mehr
in [* 1] Fig. 3 die Ebene der Zeichnung einen Hauptschnitt eines Kalkspatkristalls vor und ab die Achsenrichtung. In dem Punkt m mögen Schwingungen erregt werden, welche teils in der Ebene des Hauptschnittes erfolgen, teils zu ihr senkrecht stehen; die letztern pflanzen sich nach allen Seiten mit der nämlichen Geschwindigkeit fort und erzeugen die in der [* 1] Figur angedeutete kreisförmige Welle. Die in der Ebene des Hauptschnittes liegenden Schwingungen aber pflanzen sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten fort, je nach dem Winkel, [* 2] den sie mit der Achse bilden.
Schwingungen z. B., welche nach ab parallel der Achsenrichtung selbst erfolgen, geben Anlaß zu einem Strahl md, der in der nämlichen Zeit, in welcher die zur Achse senkrechten Schwingungen den Halbmesser jener Kreiswelle durchlaufen, eine größere Strecke md zurücklegt, weil beim Kalkspat [* 3] die zur Achse parallelen Schwingungen eine geringere Verzögerung erfahren als die zur Achse senkrechten. Schwingungen dagegen, welche nach cd gerichtet sind, erzeugen, weil sie senkrecht zur Achse stehen, einen Strahl ma, welcher in der gedachten Zeit nur bis zu jenem Kreis [* 4] vordringt.
Solchen Strahlen endlich, deren Schwingungen einen schiefen Winkel mit der Achse bilden, wird eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit (z. B. mf) zukommen, welche kleiner ist als md, aber größer als ma. Die im Hauptschnitt gelegenen Schwingungen erzeugen demnach eine Welle von elliptischem Umriß abcd, welche die Kreiswelle, die den zum Hauptschnitt senkrechten Schwingungen entspricht, an den Achsenendpunkten a und b berührt. Da für alle Hauptschnitte das Nämliche gilt, so braucht man nur die [* 1] Fig. 3 um die Achse ab gedreht zu denken, um die Wellenfläche zu erhalten, welche für die allseitige Fortpflanzung des Lichts im Kalkspat maßgebend ist.
Diese Wellenfläche besteht aus zwei Schalen, einer Kugel für die zur Achse senkrechten Schwingungen und einem abgeplatteten Rotationsellipsoid von orangeähnlicher Gestalt, welches die Kugel umschließt und sie an den Endpunkten der Achse berührt, für die zur Achse nicht senkrechten Schwingungen. Die [* 1] Fig. 4 zeigt drei zu einander rechtwinkelige Durchschnitte, nämlich zwei Hauptschnitte und einen zur Achse senkrechten Schnitt, zu einem leichtverständlichen Modell der Wellenfläche zusammengefügt.
Nun werde die Oberfläche MN [* 1] (Fig. 5) eines Kalkspatkristalls von einem Bündel paralleler Lichtstrahlen abcf getroffen; zieht man von b aus, wo die Oberfläche von der Lichtbewegung zuerst erreicht wird, eine Senkrechte bg zur Strahlenrichtung, so stellt dieselbe das zu dem Lichtbündel gehörige ebene Wellenstückchen vor, in welchem sich sämtliche Ätherteilchen gleichzeitig im nämlichen Schwingungszustand befinden. Indem die Welle bg gegen die Kristalloberfläche fortschreitet, werden die zwischen b und f liegenden Ätherteilchen der Reihe nach von der Bewegung ergriffen, und jedes entsendet eine Wellenbewegung [* 5] in den Kristall hinein.
Der Einfachheit wegen werde angenommen, daß die Einfallsebene, d. h. die Ebene der Zeichnung, zugleich ein Hauptschnitt des Kristalls sei. Alsdann haben wir uns jeden einfallenden natürlichen Lichtstrahl aus zwei gleich hellen Strahlen bestehend zu denken, von welchen der eine im Hauptschnitt, der andre senkrecht dazu schwingt (s. Polarisation). [* 6] Letztere Schwingungen, welche senkrecht zur Kristallachse bi erfolgen, werden sich, während die Welle bg von g bis f fortschreitet, im Kristall von b aus zu einer kreisförmigen Welle ih ausgebreitet haben, deren Halbmesser bh sich zu gf verhält wie die Fortpflanzungsgeschwindigkeit dieser Art Schwingungen im Kristall zur Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts in der Luft.
Von jedem zwischen
b und f gelegenen
Punkte der Kristallfläche wird gleichzeitig eine Kreiswelle ausgegangen sein, deren
Halbmesser
jedoch um so kleiner ist, je später der zugehörige
Punkt von der einfallenden
Welle erfaßt wird.
Alle diese
Kreiswellen sind in dem
Augenblick, in welchem der
Punkt f von der einfallenden
Welle erreicht wird, bis zur
Linie fh vorgedrungen,
welche die gemeinsame
Berührungslinie sämtlicher Kreiswellen ist. Die
Linie fh stellt demnach die ebene
Welle vor, welche
sich in den
Kristall hinein fortpflanzt, und die von b nach dem Berührungspunkt h gezogene
Gerade bh gibt
die zugehörige
Richtung der gebrochenen
Strahlen an. Da die bei dieser
Zeichnung in Anwendung gekommene Wellenschale wie bei
den einfach brechenden (isotropen)
Mitteln kugelförmig ist, so befolgt ein
Strahl, der senkrecht zum Hauptschnitt schwingt,
das gewöhnliche Snelliussche Brechung
sgesetz (s.
Brechung).
[* 7]
Will man sich in ähnlicher
Weise von der
Brechung der im Hauptschnitt schwingenden
Strahlen Rechenschaft
geben, so hat man, wenn bi die
Richtung der
Achse ist, um b den
Umriß ni der elliptischen Wellenschale und von f aus die
Berührungslinie
fn an denselben zu ziehen; diese
Linie gibt alsdann die
Lage der gebrochenen
Welle und die von b aus nach
dem Berührungspunkt n gezogene
Gerade die zugehörige Strahlenrichtung an. Dieser
Strahl befolgt nicht das gewöhnliche, sondern
infolge der ellipsoidischen Gestalt seiner Wellenfläche ein viel verwickelteres Brechung
sgesetz. Man sieht also, daß ein
auf einen Kalkspatkristall treffender natürlicher Lichtstrahl (ab) im allgemeinen in zwei mit ungleicher
Geschwindigkeit sich fortpflanzende
Strahlen zerlegt wird, einen gewöhnlich gebrochenen oder ordinären (bh) und einen außergewöhnlich
gebrochenen oder extraordinären
Strahl (bn); beide sind voll-
[* 1] ^[Abb.: Fig. 4. Modell der Wellenfläche der einachsigen Kristalle.] [* 8]
^[Abb.: Fig. 5. Doppelbrechung.]
[* 9]
¶
mehr
ständig polarisiert, und zwar schwingt dieser im Hauptschnitt, jener aber senkrecht zum Hauptschnitt. Da in der Richtung
der Achse nur eine einzige Fortpflanzungsgeschwindigkeit stattfindet, so erleidet ein längs der Achse in den Kristall eindringender
natürlicher Lichtstrahl keine Zerlegung. Jede solche Richtung in einem doppelbrechenden Kristall, längs welcher keine Doppelbrechung
erfolgt,
heißt eine optische Achse. Alle Kristalle des quadratischen und hexagonalen Systems (zu welch letzterm der Kalkspat gehört)
besitzen nur eine einzige optische Achse, welche mit ihrer kristallographischen Hauptachse zusammenfällt, und heißen daher
optisch-einachsig.
Solche Kristalle, bei welchen sich die außergewöhnlichen Strahlen schneller fortpflanzen als die gewöhnlichen, bei welchen
also die ellipsoidische Wellenschale die Kugelwelle umschließt, wie Kalkspat, Turmalin, salpetersaures
Natron etc., heißen einachsig-negativ. Wird dagegen das Ellipsoid
[* 11] von der Kugelwelle umschlossen, oder besitzen die gewöhnlichen
Strahlen die größere Fortpflanzungsgeschwindigkeit, so heißen die Kristalle einachsig-positiv, wie z. B. Bergkristall oder
Quarz, Zirkon,
[* 12] Zinnstein,
[* 13] Eis
[* 14] etc. Auch in den Kristallen der drei übrigen Systeme pflanzen sich zwei zu einander
senkrecht polarisierte Strahlen mit ungleicher Geschwindigkeit fort, wovon jedoch keiner im allgemeinen dem gewöhnlichen Brechung
sgesetz
gehorcht. Die Wellenfläche
[* 10]
(Fig. 6) besteht auch hier aus zwei Schalen, deren eine von der andern ganz umschlossen wird,
so jedoch, daß beide in vier Punkten PPP'P' zusammenhängen. Um jeden dieser Punkte besitzt die äußere
Schale eine trichterförmige Einsenkung n''Pp', welcher sich eine hornförmige Hervorragung o'PP' der innern Schale entgegenstreckt.
Die eigentümliche Gestaltung der Wellenfläche in der Nähe dieser »singulären« Punkte gibt zu merkwürdigen Erscheinungen Veranlassung. Ein natürlicher Strahl, welcher sich im Kristall in der Richtung PP oder P'P' fortpflanzt, breitet sich beim Austritt in einen hohlen Strahlenkegel aus (äußere konische Refraktion), und trifft ein Strahl derart auf den Kristall, daß die innerhalb desselben ihm zugehörige Wellenebene die Wellenfläche längs des Randes jenes Trichters berührt, so löst sich der Strahl im Kristall in einen Strahlenkegel auf, der in Form eines hohlen Strahlencylinders aus dem Kristall austritt (innere konische Refraktion).
Eine Senkrechte, welche man sich vom Mittelpunkt der Wellenfläche auf eben genannte Wellenebene gefällt denkt, heißt eine optische Achse des Kristalls, und da zwei solche Richtungen, welche übrigens von den Richtungen PP und P'P' nur wenig abweichen, vorhanden sind, so nennt man diese Kristalle optisch-zweiachsig. Die Gerade CD, welche den spitzen Winkel der optischen Achsen halbiert, heißt die Mittellinie. Die Ebene der optischen Achsen ist auch diejenige der größten und kleinsten Elastizität, welche den Richtungen AB und CD entsprechen. Positiv-zweiachsig nennt man einen Kristall, wenn die kleinste, negativ-zweiachsig, wenn die größte Elastizität in der Richtung der Mittellinie stattfindet.
Die Doppelbrechung
, indem sie jedes natürliche Lichtbündel in zwei zu einander senkrecht polarisierte zerlegt, bietet
ein vortreffliches Mittel zur Herstellung polarisierten Lichts, wenn man nur dafür Sorge trägt, daß das eine der beiden
durch Doppelbrechung
entstandenen Lichtbündel beseitigt werde, weil es sonst, mit dem andern
sich vermischend, wieder unpolarisiertes Licht
[* 15] geben würde (s. Polarisation). Dies geschieht in sehr sinnreicher Weise durch
das Nicolsche Prisma
[* 10]
(Fig. 7); dasselbe wird verfertigt aus einer durch Spaltung erhaltenen Kalkspatsäule, an welche man statt
der natürlichen Endflächen, die mit den stumpfen Seitenkanten PH einen Winkel von 71° bilden, neue Flächen
PP anschleift, deren Winkel mit diesen Kanten 68° beträgt.
Nun wird das Prisma
[* 16] durch einen zu den neuen Endflächen senkrechten Schnitt HH entzweigesägt und die Schnittflächen, nachdem
sie poliert sind, mittels Kanadabalsams wieder zusammengekittet. Trifft nun ein natürlicher Lichtstrahl ab auf die Vorderfläche
PP, so spaltet er sich in einen gewöhnlich gebrochenen Strahl bc und einen ungewöhnlich gebrochenen
bd. Der erstere, dessen Brechung
sverhältnis (1,658) größer ist als dasjenige des Kanadabalsams (1,53), trifft so schief
auf die Kittfläche, daß er nicht in sie einzudringen vermag, sondern an ihr eine vollständige Zurückwerfung (s.
Brechung) nach seitwärts erfährt.
Der außergewöhnliche Strahl dagegen, welcher sich im Kalkspat rascher fortpflanzt als im Kanadabalsam, durchdringt letztern und verläßt die Hinterfläche als vollkommen polarisierter Strahl def, dessen Schwingungen parallel zum Hauptschnitt PHP oder parallel der kürzern Diagonale seiner rautenförmigen Endfläche erfolgen, wie in [* 10] Fig. 8 angedeutet ist. Für Strahlen, welche senkrecht zu seinem Hauptschnitt schwingen, erscheint das Nicolsche Prisma vollkommen undurchsichtig.
[* 10] ^[Abb.: Fig. 6. Modell der Wellenfläche der zweiachsigen Kristalle.]
^[Abb.: Fig. 7 u. 8. Nicolsches Prisma.] [* 17] ¶