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letztern selbst für das geistige, sondern noch mehr durch die sichtbare Darstellung des Dramas (theatralische Aufführung) für das sinnliche Auge. [* 2] Jedes echte Drama als Nachahmung einer im wirklichen Vollzug begriffenen Handlung ist daher für die Aufführung bestimmt und erlangt erst durch diese den Schein voller Gegenwärtigkeit, für den es geschaffen ist. Sogen. Lese- und Buchdramen sind gegen den Begriff des Dramas. Daraus folgt allerdings nicht, daß jedes Drama für die Aufführung auf einer bestimmten Schaubühne unter bestimmten Theaterverhältnissen bestimmt sein müsse.
Wer nur die letztere, wohl gar die zufälligen Wünsche einer Bühnenleitung oder eines Theaterpublikums im Auge hat, erniedrigt das Drama zum Bühnenstück. Gehört die nachgeahmte Handlung (z. B. eine geschichtliche) nach Ort und Zeit einem bestimmt gefärbten Kulturkreis an, so muß der Schein ihrer Gegenwärtigkeit in der nachahmenden durch möglichst treue Wiedergabe des Zeitcharakters, der Örtlichkeit, der Tracht, der Redeweise etc. erhöht werden. Die Einteilung des Dramas erfolgt je nach der Beschaffenheit entweder der Form oder des Stoffs der Handlung. In jener Hinsicht unterscheidet man Charakter- und Situationsdramen, je nachdem die Motivierung des Redens und Handelns der dramatischen Personen mehr in deren innere Anlage (Charakter, Naturell) oder in deren äußere Lage (die durch Zufall oder Vorherbestimmung gegebenen Verhältnisse) verlegt wird.
Das sogen. moderne Drama (Shakespeares und der Shakespearomanen, wie Hebbel, Otto Ludwig u. a.) gehört vornehmlich der erstern, das sogen. antike (der Alten und ihrer Nachahmer, z. B. Schillers im »Wallenstein«, der die größere Hälfte der Schuld desselben »den unglückseligen Gestirnen zuwälzt«, in der »Braut von Messina« [* 3] u. a.) der letztern Gattung an. Nach der Zahl der handelnden Personen werden Mono-, Duo- und Polydramen unterschieden. In Bezug auf den Stoff ist bei der Einteilung entweder der Charakter oder der Ursprung der als Handlung dargestellten Begebenheit maßgebend.
Ist dieselbe nach des Aristoteles Ausdruck eine ernste, so daß ihre dramatische Darstellung Mitleid (mit dem leidenden Helden: Ödipus, Hamlet, Wallenstein) und Furcht (für uns selbst als seinesgleichen: nil humani a nobis alienum!) hervorruft, so entsteht das Trauerspiel oder die Tragödie (s. d.); ist sie dagegen eine heitere, welche durch ihre dramatische Behandlung den Handelnden zwar ungereimt (für den Beschauer), aber sein Los unschädlich (für ihn selbst) und ihn (infolge beider Umstände dem Beschauer) lächerlich erscheinen läßt, so entsteht das Lustspiel oder die Komödie (s. d.). In beiden Fällen findet ein Glückswechsel vom Bessern zum Schlimmern statt, in jenem ein schädlicher (Cäsars, Wallensteins Tod), in diesem ein unschädlicher (der habsüchtige Geizige wird um seinen geträumten Gewinn, der heiratssüchtige Alte um seine erträumte Braut, der Ruhm- und Lobsüchtige um seine vermeinte Bewunderung geprellt, ohne daß er jedoch einen wirklichen Nachteil erfährt); der tragische Held wird beweint, der komische ausgelacht.
Erfolgt dagegen der Glückswechsel in umgekehrter Richtung (vom Schlimmern zum Bessern), so entsteht, wenn derselbe dem Helden zum wirklichen Vorteil gereicht (sein schließliches Glück uns erfreut, wie uns sein anfängliches Unglück betrübt hat), das Schauspiel (Goethes »Iphigenia«; Lessings »Nathan«); macht dagegen sein Glückswechsel den Helden (Glückspilz) nur lächerlich (weil sein schließliches Glück nur ein vermeintliches, sein in Wirklichkeit fortbestehendes Mißgeschick übrigens nach wie vor kein so ernsthaftes ist, daß es Mitleid erregen kann), so entsteht die Posse (die verbannten staatsweisen Athener als schließliche Erbauer und Beherrscher von Wolkenkuckucksheim; der verkannte, schließlich im Korb in die Lüfte erhöhte [vermeintliche] Sophist Sokrates bei Aristophanes).
Was den Ursprung der als Drama dargestellten Begebenheit (Fabel) betrifft, so kann sie entweder einer gänzlich erfundenen phantastischen Welt (poetisches Drama; Tiecks Märchendrama; Raimunds u. a. Feen- und Zauberstücke) oder der, sei es im Glauben (mythisches Drama; geistliches Schauspiel; Mysterium; Passionsspiele), sei es in der Erfahrung (realistisches Drama; weltliches Schauspiel), gegebenen Welt entnommen sein. Gehört sie in letzterer der Vergangenheit an, so entsteht das historische, gehört sie dagegen der (jeweiligen) Gegenwart (des Dichters) an, das moderne Drama. Je nachdem sie das Leben eines Individuums oder als typische das Wesen einer ganzen Gattung von solchen (eines Geschlechts, einer Altersstufe, einer Berufsklasse, eines Standes, einer Nationalität, einer Kulturstufe etc.) repräsentiert, wird das entsprechende Drama Biographie- oder Genrestück.
Durch Kombination beider Einteilungen ergeben sich als Unterarten:
1) das historisch-biographische Drama (Shakespeares Historien; Goethes »Götz«, »Egmont« und »Tasso«; Schillers »Wallenstein«, »Maria Stuart«, »Tell« etc.);
2) das modern-biographische Drama (Goethes »Clavigo«, der noch bei dessen Lebzeiten erschien; Lassalle und Kaiser Max von Mexiko [* 4] wurden unmittelbar nach ihrem Tod auf die Bretter gebracht);
3) das historische Genrestück (»Wallensteins Lager«; [* 5] Scribes »Glas [* 6] Wasser«; Laubes »Rokoko«);
4) das moderne Genrestück (das bürgerliche Trauerspiel; das Konversationsstück; das moderne Sittenbild). Weitere Abarten gehen aus der Verbindung der Einteilungen nach dem Stoff mit jenen nach der Form des Dramas hervor.
Geschichte des Dramas.
Geschichtlich sind die Anfänge des Dramas bei allen Völkern aus der Nachahmung wirklicher oder als wirklich geglaubter (wie es die Lebensumstände der Götter sind) Handlungen durch handelnde Personen hervorgegangen. Ähnliches läßt sich noch heute bei den Kindern beobachten, welche die Handlungen Erwachsener (Hochzeit, Leichenbegängnis, Krieg, Gottesdienst, Gericht etc.) im Spiel mit verteilten Rollen [* 7] nachahmen. Die begleitenden Reden wurden dabei entweder (wie noch heutzutage bei den sogen. Stegreifkomödien) von den Darstellern selbst im Augenblick der Darstellung erfunden, oder denselben zugleich mit der darzustellenden Handlung von deren Erfinder (dem dramatischen Dichter) ihrem Charakter und ihrer jeweiligen Lage gemäß in den Mund gelegt.
Was zunächst das außereuropäische Drama betrifft, so ziehen in China [* 8] die Schauspieler gleich Seiltänzern umher und stellen Begebenheiten, meist Liebes- und Kriminalgeschichten, ohne geschlossene Handlung und sorgfältige Motivierung in dialogisierter Form dar. Als Urheber des regelrechten Dramas wird der Kaiser Hiuentsong (702-756 n. Chr.) genannt; er soll aus Wechselrede und Wechselgesang das erste Drama geschaffen haben. Ein chinesisches Schauspiel: »Die Waise von Tschao«, hat Voltaire für die französische Bühne bearbeitet;
ein andres: »Der Geizige«, erinnert an Molière;
auch historische Dramen sind der chinesischen Litteratur nicht fremd.
Neuere Ägyptologen fassen das uralte Totenbuch der Ägypter, welches eine Darstellung der Schicksale der Seele nach dem Tod enthält, als Drama auf, welches nach dem Zeugnis der Bildwerke von den Priestern, von den ¶
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Verwandten des Verstorbenen und dem einstimmenden Volk vor der Bestattung des Toten vorgetragen und dargestellt worden sei. Einige Gelehrte wollen (angeblich mit Unrecht) das Hohelied Salomonis als eine fortschreitende Handlung mit abwechselnden Einzel- und Chorgesängen und als Anfang des Dramas bei den Hebräern angesehen wissen. Reicher entfaltet tritt dasselbe, obgleich erst verhältnismäßig spät und vielleicht nicht ohne griechischen Einfluß, bei den Indern auf, wo sich auch die Anfänge dramaturgischer Regeln finden.
Sie unterscheiden ein höheres, aus Scherz und Ernst gemischtes Schauspiel, das belehren, und ein niederes Lustspiel, das nur (mit derben Späßen, Wundern und Zauberpossen) die Masse ergötzen will. Die einzelnen Teile der Handlung, Exposition, Peripetie und Katastrophe (welch letztere, da das indische Drama keinen tragischen Schluß kennt, meist durch Dazwischenkunft eines Wunders zum Besten gelenkt wird), treten deutlich auseinander, ebenso Haupt- und Nebenhandlung; auch die Besonderheiten der einzelnen Kasten und Berufsarten sowie der Geschlechter werden (sogar durch den Gebrauch verschiedener Sprachdialekte) gekennzeichnet; im ganzen aber bleibt die Verknüpfung der Begebenheiten eine lose und besteht der Hauptreiz der Dichtung in der oft überraschend schönen Ausmalung des Einzelnen in Denkart und Sprache. [* 10]
Gipfel der indischen Dramatik sind die Werke des Kalidâsa (wahrscheinlich im 3. Jahrh. n. Chr.), dessen »Sakuntala«, das erste indische Drama, das (durch W. Jones) nach Europa [* 11] verpflanzt wurde, die Liebesgeschichte der Brahmanentochter Sakuntala und des Königs Duschmanta, und dessen »Vikramorvasi« die Liebe des Pururavas zur Nymphe Urvasi (der Sonne [* 12] zur Morgenröte) behandelt. Aber auch Konversationsstücke, die in der höhern menschlichen Gesellschaft spielen, Intrigenstücke und allegorische Dramen sind auf der indischen Bühne zu Hause. In Peru [* 13] fanden die spanischen Konquistadoren bei den Eingebornen ein in der Quichuasprache abgefaßtes Drama, »Ollanta« (deutsch von J. J. ^[Johann Jakob] v. Tschudi und Graf Wickenburg, 1875), vor, das öffentlich aufgeführt wurde, und dessen Inhalt der einheimischen Geschichte der Inkas von Cuzco entnommen war.
Innerhalb Europas erwuchs das Drama zuerst in Griechenland [* 14] aus den dem ägyptischen Totendrama verwandten, unter Beteiligung des Volkes dargestellten Mysterien (einer Art geistlichen Schauspiels) zu Eleusis, insbesondere aus dem Dionysosdienst, bei dessen Festen der Lauf der Jahreszeiten, [* 15] der Kampf der blühenden Natur mit den winterlichen Todesmächten, ihr Erliegen und ihre siegreiche Auferstehung im Frühling als Thaten und Leiden [* 16] des Gottes und Symbol der Geschicke und Hoffnungen der menschlichen Seele gefeiert wurden.
Männer und Frauen, von den Schicksalen des Gottes ergriffen, legten die Kleider der Genossen desselben, Kranz und Pantherfell an, ergriffen den Thyrsos [* 17] und stellten so verkleidet das Gefolge des Gottes dar, das, zum Chor vereinigt, den Festgesang (Dithyrambos) unter Mimik [* 18] und Tanz aufführte. Das Ganze erhielt, weil der Tanz sich um das brennende Opfer eines Bockes bewegte, den Namen Tragödie (»Bocksgesang«),
wurde später vom Bakchos auch auf andre Heroen übertragen, zugleich aber neben den ernsten Gesängen auch der Vortrag possenhafter Lieder und Schwänke im Gewand und nach Art der den Gott begleitenden Satyrn [* 19] und Faune eingeführt, aus welch letztern die Komödien und Satyrspiele entsprangen. Thespis, zur Zeit des Peisistratos in Athen, [* 20] legte den Grund zum eigentlichen Drama, indem er den Reigenführer aus dem Chor treten und als Schauspieler in der passenden Maske Geschehenes als ihm selbst geschehend vortragen ließ.
Äschylos fügte den zweiten Schauspieler und damit den Dialog, das Drama der Folgezeit aber noch einen dritten Mitwirkenden hinzu. Das Drama selbst nahm eine kunstmäßige Form an, indem das ernste oder heitere Los des Helden nicht als zufällig oder willkürlich, sondern als Folge seiner That, als notwendig begründet dargestellt und damit die Geschlossenheit der Handlung erreicht wurde. Dadurch aber, daß dasselbe bei Beginn der Handlung erst bevorstehend, also (ob gehofft oder gefürchtet) noch ungewiß (obgleich vermutet) war, trat an der Stelle bloß epischer (durch ein Vergangenes) oder lyrischer (durch ein Gegenwärtiges bestimmter) Gemütserregung die dramatische, d. h. durch die Vorstellung eines Künftigen verursachte, Gemütsstimmung (erwartungsvolle Spannung) sowohl bei den Personen des Chors auf als bei den Zuschauern des Schauspiels vor der Bühne ein, da sie nicht mehr einem vergangenen, also bekannten, sondern einem vor ihren Augen sich erst entwickelnden, also teilweise noch unbekannten Geschick gegenüber sich befanden.
Der aus der ursprünglichen Gestalt der Dionysosfeste beibehaltene Chor wurde nun ein Teilnehmer oder doch teilnahmsvoller Zuschauer der sich vollziehenden Handlung, während er vorher nur ein gefühlvoller Zuhörer einer als vollzogen erzählten gewesen war. Dadurch wurde zwar der dramatische Charakter der Darstellung erhöht, die ununterbrochene Gegenwart des Chors bot aber nichtsdestoweniger für die dargestellte Handlung, die nun so eingerichtet werden mußte, daß jene nicht unmotiviert erschien, keine unbedeutende Schwierigkeit.
Nicht nur mußte dieselbe, soviel irgend möglich, ins Freie verlegt, sondern sie mußte auch auf eine so kurze Zeit wie irgend thunlich beschränkt und der Ort ihrer Vollziehung sowenig wie möglich gewechselt gedacht werden. Folge davon war, daß das in erzählender Form Vorgetragene im griechischen Drama, gegen das als unmittelbar gegenwärtig Geschaute gehalten und mit unsrer modernen Gewohnheit, so vieles als möglich auf die Bühne selbst zu verlegen, verglichen, einen unverhältnismäßigen Raum einnimmt, weil, mit geringen Ausnahmen, was im Innern des Hauses und alles, was nicht an dem unveränderlichen Orte der Handlung selbst sich ereignet, durch Boten berichtet werden muß.
Rechnet man noch die Chorgesänge hinzu, so wird im griechischen Drama durch die nicht dramatische (epische und lyrische) die dramatische (monologische und dialogische) Vortragsform erheblich eingeschränkt. Dasselbe suchte daher den Verlust an Anschaulichkeit, welchen der Ausfall des an andern (als dem Orte der Handlung) Orten vor sich Gehenden herbeiführt, durch Erhöhung derselben für das am Ort selbst Geschehende wett zu machen und bediente sich dazu der die Lokalität der Handlung nachahmenden Dekoration, welche das indische und chinesische Drama nicht kannte.
Bei diesen, deren Bühne in einem Brettergerüst bestand, fand der freieste Ortswechsel innerhalb der Handlung statt, und sie überließen es dem Zuschauer, sich die Umgebung der Handelnden in seiner Phantasie auszumalen. Die Griechen hingegen, indem sie während der Handlung den Ort nicht wechselten, ahmten letztern sichtbar auf der Schaubühne nach. Dieselbe stellte eine Straße, einen Platz oder eine freie Gegend dar, an oder in welcher ein Tempel, [* 21] der Palast oder das Wohnhaus [* 22] der Personen des Dramas lag, dessen Inneres, wenn erforderlich, durch eine besondere Maschine [* 23] (Ekkyklema) nach außen gekehrt werden konnte. ¶