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Ämtern auch in das allodiale oder Lehnseigentum der Fürsten übergingen, teils aber auch durch kaiserliche Verleihungen oder wohl auch durch Okkupation von Reichsgütern und Besitzungen minder mächtiger geistlicher Korporationen (Säkularisationen) oder weltlicher Herren, Vermächtnisse, Schenkungen, Erwerb durch Heirat, Kauf, Tausch, Krieg, Einziehung verwirkter Güter, Anbauung öder Plätze etc. Schon der Reichsabschied von 1512 gebraucht für diese Fürstengüter den Ausdruck Kammergut und zwar wie einen bekannten technisch-publizistischen Begriff.
Erst im 18. Jahrh. wird Bona domanalia, Domanien, Domänen der herrschende Ausdruck für fürstliches Kammergut. In der ältesten Zeit hatte dasselbe mehr den Charakter eines Privatguts, über welches der Fürst nach Belieben verfügte. Doch wurde schon frühzeitig die Befugnis der einseitigen Entäußerung bestritten, das Kammergut durch Hausgesetze und Verträge mit den Landständen für unveräußerlich erklärt, und es bildete sich das Grundgesetz aus, daß der Ertrag derselben nicht allein zum Unterhalt des Hofs, sondern auch für allgemeine Staatszwecke verwandt werde.
Auch mehrere Reichsgesetze, so die Reichsabschiede zu Nürnberg [* 2] von 1543 und 1557, legen den Reichsständen die Pflicht auf, aus ihren eignen Kammergütern zu den Reichslasten verhältnismäßig beizusteuern. Aber eben aus diesem publizistischen Nebencharakter des Kammerguts folgte auch die Verpflichtung des Landes, subsidiär, d. h. soweit die Erträge des Kammerguts nach Abzug der Hofhaltungskosten nicht hinreichten, zur Bestreitung der Reichslasten, der Landesverwaltungskosten und zur Tilgung der im öffentlichen Interesse gemachten Kammerschulden beizutragen. In Verbindung hiermit stand das Interesse der Landstände an der Erhaltung des Kammerguts und das Bestreben, willkürliche Veräußerungen desselben vertragsmäßig auszuschließen. Die Verwaltung der fürstlichen Kammergüter stand in den meisten Ländern unter einer besondern Behörde, der fürstlichen Rent- oder Hofkammer, welche zwar ein landesherrliches Kollegium war, jedoch aus dem eben angedeuteten Grund sich der Kontrolle der Landstände nicht ganz entziehen konnte.
Das heutige Recht der Kammergüter ist in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Die Frage, ob dieselben Staatsgut oder Privateigentum des Landesherrn (Familieneigentum) seien, war nach Auflösung des Deutschen Reichs Gegenstand zahlreicher staatsrechtlicher Erörterungen geworden und hat die verschiedenste Beantwortung erfahren. Viele Schriftsteller, wie Klüber, v. Aretin, Schmelzer, Posse, erklären die Kammergüter für Staatsgut in dem Sinn eines der moralischen Person des Staats zustehenden Eigentums.
Andre Publizisten dagegen, wie Pütter, Zachariä, Leist, Häberlin, Maurenbrecher, Dahlmann, Zöpfl, sind im Hinblick auf den Ursprung der Domänen der Ansicht, daß das Eigentum an denselben dem Landesherrn (der landesherrlichen Familie) und nicht dem Land zustehe. Diese Frage läßt sich natürlich nicht auf dem Weg der Rechtsphilosophie allgemein gültig lösen, sondern nur für jedes einzelne Land mit Berücksichtigung seiner gesamten staatsrechtlichen Entwickelung. Wenn auch nach der Rheinbundsakte (Art. 27) den mediatisierten Fürsten ihre Domänen zum Eigentum überlassen worden sind, so haben doch die Domänen der jetzigen größern Staaten viel zu sehr einen öffentlich-rechtlichen Charakter gewonnen, sind auch viel zu wenig auf rein private Erwerbstitel zurückzuführen, als daß die praktische Politik einer Familie, die ihre Landeshoheit verlieren sollte, die Domänen zu Privateigentum vollständig überlassen könnte.
In der That sind denn auch bei der Einverleibung Hannovers, Kurhessens, Nassaus etc. in Preußen [* 3] 1866 die Domänen mit den preußischen Staatsgütern vereinigt worden. Insbesondere sind zu unterscheiden:
1) Die Schatullgüter, deren Erwerbstitel ein privatrechtlicher ist, und die im allgemeinen den Bestimmungen des Privatrechts unterliegen, mit den Ausnahmen, daß sie unter anderm meist jura fisci genießen, daß sie, wie z. B. in Preußen, Bayern, [* 4] Sachsen, [* 5] dem Staatseigentum einverleibt werden, wenn der Landesherr, welcher sie erwarb, nicht unter Lebenden oder von Todes wegen über sie verfügt hat etc.; dieselben sind als Privateigentum der fürstlichen Familie zu betrachten.
2) Die Güter des fürstlichen Hauses (fürstliche Fideikommißgüter [Krongut]), deren Ertrag das selbständige, vom übrigen Staatshaushalt unabhängige Einkommen des fürstlichen Hauses bildet, während ihre Substanz der Verfügung des letztern entzogen ist. Die Verwaltung steht meist unter eignen Angestellten, Beamten und Dienern des fürstlichen Hauses. Über den Ertrag hat der Landesherr freies Dispositionsrecht.
3) Die eigentlichen Staatsgüter, welche wirkliches Staatseigentum sind, und deren Ertrag und Verwaltung dem Staat, nicht der fürstlichen Familie zusteht. Sie sind der Kontrolle der Landstände unterstellt, deren Zustimmung zu allen Veräußerungen, Verpfändungen und neuen Belastungen nötig ist. Sie gehen auf jeden Staatssuccessor über.
Neuere Gesetze haben teils das ganze Domänenvermögen für Staatsgut erklärt, teils der landesherrlichen Familie wenigstens ein beschränktes Verwaltungsrecht vorbehalten, teils aber auch eine Teilung der Substanz nach vorgenommen. Wo die Domänen für Staatsgut erklärt oder doch demselben der Verwaltung nach inkorporiert sind, ist dem Landesherrn eine Zivilliste (s. d.) festgesetzt worden, welche entweder in einer Geldsumme aus den gesamten Staatseinkünften oder durch Ausscheidung eines Teils des Domaniums geleistet wird. In Preußen sind durch das allgemeine Landrecht, Teil II, Tit. 14, §. 117, die Domänen ausdrücklich für Staatseigentum erklärt.
Doch werden nach dem
Gesetz vom und nach Art. 59 der Verfassungsurkunde 2½ Mill. Thlr.,
die im
Voranschlag der
Staatsausgaben nicht aufgeführt sind, als
Rente des »Kronfideikommißfonds« von dem
Ertrag der Domänen
und
Forsten für den
Hof
[* 6] ausgeschieden. Ebenso ist in
Bayern und
Sachsen das
Kammergut für Staatseigentum erklärt worden, während
die württembergische Verfassungsurkunde zwischen dem königlichen
Kammergut, als einem von dem
Königreich
unzertrennlichen
Staatsgut, und dem Hofdomänenkammergut
, als dem Privateigentum der königlichen
Familie, unterscheidet.
Die badische Verfassung dagegen hält daran fest, daß die Domänen unbestreitbares Patrimonialeigentum des Regenten und seiner Familie seien, läßt aber den Ertrag nach Abzug der Zivilliste für Staatszwecke verwendet werden. Die großherzoglich hessische Verfassungsurkunde vom gibt ⅓ der sämtlichen Domänen an den Staat, die übrigen ⅔ aber als Familieneigentum an das großherzogliche Haus. In Weimar [* 7] sind die Domänen für Eigentum des Landesherrn erklärt und bilden eine untrennbare Pertinenz der Landeshoheit. In Sachsen-Altenburg sind die Domänen durch Vertrag vom vom Herzog an den Staat abgetreten, dagegen 1854 wieder als Eigentum des herzoglichen Hauses anerkannt worden. In Sachsen- ¶
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Koburg [* 9] ist durch neuere Übereinkunft zwischen Regierung und Ständen der Ertrag (nicht das Eigentum, welches dem herzoglichen Haus zusteht) der Kammergüter zwischen dem Herzog und dem Land geteilt worden. In Sachsen-Meiningen ist nach langem Streit durch Gesetz vom das Domänenvermögen dazu bestimmt worden, den herzoglichen Hof- und Haushalt zu erhalten und teilweise zur Deckung der Staatsbedürfnisse verwendet zu werden. Dabei sind einzelne Domänengüter bereits als Eigentum des Staats, resp. des herzoglichen Hauses anerkannt, und für den Fall, daß die regierende Familie aufhören sollte, die Regierung des Herzogtums fortzuführen, ist festgesetzt worden, daß 3/5 des Domänenvermögens dem herzoglichen Haus als fideikommissarisches Privateigentum und 2/5 dem Staat als Landeseigentum zufallen sollen. In England, Dänemark, [* 10] Schweden [* 11] wurden die Domänen schon frühzeitig als Staatsgut anerkannt, ebenso in Frankreich, in den Niederlanden etc.
Die Frage der Zweckmäßigkeit des Domanialbesitzes ist durchaus relativer Natur, da sie je nach der Art der Domänen, den Bedürfnissen und Anforderungen der jeweiligen Kulturstufen und der Organisation und Verfassung des Staats verschieden zu beantworten ist. Darum haben auch alle Gründe, die man für und gegen Beibehaltung der Domänen vorgebracht hat, nur eine relative Gültigkeit. Als Vorteile der letztern hat man im wesentlichen angeführt, sie gewährten Schutz gegen Steuerüberbürdung und Steuerprägravation; das aus ihnen zu ziehende Einkommen sei sicher und bestimmt und steige mit weiterer Kulturentwickelung.
Darum sei auch der Domanialbesitz als solide Grundlage des Staatsreichtums ein wichtiges Mittel für Aufrechthaltung und Erhöhung des Staatskredits. In Notlagen sei er ein sicheres Unterpfand für unvermeidliche Anlehen und dabei kein toter, sondern ein stets fruchtbringender Schatz. Dem gegenüber hat man eingewandt, durch die schwerfällige Staatsbeamtenwirtschaft könnten die Domänen nicht so vorteilhaft ausgebeutet werden wie durch die vom Selbstinteresse getragene bewegliche und darum den jeweiligen Konjunkturen anschmiegbare Privatwirtschaft.
Durch den Verkauf werde darum die Gesamtheit wie auch die Staatskasse gewinnen. Dazu kämen politische Gefahren: die Regierung könne, auf die aus den Domänen erzielten Einnahmen gestützt, das Steuerbewilligungsrecht illusorisch machen;
bei dem Domänenbesitz seien Kollisionen der Pflichten, welche der Staat zu erfüllen habe, unvermeidlich u. dgl. Jedenfalls ist überall da, wo Beweglichkeit in der Technik und im merkantilen Vertrieb unbedingt erforderlich ist, der Private der Beamtenwirtschaft überlegen und hier auch die Veräußerung von Domänen rätlich.
Dies gilt jedoch nicht für einfachere Formen der Wirtschaft, welche bei gleichförmigem Gang [* 12] wenig Anforderungen an die Arbeit stellen, ferner nicht für solche Gebiete, in denen der Großbetrieb mit Beamtenleitung an und für sich schon am Platz ist. Außerdem würde die Beibehaltung nötig sein, wenn die Domänen dazu dienen, allgemeine Staatszwecke, insbesondere aber solche zu erfüllen, welchen der Private aus Mangel an Interesse oder ökonomischer Kraft [* 13] nicht zu genügen vermag.
Darum waren auch in Zeiten der Naturalwirtschaft und der einfachen Dreifelderwirtschaft landwirtschaftliche Gelände keine unpassende Quelle [* 14] des Staatseinkommens. Ihre Veräußerung wird jedoch zulässig oder vorteilhaft, sobald die Landwirtschaft genötigt ist, sich mehr den Bewegungen des Handels anzuschmiegen, oder auch, wenn durch dieselbe mit nachhaltigem Erfolg eine seßhafte Klasse von kleinen Grundbesitzern geschaffen werden kann. Aus den erwähnten Gründen würden Waldungen, Bergwerke etc. im großen Ganzen von der Veräußerung auszuschließen sein.
Von Wichtigkeit ist die Art der Verwaltung der Domänen. Bei solchen Gütern, wie bei vielen Feldgütern, welche größere Fürsorge und möglichst wenig beschränkte Dispositionsbefugnis eines selbstinteressierten Betriebsleiters erheischen, ist die Verpachtung der Selbstverwaltung vorzuziehen. Dagegen ist die eigne Administration am Platz, wenn dem Pachter kein genügender Spielraum zum Gewinn geboten ist, wenn der Pachter keiner zureichenden Kontrolle unterstellt werden kann und sein Interesse mit dem des Eigentümers in unauflöslicher Kollision sich befindet, sowie endlich, wenn allgemeinen Staatszwecken zu genügen ist, deren Erfüllung von dem Pachter, selbst bei weit gehender Kontrolle, nicht zu erwarten ist. Darum dürften z. B. Waldungen, Bergwerke etc. nicht verpachtet werden.
Die Veräußerung der Domänen ist meist an die Genehmigung der Landesvertretung geknüpft; selbst in den Staaten, wo die Domänen als Familienfideikommiß behandelt werden, haben die Stände das Recht, Veräußerungen oder Verpfändungen derselben entgegenzutreten. Im allgemeinen werden sie in den Verfassungen als unveräußerlich charakterisiert; doch sind zum Zweck der Entlastung von Schulden, zur Schaffung neuer Steuerkräfte oder zur Hebung [* 15] der Industrie und bessern Bewirtschaftung des Grund und Bodens bereits viele Domänen, in Österreich [* 16] auch selbst Staatswaldungen in Privateigentum verwandelt worden. In Deutschland [* 17] ist man der Erhaltung augenblicklich schon mit Rücksicht auf die eigentümliche Gestaltung der Finanzen von Reich und Gliederstaaten günstiger gestimmt. Man schätzt die Domänen als Mittel, um einen erheblichen Teil des Staatsbedarfs zu decken, der ohne sie auf dem Weg der direkten Besteuerung aufgebracht werden müßte.
Eine vollständige Litteratur über diesen Gegenstand gibt Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 2, S. 410 ff. (3. Aufl., Götting. 1867).
Vgl. auch Zöpfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Bd. 2, S. 680 ff. (5. Aufl., Leipz. 1863);
v. Rönne, Staatsrecht der preußischen Monarchie, Bd. 2, Abt. 2, S. 587 ff. (4. Aufl., das. 1881);
die Lehrbücher der Finanzwissenschaft von L. v. Stein (5. Aufl., das. 1884), A. Wagner (das. 1877);
Ölrichs, Die Domänenverwaltung des preußischen Staats (Berl. 1883).