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gebar, die schottischen Kroninsignien und eine 1476 in Mons [* 2] geschmiedete Riesenkanone. Das Schloß enthält Kasernen für 2000 Mann und ein Zeughaus mit 30,000 Gewehren. Es wird durch Batterien verteidigt, kann aber einem nach den Regeln der modernen Kriegskunst unternommenen Angriff nicht widerstehen. Nicht weit vom Schloß, in der Hochstraße, steht das 1632-40 erbaute Parlamentshaus, in welchem früher die schottischen Parlamente zusammenkamen, und welches jetzt Sitz der obersten Gerichtshöfe des Landes ist (über die dort befindlichen Bibliotheken s. unten).
In der 43½ m langen, 13 m breiten großen Halle [* 3] sind die Bildsäulen schottischer Rechtsgelehrten aufgestellt. Daneben steht die Grafschaftshalle, ein dem Erechtheion und dem choragischen Monument des Thrasyllos nachgeahmter klassischer Bau, und gegenüber das Rathaus mit Börse. Hochstraße und Canongate in östlicher Richtung verfolgend, gelangen wir zu dem im 16. Jahrh. erbauten Holyroodpalast, der vormaligen Residenz der schottischen Könige, 1850 restauriert und zweimal von Karl X. von Frankreich als Flüchtling bewohnt.
Nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Baues ist noch vorhanden; der schöne, von Säulenhallen umgebene Hof [* 4] stammt aus der Zeit Karls II. und wurde erst in diesem Jahrhundert vollendet. Im ersten Stock zeigt man das Gemach, in welchem Riccio von Darnley ermordet wurde. Die Ruinen der im 12. Jahrh. erbauten Kirche der 1128 gestifteten Abtei von Holyrood stoßen nordöstlich an den Palast an. Noch jetzt, wie in frühern Jahrhunderten, gilt die Umgegend von Holyrood und Canongate als Freistätte für zahlungsunfähige Schuldner. In der Neustadt, [* 5] am obern Ende von Princes Street, stehen das Archiv (Register office) mit Kuppel von 15 m Durchmesser und das 1861 in neuitalienischem Stil erbaute Postamt.
Die Bevölkerung [* 6] ist von 196,979 Seelen im J. 1871 auf 228,357 im J. 1881 angewachsen, mit Leith und [* 7] Granton aber, seinen eng mit der Stadt verbundenen Hafenstädten, zählt Edinburg [* 8] 296,414 Einw. Edinburg kann weder als bedeutende Handelsstadt noch als Fabrikstadt gelten trotz seiner großen Brauereien, Druckereien und Buchbindereien. Es verdankt seine Blüte [* 9] wesentlich den Gerichtshöfen und den zahlreichen öffentlichen Schulen. Ungemein groß ist die Zahl der wohlthätigen Anstalten, die fast insgesamt dem Bürgersinn reicher Stifter ihre Entstehung verdanken.
Unter ihnen ragen hervor: das 1879 eröffnete Krankenhaus [* 10] (Infirmary) mit 600 Betten, Chalmers' Hospital, eine Gebäranstalt, ein Irrenhaus für 840 Kranke, 2 Blindenschulen, 2 Taubstummenanstalten, 2 Waisenhäuser, Besserungsanstalten für jugendliche Verbrecher, Zufluchtsstätten für Obdachlose und für gefallene Mädchen, zahlreiche Asyle der verschiedensten Art, 2 städtische Armenhäuser sowie mehrere große Bildungsanstalten, als Watson's College, Fettes' College, Heriot's Hospital, Donaldson's Hospital u. a.
Unter den zahlreichen Bildungsanstalten und Vereinen für die Pflege von Wissenschaft und Kunst, deren Bestehen Edinburg einen Teil seines Rufs und seiner Blüte verdankt, verdient die 1582 von Jakob VI. gegründete Universität zuerst genannt zu werden. Das jetzige Universitätsgebäude wurde 1789-1827 nach dem Entwurf Rob. Adams erbaut, umschließt einen großen viereckigen Hofraum und hat einen schönen Portikus von dorischen Säulen. [* 11] Ein seit 1878 errichteter, südwestlich vom alten Universitätsgebäude gelegener Neubau beherbergt die medizinische Fakultät.
An der Universität wirkten 1884: 46 Professoren; die Zahl der Studierenden erreichte fast 2000. Sie besitzt eine reichhaltige Bibliothek von 140,000 Bänden, ein Museum, einen botanischen Garten [* 12] (mit magnetischem Observatorium und Aquarium) von 8 Hektar Oberfläche und eine auf dem Caltonhügel errichtete Sternwarte. [* 13] Unsern Gymnasien, doch mit umfassenderm Unterrichtsplan, entsprechen die 1519 gegründete High School (Hochschule) am Fuß des Caltonhügels und die 1823 ins Leben gerufene städtische Akademie. Es bestehen außerdem 3 theologische Seminare, 3 Lehrerseminare, eine medizinische Schule, eine Schule für Zahnärzte, eine Apothekerschule, 2 Veterinärschulen, 2 Damencolleges, eine Kunstschule (Watt Institution), Zeichenschulen in Verbindung mit dem Gewerbemuseum.
Unter den öffentlichen Bibliotheken verdienen die Advocates' Library (200,000 Bände) und die Signet Library (60,000 Bände), letztere im Parlamentshaus, erstere daneben, besondere Beachtung. Obgleich großenteils durch die Beiträge der Advokaten und Notare (Writers to the Signet) unterhalten, stehen sie auch dem weitern Publikum zur Benutzung offen. In dem 1823-36 in dorischem Stil auf dem Damm (Mound) errichteten Gebäude der Royal Institution befinden sich ein Altertumsmuseum, eine Skulpturengalerie und die Räume der Royal Society und des Altertumsvereins.
Gleichfalls auf dem Damm steht die 1854 eröffnete Nationalgemäldegalerie, im ionischen Stil, mit Gemälden alter und neuer Meister und einer Statue Robert Burns' von Flaxman. Hinter dem Universitätsgebäude liegt das 1861 gegründete Gewerbemuseum, ein großartiger Bau in venezianisch-gotischem Stil, ähnlich dem Kensington-Museum in London, [* 14] aber neben allen möglichen Erzeugnissen des Gewerbfleißes auch naturgeschichtliche und mineralogische Sammlungen enthaltend.
Das Kollegium der Ärzte besitzt ein anatomisches Museum. Unter den zahlreichen Vereinen verdienen Erwähnung: die Royal Society (der gleichnamigen englischen Gesellschaft nachgebildet), der Landwirtschaftliche Verein (Highland and Agricultural Society of Scotland), eine Geologische Gesellschaft, eine Meteorologische Gesellschaft, ein Kunstverein (Academy), mehrere medizinische Gesellschaften, ein Altertumsverein, eine Gartenbaugesellschaft, eine Astronomische Gesellschaft, eine Geographische Gesellschaft, ein Phrenologischer Verein (mit Museum) u. a. Es erscheinen fünf Tagesblätter und fünf Wochenblätter außer einer größern Anzahl von Zeitschriften, welche sich, wie die »Edinburgh Review« und »Blackwood's Magazine«, eines europäischen Rufs erfreuen, und die Verlagshändler Edinburgs nehmen eine hervorragende Stelle unter ihren britischen Kollegen ein. Für Vergnügen sorgen zwei Theater, [* 15] mehrere Konzerthallen, ein Wintergarten und Klubs. Sehr beliebt ist das Balltreiben (golf). Die Sabbatfeier wird streng beobachtet; die Zahl der Verbrechen und Vergehen zeigt indes, daß dies ohne Einfluß auf die Sittlichkeit bleibt.
Die Verwaltung der Stadt liegt in den Händen eines Stadtrats, welcher aus einem Lord-Provost, 6 Bailies, einem Dean of Guild (Vorsteher der acht noch bestehenden Zünfte, welche indes nur wohlthätige Zwecke verfolgen), einem Säckelwart, einem Convener of Trades und 31 Ratsherren besteht. Der Lord-Provost ist gleichzeitig Sheriff von Leith. Canongate hat noch seinen eignen, übrigens dem Lord-Provost untergeordneten Gemeinderat. Die Stadt ist gut gepflastert und beleuchtet; eine 1849 angelegte Wasserleitung [* 16] versieht dieselbe täglich mit 22 Mill. Lit. ¶
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Wasser, und der früher mit Bezug auf ihre übeln Gerüche auf sie angewendete Spottname »Old Reekie« hat seine Bedeutung verloren. Pferdebahnen durchziehen die Hauptstraßen. In unmittelbarer Umgebung liegen Leith und Granton, die beiden Hafenstädte Edinburgs, und Portobello (s. d.).
Geschichte. Der Name Edinburg ist auf Edwin, König von Northumbria (616-633), zurückgeführt worden. Bereits 1128 wird Edinburg als königliche Burg genannt, und 1215 wurde dort das erste Parlament versammelt; aber Bedeutung erlangte die Stadt erst, als sie im 15. Jahrh. von den Stuarts zur Hauptstadt Schottlands erkoren wurde. Um 1450 wurde die Altstadt befestigt. 1530 brannte fast die ganze Stadt ab, der Rest ging bei der Einnahme durch den Grafen Hertford 1544 zu Grunde, und das Schloß, die Kapelle von Holyrood und die St. Gileskirche sind die einzigen Gebäude aus früherer Zeit, welche verschont blieben. Am zog Maria Stuart hier feierlich ein, aber der Jubel bei ihrem Empfang verklang gar bald. 1641 wurde Karl I. mit großen Ehrenbezeigungen in Edinburg empfangen; Cromwell eroberte aber wenige Jahre später selbst die Citadelle (1650). 1770 wurde der Bau der Neustadt begonnen. 1678 hatte Edinburg etwa 20,000, 1722 etwa 40,000 und 1801: 82,000 Einw.
Vgl. Anderson, History of Edinburg (Edinb. 1856);
Dalzel, History of the university of Edinburg (das. 1862, 2 Bde.);
H. Miller, Edinburg and its neighbourhood (4. Aufl. 1870);
Wilson, Reminiscences of old Edinburg (1878, 2 Bde.).