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Verwandten des Verstorbenen und dem einstimmenden Volk vor der Bestattung des Toten vorgetragen und dargestellt worden sei. Einige Gelehrte wollen (angeblich mit Unrecht) das Hohelied Salomonis als eine fortschreitende Handlung mit abwechselnden Einzel- und Chorgesängen und als Anfang des Dramas bei den Hebräern angesehen wissen. Reicher entfaltet tritt dasselbe, obgleich erst verhältnismäßig spät und vielleicht nicht ohne griechischen Einfluß, bei den Indern auf, wo sich auch die Anfänge dramaturgischer Regeln finden. Sie unterscheiden ein höheres, aus Scherz und Ernst gemischtes Schauspiel, das belehren, und ein niederes Lustspiel, das nur (mit derben Späßen, Wundern und Zauberpossen) die Masse ergötzen will. Die einzelnen Teile der Handlung, Exposition, Peripetie und Katastrophe (welch letztere, da das indische Drama keinen tragischen Schluß kennt, meist durch Dazwischenkunft eines Wunders zum Besten gelenkt wird), treten deutlich auseinander, ebenso Haupt- und Nebenhandlung; auch die Besonderheiten der einzelnen Kasten und Berufsarten sowie der Geschlechter werden (sogar durch den Gebrauch verschiedener Sprachdialekte) gekennzeichnet; im ganzen aber bleibt die Verknüpfung der Begebenheiten eine lose und besteht der Hauptreiz der Dichtung in der oft überraschend schönen Ausmalung des Einzelnen in Denkart und Sprache. Gipfel der indischen Dramatik sind die Werke des Kalidâsa (wahrscheinlich im 3. Jahrh. n. Chr.), dessen »Sakuntala«, das erste indische Drama, das (durch W. Jones) nach Europa verpflanzt wurde, die Liebesgeschichte der Brahmanentochter Sakuntala und des Königs Duschmanta, und dessen »Vikramorvasi« die Liebe des Pururavas zur Nymphe Urvasi (der Sonne zur Morgenröte) behandelt. Aber auch Konversationsstücke, die in der höhern menschlichen Gesellschaft spielen, Intrigenstücke und allegorische Dramen sind auf der indischen Bühne zu Hause. In Peru fanden die spanischen Konquistadoren bei den Eingebornen ein in der Quichuasprache abgefaßtes Drama, »Ollanta« (deutsch von J. J. ^[Johann Jakob] v. Tschudi und Graf Wickenburg, 1875), vor, das öffentlich aufgeführt wurde, und dessen Inhalt der einheimischen Geschichte der Inkas von Cuzco entnommen war.
Innerhalb Europas erwuchs das Drama zuerst in Griechenland aus den dem ägyptischen Totendrama verwandten, unter Beteiligung des Volkes dargestellten Mysterien (einer Art geistlichen Schauspiels) zu Eleusis, insbesondere aus dem Dionysosdienst, bei dessen Festen der Lauf der Jahreszeiten, der Kampf der blühenden Natur mit den winterlichen Todesmächten, ihr Erliegen und ihre siegreiche Auferstehung im Frühling als Thaten und Leiden des Gottes und Symbol der Geschicke und Hoffnungen der menschlichen Seele gefeiert wurden. Männer und Frauen, von den Schicksalen des Gottes ergriffen, legten die Kleider der Genossen desselben, Kranz und Pantherfell an, ergriffen den Thyrsos und stellten so verkleidet das Gefolge des Gottes dar, das, zum Chor vereinigt, den Festgesang (Dithyrambos) unter Mimik und Tanz aufführte. Das Ganze erhielt, weil der Tanz sich um das brennende Opfer eines Bockes bewegte, den Namen Tragödie (»Bocksgesang«), wurde später vom Bakchos auch auf andre Heroen übertragen, zugleich aber neben den ernsten Gesängen auch der Vortrag possenhafter Lieder und Schwänke im Gewand und nach Art der den Gott begleitenden Satyrn und Faune eingeführt, aus welch letztern die Komödien und Satyrspiele entsprangen. Thespis, zur Zeit des Peisistratos in Athen, legte den Grund zum eigentlichen Drama, indem er den Reigenführer aus dem Chor treten und als Schauspieler in der passenden Maske Geschehenes als ihm selbst geschehend vortragen ließ. Äschylos fügte den zweiten Schauspieler und damit den Dialog, das Drama der Folgezeit aber noch einen dritten Mitwirkenden hinzu. Das Drama selbst nahm eine kunstmäßige Form an, indem das ernste oder heitere Los des Helden nicht als zufällig oder willkürlich, sondern als Folge seiner That, als notwendig begründet dargestellt und damit die Geschlossenheit der Handlung erreicht wurde. Dadurch aber, daß dasselbe bei Beginn der Handlung erst bevorstehend, also (ob gehofft oder gefürchtet) noch ungewiß (obgleich vermutet) war, trat an der Stelle bloß epischer (durch ein Vergangenes) oder lyrischer (durch ein Gegenwärtiges bestimmter) Gemütserregung die dramatische, d. h. durch die Vorstellung eines Künftigen verursachte, Gemütsstimmung (erwartungsvolle Spannung) sowohl bei den Personen des Chors auf als bei den Zuschauern des Schauspiels vor der Bühne ein, da sie nicht mehr einem vergangenen, also bekannten, sondern einem vor ihren Augen sich erst entwickelnden, also teilweise noch unbekannten Geschick gegenüber sich befanden. Der aus der ursprünglichen Gestalt der Dionysosfeste beibehaltene Chor wurde nun ein Teilnehmer oder doch teilnahmsvoller Zuschauer der sich vollziehenden Handlung, während er vorher nur ein gefühlvoller Zuhörer einer als vollzogen erzählten gewesen war. Dadurch wurde zwar der dramatische Charakter der Darstellung erhöht, die ununterbrochene Gegenwart des Chors bot aber nichtsdestoweniger für die dargestellte Handlung, die nun so eingerichtet werden mußte, daß jene nicht unmotiviert erschien, keine unbedeutende Schwierigkeit. Nicht nur mußte dieselbe, soviel irgend möglich, ins Freie verlegt, sondern sie mußte auch auf eine so kurze Zeit wie irgend thunlich beschränkt und der Ort ihrer Vollziehung sowenig wie möglich gewechselt gedacht werden. Folge davon war, daß das in erzählender Form Vorgetragene im griechischen Drama, gegen das als unmittelbar gegenwärtig Geschaute gehalten und mit unsrer modernen Gewohnheit, so vieles als möglich auf die Bühne selbst zu verlegen, verglichen, einen unverhältnismäßigen Raum einnimmt, weil, mit geringen Ausnahmen, was im Innern des Hauses und alles, was nicht an dem unveränderlichen Orte der Handlung selbst sich ereignet, durch Boten berichtet werden muß. Rechnet man noch die Chorgesänge hinzu, so wird im griechischen Drama durch die nicht dramatische (epische und lyrische) die dramatische (monologische und dialogische) Vortragsform erheblich eingeschränkt. Dasselbe suchte daher den Verlust an Anschaulichkeit, welchen der Ausfall des an andern (als dem Orte der Handlung) Orten vor sich Gehenden herbeiführt, durch Erhöhung derselben für das am Ort selbst Geschehende wett zu machen und bediente sich dazu der die Lokalität der Handlung nachahmenden Dekoration, welche das indische und chinesische Drama nicht kannte. Bei diesen, deren Bühne in einem Brettergerüst bestand, fand der freieste Ortswechsel innerhalb der Handlung statt, und sie überließen es dem Zuschauer, sich die Umgebung der Handelnden in seiner Phantasie auszumalen. Die Griechen hingegen, indem sie während der Handlung den Ort nicht wechselten, ahmten letztern sichtbar auf der Schaubühne nach. Dieselbe stellte eine Straße, einen Platz oder eine freie Gegend dar, an oder in welcher ein Tempel, der Palast oder das Wohnhaus der Personen des Dramas lag, dessen Inneres, wenn erforderlich, durch eine besondere Maschine (Ekkyklema) nach außen gekehrt werden konnte.
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Vor der Bühne, in dem vertieften Raum zwischen dieser und den Zuschauersitzen (Orchestra), befand sich der Chor, der um einen im Mittelpunkt angebrachten Altar (Thymele) seine Tänze aufführte und nur, wenn er in Wechselrede mit den auf der Bühne Befindlichen trat, ein mit derselben gleich hohes Gerüst bestieg.
Die durch die Gegenwart des Chors erzwungene Kürze der Dauer der Handlung suchte das griechische Drama anfänglich durch die Aneinanderreihung mehrerer meist untereinander in Beziehung stehender Stücke (gewöhnlich drei), denen als Abschluß ein erheiterndes Satyrspiel folgte (daher »Tetralogie« genannt), gutzumachen. Den Höhepunkt des griechischen Dramas in der ernsten Gattung stellen die Tragödien des Äschylos, Sophokles und Euripides, den in der heitern die sogen. alte Komödie des Aristophanes und die sogen. neuere des Menander dar. Das in dem erstern herrschende Schicksal ist zwar kein ungerechtes, da der Strafe immer eine Schuld vorhergeht, aber doch ein herbes, da die letztere nicht immer einer sichtbaren That des leidenden Helden entspringt, das strafbare Vergehen vielmehr oft lange vor der Katastrophe von dem Ahnherrn verübt und von dem (scheinbar) schuldlosen Enkel gesühnt wird. Entschuldigt wird diese Härte durch die Blutsgemeinschaft, in welcher die nachfolgende mit der frühern Generation stehend gedacht, und wodurch für die Schuld des einzelnen Gliedes (wie bei den alten Germanen) das ganze Geschlecht verantwortlich gemacht wird. Da aber doch immer eine Grausamkeit darin liegt, daß dem Einzelnen sein Schicksal von den Göttern ohne Rücksicht auf sein persönliches Verhalten auferlegt werden darf, so haben, während der älteste der drei großen Tragiker, Äschylos, die Geschlechtsschuld aufrecht erhielt, Sophokles und noch mehr Euripides dieselbe in eine individuelle zu verwandeln gesucht und dadurch, besonders der letztgenannte, dem Standpunkt des modernen Dramas sich genähert. In der alten Komödie bildet die Grundlage des Komischen der sittliche Ernst, daher sie auch nicht rein komisch, sondern vielmehr satirisch-strafend und humoristisch-verspottend erscheint; der Dichter geißelt die Thorheit und Sittenlosigkeit seiner Zeit nicht bloß im Bild, sondern persönlich durch direkte Zwischenrede, die sogen. »Parabase«. In der neuern Komödie dagegen ist es dem Dichter vornehmlich um den Eindruck des Komischen zu thun, daher er durch seine Gleichgültigkeit gegen den sittlichen Charakter der Handlung frivol erscheint. Zwischen beiden bildete die sogen. mittlere Komödie, welche zwar den satirischen Ton der alten beibehielt, ihn aber, statt auf die öffentlichen, auf Privatthorheiten anwandte, die Übergangsstufe.
Bei den Römern fand das Drama als Nachahmung und Bearbeitung griechischer Originale (der Tragödien des Livius Andronicus bis auf die sogen. Tragödien des Seneca, der neuern Komödien durch den derben Plautus und den feinen Terenz, das Vorbild des modernen Lustspiels) Pflege. Originell waren dieselben nur in der Lokalposse und der seitdem in Italien heimisch gebliebenen und von da auf die romanischen Völker (Spanier) verpflanzten »Stegreifkomödie« mit stehenden Charaktermasken, deren Handlung in die (im Hannibalschen Krieg zerstörte) Stadt Atella (eine Art Lalenburg oder Schöppenstedt) verlegt, und die daher (nach Mommsen) Atellanen (s. d.) genannt wurden. Letztere erhielten sich auch nach dem Untergang der klassisch-heidnischen Kultur durch das ganze Mittelalter hindurch; die antike Tragödie aber wurde seit der Herrschaft des Christentums durch das große Passions- und Erlösungsdrama ersetzt, das nicht nur in der Messe des katholischen Kultus täglich symbolisch wiederholt, sondern durch die sogen. Mysterien (s. d.), Weihnachts- und Passionsspiele (s. d.), geistliche Schauspiele, die anfänglich in lateinischer Sprache von den Geistlichen selbst, seit dem 13. Jahrh. aber auch von Weltlichen in den Volkssprachen veranstaltet wurden, auch öffentlich (anfänglich in den Kirchen, späterhin auf eignen Schaubühnen) dargestellt ward. Durch die Einführung allegorischer Figuren, Personifikationen der verschiedenen einander bekämpfenden Tugenden und Laster, entstanden die sogen. Moralitäten (s. d.) oder moralischen Schauspiele, die allmählich, wie erstere, in die Hände von Brüderschaften (wie die Bazoche [s. d.], die Confrérie de la Passion [s. d.] u. a. in Paris) gerieten und so die Veranlassung zur Gründung stehender Bühnen wurden. In diesen gab Frankreich, nach dessen Vorgang in Deutschland die Passionsspiele (von denen sich jene im Oberammergau und in einigen Thälern Tirols bis heute erhalten haben), in England die Mirakelspiele sich ausbildeten, im komischen Genre Italien durch seine sogen. »commedia dell' arte« (die altitalische Stegreifkomödie im Volksdialekt und mit den stehenden Charaktermasken des Arlechino ^[richtig: Arlecchino], Pantalone, Tartaglia, Graziano, der Kolombine etc.) den Ton an. Letztere wurde in Deutschland durch die volkstümliche Gestalt des Hanswurstes und die (bürgerlichen) Mummereien und Fastnachtsschwänke (besonders in den Reichsstädten) nachgeahmt. Mit der Renaissance kam zuerst in Italien ein Kunst-, mit der Reformation bei den neuern romanischen und germanischen Völkern (in Spanien, England, Frankreich und Deutschland) ein nationales Drama empor. Jenes ging in der Tragödie in äußerlicher Nachahmung der klassischen Formen, in der Komödie dagegen in burlesker Darstellung frivoler Zucht- und Sittenlosigkeit auf, von der sich auch ernste Männer, wie Machiavelli und G. Bruno, nicht frei hielten. Dieses bildete (Spanien im katholischen, England im protestantischen Sinn) die dramatischen Anfänge des Mittelalters aus, während Frankreich und Deutschland mit denselben gebrochen haben, um jenes das römische, dieses das hellenische Ideal in ihrer Weise zu erneuern.
Während im antiken Drama die eigentliche That gewöhnlich vor der Handlung des Dramas gelegen, deren eigentlicher Inhalt meist das schließliche Los des Handelnden war, machte im neuern Drama umgekehrt die Genesis der That aus dem Charakter des Handelnden vornehmlich den Vorwurf des Dramas aus. Folge davon ist, daß jenes überwiegend Situations-, das neuere überwiegend Charakterdrama wird. In letzterm haben die Engländer, vor allen Shakespeare, das Höchste geleistet; das klassische Drama der Deutschen (Goethe und Schiller) hat dann sein Prinzip mit jenem des griechischen Dramas zu vermählen versucht. Der Gang der Handlung wird im neuern Drama breiter, die Charakteristik mannigfaltiger und individueller, die Darstellung dem äußern Leben ähnlicher und realistischer. Die Beschränkung, welche die Gegenwart des Chors auf der Schaubühne der örtlichen und zeitlichen Anlage der Handlung auferlegte, wird mit der Beseitigung der antiken und der Beibehaltung der schmucklosen Bretterbühne des Mittelalters abgestreift, dagegen die größte Sorgfalt auf Ausmalung der Charaktere und Motive der Handelnden sowie auf glänzende poetische Diktion und die Phantasie erregende Darstellung verwendet. An die Stelle der plastischen tritt die malerische Wirkung; das Schöne wird durch das Interessante gewürzt,