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hatte Wallensteins Rückzug nach Böhmen [* 2] zur Folge, ward aber mit dem Tod Gustav Adolfs teuer erkauft. Denn derselbe beraubte die deutschen Protestanten der überlegenen, einheitlichen Leitung, welche ihnen nach ihren frühern Niederlagen so rasch das Übergewicht verschafft hatte, und nahm ihnen die Aussicht auf einen entscheidenden Sieg.
Der schwedische Kanzler Axel Oxenstierna, welcher die Leitung der politischen Angelegenheiten übernahm, konnte nur die protestantischen Stände von Schwaben, Franken, Ober- und Niederrhein im Heilbronner Vertrag beim Anschluß an Schweden [* 3] festhalten; dagegen hielten sich wieder Sachsen [* 4] und Brandenburg [* 5] beiseite. Namentlich weigerten sich die deutschen Fürsten, ihre Truppen unter schwedischen Oberbefehl zu stellen; an deren Spitze trat also Herzog Bernhard von Weimar, [* 6] während die schwedischen Streitkräfte sich in mehrere Heere unter verschiedenen Generalen teilten.
Auch diese wurden nun gleich den Wallensteinschen Truppen reine Söldnerscharen, die von Beute und Erpressungen lebten und die von ihnen besetzten oder durchzogenen Lande furchtbar verheerten. Der Krieg wurde nicht mehr nach einheitlichem Plan in großartigem Stil geführt, sondern zersplitterte sich in resultatlose Kämpfe auf verschiedenen Kriegsschauplätzen, bei denen es sich mehr um Behauptung oder Eroberung fruchtbarer, reicher Territorien als um den Sieg einer der Kriegsparteien handelte. Von Bedeutung waren nur die Erstürmung Regensburgs durch Bernhard von Weimar und die Eroberung Schlesiens durch Wallenstein nach dem Sieg bei Steinau (13. Okt.). Bereits hatte Wallenstein Görlitz [* 7] und Bautzen [* 8] mit Sturm genommen und seine Generale ins Brandenburgische zu neuen Eroberungen ausgesandt, als er vom Kaiser zur Rettung Regensburgs aufgefordert wurde. Er zog zwar nach Böhmen zurück, da er aber einen Winterfeldzug nach Bayern [* 9] für unmöglich erklärte und überhaupt durch seine Unterhandlungen mit den Gegnern sowie durch sein eigenmächtiges Auftreten den Verdacht und den Unwillen des Wiener Hofs erregte (s. Wallenstein), so wurde er in die Acht erklärt und in Eger [* 10] ermordet.
Generalissimus der kaiserlichen Heere wurde nun der König von Ungarn, [* 11] der nachmalige Kaiser Ferdinand III., unter dem Gallas und Piccolomini befehligten. Das Heer wurde durch Werbungen vermehrt, und außerdem führte Herzog Karl III. von Lothringen und aus Italien [* 12] der Statthalter von Mailand, [* 13] der Kardinal Infant Don Fernando, dem Kaiser Hilfsvölker zu. Die kaiserlichen Feldherren vertrieben nun die Schweden aus Bayern, eroberten Regensburg, [* 14] vereinigten sich sodann mit dem bayrisch-ligistischen Heer unter Johann v. Werth und brachten Bernhard und Horn die schwere Niederlage bei Nördlingen [* 15] (5. und bei, in deren Folge Schwaben und Franken von den Kaiserlichen besetzt wurden.
Diese Niederlage bestimmte den Kurfürsten Johann Georg von Sachsen zur förmlichen Lossagung von dem protestantischen Bund: er schloß mit dem Kaiser den Prager Frieden, worin die Ausführung des Restitutionsedikts auf eine ferne Zeit verschoben und Sachsen die bis 1627 eingezogenen geistlichen Güter nebst der ganzen Lausitz zugestanden wurden;
die gemeinsam unternommene Vertreibung der Schweden sollte dem Reich den Frieden wiedergeben.
Der Tod des fanatischen Kaisers Ferdinand II. dem sein versöhnlicher gesinnter Sohn Ferdinand III. folgte, schien eine Einigung der deutschen Stände unter dem Kaiser befördern zu sollen. Dem Prager Frieden traten bald auch andre Stände bei, namentlich Brandenburg, Weimar, Anhalt [* 16] u. a.; nur Baden, [* 17] Hessen-Kassel und Württemberg [* 18] blieben den Schweden treu.
Fünfte Periode: der französisch-schwedische Krieg.
Durch das Übergewicht, welches durch diesen Umschwung der Dinge der Kaiser bekam, sah sich Richelieu veranlaßt, jetzt ganz offen an dem deutschen Krieg teilzunehmen. Schon bisher hatte Frankreich Geldsubsidien bezahlt, jetzt trat es direkt in den Kampf ein, und damit beginnt als fünfte Periode des Kriegs der französisch-schwedische Krieg. Der Krieg nahm jetzt allmählich den Charakter eines politischen und Eroberungskriegs an, das religiöse Interesse trat mehr und mehr in den Hintergrund zurück.
Zudem standen jetzt nicht mehr bloß Protestanten und Katholiken sich als Feinde gegenüber, sondern das katholische Frankreich kämpfte, während es im Innern die Hugenotten bekriegte, auf seiten der deutschen Protestanten und der Schweden, während eine Reihe protestantischer Fürsten und Städte Frieden mit dem Kaiser geschlossen hatten. In Norddeutschland und Sachsen bekriegte ein schwedisches Heer die Kaiserlichen: der schwedische General Banér verheerte Kursachsen für seinen Abfall und siegte bei Wittstock über die vereinigten Kaiserlichen und Sachsen unter Hatzfeld, die er dann 1637 unter entsetzlicher Verwüstung des Landes nach Böhmen und Sachsen zurückdrängte.
Inzwischen operierte Bernhard, seit dem Vertrag von St.-Germain en Laye (Oktober 1635) von Frankreich mit Subsidiengeldern unterstützt, am Rhein, schlug den ligistischen General Johann v. Werth bei Rheinfelden und eroberte Breisach, nachdem er mehrere zum Entsatz vorrückende Korps geschlagen hatte. Ehe er aber, wie man erwartete, den Schweden zu Hilfe ziehen konnte, starb er plötzlich worauf sich der französische Hof, [* 19] dem Bernhards selbständiges Vorgehen lästig geworden war und sein Tod daher sehr gelegen kam, in den Besitz seiner Kriegsvölker und aller seiner Eroberungen im Elsaß zu setzen wußte (s. Bernhard 5).
Der Krieg artete nun in einen wüsten Kampf verwilderter Söldnerscharen aus, in welchem Generale, wie die Schweden Banér, Torstensson, Wrangel, die Franzosen Enghien und Turenne, die Deutschen Werth, Mercy, Holzapfel u. a., zwar glänzende strategische Thaten vollbrachten und die Soldaten unerschütterliche Tapferkeit bewährten, in dem aber die deutschen Lande aufs furchtbarste verheert wurden und die Erschöpfung aller Hilfsmittel in dem teilweise schon gänzlich verödeten Deutschland [* 20] die Heere selbst an der Ausbeutung ihrer kriegerischen Erfolge hinderte.
Zahllos waren die blutigen Schlachten [* 21] und Gefechte, in welchen die streitenden Parteien um die Palme [* 22] des Siegs rangen, von großartiger Kühnheit die Feldzüge besonders der schwedischen Generale; aber das schließliche Ergebnis entsprach den kriegerischen Anstrengungen nicht. 1640 verdrängten die Kaiserlichen Banér aus Böhmen und drangen bis nach Hessen [* 23] und Westfalen [* 24] vor, während im Lager [* 25] der verbündeten Schweden, Hessen und Franzosen Zwietracht und Meuterei herrschten. Im Winter aber unternahmen Banér und Guébriant auf Regensburg, wo ein Reichstag zur Beratung des Friedens versammelt war, einen Überfall, der nur durch plötzliches Tauwetter vereitelt wurde. Nach Banérs Tod trat Torstensson an die Spitze der schwedischen Truppen, der durch die Kühnheit und Schnelligkeit seiner Operationen alle seine Vorgänger übertraf. Er eroberte 1642 Schlesien [* 26] und ¶
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drang bis Olmütz [* 28] vor, schlug dann die Kaiserlichen bei Breitenfeld [* 29] und rückte von neuem in Schlesien und Mähren ein, Wien [* 30] bedrohend. Da rief ihn ein Befehl der Regierung nach dem Norden, [* 31] um Dänemark [* 32] zu bekriegen. Er nötigte den König Christian IV. zur Flucht auf die Inseln, drängte dann im Sommer 1644 den kaiserlichen General Gallas, der den Dänen zu Hilfe kommen wollte, bis nach Böhmen vor sich her, brach in Böhmen ein, schlug bei Jankau ein kaiserliches Heer unter Götz und Hatzfeld und bedrohte in Verbindung mit dem siebenbürgischen Fürsten Rákóczy abermals Wien. Doch wurde er durch Mangel an Truppen und Lebensmitteln und den Rücktritt Rákóczys von der Verbindung zum Rückzug genötigt. Ende 1645 legte er wegen seiner körperlichen Gebrechlichkeit den aufs rühmlichste geführten Oberbefehl nieder, den nun Gustav Wrangel übernahm.
Die unter französischem Befehl stehenden weimarischen Truppen erlitten nach Guébriants Tod durch Johann v. Werth eine furchtbare Niederlage bei Tuttlingen. [* 33] Indes drangen die Franzosen 1644 unter Enghien und Turenne wieder über den Rhein vor, besiegten die Bayern, deren Feldherr Mercy fiel, bei Allersheim und zwangen im Verein mit Wrangel, der unterdessen Sachsen zum Waffenstillstand genötigt hatte, den Kurfürsten von Bayern zum Abschluß des Waffenstillstandes von Ulm [* 34] (März 1647), von welchem derselbe jedoch im September wieder zurücktrat.
Um den Kurfürsten für seinen Abfall zu strafen, brachen Wrangel und Turenne abermals in Bayern ein; Wrangel schlug den kaiserlichen General Holzapfel bei Zusmarshausen und drang bis zum Inn vor. Zu derselben Zeit war der schwedische General Königsmark in Böhmen eingedrungen, hatte die Kleinseite von Prag [* 35] erobert und begann nun die Belagerung dieser Stadt mit Nachdruck. Da erscholl die Kunde von dem am erfolgten Abschluß des Westfälischen Friedens (s. d.) und machte dem langen Kampf in derselben Stadt, in welcher er begonnen, das von allen Teilen ersehnte Ende.
Kaum ist je ein Krieg für eine Nation so unheilvoll gewesen wie der Dreißigjährige Krieg für Deutschland. Nur der Peloponnesische Krieg etwa kann in seinen verderblichen Wirkungen mit dem Dreißigjährigen Krieg verglichen werden. Überall war das Land verwüstet, ganze Gegenden waren zur Brandstätte und Einöde geworden, die Einwohnerzahl war im ganzen auf den vierten Teil herabgesunken; der Wohlstand war vernichtet, Handel und Gewerbe für lange Zeit gelähmt, die sittliche Verderbnis auf einen entsetzlichen Grad gestiegen.
Das deutsche Volk hat die Kulturarbeit fast von Anfang wieder beginnen müssen, und beinahe zwei Jahrhunderte hat es gebraucht, um nur in materieller Beziehung den Stand des 16. Jahrh. wieder zu erreichen. Dazu war die politische Selbständigkeit und Bedeutung Deutschlands [* 36] durch das Übergewicht, welches fremde Mächte, besonders Frankreich, durch die Schwächung des Deutschen Reichs erlangten, für lange Zeit so gut wie vernichtet, und die innern Einrichtungen des Reichs, wie sie durch den Westfälischen Frieden festgesetzt wurden, trugen vollends dazu bei, jede feste Einigung und dauernde Kraftäußerung, jede Zusammenfassung der Kräfte des Reichs unter einheitlicher Führung unmöglich zu machen. Da der Krieg nicht aufhörte, weil eine wirkliche Lösung der Streitfragen, wegen deren er begonnen, erzielt, sondern nur weil die Kräfte der Kämpfenden gänzlich erschöpft waren, so war auch nicht einmal eine Versöhnung der Religionsparteien, eine Beseitigung des kirchlichen Zwistes erreicht. Die politischen und religiösen Gegensätze in Deutschland überdauerten den Krieg; derselbe hatte daher auch nicht ein einziges fruchtbares und wohlthätiges Ergebnis.
[Litteratur.]
Seit 1629 hatte Lundorp (»Acta publica«) alle ihm zugänglichen öffentlichen Aktenstücke zusammengestellt.
Eine sehr zahlreiche Litteratur von Flugschriften hat den ganzen Krieg begleitet, aus ihnen arbeitete Abelin seit 1635 das »Theatrum europaeum« zusammen (21 Bde., 1617-1718 fortgesetzt).
Von kaiserlicher Seite schrieb Graf Khevenhiller seine »Annalen des Kaisers Ferdinand II.«, die in 12 Bänden von 1578 bis 1637 reichen. Den Krieg von 1630 bis 1648 beschrieb im Auftrag der Königin Christine von Schweden Philipp Chemnitz; [* 37] indes sind nur die zwei ersten Abteilungen des Werkes damals gedruckt, die erste zu Stettin [* 38] 1648, die zweite zu Stockholm [* 39] 1653; der dritte und vierte Teil erschienen erst 1855 und 1859 daselbst. 1634 veröffentlichte der Genfer Friedrich Spanhemius unter dem Titel: »Soldat suédois« seine vom protestantischen Standpunkt geschriebene Geschichte der kriegerischen Thaten Gustav Adolfs (1630-32). Das Kriegsleben im Dreißigjährigen Krieg schildert vortrefflich Grimmelshausen (s. d.) in seinem »Simplicissimus«.
Gualto Priorato veröffentlichte 1642 eine »Geschichte der Kriege Ferdinands II. und III. gegen Gustav Adolf und die Schweden«, etwas später eine kurze Biographie Wallensteins. Der Genuese Peter Baptista Borgo (Burgus) schrieb 1633 in lateinischer Sprache: [* 40] »Denkwürdigkeiten über den schwedischen Krieg«, »Commentarii de bello suecico« und den »Mars [* 41] sueco-germanicus« (1641). Aus dem schwedischen Archiv hat mit Benutzung des Werkes von Chemnitz der berühmte Samuel Pufendorf 1686 den Krieg Gustav Adolfs noch einmal erzählt. In späterer Zeit hat Schillers »Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs« (Leipz. 1793, 2 Bde.; fortgesetzt von Woltmann, das. 1808-1809, 2 Bde.) großen Beifall gefunden; aber als eine auf gründlicher Quellenforschung beruhende wissenschaftliche Arbeit darf sie nicht gelten.
Neuere Gesamtdarstellungen sind: Söltl, Der Religionskrieg in Deutschland (Hamb. 1840-1842, 3 Bde.);
Barthold, Geschichte des großen deutschen Kriegs (Stuttg. 1842-43, 2 Bde.);
Gindely, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (Prag 1869-1880, Bd. 1-4);
Derselbe, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (Leipz. 1883, 3 Bde.; populär);
Keym, Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (2. Aufl., Freiburg [* 42] 1873, 2 Bde.).
Vgl. ferner: Flathe, Gustav Adolf und der Dreißigjährige Krieg (Dresd. 1840-1841, 4 Bde.);
Gfrörer, Geschichte Gustav Adolfs (4. Aufl., Stuttg. 1863);
G. Droysen, Gustav Adolf (das. 1869-70 2 Bde.);
Cronholm, Sveriges historia under Gustaf II. Adolphs regering (Stockh. 1857-72, 6 Bde.);
Droysen, Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar (Leipz. 1885, 2 Bde.);
Villermont, Tilly oder der Dreißigjährige Krieg (a. d. Franz., Schaffh. 1860);
Klopp, Tilly (Stuttg. 1861, 2 Bde.);
v. Ranke, Geschichte Wallensteins (4. Aufl., das. 1880);
Hallwich, Wallensteins Ende (Leipz. 1879, 2 Bde.);
Hurter, Geschichte Ferdinands II. (Schaffh. 1850-64, 11 Bde.);
M. Koch, Geschichte des Deutschen Reichs unter der Regierung Ferdinands III. (Wien 1865, 2 Bde.);
Opel, Der niedersächsisch-dänische Krieg (Halle [* 43] 1872-78, Bd. 1 u. 2);
Stieve, Der Ursprung des Dreißigjährigen Kriegs (Münch. 1876 ff.);
La Roche, Der Dreißigjährige Krieg vom militärischen Standpunkt beleuchtet (Schaffh. ¶