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Schloß steht, dessen düstere Mauermassen und hoch übereinander emporsteigende Warttürme die ganze Stadt beherrschen. Der südliche Höhenzug erstreckt sich nach O. bis zum Fuß der steil abfallenden Salisbury Crags, hinter welchen der malerische basaltische »Arthurssitz« zu einer Höhe von 251 m ansteigt (vgl. Tafel »Geologische Formationen«). [* 2] Der nördliche Höhenzug schließt sich östlich an den bereits von Straßen umgürteten Calton Hill (107 m) an, eine Art Edinburger Akropolis [* 3] mit den Denkmälern berühmter Schotten, wie denn auch die ganze Lage Edinburgs, mit seinen umgebenden Höhen und dem nahen Firth, den Philhellenen Stuart veranlaßte, ihm den Namen »Neuathen« beizulegen. Die Thäler, welche die genannten Höhenzüge voneinander trennen, werden von Brücken [* 4] überspannt, welche die einzelnen Stadtteile verbinden.
Die Altstadt, der eigentliche Kern Edinburgs, nimmt den mittlern Höhenzug ein und erstreckt sich vom Schloß (castle) im O. bis zu dem 1,6 km entfernten Palast von Holyrood. Sie zeichnet sich durch die ungemein hohen Häuser von zehn und noch mehr Stockwerken und durch die engen Gassen aus, die sich zu beiden Seiten der Hochstraße an den Abhängen hinziehen. Letztere heißen Close, wenn sie zu eng für Fuhrwerke sind, Wynd, wenn sie dieselben zulassen. Abweichend von London, [* 5] bewohnen hier viele Familien ein und dasselbe Haus, jede meist ein Stockwerk (flat).
In der Altstadt befinden sich viele öffentliche Gebäude, so namentlich die älteste Kirche der Stadt (St. Giles), das alte Parlamentsgebäude, die Stadthalle u. a.; auch Häuser, welche durch ihre frühern Bewohner Berühmtheit erlangt haben, wie das Haus des Reformators John Knox (von 1490) in der Canongate genannten Fortsetzung der Hochstraße. Durch ein Thal, [* 6] in welchem die Cowgate (»Kuhthor«) genannte Straße hinläuft und der alte Grasmarkt liegt, wird diese Altstadt von einem neuern Stadtteil im S. getrennt.
Zwei Viadukte, die 1785-88 gebaute Südbrücke und die 1825-36 erbaute Brücke [* 7] Georgs IV., verbinden die beiden Stadtteile. Die wichtigsten Gebäude hier sind: das Universitätsgebäude, das Gewerbemuseum, das Royal Infirmary (Krankenhaus) [* 8] und Heriot's Hospital von Inigo Jones (1628-60). Südlich erstreckt sich die Stadt bis zu dem the Meadows (»die Wiesen«) genannten Park, jenseit dessen die von Balltreibern vielbesuchten Links und die hübschen Vorstädte Newington, Merchiston und Morningside liegen. Die eben beschriebenen Stadtteile waren bis gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts Sitz des Adels und Reichtums, sind aber seit dem Bau der nördlichen Neustadt [* 9] den weniger wohlhabenden Klassen überlassen worden.
Die Neustadt entstand seit 1767. Ein tiefes Thal, ehemals ein See, Loch North, trennt sie von der Altstadt. Es wurde seit 1816 entwässert und in Gärten (Princes Gardens) verwandelt, später die Eisenbahn hindurchgeführt. Ein 50 m breiter, 295 m langer Damm (the Mound), die 1767-72 erbaute Nordbrücke und die Waverleybrücke stellen die Verbindung zwischen den zwei Stadtteilen her. Auf dem Damm stehen die in griechischem Geschmack 1823-36 erbaute Royal Institution und die Nationalgalerie (1850-54). Nördlich wird das Thal durch die prächtige, schnurgerade Princes Street abgeschnitten, welche von den Princes Gardens durch ein eisernes Geländer getrennt wird und nach dem Caltonhügel zu in dem mit Lauben versehenen Waterloo [* 10] Place ihre Fortsetzung findet.
Diese Straßen bilden unzweifelhaft den Glanzpunkt Edinburgs; in ihnen liegen viele stattliche Gebäude (wie das neue Postamt, das Archiv u. a.), und das 1844 errichtete, durch einen 60 m hohen gotischen Baldachin geschützte Denkmal Sir Walter Scotts (von J. ^[John] Steell), die Standbilder Wellingtons, des Philosophen John Wilson (Christopher North), des Dichters Allan Ramsay, des Reisenden Livingstone u. a. gereichen ihnen zur Zierde. Nördlich von Princes Street breitet sich die Neustadt aus mit geraden, breiten Straßen, großen öffentlichen Plätzen und imposanten Häusern, zu deren Bau der bei Craigleith (2 km von Edinburg) [* 11] gefundene sehr harte Stein verwendet wurde.
St. Andrew Square, der Mittelpunkt des Verkehrs, mit mehreren Banken, einer 46 m hohen Säule mit dem Standbild Lord Melvilles und einem Denkmal des Grafen Hopetoun steht vermittelst der George Street mit Charlotte Square in Verbindung. An letzterm liegt eine der schönsten Kirchen der Stadt (St. George), und in seiner Mitte steht ein Standbild des Prinzen Albert (von Steell); die George Street zieren die Denkmäler Pitts, Chalmers' und Georgs IV. Weiter nördlich liegen Queen Street Gardens und der achteckige Morayplatz, welcher mit seinen Nebenstraßen die schönsten Wohngebäude der Stadt enthält.
Westlich davon führt eine 136 m lange Brücke in 63 m Höhe über das tiefe Thal des Leith [* 12] nach der jenseits gelegenen Vorstadt Dean. Unterhalb der Brücke entspringt eine Mineralquelle. Endlich ist der auf dem 107 m hohen Caltonhügel errichteten Denkmäler zu gedenken. Unter ihnen zeichnet sich das »Nationalmonument« zur Erinnerung an die Kämpfe von Waterloo aus. Es sollte eine getreue Nachahmung des Parthenons werden, ist aber unvollendet geblieben. Außerdem stehen hier eine 37 m hohe Nelsonsäule, ein Denkmal Dugald Stewarts (Nachbildung des choragischen Monuments) und eine Bildsäule Playfairs. Am Fuß des Hügels, vor der High School, steht ein Denkmal Robert Burns' in Gestalt eines griechischen Rundtempels mit Brustbild von Chantrey.
Edinburg zählt 142 gottesdienstliche Gebäude, von welchen 31 der schottischen Hochkirche, 40 der Freikirche, 16 der protestantischen bischöflichen Kirche, 3 (nebst Kloster) den Katholiken und 67 verschiedenen protestantischen Gemeinden angehören. Von diesen Kirchen ist die von St. Giles, wie erwähnt, die älteste der Stadt. Sie hat einen schönen, 47 m hohen Turm, [* 13] ist aber durch moderne Umbauten entstellt. Außerdem verdienen Erwähnung die Tronkirche (1637-63 erbaut) und die seit 1874 erbaute protestantische Kathedrale mit 3 Türmen, von denen der mittlere eine Höhe von 84 m erreicht.
Unter den Profanbauten der Stadt fesselt zunächst das Schloß die Aufmerksamkeit. Dasselbe bedeckt einen Flächenraum von 2½ Hektar und wird von der Stadt durch eine freie Esplanade (früher Richtplatz, jetzt Paradeplatz) getrennt, auf welcher ein Denkmal des Herzogs von York steht. Das Schloß nimmt die Stelle der von den römischen Kaisern Hadrian u. Septimius Severus erbauten Alata castra (griech. Stratopedon pteroton) ein. Mit Ausnahme der Kapelle der heil. Margareta, welche im 11. Jahrh. von der angelsächsischen Gemahlin des Königs Malcolm Canmore erbaut wurde, ist kein Teil des Schlosses älter als das 16. Jahrh. Man zeigt hier das Staatsgefängnis, worin die Anhänger der Stuarts untergebracht wurden, das Zimmer, in welchem Maria Stuart Jakob I.
[* 1] ^[Abb.: Wappen [* 14] von Edinburg.] ¶
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gebar, die schottischen Kroninsignien und eine 1476 in Mons [* 16] geschmiedete Riesenkanone. Das Schloß enthält Kasernen für 2000 Mann und ein Zeughaus mit 30,000 Gewehren. Es wird durch Batterien verteidigt, kann aber einem nach den Regeln der modernen Kriegskunst unternommenen Angriff nicht widerstehen. Nicht weit vom Schloß, in der Hochstraße, steht das 1632-40 erbaute Parlamentshaus, in welchem früher die schottischen Parlamente zusammenkamen, und welches jetzt Sitz der obersten Gerichtshöfe des Landes ist (über die dort befindlichen Bibliotheken s. unten).
In der 43½ m langen, 13 m breiten großen Halle [* 17] sind die Bildsäulen schottischer Rechtsgelehrten aufgestellt. Daneben steht die Grafschaftshalle, ein dem Erechtheion und dem choragischen Monument des Thrasyllos nachgeahmter klassischer Bau, und gegenüber das Rathaus mit Börse. Hochstraße und Canongate in östlicher Richtung verfolgend, gelangen wir zu dem im 16. Jahrh. erbauten Holyroodpalast, der vormaligen Residenz der schottischen Könige, 1850 restauriert und zweimal von Karl X. von Frankreich als Flüchtling bewohnt.
Nur ein kleiner Teil des ursprünglichen Baues ist noch vorhanden; der schöne, von Säulenhallen umgebene Hof [* 18] stammt aus der Zeit Karls II. und wurde erst in diesem Jahrhundert vollendet. Im ersten Stock zeigt man das Gemach, in welchem Riccio von Darnley ermordet wurde. Die Ruinen der im 12. Jahrh. erbauten Kirche der 1128 gestifteten Abtei von Holyrood stoßen nordöstlich an den Palast an. Noch jetzt, wie in frühern Jahrhunderten, gilt die Umgegend von Holyrood und Canongate als Freistätte für zahlungsunfähige Schuldner. In der Neustadt, am obern Ende von Princes Street, stehen das Archiv (Register office) mit Kuppel von 15 m Durchmesser und das 1861 in neuitalienischem Stil erbaute Postamt.
Die Bevölkerung [* 19] ist von 196,979 Seelen im J. 1871 auf 228,357 im J. 1881 angewachsen, mit Leith und Granton aber, seinen eng mit der Stadt verbundenen Hafenstädten, zählt Edinburg 296,414 Einw. Edinburg kann weder als bedeutende Handelsstadt noch als Fabrikstadt gelten trotz seiner großen Brauereien, Druckereien und Buchbindereien. Es verdankt seine Blüte [* 20] wesentlich den Gerichtshöfen und den zahlreichen öffentlichen Schulen. Ungemein groß ist die Zahl der wohlthätigen Anstalten, die fast insgesamt dem Bürgersinn reicher Stifter ihre Entstehung verdanken.
Unter ihnen ragen hervor: das 1879 eröffnete Krankenhaus (Infirmary) mit 600 Betten, Chalmers' Hospital, eine Gebäranstalt, ein Irrenhaus für 840 Kranke, 2 Blindenschulen, 2 Taubstummenanstalten, 2 Waisenhäuser, Besserungsanstalten für jugendliche Verbrecher, Zufluchtsstätten für Obdachlose und für gefallene Mädchen, zahlreiche Asyle der verschiedensten Art, 2 städtische Armenhäuser sowie mehrere große Bildungsanstalten, als Watson's College, Fettes' College, Heriot's Hospital, Donaldson's Hospital u. a.
Unter den zahlreichen Bildungsanstalten und Vereinen für die Pflege von Wissenschaft und Kunst, deren Bestehen Edinburg einen Teil seines Rufs und seiner Blüte verdankt, verdient die 1582 von Jakob VI. gegründete Universität zuerst genannt zu werden. Das jetzige Universitätsgebäude wurde 1789-1827 nach dem Entwurf Rob. Adams erbaut, umschließt einen großen viereckigen Hofraum und hat einen schönen Portikus von dorischen Säulen. [* 21] Ein seit 1878 errichteter, südwestlich vom alten Universitätsgebäude gelegener Neubau beherbergt die medizinische Fakultät.
An der Universität wirkten 1884: 46 Professoren; die Zahl der Studierenden erreichte fast 2000. Sie besitzt eine reichhaltige Bibliothek von 140,000 Bänden, ein Museum, einen botanischen Garten [* 22] (mit magnetischem Observatorium und Aquarium) von 8 Hektar Oberfläche und eine auf dem Caltonhügel errichtete Sternwarte. [* 23] Unsern Gymnasien, doch mit umfassenderm Unterrichtsplan, entsprechen die 1519 gegründete High School (Hochschule) am Fuß des Caltonhügels und die 1823 ins Leben gerufene städtische Akademie. Es bestehen außerdem 3 theologische Seminare, 3 Lehrerseminare, eine medizinische Schule, eine Schule für Zahnärzte, eine Apothekerschule, 2 Veterinärschulen, 2 Damencolleges, eine Kunstschule (Watt Institution), Zeichenschulen in Verbindung mit dem Gewerbemuseum.
Unter den öffentlichen Bibliotheken verdienen die Advocates' Library (200,000 Bände) und die Signet Library (60,000 Bände), letztere im Parlamentshaus, erstere daneben, besondere Beachtung. Obgleich großenteils durch die Beiträge der Advokaten und Notare (Writers to the Signet) unterhalten, stehen sie auch dem weitern Publikum zur Benutzung offen. In dem 1823-36 in dorischem Stil auf dem Damm (Mound) errichteten Gebäude der Royal Institution befinden sich ein Altertumsmuseum, eine Skulpturengalerie und die Räume der Royal Society und des Altertumsvereins.
Gleichfalls auf dem Damm steht die 1854 eröffnete Nationalgemäldegalerie, im ionischen Stil, mit Gemälden alter und neuer Meister und einer Statue Robert Burns' von Flaxman. Hinter dem Universitätsgebäude liegt das 1861 gegründete Gewerbemuseum, ein großartiger Bau in venezianisch-gotischem Stil, ähnlich dem Kensington-Museum in London, aber neben allen möglichen Erzeugnissen des Gewerbfleißes auch naturgeschichtliche und mineralogische Sammlungen enthaltend.
Das Kollegium der Ärzte besitzt ein anatomisches Museum. Unter den zahlreichen Vereinen verdienen Erwähnung: die Royal Society (der gleichnamigen englischen Gesellschaft nachgebildet), der Landwirtschaftliche Verein (Highland and Agricultural Society of Scotland), eine Geologische Gesellschaft, eine Meteorologische Gesellschaft, ein Kunstverein (Academy), mehrere medizinische Gesellschaften, ein Altertumsverein, eine Gartenbaugesellschaft, eine Astronomische Gesellschaft, eine Geographische Gesellschaft, ein Phrenologischer Verein (mit Museum) u. a. Es erscheinen fünf Tagesblätter und fünf Wochenblätter außer einer größern Anzahl von Zeitschriften, welche sich, wie die »Edinburgh Review« und »Blackwood's Magazine«, eines europäischen Rufs erfreuen, und die Verlagshändler Edinburgs nehmen eine hervorragende Stelle unter ihren britischen Kollegen ein. Für Vergnügen sorgen zwei Theater, [* 24] mehrere Konzerthallen, ein Wintergarten und Klubs. Sehr beliebt ist das Balltreiben (golf). Die Sabbatfeier wird streng beobachtet; die Zahl der Verbrechen und Vergehen zeigt indes, daß dies ohne Einfluß auf die Sittlichkeit bleibt.
Die Verwaltung der Stadt liegt in den Händen eines Stadtrats, welcher aus einem Lord-Provost, 6 Bailies, einem Dean of Guild (Vorsteher der acht noch bestehenden Zünfte, welche indes nur wohlthätige Zwecke verfolgen), einem Säckelwart, einem Convener of Trades und 31 Ratsherren besteht. Der Lord-Provost ist gleichzeitig Sheriff von Leith. Canongate hat noch seinen eignen, übrigens dem Lord-Provost untergeordneten Gemeinderat. Die Stadt ist gut gepflastert und beleuchtet; eine 1849 angelegte Wasserleitung [* 25] versieht dieselbe täglich mit 22 Mill. Lit. ¶