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1802 Staatsrat, 1805 Divisionsgeneral, reorganisierte die an Frankreich abgetretenen Gebietsteile Italiens [* 2] und trat in die Dienste [* 3] König Josephs von Neapel, [* 4] der ihn zum Kriegsminister und Großmarschall des Palastes ernannte. Dumas folgte dem König auch nach Spanien [* 5] und war hier Großadjutant der kaiserlichen Armee. Vom Kaiser zurückberufen, wohnte er 1809 dem Feldzug gegen Österreich [* 6] bei und schloß als kaiserlicher Generaladjutant den Waffenstillstand von Znaim ab. 1812 war er Generalintendant der Armee, blieb 1813 in Dresden [* 7] zurück, ward mit der Besatzung gefangen und wurde nach seiner Rückkehr nach Frankreich 1814 von Ludwig XVIII. zum Staatsrat und Präsidenten des Kriegskomitees ernannt. 1822 aus dem Staatsrat entlassen, trat er 1827 in die Kammer gewählt, zur Opposition über und war 1830 einer der 221 Deputierten, welche durch ihre Adresse die Julirevolution einleiteten. Er organisierte nochmals mit Lafayette die Pariser Nationalgarde und ward nach dessen Rücktritt zum Befehlshaber aller Nationalgarden von Frankreich ernannt, worauf er 1831 die Pairswürde erhielt. Er starb, fast ganz erblindet, Als militärischer Schriftsteller machte er sich durch seinen »Précis des événements militaires, ou essai historique sur les campagnes de 1799 à 1814« (Par. 1817-26, 19 Bde.; deutsch von Kausler, Stuttg. 1820-25, 5 Bde.) bekannt.
2) Alexandre Davy de la Pailleterie, franz. General, geb. auf San Domingo als der natürliche Sohn des Marquis de la Pailleterie und einer Negerin, trat 1786 als gemeiner Husar in die französische Armee, wurde 1793 Divisionsgeneral und übernahm das Kommando über die Alpenarmee, mit der er unter außerordentlichen Schwierigkeiten bis an den Mont Cenis vordrang. Im Oktober d. J. führte er den Oberbefehl in der Vendée, fiel aber durch seine Mäßigung bei der Regierung in Ungunst. Seit 1795 focht er in Italien, [* 8] ging dann unter Joubert nach Tirol, [* 9] wo er die Brücke [* 10] von Brixen heldenmütig verteidigte, und machte den Feldzug nach Ägypten [* 11] mit. Auf dem Rückweg an die italienische Küste verschlagen, ward er von der neapolitanischen Regierung längere Zeit in feuchtem Kerker unter Mißhandlungen gefangen gehalten, wodurch er dienstuntauglich wurde. Er starb in Villers-Cotterets.
3) Alexandre, der ältere, berühmter franz. Schriftsteller, geb. zu Villers-Cotterets im Departement Aisne, Sohn des vorigen, erhielt nur eine unregelmäßige Erziehung und kam mit 20 Jahren in das Büreau des Herzogs von Orléans, [* 12] dessen Bibliothekar er wurde am Tag nach dem außerordentlichen Erfolg seines historischen Dramas »Henri III et sa cour« (1829),
das als ein glänzender Triumph der romantischen Schule über das klassische Theater [* 13] angesehen wurde. 1830-31 folgten die Dramen: »Stockholm, [* 14] Fontainebleau et Rome«, »Antony«, »Charles VII chez ses grands vassaux«, »Napoléon Bonaparte«. Die Leichtigkeit der Erfindung, geschickte Inszenierung, eine leidenschaftlich bewegte Handlung, eine unerschöpfliche Phantasie und Energie des Ausdrucks, Vorzüge, welche fast allen seinen Stücken eigen sind, übten eine hinreißende Wirkung aus.
Seine eigne ungeheure Produktionskraft genügte aber nicht seinem Durst nach Ruhm und Gold [* 15] sowie den von Stück zu Stück sich steigernden Anforderungen des Publikums; darum entlehnte er nicht nur, was und woher er konnte, sondern bediente sich auch zahlreicher Mitarbeiter, von denen einzelne ganze Stücke (z. B. Gaillardet das Drama »La tour de Nesle«) für sich in Anspruch nahmen. Mit der gesteigerten industriellen Ausbeutung seines Talents wuchsen auch die Fehler seiner Stücke: Flüchtigkeit und Gedankenleere, Übertreibungen, die lächerlichsten Gasconaden und die Häufung der auf den Sinnenkitzel berechneten Effekte machen viele seiner Stücke ungenießbar.
Wir erwähnen noch: »Térésa« (1832);
»Angèle« (1833);
»Catherine Howard« (1834);
»Kean, ou désordre et génie« (1836);
»Caligula« (1837);
besonders aber die Komödien: »Mademoiselle de Belle-Isle« (1839),
»Le [* 16] mariage sous Louis XV« (1841) und »Les demoiselles de St.-Cyr« (1843), die sich als Stücke von wirklichem Wert auf der Bühne erhalten haben.
Oft recht interessant sind seine Reisebeschreibungen, obwohl voll von platten Späßen und Phantasiebildern und durchaus unzuverlässig. Er durchreiste die Schweiz, [* 17] Italien, Deutschland, [* 18] Spanien (1846 als Historiograph des Herzogs von Montpensier auf dessen Heiratsreise) und Nordafrika, später Syrien, Ägypten etc. und beschrieb diese Reisen in den Werken (1835-1859): »Impressions de voyages«, »Quinze jours au Sinaï«, »Nouvelles impressions de voyage«, »Causeries d'un voyageur«, »Le Caucase, voyage« etc. Als die Feuilletonromane Mode wurden, warf sich Dumas, dessen fürstlicher Aufwand ungeheure Summen erforderte, zugleich der Romanfabrikation in die Arme, die er fortan mit ungemeinem äußern Erfolg und unter der Beihilfe zahlreicher Mitarbeiter im großartigsten Maßstab [* 19] betrieb.
Die Produktion war eine so rege, daß Dumas in der Regel mit einem halben Dutzend Romanen zugleich beschäftigt war und zeitweise allwöchentlich ein Band [* 20] die Presse [* 21] verließ, wobei er doch noch Zeit übrig behielt, ein eignes Theater (Théâtre historique) zu gründen, das er meist mit eignen Stücken versorgte. Von den zahllosen aus dieser Romanfabrik hervorgegangenen Werken, die Dumas mit der gesamten europäischen Lesewelt in eine innige Verbindung brachten, seien hier nur die berühmtesten erwähnt: »Le comte de Monte-Cristo« (1841-45, 12 Bde.),
»Les trois mousquetaires« (1844, 8 Bde.) nebst den »Vingt ans après« (1845, 10 Bde.) und »Vicomte de Bragelonne« (1847, 12 Bde.),
»La reine Margot« (1845, 6 Bde.),
ferner: »Le chevalier de Maison-Rouge« (1846),
»La dame de Monsoreau« (1846) u. a., die meist auch noch (wie namentlich »Le comte de Monte Cristo«, »Les trois mousquetaires«, »La reine Margot«) in dramatischer Bearbeitung auf der Bühne Erfolge errangen. Die Februarrevolution unterbrach diese Produktion nur auf kurze Zeit, denn weder als politischer Schriftsteller noch als Kandidat der Kammer hatte Dumas Glück. In den 50er Jahren erschienen unter anderm (zum Teil in den von ihm eigens dazu gegründeten Zeitschriften: »Le Mousquetaire« und »Monte Cristo«): »Le dernier roi des Français«, »Les Mohicans de Paris«, [* 22] »Saltéator«, »La princesse Monaco«, [* 23] die »Mémoires d'un jeune cadet« und »Mémoires d'Horace«, eine große Phantasie über das alte Rom. [* 24] Während des italienischen Feldzugs war Dumas als Berichterstatter thätig, beteiligte sich dann an Garibaldis Feldzügen in Sizilien [* 25] und Neapel, die er in einer besondern Schrift (»Les Garibaldiens«, 1861) beschrieb, wurde 1860 zum Direktor der Museen in Neapel ernannt, war aber schon nach wenigen Monaten wieder in Paris, um seine schriftstellerische Thätigkeit von neuem aufzunehmen. Indessen sein Stern war verblichen. Seine letzten Erzählungen: ¶
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»Histoires de mes bêtes« (1867) und »Nanon« (1867), gingen ziemlich spurlos vorüber; auch andre Unternehmungen, wie die Gründung eines Theaters, Vorlesungen und Vorträge, die er 1865 sogar im Ausland (Wien, [* 27] Pest, Venedig) [* 28] fortsetzte, schließlich eine Saucenfabrik, wollten ebensowenig glücken, und müde und gebrochen an Körper und Geist starb Dumas während der Belagerung von Paris im Dörfchen Puys bei Dieppe [* 29] und wurde im Pfarrdorf Neuville begraben. Dumas ist der Begründer der modernen, der Romantik entgegentretenden realistischen Richtung in der französischen Litteratur.
Der Wert seiner Romane ist ein sehr verschiedener; sittlicher Gehalt fehlt fast allen, um so reicher sind sie an grellen, mit gröbsten Farben aufgetragenen Effekten. Dabei aber fesselt er durch großes Talent im Erzählen, unerschöpfliche Lebhaftigkeit der Phantasie und Geschick im dramatischen Arrangement der Ereignisse und Personen. Im historischen Drama hätte Dumas bei unbestreitbarem dramatischen Talent dauernde Erfolge erringen können, wenn er sich Zeit genommen hätte, ernstere Studien zu machen und seine Entwürfe sorgfältiger auszuführen.
So, wie sie sind, besitzen seine bessern Stücke wohl Bühnenwirksamkeit, aber die Prüfung einer strengern Kritik bestehen sie selten. Von sonstigen Werken sind noch verschiedene historische oder auf der Grenze von Geschichte und Roman stehende Werke nachträglich zu erwähnen, wie: »Jeanne d' Arc« (1842),
»Les Médicis« (1845),
»Michel-Ange et Raphaël Sanzio« (1846),
»Louis XIV et son siècle« (1847),
»Louis XV« (1849),
»Louis XVI« (1850) u. a., sowie seine »Mémoires« (1852-54, 22 Bde.; 1866, 2 Bde.). Aus seinem Nachlaß erschien 1872 ein »Grand dictionnaire de cuisine« (!),
und ein nachgelassenes Bühnenstück: »La jeunesse de Louis XIV«, wurde 1873 mit günstigem Erfolg aufgeführt. Von seinen Hauptwerken sind mehrere Gesamtausgaben erschienen, z. B. im »Musée littéraire« und in der »Bibliothèque contemporaine« der Gebrüder Lévy in Paris. Sein »Théâtre complet« kam 1874 in 15 Bänden heraus.
Vgl. Fitzgerald, Life and adventures of Alexandre Dumas (Lond. 1873);
Blaze de Bury, A. Dumas, sa vie, son temps, son œuvre (1885);
Glinel, A. Dumas et son œuvre (1885).
4) Alexandre, der jüngere (»fils«),
franz. Romanschriftsteller und dramatischer Dichter, geb. zu Paris, natürlicher Sohn des vorigen, betrat 17jährig, nachdem er kaum die Bänke des Collège Bourbon verlassen hatte, die schriftstellerische Laufbahn mit einem Bändchen Gedichte: »Péchés de jeunesse«, begleitete dann seinen Vater auf dessen Reise durch Spanien und Nordafrika und veröffentlichte nach seiner Rückkehr einen phantastischen sechsbändigen Roman: »Histoire de quatre femmes et d'un perroquet« (1847),
der zum mindesten die Neugierde des großen Publikums erregte. Eine ganze Reihe andrer Romane, wie: »Le roman d'une femme« (1848),
»Césarine« (1848),
»La dame aux camélias« (1848),
»Le docteur Servans« (1849),
»Antonine« (1849),
»Trois hommes forts« (1850),
»Diane de Lys« (1851),
»Sophie Printemps« (1853),
»La boîte d'argent« (1855),
»Vie à vingt ans« (1856) u. a., folgte in wenigen Jahren nach. Von allen diesen Werken zeigte eine eigentümliche Physiognomie nur die »Kameliendame«, weil dieselbe unmittelbar nach der Natur gearbeitet war, d. h. die nur wenig idealisierte Geschichte einer früh an der Schwindsucht gestorbenen Pariser Kurtisane enthielt. Der ungewöhnliche Erfolg, den der Roman hatte, steigerte sich noch, als derselbe nach vielen Schwierigkeiten, welche die Zensur erhob, 1852 dramatisiert über die Bretter des Vaudevilletheaters ging; von diesem Tag an datieren die Franzosen ihr modern-realistisches Drama.
Das Stück zeichnete sich allerdings durch überaus scharfe Beobachtung der gesellschaftlichen Zustände, sichere Behandlung der dramatischen Form und einen lebendigen, prickelnden Dialog aus; allein dies konnte über das Bedenkliche des Themas, die Verherrlichung und Rehabilitierung des Lasters, nicht hinwegtäuschen, und der Stoff war und blieb ein vom sittlichen Standpunkt aus höchst fragwürdiger, allerdings auch für die Epoche höchst charakteristischer. In zwei spätern Stücken: »Diane de Lys« (1853) und »Le demi-monde« (1855), behandelt der Dichter fast denselben Vorwurf, doch in wesentlich satirischer Absicht und mehr, um nach dem Rechte des Komödiendichters seiner Zeit einen Spiegel [* 30] vorzuhalten.
Fortan war es überhaupt die Stellung des Weibes in der heutigen Gesellschaft, wie sie Gesetz und Sitte speziell in Frankreich geschaffen haben, die er in den meisten seiner Bühnenstücke, nicht immer gleich glücklich, aber mit großer dramatischer und dialektischer Kraft, [* 31] diskutiert. Wir nennen: »Le fils naturel« (1858);
»L'ami des femmes« (1864);
»Le supplice d'une femme« (1865);
»Héloise Paranquet« (1866);
»Les idées de Madame Aubray« (1867);
»Une visite de noces«, das schlüpfrigste und gewagteste seiner Dramen, und »La princesse Georges« (beide 1871);
»La femme de Claude« und »Monsieur [* 32] Alphonse« (beide 1873);
»L'étrangère« (1877).
Außerdem legte er seine Theorie von den Rechten und Pflichten des Weibes und den Gebrechen der einschlägigen Gesetzgebung und gesellschaftlichen Anschauung noch in einem Roman: »L'affaire Clémenceau« (1864),
nieder, sowie in mehreren Flugschriften, wie: »Lettres sur les choses du jour«, »L'homme-femme«, »Tue-la!«, »Les femmes qui tuent et les femmes qui votent« (1872-80),
und in einer größern Streitschrift: »Le divorce« (1880). Seine Ideen über diesen Gegenstand sind indessen, obgleich immer mit großer Prätension vorgetragen, nicht frei von Widersprüchen gröbster Art, und die genannten Schriften haben nur das Verdienst, durch ihre glänzende und kecke Dialektik ein großes Publikum zum Nachdenken über eine der wichtigsten Seiten der sozialen Frage angeregt zu haben. Als Bühnentechniker hat sich Dumas unstreitig einen der hervorragendsten Plätze unter den Dramatikern der Gegenwart errungen.
Fast alle oben genannten Werke sowie der »Père prodigue« (1859),
für welchen ihm sein eigner Vater Modell saß, gehören zu den beliebtesten Repertoirestücken. Von seinen Werken aus früherer Zeit sind noch nachzutragen: »Les Revenants«, eine Phantasie, in welcher er Werther und Lotte, Paul und Virginie, Manon Lescaut und Ritter des Grieux sich in Braunschweig [* 33] zusammenfinden läßt (1852);
»Le régent Mustel« (1852) und ein Band »Contes et nouvelles« (1853).
Tadellos in seinem Privatleben, anspruchslos im Umgang und hilfsbereit für seine Freunde, dabei der Politik grundsätzlich fern stehend, erfreut sich Dumas persönlich allgemeiner Beliebtheit; 1875 erfolgte seine Wahl in die französische Akademie.
Vgl. Potvin, De la corruption littéraire en France (Brüssel [* 34] 1873);
Lacour, Trois théâtres (Par. 1880).
5) Jean Baptiste André, Chemiker, geb. zu Alais (Gard), erlernte die Apothekerkunst, studierte in Genf [* 35] Botanik und Chemie und kam 1821 nach Paris, wo er 1823 zunächst als Repetent der Chemie an der polytechnischen Schule, dann als Professor am Athénée, an der von ihm ¶