter dem Hammer. Reduziert man Eisenoxyd oder Eisenchlorür durch Wasserstoff, so erhält man reines Eisen als schwarzes Pulver, welches an der Luft verbrennt, durch stärkeres Erhitzen aber diese Eigenschaft verliert (Ferrum hydrogenio reductum) und dann eine grauweiße, schwammige Masse bildet. Das Eisen wird vom Magnet angezogen
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Zusammensetzung der verschiedenen Sorten von schmiedbarem Eisen.
Bezeichnung | Gesamtkohlenstoff Cα+β | Gebundener Kohlenstoff Cα | Graphit Cβ | Silicium | Phosphor | Schwefel | Mangan | Kupfer | Eisen | Bemerkungen |
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A. Schmiedeeisen. | ||||||||||
1) Schweißeisen. | ||||||||||
a) Herdfrischeisen: | ||||||||||
Mägdesprung im Harz | 0.400 | 0.380 | 0.020 | 0.014 | - | - | 0.303 | 0.320 | - | dicht |
0.497 | 0.237 | 0.260 | Spur | - | - | 0.294 | 0.112 | - | desgl. | |
0.324 | 0.104 | 0.220 | 0.067 | - | - | 0.317 | 0.048 | - | sehr gut, weich, dicht | |
Rybnik (Schlesien) | 0.092 | - | - | 0.026 | - | 0.007 | - | - | - | |
Schwedisches Eisen | 0.087 | 0.087 | - | 0.115 | 0.034 | 0.220 | - | - | - | |
Russisches Eisen | 0.272 | 0.272 | - | 0.062 | - | 0.234 | - | - | - | |
b) Puddeleisen: | ||||||||||
Low Moor | 0.016 | - | - | 0.122 | 0.106 | 0.104 | 0.280 | - | - | Panzerplatte |
Stabeisen, aus hellgrauem Cleveland-Roheisen erhalten | 0.15 | 0.15 | - | 0.140 | 0.470 | 0.04 | 0.14 | - | 97.13 | |
2) Fußeisen. | ||||||||||
a) Bessemereisen: | ||||||||||
Neuberger Graueisen | 0.234 | 0.234 | - | 0.033 | 0.044 | Spur | 0.139 | 0.105 | 99,445 | saurer Prozeß |
Atlas Works (Sheffield) | 0.370 | 0.370 | - | Spur | 0.590 | 0.090 | 0.649 | - | - | desgl. |
Ebbw Vale (England) | 0.292 | 0.292 | - | 0.011 | 0.061 | 0.012 | 0.136 | - | - | desgl. |
Rheinische Stahlwerke | 0.25-0.3 | - | - | Spur | 0.06-0.09 | - | 0.3 | - | - | basischer Prozeß (Schienen) |
b) Martineisen: | ||||||||||
Graz (Südbahnwalzwerk) | 0.3-0.4 | - | - | 0.01-0.02 | 0.08-0.12 | - | 0.10-0.25 | - | - | Schienen |
Stahlwerk Hallside | 0.39-0.48 | - | - | 0.08-0.12 | - | 0.02-0.03 | 0.38-0.41 | - | - | |
Alexandrowski-Stahlwerk bei St. Petersburg | 0.3-0.4 | - | - | Spur | 0.08-0.1 | - | 0.8-0.9 | - | - | Schienen |
Desgleichen | 0.10 | - | - | Spur | 0.02 | 0.02 | 0.43 | - | - | basisches Futter |
B. Stahl. | ||||||||||
1) Schweißstahl. | ||||||||||
a) Herdfrischstahl: | ||||||||||
Steirischer Edelstahl | 1,129 | - | - | Spur | - | Spur | - | Spur | - | |
Siegener Edelstahl | 1,698 | - | - | 0.038 | - | Spur | - | 0.379 | - | |
b) Puddelstahl: | ||||||||||
Königshütte (Harz) | 1,380 | 1,380 | - | 0.006 | Spur | - | 0.012 | - | - | |
Englischer Puddelstahl | 0.501 | - | - | 0.106 | 0.096 | 0.002 | 0.144 | - | - | |
c) Zementstahl | ||||||||||
aus Elberfeld | 0.496 | 0.416 | 0.080 | - | - | - | - | - | - | weich |
Indischer Wootz | 1,648 | 1,336 | 0.312 | 0.043 | - | - | - | - | - | |
2) Flußstahl. | ||||||||||
Englischer Zementgußstahl | 0.732 | 0.627 | 0.105 | 0.030 | - | 0.003 | 0.120 | - | - | |
Kruppscher Kanonenstahl | 1,180 | - | - | 0.330 | 0.020 | - | Spur | 0.300 | - | 0.120 Ni u. Co. Geschütz sprang beim ersten Schuß |
Gußstahl (Schmalkalden) | 1,740 | 1,730 | 0.010 | 0.203 | - | 0.003 | - | - | - | |
Bessemerstahl (Dowlais) | 0.566 | 0.566 | - | 0.030 | 0.055 | - | - | 0.039 | - | saurer Prozeß |
Bessemerstahl (Graz) | 0.600 | 0.600 | - | 0.008 | - | - | - | - | - | desgl. |
Bessemerstahl (Graz) | 1.05 | 1.05 | - | 0.01 | - | - | - | - | - | desgl. |
Bessemerstahl (Maderspach) | 0.650 | 0.005 | 0.645 | 0.052 | Spur | 0.088 | 0.072 | 0.068 | - | desgl. |
und selbst magnetisch, verliert aber den Magnetismus sofort nach der Trennung vom Magnet; nur kohlenstoffhaltiges Eisen wird dauernd magnetisch. In trockner Luft hält sich Eisen bei gewöhnlicher Temperatur unverändert; beim Erhitzen oxydiert es sich zu Oxyduloxyd, welches unter dem Hammer abspringt (Hammerschlag). In reinem Sauerstoffgas verbrennt es mit glänzendem Licht zu Oxyduloxyd und Oxyd. In feuchter Luft bildet sich auf seiner Oberfläche, besonders unter dem Einfluß der Kohlensäure, kohlensaures Eisenoxydul, welches schnell mehr Sauerstoff aufnimmt und in Eisenoxydhydrat (Rost) übergeht.
Die dabei frei werdende Kohlensäure wirkt weiter auf metallisches Eisen, und so wird dies bald stark angegriffen. Säuredämpfe und Salze, besonders Ammoniaksalze, befördern die Rostbildung, während Alkalien sie verhindern. Auch bei metallischer Berührung mit Zink wird das Eisen vor Rost geschützt (vgl. Rosten des Eisens). Auch unter Wasser oxydiert sich das Eisen, und wenn es in fein verteiltem Zustand als Eisenschwamm vorhanden ist, so verhindert es die Fäulnis von unreinem Wasser.
Beim Glühen von Eisen in Wasserdampf entstehen Eisenoxyduloxyd und Wasserstoff. Eisen löst sich in verdünnten Säuren unter Entwickelung von Wasserstoff zu Eisenoxydulsalz, in warmer und überschüssiger Salpetersäure zu salpetersaurem Eisenoxyd, in heißer konzentrierter Schwefelsäure unter Entwickelung von schwefliger Säure; es verbindet sich direkt mit Schwefel, Chlor, Brom, Jod, Kohlenstoff; aus Kupfersalzen fällt es metallisches Kupfer, indem es sich als Eisenoxydulsalz löst. Eisen ist zweiwertig, doch tritt es auch in Verbindungen auf, deren Molekül stets 2 Atome Eisen enthält, und dieser Atomkomplex Fe2 ist sechswertig. Die Oxydationsstufen des Eisens sind: Eisenoxydul FeO, Eisenoxyduloxyd Fe3O4 und Eisenoxyd Fe2O3. Die großartige Verwendbarkeit des Eisens ist bekannt: es bildet mit der Kohle die Basis unsers industriellen
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Lebens, und meist werden dabei seine physikalischen Eigenschaften verwertet. In der Metallurgie dient es bei der sogen. Niederschlagsarbeit, um aus gewissen Schwefelmetallen, z. B. aus Bleiglanz, das Blei abzuscheiden. Ebenso dient es zur Fällung von Kupfer aus Kupfervitriollösungen, zur Darstellung von gelbem Blutlaugensalz und von Anilin aus Nitrobenzol. Schwammförmiges Eisen benutzt man zum Filtrieren und Reinigen von Trinkwasser. Auch viele Eisenverbindungen finden technische und medizinische Verwendung.
Für die Organismen ist es von höchster Bedeutung: ohne Eisen ergrünt keine Pflanze, und ohne das Blattgrün vermag die Pflanze bekanntlich keine organische Substanz aus den Nahrungsstoffen (Kohlensäure und Wasser) neu zu erzeugen;
von ebenso großer Bedeutung ist das Eisen für die Tiere, bei denen es namentlich an die roten Blutkörperchen gebunden ist. Es spielt daher auch als Arzneimittel eine große Rolle.
Bei innerlichem Gebrauch von Eisen färben sich die Schleimhäute und das Gesicht lebhafter; der Puls wird voller, resistenter, und die Körperkraft wächst. Bei zu langem Gebrauch treten Hitzegefühl, Neigung zu Blutungen ein und bei sehr großen Dosen Verdauungsstörungen, Erbrechen, Durchfall. Eisen begünstigt bei gleichzeitiger Zufuhr von guter Nahrung die Bildung roter Blutkörperchen, wodurch sich die günstigen Wirkungen desselben bei anämischen und kachektischen Zuständen erklären; es dient auch bei Menstruationsstörungen und Affektionen des Nervensystems, als adstringierendes Mittel bei chronischen Darmkatarrhen und als Styptikum. Der Kot wird beim Gebrauch von Eisen dunkel, oft ganz schwarz.
Geschichte und Statistik des Eisens.
Die Kenntnis des Eisens ist sehr alt und in die Mythologie verflochten. Lepsius weist dem Eisen ein Alter vor der Steinzeit an. Wahrscheinlich benutzten die Ägypter schon mehrere Jahrtausende vor unsrer Zeitrechnung eiserne Werkzeuge. Zur Zeit Moses' (1550 v. Chr.) waren die Hebräer im Besitz von Erfahrungen über das Ausbringen des Eisens aus den Erzen und über seine Verarbeitung. Nach Homer bestimmte der Pelide veilchenblau angelaufenes Eisen zum Kampfpreis für die Bogenschützen; nach derselben Quelle war Eisen bei den pelasgischen Völkern noch selten und Kupfer das gewöhnliche Material ihrer Waffen.
Bei den Griechen waren das indische Eisen sowie das von den Chalybern am Schwarzen Meer erzeugte berühmt. Durch welches Verfahren die alten Völker des Orients das Eisen aus seinen Erzen schieden, ist nicht bekannt; wahrscheinlich aber geschah es durch denselben rohen Schmelzprozeß, dessen sich die Bewohner in dem Lande der urältesten Kultur, in Äthiopien (im Innern von Afrika), sowie die Völker Hochasiens noch jetzt bedienen. Man scheint die frühste Eisengewinnung in Gruben an Hügelabhängen ohne Anwendung eines Gebläses, bei Zugluft ausgeführt zu haben, indem man sehr reine Erze in die Glut eines niedergebrannten Feuers warf, mit Holz bedeckte und die entstandenen kleinen schmiedbaren Eisenpartien ausräumte. In Kärnten sind solche Gruben noch neuerdings aufgefunden worden sowie 0,95-1,26 m hohe gemauerte Windöfen mit Sumpf am Boden.
Unter den Römern wurde die Eisenbereitung großartiger betrieben. Sie benutzten schon 100 Jahre v. Chr. die Eisenerzlager auf Elba und in Noricum und schätzten namentlich das norische Eisen aus dem heutigen Steiermark sehr hoch. Der Prozeß der Eisengewinnung wurde zur Römerzeit in niedrigen Herden (in Kärnten in kleinen Schachtöfen von den Dimensionen der Windöfen) mit reinen, reichen Erzen und Holzkohlen unter Anwendung von Hand- und Tretbälgen mit Thondüsen ausgeführt und der erfolgende Eisenklumpen ausgeschmiedet, wie es bei den Renn- oder Luppenfeuern mancher Länder noch heutigestags geschieht.
Nach der Völkerwanderung, in welcher römische Kultur und Industrie untergegangen waren, erhoben sich die Eisenwerke zuerst wieder in Steiermark um 700 n. Chr. Die Eisenindustrie verbreitete sich von da im 9. Jahrh. nördlich über Böhmen nach Sachsen, Thüringen und dem Harz, südlich nach Spanien, dem Elsaß und Niederrhein. Im 12. Jahrh. standen die niederländischen Eisenwerke in großem Ruf; von ihnen verbreitete sich der Eisenhüttenbetrieb wahrscheinlich im 15. Jahrh. nach England und Schweden.
Durch Erhöhung der Herde auf 1,9-2,5 m im 16. Jahrh. und auf 3,8 m im 18. Jahrh. bei gleichzeitiger Anwendung von durch Wasserräder getriebenen Blasebälgen entstanden die Stück- oder Wolfsöfen, deren Anwendung in Kärnten 1775 ihr Ende erreichte. Das Produkt derselben war noch immer ungeschmolzenes, stahlartiges Eisen (»Wolf, Stück«); höher gekohltes, flüssiges Roheisen erfolgte erst bei kontinuierlichem Betrieb, als man die Wolfsöfen zu Blau- oder Blaseöfen und später zu Eisenhochöfen erhöhte.
Schon 1490 goß man im Elsaß eiserne Öfen, während sich die ältesten Spuren von Eisenguß in Sachsen erst 1550 zeigen (nach Gützlaff sollen indessen schon 700 Jahre v. Chr. in China gußeiserne Pagoden hergestellt worden sein); in England wurden bereits 1543 eiserne Kanonen gegossen. Wann und wo die Hochöfen entstanden sind, läßt sich indes nicht mit Bestimmtheit nachweisen; doch ist dies wohl ebenfalls eine niederländische Verbesserung, die im 16. Jahrh. mit der ersten Übersiedelung dieses Industriezweigs nach England und Schweden auch dahinkam. In Sachsen, Brandenburg, am Harz finden wir die Hochöfen erst im Anfang des 17. Jahrh.; der erste Hochofen in Schlesien ist 1721 errichtet worden.
Holzkohlen waren bis zum 18. Jahrh. überall das einzige Schmelzmittel. Die bedeutende Vermehrung der Eisenhochöfen im ersten Viertel des 17. Jahrh. in England, namentlich in der Grafschaft Sussex, lichtete die Wälder rasch und zwang zur Herbeischaffung eines andern Brennmaterials, welches in der Steinkohle gefunden wurde. Das Eisenwerk Colebrook Dale in Shropshire betrieb 1740 zuerst einen Hochofen mit Steinkohlen. Ferner begünstigten die seit 1760 in England eingeführten Cylindergebläse die Massenproduktion des Eisens, womit eine ausgedehntere Anwendung desselben beim Maschinenbau und für sonstige Zwecke verknüpft war.
Der Zeitpunkt der ersten Benutzung der Koks als Brennmaterial ist nicht bekannt. 1620, 1633 und 1636 wurden in England Patente auf Verkohlung der Steinkohle erteilt, aber genauere Daten über die Erzeugung derselben in Meilern und geschlossenen Öfen liegen erst aus dem Jahr 1769 vor. Außerhalb Englands verbreitete sich die Anwendung der Steinkohlen weit langsamer; in Deutschland wurde der erste Kokshochofen 1796 zu Gleiwitz errichtet. Die 1791 in Pennsylvanien entdeckten Anthracite kamen erst 1815 in Nutzung, für die Eisenhochöfen noch einige Jahre später.
Zu den folgenreichsten Fortschritten beim Eisenhochofenbetrieb gehören die Erhitzung der Gebläseluft und die Verwendung der Gichtgase für Heizzwecke. Nachdem schon Seddler um 1799 und Leuchs 1822 auf die Vorteile der erhitzten Luft aufmerksam gemacht hatten, nahm Neilson dafür 1828 ein englisches Erfindungspatent und führte die Erfindung 1831
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mit Macintosh und Wilson auf den Clyde Iron Works in Schottland aus, worauf man die heiße Luft alsbald weiter bei Kupolöfen, Frischfeuern etc. anwandte. Während man früher in den eisernen Winderhitzungsapparaten Temperaturen über 400° meist nicht erlangen konnte, so erzielt man jetzt solche von 800° C. und mehr in den Regenerativapparaten von Cowper und Whitwell u. a.
Die Gichtgase wurden 1814 von Aubertot zum Erzrösten, Kalk- und Ziegelbrennen angewandt; 1836 nahm Sire zu Clerval ein Patent auf deren Benutzung für das Eisenfrischen, und 1837 führte Faber du Faur das Puddeln mit Gasen zu Wasseralfingen (Württemberg) aus, seit welcher Zeit die Sache erst allgemeiner bekannt geworden ist. Man hat dann die Anwendung der Gichtgase zur Erzeugung hoher Temperaturen (z. B. für Puddel- und Schweißöfen) meist aufgegeben wegen ihrer Abhängigkeit vom wechselnden Hochofengang und sie mit großem Vorteil beschränkt auf die Erzeugung niederer Temperaturen, welche zeitweilig schwanken dürfen (Gebläsewinderhitzung, Rösten, Kalkbrennen, Dampfkesselfeuerung etc.). Die Bestrebungen der Neuzeit beim Hochofenbetrieb gehen dahin, durch Anwendung großer Öfen bei gleichzeitg ^[richtig: gleichzeitig] verstärktem Gebläse und stärker erhitztem Wind kolossale Produktionen unter Brennstoffersparung zu erzielen (das Großartigste in dieser Hinsicht wird im Clevelanddistrikt in England geleistet) und zweckmäßigere Konstruktion der Öfen zur Verlängerung der Kampagnen, bequemere Arbeit und Materialersparung (Öfen mit geschlossener Brust, Büttgenbachs Hochofen, Lürmanns Schlackenform, Annäherung der Innengestalt der Hochöfen an die Tonnen- oder Cylinderform etc.) zuwege zu bringen.
Von hoher Bedeutung für die Schmiedeeisenerzeugung war die Erfindung des Eisenpuddelns in Flammöfen mit Steinkohlen. Das erste englische Patent auf das Flammofenfrischen erhielten 1766 Thomas und George Cranage, wie es aber scheint, ohne praktischen Erfolg, den erst Henry Cort 1784 erzielte. Östlund gab 1838 die erste Anregung zu einem Puddelofen mit beweglichem Herd, welcher aber erst von dem Amerikaner Danks durch Erzielung eines haltbaren Futters 1871 lebensfähig gemacht ist.
Eine Erweiterung erfuhr der Puddelprozeß durch die Generatorgasfeuerung, welche zuerst Bischoff in Mägdesprung 1839 ausführte. Während die Gase anfangs in dem Zustand, wie sie den Generator verlassen, durch kalte oder heiße Zug- oder Gebläseluft verbrannt wurden, lehrte Siemens 1860 nach seinem Regenerativsystem sowohl Generatorgase als Luft durch Überhitze stark zu erhitzen, seit welcher Zeit man Temperaturen zu erzeugen im stande ist, von denen man früher keine Ahnung hatte.
Man kann dabei Brennmaterialien (Braunkohle, Holz, Sägespäne, Torf etc.) verwenden, die früher für die Eisenindustrie nicht verwertbar waren. Ponsard hat neuerdings versucht, die Regenerativfeuerung kontinuierlich zu machen und dieselbe mit Rotieröfen zu verbinden (Sellers Ofen). Auch die Anwendung von staubförmigem Brennmaterial überhaupt sowie besonders bei Rotieröfen macht Fortschritte (Cramptons Rotierofen). Durch die Einführung des Puddelprozesses stellte sich das Bedürfnis heraus, verbesserte und vergrößerte Walzwerke zu besitzen.
Der erste Schritt auf diesem Feld war die Einführung des Zängewalzwerks statt des Zängehammers durch Henry Cort 1783 und W. Purnell 1787. Von da an kamen die später verschiedentlich abgeänderten Stabeisenwalzwerke in Gebrauch, deren indessen Payne schon 1728 erwähnt. In Frankreich kamen Walzwerke erst zu Ende des 18. Jahrh. in Anwendung, in Deutschland und Österreich erst im ersten Viertel des 19. Jahrh. Das Universalwalzwerk erfand Daelen in Hörde 1848. Die Walzwerke führten wiederum zur Herstellung von Dampfkesseln aus Eisenblech statt aus Gußeisen; 1820 fertigte der Engländer Birkinshaw gewalzte Eisenbahnschienen an, und 1825 baute Stephenson mit solchen die erste für das Publikum bestimmte Eisenbahn von Stockton nach Darlington, nachdem er bereits 1812 die erste Lokomotive für die Kohlenwerke von Darlington hergestellt hatte.
Das älteste Projekt eines Dampfhammers der jetzt gebräuchlichen Art rührt von James Watt, dem Begründer des neuern Dampfmaschinenwesens, aus dem Jahr 1784 her, ohne daß dasselbe zur Ausführung kam. 1838 oder 1839 lieferte James Nasmyth zu Patricroft bei Manchester Zeichnungen zu einem Dampfhammer, welcher zu Creusot in Frankreich praktisch ausgeführt wurde. Das Eisenschneidwerk wurde 1618 Clement Dawbeny in England patentiert und um die Mitte des 18. Jahrh. auch in Deutschland bekannt.
Die erste Luppenquetsche ist 1805 von John Hartop in England angewandt. Während die Roh- und Stabeisenbereitung allmählich bedeutende Fortschritte machte, blieb die Stahlerzeugung lange Zeit auf derselben Stufe stehen. 1730 gelang es zwar B. Huntsman (bei Sheffield), durch Umschmelzen von Zement- oder Herdfrischstahl einen vorzüglichen Gußstahl herzustellen; aber das Produkt war zu einer allgemeinern Verwendung zu teuer. Erst seitdem H. Bessemer 1856 die Entkohlung des geschmolzenen Roheisens durch eingepreßte Luft eingeführt hat, ist es möglich, Stahl (Bessemerstahl) in großen Massen und zu billigen Preisen zu liefern, und seitdem ist eine Umwälzung in der gesamten Eisenindustrie eingetreten. Von großer Wichtigkeit ist ferner die seit 1865 von Martin in größerm Maßstab eingeführte Darstellung des Flammofenflußeisens (Martineisens). Die wichtigste Erfindung der Neuzeit in der Eisenindustrie ist unstreitig die weitere Ausbildung des Bessemer-Prozesses durch Thomas und Gilchrist (1879), wodurch dieser Prozeß auch für phosphorhaltiges Roheisen anwendbar wurde. - Agricola ist der erste, der mit der Gründung der Metallurgie auch dem Eisenhüttenwesen eine wissenschaftliche Form zu geben suchte. Zu Anfang des 18. Jahrh. folgten Réaumur und Swedenborg mit ihren Werken, und gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts verbreiteten Bergman und Sveen v. Riemann das erste Licht sowohl über die Natur des Eisens als auch über die bei seiner Gewinnung im großen angewandten Verfahrungsarten. Vollständige Aufklärung über die Ursache des Unterschiedes zwischen den verschiedenen Eisensorten verdankt man wesentlich den umfassenden Arbeiten Karstens.
Die Eisenindustrie hat in den letzten 40 Jahren einen ganz erstaunlichen Aufschwung genommen. Den Impuls dazu gaben direkt und indirekt die neuen Verkehrsmittel, Eisenbahnen und Dampfschiffe. Die Eisenbahnen bedürfen pro Meile zu neuer Belegung allein 10,500 Ztr. Schienen und zur Erneuerung pro Jahr 1200 Ztr. Danach berechnet sich der jährliche Bedarf der vorhandenen Eisenbahnen auf 42 Mill. Ztr. und für den Neubau auf 31 Mill. Der leichtere Verkehr regte aber Bedürfnisse auf allen Gebieten an, und zur Befriedigung derselben bedurfte man in erster Linie der Maschinen, welche enorme Mengen von Eisen verbrauchten. Die Produktion der preußischen Bergwerke an Eisenerzen betrug:
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1881 | 1882 | 1883 | |
---|---|---|---|
Menge in Tonnen | 3933314 | 4027473 | 4118331 |
Wert in Mark | 26968182 | 28318806 | 27507476 |
Die Produktion im Deutschen Reich (inkl. Luxemburg) betrug:
1883 | 1884 | |||
---|---|---|---|---|
Menge in Tonnen | Wert in Mark | Menge in Tonnen | Wert in Mark | |
a) Eisenerze | 8616245 | 38638813 | 8866941 | 36773637 |
b) Roheisen | 3452335 | 183907208 | 3583315 | 171706367 |
c) Schweißeisen | 1463863 | 215216158 | 1483906 | 198489005 |
d) Flußeisen | 1044775 | 166380346 | 1122081 | 163654446 |
Nach den Mitteilungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustriellen war die Produktion der verschiedenen Gattungen von Roheisen (in Tonnen):
1883 | 1884 | |
---|---|---|
Puddeleisen | 2045396 | 2068692 |
Spiegeleisen | 122180 | 120555 |
Bessemereisen | 495920 | 486083 |
Thomaseisen | 369685 | 488746 |
Gießereiroheisen | 347607 | 371079 |
Ein- und Ausfuhr im Deutschen Reich 1883 (in Tonnen):
Einfuhr | Ausfuhr | |
---|---|---|
Eisenerze | 800373 | 1886450 |
Roheisen aller Art | 274821 | 259014 |
Stabeisen | 16128 | 146989 |
Eisenbahnschienen | 1485 | 176178 |
Eisendraht | 3849 | 203627 |
Nach den Mitteilungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustriellen stellt sich 1884 die Einfuhr von Roheisen auf 272,282 T., die Ausfuhr auf 273716 T.
Die Roheisenproduktion der sechs Hauptländer betrug nach Trasenter (in Tonnen):
1881 | 1882 | |
---|---|---|
Großbritannien | 8250000 | 8620000 |
Vereinigte Staaten | 4210000 | 4696000 |
Deutschland | 2914000 | 3380000 |
Frankreich | 1886000 | 2033000 |
Belgien | 624000 | 717000 |
Österreich-Ungarn | 523000 | 573000 |
Zusammen: | 18407000 | 20020000 |
Die Puddeleisenproduktion der ganzen Welt stellt sich auf 9 Mill. T., die Flußeisenproduktion auf 6,500,000 T.
Die Ausfuhr an Roheisen und schmiedbarem Eisen betrug (in Tonnen):
1881 | 1882 | |
---|---|---|
Großbritannien | 3877000 | 4415000 |
Deutschland | 1135000 | 1065000 |
Belgien | 400000 | 468000 |
Schweden | 262000 | 286000 |
Frankreich | 120000 | 105000 |
Österreich-Ungarn | 47000 | 39000 |
Zusammen: | 5840000 | 6380000 |
Litteratur: Sveen v. Riemann, Geschichte des Eisens, aus dem Schwedischen von Karsten (Liegn. 1814);
Karsten, Handbuch der Eisenhüttenkunde (3. Aufl., Berl. 1841, 5 Bde.);
Scheerer, Lehrbuch der Metallurgie (Braunschw. 1846-53, 2 Bde.);
Hartmann, Vademekum für den praktischen Eisenhüttenmann (3. Aufl., Hamm 1863);
Derselbe, Fortschritte des metallurgischen Hüttengewerbes, Bd. 1-6 (Leipz. 1858-63), fortgesetzt von A. v. Kerpely unter dem Titel: »Bericht über die Fortschritte der Eisenhüttentechnik« (das. 1866-78);
Kerl, Handbuch der Eisenhüttenkunde (2. Aufl., das. 1864);
Derselbe, Grundriß der Eisenhüttenkunde (das. 1875);
Dürre, Handbuch des gesamten Eisengießereibetriebes (2. Aufl., das. 1875, 2 Bde.);
Percy-Wedding, Ausführliches Handbuch der Eisenhüttenkunde (Braunschw. 1864-78);
Wedding, Schmiedbares Eisen (basischer Bessemer-Prozeß), 1. Ergänzungsband (das. 1884);
Derselbe, Grundriß der Eisenhüttenkunde (2. Aufl., Berl. 1880);
Kerpely, Die Anlage und Einrichtung von Eisenhütten (Leipz. 1873);
Derselbe, Das Eisen auf der Wiener Ausstellung (Schemnitz 1873);
Stölzel, Metallurgie (Braunschw. 1863 ff.);
Bell-Tunner, Über die Entwickelung und Verwendung der Wärme in Eisenhochöfen (Leipz. 1870);
Ledebur, Das Roheisen, mit besonderer Berücksichtigung seiner Verwendung in der Eisengießerei (2. Aufl., das. 1879);
Derselbe, Die Verarbeitung der Metalle (Braunschw. 1877-79);
Derselbe, Leitfaden für Eisenhütten-Laboratorien (das. 1881);
Derselbe, Eisengießerei (Leipz. 1882);
Reiser, Das Härten des Stahls (das. 1881);
Rott, Fabrikation des schmiedbaren und Tempergusses (das. 1881);
Beck, Geschichte des Eisens (Braunschw. 1884 ff.);
»Stahl und Eisen«, Zeitschrift der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller (Düsseld., seit 1881).