Schweiz

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zu Bukarest, [* 2] Tochter des Fürsten Michael Ghika und Nichte des damals regierenden Hospodars Gregor Ghika, erhielt im elterlichen Haus eine sehr sorgfältige Erziehung, bei der auch auf Pflege der körperlichen Übungen emsig Bedacht genommen ward, und ging zu ihrer weitern Ausbildung in Begleitung ihres Vaters 1840 ins Ausland, zunächst nach Dresden, [* 3] dann nach Wien, [* 4] Venedig [* 5] und Berlin, [* 6] wo sie einst bei Hof [* 7] eine glänzende Probe ihrer Kenntnis der altgriechischen Sprache [* 8] ablegte. 1849 in die Heimat zurückgekehrt, vermählte sie sich mit dem russischen Fürsten Alexander Kolzow-Massalski und verlebte nun mehrere Jahre in Rußland, meist in Petersburg, [* 9] vermochte sich aber weder an der Seite eines in den Anschauungen des Großrussentums und der Bigotterie der griechischen Kirche befangenen Gatten noch am Hof des despotischen Kaisers Nikolaus glücklich zu fühlen. Da auch ihre Gesundheit unter dem russischen Klima [* 10] litt, kehrte sie 1855 nach Übereinkunft mit ihrem Gemahl nach dem europäischen Westen zurück, verweilte zunächst mehrere Jahre in der Schweiz, [* 11] unternahm dann eine Reise nach Griechenland [* 12] und der Türkei [* 13] und wandte sich schließlich nach Italien, [* 14] wo sie gegenwärtig eine Villa bei Florenz [* 15] bewohnt, von Zeit zu Zeit jedoch ihren Aufenthalt durch größere und kleinere Reisen (wie 1880 nach Frankreich, Irland und Nordamerika) [* 16] unterbrechend.
Als Schriftstellerin (unter dem Namen Dora d'Istria und meist in französischer Sprache) trat sie zuerst 1855 hervor und veröffentlichte seitdem eine Reihe von Schriften, die nicht nur ungemeine Sprachkenntnisse (sie versteht gründlich Rumänisch, Italienisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Lateinisch, Alt- und Neugriechisch, Russisch, Albanesisch), sondern auch eine auf wissenschaftlicher Grundlage und auf freisinniger Anschauung der religiösen und politischen Verhältnisse ruhende allgemeine Bildung sowie ein Talent der Darstellung bekunden, die als ungewöhnlich zu bezeichnen sind. Im allgemeinen hat ihre Thätigkeit einen kosmopolitischen Charakter, doch betrachtet sie es als ihre Hauptaufgabe, den östlichen Ländern Europas die Quellen der Zivilisation zu eröffnen und damit zugleich auch ihrem Geschlecht eine würdigere Stellung zu verschaffen.
Ihr erstes Werk war: »La vie monastique dans l'Église orientale« (Brüss. 1855; 2. Aufl., Par. 1858),
worin sie die Beseitigung der Klosterorden fordert. Hierauf folgte: »La Suisse allemande« (Genf [* 17] 1856, 4 Bde.; deutsch, 2. Aufl., Zür. 1860, 3 Bde.),
eine vortreffliche Schilderung von Land und Leuten der Schweiz mit dem anziehenden Bericht über eine von ihr 1855 ausgeführte Besteigung des Mönchs. In der Schrift »Les femmes en Orient« (Zür. 1859, 2 Bde.) erklärt sie sich für die Emanzipation des weiblichen Geschlechts im Orient; in einer andern: »Des femmes, par une femme« (2. Aufl., Brüss. 1869, 2 Bde.),
Geschichtskarten von D

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Deutschland.vergleicht sie die Lage desselben bei den romanischen Völkern und bei den Deutschen und verlangt mit energischen Worten die Gleichstellung von Mann und Frau. Vor dem letztgenannten Werk waren von ihr »Excursions en Roumélie et en Morée« (Zür. 1863, 2 Bde.) erschienen, worin der Nachweis zu führen gesucht wird, daß Griechenland im Altertum dieselbe Aufgabe der Zivilisation zu erfüllen gehabt habe wie Deutschland [* 18] in der modernen Welt. Außerdem verfaßte sie die Schilderung »Au bord des lacs helvétiques« (Genf 1861),
die Novellen »Fylétia e Arbenoré prèj Kanekate laoshima« (Livorno [* 19] 1867),
»Gli Albanesi in Rumenia«, eine Geschichte der Fürsten Ghika im 17-19. Jahrh. (2. Ausg., Flor. 1873),
und »La poésie des Ottomans« (2. Aufl., Par. 1877) sowie zahlreiche Abhandlungen über Litteraturgeschichte, Poesie, politische, soziale und religiöse Fragen, über Geschichte, Kunst etc. in den angesehensten Journalen Frankreichs (besonders der »Revue des Deux Mondes«),
Italiens [* 20] (»Diritto«, »Antologia nuova«, »Rivista europea« etc.), der Schweiz, Griechenlands, Rumäniens und Nordamerikas. Dora d'Istria kultiviert übrigens auch die Malerkunst und trug in St. Petersburg mit zwei Landschaften einen Preis davon. Sie wurde von zahlreichen gelehrten Gesellschaften, namentlich von den Akademien Italiens, zum Mitglied sowie vom griechischen Parlament zur »Großbürgerin« von Griechenland, auch von verschiedenen italienischen Städten zur Ehrenbürgerin ernannt.
Vgl. Pommier, La comtesse Dora d'Istria (Brüss. 1863);
Yriarte, »Portraits cosmopolites« (Par. 1870);
Cecchetti, Bibliografia della Principessa Dora d'Istria (6. Aufl., Flor. 1873).