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Zeugung und Abtreibung der Leibesfrucht, Unfruchtbarkeit der Frau, Untüchtigkeit des Mannes, wegen entehrender Strafen, wegen böslicher Verlassung und wegen Ehebruchs. Nach dem preußischen allgemeinen Landrecht dürfen auch wegen Wahnsinns des einen Teils und auf Grund gegenseitiger Einwilligung kinderlose Ehen geschieden werden. Die Wirkung einer vollständigen Scheidung besteht in der Auflösung des bisherigen Nexus in persönlicher und dinglicher Beziehung.
Die Vermögensverhältnisse werden mit Rücksicht auf Schuld und Unschuld gesondert und dabei bestimmte Vorteile und Nachteile zuerkannt. Ob die Kinder einem der beiden Ehegatten allein zu überlassen sind, oder ob sie geteilt werden sollen, darüber hat der Richter nach den Umständen des Falles zu bestimmen. Für das Deutsche Reich [* 2] hat das Gesetz vom (§ 77) die wichtige Bestimmung getroffen, daß, wenn nach bisherigem Recht auf beständige Trennung der Ehegatten vom Tisch und Bett [* 3] zu erkennen sein würde, fortan die Auflösung des Bandes der Ehe ausgesprochen werden soll.
Die
Gerichtsbarkeit in Ehesachen stand früher allgemein den geistlichen
Gerichten, in der evangelischen
Kirche den Konsistorien zu, ist aber allenthalben auf die weltlichen Behörden übergegangen. Nach dem
Reichsgesetz vom und
nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz sind in streitigen Ehe- und Verlöbnissachen die bürgerlichen
Gerichte ausschließlich
kompetent. Für Recht
sstreitigkeiten, welche die Trennung, Ungültigkeit oder
Nichtigkeit einer Ehe oder
die Herstellung des ehelichen
Lebens zum Gegenstand haben (Ehesachen), ist ausschließlich das
Landgericht zuständig, bei
welchem der Ehemann seinen allgemeinen
Gerichtsstand hat (deutsche
Zivilprozeßordnung, § 568 ff.). Das
Verfahren in Ehesachen
(Eheprozeß) ist um deswillen ein eigentümliches, weil die
Parteien über den Streitgegenstand, die Ehe, nicht
beliebig verfügen können.
Denn es handelt sich dabei nicht lediglich um ein Privatrecht
sverhältnis. Darum kann z. B.
ein
Eheprozeß nicht einfach durch ein
Geständnis einer
Partei erledigt werden, sondern das
Gericht hat von
Amts wegen darauf
Bedacht zu nehmen, daß die nötigen
Beweise geführt werden, um objektiv den Sachverhalt darzulegen.
Darum kommen im
Eheprozeß die Vorschriften über die
Folgen der unterbliebenen oder verweigerten
Erklärung über
Thatsachen
oder über die Echtheit von
Urkunden, die Vorschriften über den
Verzicht der
Parteien auf die Beeidigung der
Zeugen und
Sachverständigen
sowie die Vorschriften über die
Wirkungen eines Anerkenntnisses, eines gerichtlichen Geständnisses und
die Erlassung eines
Eides nicht zur Anwendung.
Die Eideszuschiebung und der Antrag, dem Gegner die Vorlegung einer Urkunde aufzugeben, sind nicht zulässig, soweit es sich um Thatsachen handelt, welche die Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe begründen. Im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit, auf welche es im Eheprozeß ankommt, kann auch das persönliche Erscheinen der Parteien vor Gericht verlangt und erzwungen werden. Die Staatsanwaltschaft ist zur Mitwirkung im Prozeßverfahren befugt.
Ein Versäumnisurteil ist gegen den Beklagten oder Widerbeklagten ausgeschlossen, es sei denn, daß er in einem zur Leistung eines richterlichen Eides bestimmten Termin ausbleibt. Die Öffentlichkeit ist im Eheprozeß stets auf Antrag einer Partei auszuschließen. Bevor ein Termin zur mündlichen Verhandlung über eine Ehescheidungsklage oder eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens stattfindet, muß bei dem Amtsgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, stets ein Sühnetermin stattgefunden haben, zu welchem die Parteien in Person erscheinen müssen.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Kirchenrechts und des Zivilprozesses: Unger, Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwickelung (Wien [* 4] 1850);
Stölzel,
Deutsches Eheschließungsrecht
(3. Aufl., Berl. 1876);
Sohm, Das Recht der Eheschließung, aus dem deutschen und kanonischen Recht geschichtlich entwickelt (Weim. 1875);
v.
Scheurl, Die
Entwickelung des kirchlichen Eheschließungsrechts
(Erlang. 1877);
Derselbe, Das gemeine deutsche Eherecht (das. 1881-82);
Friedberg, [* 5] Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwickelung (Leipz. 1865);
Derselbe, Die Geschichte der Zivilehe (Berl. 1877);
Derselbe, Verlobung und Trauung (Leipz. 1876);
Hinschius, Das deutsche Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes (2. Aufl., Berl. 1876);
Glisson, Le [* 6] mariage civil (2. Aufl., Par. 1880);
Klein, Das Eheverlöbnis (Straßb. 1881);
Peters, Die Ehescheidung (Berl. 1881);
Hübler, Eheschließung und gemischte Ehen in Preußen [* 7] nach Recht und Brauch der Katholiken (das. 1883);
Hölder, Die römische Ehe (Zürich [* 8] 1874);
Barra, Das Heiraten in alten u. neuen Gesetzen (Berl. 1874);
Post, Die Geschlechtsgenossenschaft der Urzeit und die Entstehung der Ehe (Oldenb. 1875);
Lichtschein, Die Ehe nach mosaisch-talmudischer Auffassung (Leipz. 1879).