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normieren kann, unterliegt keinem Zweifel. Er wird dadurch allen Religionsparteien gerecht und vermeidet wenn auch nicht den Widerstreit der religiösen Auffassungen verschiedener Konfessionen, [* 2] so doch dessen nachteilige Wirkung in Ansehung einzelner Staatsbürger bei dem Vorhaben einer Eheschließung. Zu diesem Zweck muß aber die Zivilehe eine obligatorische sein, d. h. der bürgerliche Eheschließungsakt muß unter allen Umständen und für alle Staatsangehörigen in gleicher Weise gefordert werden, indem es den Brautleuten überlassen bleibt, ob sie neben der zivilen Eheschließung noch um die kirchliche Weihe ihres Ehebundes nachsuchen wollen oder nicht.
Besteht die Möglichkeit der bürgerlichen Trauung nur aushilfsweise für den Fall, daß die kirchliche Trauung nicht erlangt werden kann (Notzivilehe), wie z. B. in Österreich [* 3] (Gesetz vom für die Konfessionslosen, oder läßt das Gesetz, wie es in England für die zur Staatskirche Gehörigen der Fall ist, den Brautleuten zwischen der kirchlichen und der bürgerlichen Eheschließung die Wahl (fakultative Zivilehe), so hat ein solches System weit eher den Charakter einer Opposition gegen Kirche und Religion, ganz abgesehen davon, daß jene Systeme den Charakter der Ausnahmegesetze tragen.
Durch die obligatorische Zivilehe dagegen ist eine allgemeine Norm für alle Eheschließungen aller Konfessionen gegeben, ohne daß dabei das Bedürfnis der Verlobten nach kirchlicher Trauung und Einsegnung irgendwie beeinträchtigt wird. Dies System ging von Frankreich aus auch in diejenigen deutschen Territorien über, in welchen das französische bürgerliche Gesetzbuch Gesetzeskraft erlangt hat, nämlich Rheinbayern, Rheinpreußen, Rheinhessen und Birkenfeld.
Aus den deutschen Grundrechten von 1848 erhielt sich die obligatorische Zivilehe nur für die Stadt Frankfurt [* 4] a. M. in Geltung, und 1870 schloß sich auch Baden [* 5] jenem System an, nachdem dort zuvor, ebenso wie in verschiedenen andern deutschen Staaten, schon die fakultative Zivilehe eingeführt gewesen war. Der Kulturkampf in Preußen, [* 6] welcher sich im Anschluß an die Verkündigung des Dogmas von der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Konzil von 1870 entspann, machte die Einführung der Zivilehe zur Notwendigkeit, und so ist dieselbe und zwar die obligatorische Ziviltrauung zunächst für die preußische Monarchie durch Gesetz vom demnächst aber durch das wiederholt angeführte Reichsgesetz vom für das gesamte Reichsgebiet eingeführt worden. In Italien [* 7] war die obligatorische Zivilehe bereits in Kraft [* 8] getreten, wie sie denn auch in der Schweiz, [* 9] in England für die Dissenters, in Dänemark, [* 10] Schweden [* 11] und Norwegen, in den Donaufürstentümern, in Mexiko [* 12] und teilweise auch in Südamerika [* 13] eingeführt, auch in Spanien [* 14] vorübergehend während der Republik in Geltung gewesen ist. In Deutschland [* 15] hat sich in neuester Zeit eine rückläufige Bewegung gegen die obligatorische Zivilehe geltend gemacht, die jedoch nicht über das Stadium der Petitionen hinausgekommen ist, wenn sich auch Fürst Bismarck im Reichstag nicht ungünstig für solche Bestrebungen ausgesprochen hat.
Nach dem Reichsgesetz vom (§ 41 ff.) erfolgt die Eheschließung nach stattgehabtem Aufgebot (s. d.) vor dem Standesbeamten, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Auf schriftliche Ermächtigung des zuständigen Standesbeamten hin darf die Eheschließung auch vor dem Standesbeamten eines andern Ortes stattfinden. Der Mangel der Zuständigkeit des Standesbeamten zieht die Nichtigkeit der Ehe nicht nach sich.
Die Eheschließung erfolgt in Gegenwart von zwei großjährigen Zeugen durch die an die Verlobten einzeln und nacheinander gerichtete Frage des Standesbeamten, ob sie erklären, daß sie die Ehe miteinander eingehen wollen, durch die bejahende Antwort der Verlobten und durch den hierauf erfolgenden Ausspruch des Standesbeamten, daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre. Hierauf erfolgt die Eintragung in das Heiratsregister.
Ein Geistlicher oder ein andrer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen sei, wird mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Das Reichspersonenstandsgesetz hat übrigens (§ 82) ausdrücklich erklärt, daß die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf die Trauung durch dieses Gesetz nicht berührt werden.
Auch ist die katholische Kirche bei ihren bisherigen Vorschriften gegenüber diesem Gesetz, welches sich ja lediglich auf die bürgerliche Gültigkeit der Ehe bezieht, einfach stehen geblieben. Dagegen sind für die protestantische Kirche in den meisten deutschen Staaten Trauordnungen infolge jenes Reichsgesetzes erlassen worden. Mitunter ist darin als Folge der verweigerten kirchlichen Trauung der Verlust des aktiven und passiven kirchlichen Wahlrechts und des Rechts, Taufpate zu sein, statuiert, auch wohl der Ausschluß vom heiligen Abendmahl als zulässig erklärt.
Indessen sind die Fälle, in welchen die nachfolgende kirchliche Trauung nicht nachgesucht wird, verhältnismäßig selten. Angehörige des Deutschen Reichs können im Ausland nach dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom auch vor einem zuständigen Reichskonsul oder vor einem sonst hierzu ermächtigten diplomatischen Vertreter rechtsgültig eine Ehe schließen. Eine Eheschließung im Weg der Stellvertretung oder im Weg der Prokuratur kann nach dem deutschen Personenstandsgesetz nicht stattfinden.
Bei fürstlichen Personen wird indessen zuweilen diese Form gewählt, die nach kanonischem Recht auf Grund eines Spezialmandats zulässig ist, aber nachträgliche ausdrückliche Zustimmung des abwesenden Teils erheischt. Eine sogen. Gewissensehe (matrimonium conscientiae), d. h. eine Vereinigung von Mann und Weib zu einem ehelichen Beisammensein auf Lebenszeit ohne Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften, bloß durch gegenseitige Erklärung des Ehekonsenses, ist rechtlich lediglich als eine Form des Konkubinats zu betrachten.
Wirkungen der Eheschließung.
Wenn auch die Bedeutung der Ehe zunächst eine religiös-sittliche ist, so übt dieselbe doch einen so erheblichen Einfluß auf die menschlichen Lebensverhältnisse aus, daß die bürgerliche Gesetzgebung sich der Aufgabe nicht entziehen kann, die Ehe als Rechtsinstitut zu normieren und den Ehebund unter strafrechtlichen Schutz zu stellen. Eine Doppelehe (s. Bigamie) wird streng geahndet, und auch die Verletzung der ehelichen Treue kann öffentliche Strafe nach sich ziehen (s. Ehebruch). Da die katholische Kirche die Ehe als Sakrament betrachtet, nimmt sie das Recht der Gesetzgebung in Ehesachen in Anspruch, wie denn auch im Mittelalter und bis in die neuere Zeit hinein die Ehestreitigkeiten vor geistlichen Gerichten verhandelt wurden. Wenn nun aber, wie es in Deutschland durch das Personenstandsgesetz geschehen, der Staat die Ehesachen zum Gegenstand seiner Gesetzgebung macht, so können die ¶
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abweichenden kirchlichen Satzungen nicht mehr den Charakter zwingender Gesetze, sondern nur die Bedeutung von Vorschriften beanspruchen, welche das Gewissen der einzelnen Katholiken binden. In privatrechtlicher Hinsicht ist das Eherecht, d. h. der Inbegriff der auf die Ehe bezüglichen Rechtsnormen, von jeher Gegenstand der weltlichen Gesetzgebung gewesen. Aber gerade in Ansehung der Wirkungen, welche die Ehe auf die Vermögensverhältnisse der Ehegatten ausübt (eheliches Güterrecht), ist in Deutschland keineswegs ein einheitliches Rechtssystem zur Geltung gelangt.
Nur teilweise fanden die Bestimmungen des römischen Rechts Eingang, und auf keinem Rechtsgebiet ist die Zerrissenheit eine gleich große und das Bedürfnis nach Abhilfe ein dringenderes als auf demjenigen des ehelichen Güterrechts. Das in Vorbereitung befindliche allgemeine deutsche bürgerliche Gesetzbuch wird auch hier die so nötige Rechtseinheit bringen (s. Güterrecht der Ehegatten). Im übrigen schulden sich die Ehegatten eheliche Treue und eheliche Pflicht.
Sie können nicht zum Zeugnis gegenüber dem Gatten gezwungen werden. Den Wohnort bestimmt der Ehemann. Er kann von der Frau häusliche Dienste [* 17] verlangen. Dafür hat die Frau von dem Ehemann standesgemäßen Unterhalt zu beanspruchen. Dieselbe kann sich ohne Zustimmung des Mannes nicht vertragsmäßig verpflichten, wofern sie nicht eine Handelsfrau ist. In häuslichen Geschäften hat jedoch das deutsche Recht der Ehefrau eine gewisse Vertragsfähigkeit eingeräumt (sogen. Schlüsselrecht).
Die Frau teilt den Namen, den Rang, Stand und Gerichtsstand des Mannes, sofern es sich um eine vollwirksame und nicht etwa um eine morganatische Ehe handelt. Diese Rechte verbleiben ihr auch im Witwenstand. Kinder aus einer legitimen Ehe sind gleichfalls legitim. Die Ehefrau kann gegen den Ehemann auf Anerkennung der ehelichen Kinder klagen. Durch nachfolgende Ehe (per subsequens matrimonium) können auch außereheliche Kinder die Rechte von ehelichen erhalten. Die Eltern haben die Pflicht, ihre Kinder zu erhalten und zu erziehen. Auf der andern Seite ist für dieselben die elterliche und für den Vater insbesondere die väterliche Gewalt begründet.
Auflösung der Ehe.
Eine Ehe wird entweder so getrennt, daß sie gänzlich aufhört, daß also eine neue Ehe möglich, oder so, daß nur das eheliche Zusammenleben, nicht aber das Eheband selbst gelöst wird, also eine neue Ehe nicht möglich ist. Der erstere Fall liegt vor bei dem Tod eines Ehegatten, bei richterlicher Nullitätserklärung sowie bei der Ehescheidung. Der letzte Fall, die dauernde Scheidung von Tisch und Bett, [* 18] Separatio perpetua quoad mensam et torum, ist nur der katholischen Kirche bekannt.
Eine zeitweilige Scheidung von Tisch und Bett aber kennen beide Kirchen. Bei vorliegender Nichtigkeit würde es eigentlich einer besondern Nichtigkeitsklage nicht bedürfen; es sind aber doch Klagen gegeben, welche auf die Nullitätserklärung der Ehe gehen, sogen. Nullitätsklagen, wobei natürlich nur die trennenden, nicht die zu beseitigenden Ehehindernisse entscheiden. Die Nichtigkeitsklage wird begründet durch Seelenstörungen, durch den Mangel des gesetzlichen Alters, durch geflissentliche Verheimlichung solcher Übel, welche außerdem in die Sinne gefallen sein würden und namentlich den Zwecken der Ehe mittelbar oder unmittelbar hinderlich sind, durch Körpergebrechen und Mängel, die, als nicht sofort in die Sinne fallend, dem andern Teil unbekannt blieben, und wodurch die Begattung und Kindererzeugung entweder ganz verhindert oder bedeutend erschwert, oder der natürliche Antrieb dazu unterdrückt oder die Besorgnis der Ansteckung und Übertragung auf die Kinder gerechtfertigt wird.
Was die Trennung einer rechtsgültigen Ehe anbelangt (Ehescheidung, divortium), so bestand bei den Römern vollkommene Scheidungsfreiheit; jeder der Ehegatten konnte die Ehe einseitig auflösen (repudium mittere). Eine Auflösung mit gegenseitiger Übereinstimmung (divortium bona gratia) war ganz ohne nachteilige Folgen für die beiden Parteien; hatte dagegen der eine Ehegatte dem andern einseitig die Ehe ohne Grund aufgekündigt, oder hatte er ihm gegründete Ursache zur Auflösung der Ehe gegeben, so waren gewisse vermögensrechtliche Nachteile damit verbunden.
Auch nach mosaischem Recht bestand vollkommene Scheidungsfreiheit. Christus erklärte (Matth. 19, 8. f.) jedoch, daß eine Scheidung nie nach menschlichem Willen erfolgen solle; bloß beim Ehebruch solle sie erlaubt sein. Auch wird vor Wiederverehelichung gewarnt und dieselbe geradezu Ehebruch genannt. Deshalb entstand in der ältern Kirche ein großer Streit, ob überhaupt eine Wiederverehelichung zuzulassen sei, der durch die Autorität Augustins dahin entschieden wurde, daß ein Geschiedener bei Lebzeiten des andern Teils nicht wieder heiraten dürfe.
Doch wurde diese kirchliche Lehre [* 19] keineswegs gleich ins Leben eingeführt; erst im 12. Jahrh. gelang es, die Ansicht von der gänzlichen Unauflösbarkeit der Ehe überall zur Geltung zu bringen, welche man aus der Sakramentalität der Ehe herleitete. Nur eine Scheidung von Tisch und Bett (separatio quoad mensam et torum) erlaubt die katholische Kirche, und zwar eine beständige (perpetua) und zeitweilige (temporaria). Die Separatio perpetua erfolgt wegen Ehebruchs und wegen böslicher Verlassung (malitiosa desertio), die Separatio temporaria dagegen aus gegenseitigem Haß und Feindschaft, wegen Abfalls vom katholischen Glauben und Gefahr der Verführung für den andern Teil, wegen ansteckender Krankheit etc. Die katholische Separatio perpetua wird partikularrechtlich in ihren zivilen Wirkungen oft der völligen Scheidung gleichgesetzt, und es wird dem Gewissen der Getrennten überlassen, ob sie eine fernere Ehe eingehen wollen oder nicht. In Frankreich wurde während der Republik die Scheidung den Eheleuten völlig freigegeben; Napoleon I. erklärte jedoch die eigenmächtigen Scheidungen für unzulässig, und im Code Napoléon wurden nur Untreue des Mannes, die jedoch erst dann vorliegt, wenn er eine Konkubine in der gemeinschaftlichen Wohnung gehabt hat, und Untreue der Frau, Mißhandlungen und grobe Injurien, Verurteilung zu entehrenden Strafen und beiderseitige Einwilligung, doch nur, wenn der Mann über 25 und die Frau über 21 Jahre alt ist, und unter vielen Förmlichkeiten, als gültige Scheidungsgründe anerkannt.
Nach evangelischem Kirchenrecht ist eine Ehescheidung auf zweifache Weise möglich, und zwar nicht nur eine Scheidung von Tisch und Bett (quoad mensam et torum), sondern eine gänzliche Trennung der Ehegatten (quoad vinculum); nämlich einmal in manchen protestantischen Ländern aus landesherrlicher Machtvollkommenheit, da der Landesherr nach evangelischem Kirchenrecht das Oberhaupt der Landeskirche ist, und außerdem durch richterliches Erkenntnis. Es ist jedoch nicht unbestritten, ob das landesherrliche Scheiderecht überhaupt noch zu Recht besteht. Durch gerichtliche Entscheidung kann eine Ehe getrennt werden wegen Sodomie und Päderastie, fortgesetzter Verweigerung der ehelichen Pflichten, unversöhnlichen Hasses und Feindschaft, Lebensnachstellung, Verhinderung der ¶