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Beamten, die Versetzung derselben an eine andre Stelle oder in den Ruhestand. Für die Beamten des Deutschen Reichs ist die Sache durch das Reichsgesetz vom betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, geordnet. Dies Gesetz führt als Ordnungsstrafen (§ 74) gegen die Beamten, d. h. als Strafen, welche auch zugleich auf eine bessere Führung des Beamten für die Folgezeit hinwirken sollen, folgende auf: Warnung, Verweis und Geldstrafe. Als eigentliche Disziplinarstrafen (§ 75 ff.) gelten Strafversetzung, verbunden mit Verminderung des Diensteinkommens bis zum fünften Teil desselben, und Dienstentlassung.
Das preußische Disziplina
rgesetz kennt gegen untere Beamte auch Arreststrafe bis zu acht
Tagen und zwar
als
Ordnungsstrafe.
Andre
Gesetzgebungen kennen auch die zeitweilige
Dienstenthebung
(Suspension) als
Disziplinarstrafe. Auf die
Ordnungsstrafen kann nach preußischem
System jeder Dienstvorgesetzte erkennen, vorbehaltlich der
Beschwerde an die höhere
Stelle. Die
Entfernung aus dem
Amt
(Strafversetzung oder
Dienstentlassung) kann nur nach förmlichem
Verfahren mit
Voruntersuchung
und mündlicher
Verhandlung erfolgen.
Die erste Instanz bildet für die vom König oder von den Ministern angestellten Beamten der Disziplinarhof in Berlin, [* 2] für alle übrigen Beamten die vorgesetzte Provinzialbehörde, welche zu diesem Zweck zu einem Kollegium von mindestens drei Mitgliedern zusammentritt. Die Berufung geht an das Staatsministerium. Urteile, durch welche die Entlassung eines vom König ernannten Beamten endgültig ausgesprochen wird, bedürfen der königlichen Bestätigung. Bei Einleitung des Verfahrens oder im Lauf desselben kann die vorläufige Dienstenthebung (Suspension) mit einstweiliger Einbehaltung der Hälfte des Gehalts verfügt werden, ebenso nach dem Reichsbeamtengesetz.
Letzteres hat für die eigentlichen Disziplina
rstrafsachen, in denen es sich nicht nur um
Ordnungsstrafen
handelt, die Errichtung von
Disziplinarkammern für die verschiedenen Teile des
Reichs an den entsprechenden
Orten angeordnet
(s.
Reichsbehörden). Die
Berufung geht an den
Disziplinarhof in
Leipzig,
[* 3] welcher sich aus Mitgliedern des
Bundesrats und des
Reichsgerichts zusammensetzt. Nach dem Reichsbeamtengesetz soll im
Lauf einer gerichtlichen Untersuchung gegen den Angeschuldigten
ein Disziplina
rverfahren wegen der nämlichen
Thatsachen nicht eingeleitet werden.
Wird im
Lauf eines Disziplina
rverfahrens wegen der nämlichen
Thatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten
eröffnet, so muß das Disziplina
rverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen
Verfahrens ausgesetzt werden. Ist von dem
Strafgericht auf
Freisprechung erkannt, so kann ein Disziplina
rverfahren nur insoweit stattfinden, als
es sich um
Thatsachen handelt, welche
an sich und ohne Beziehung zu dem gesetzlichen
Thatbestand der strafbaren
Handlung, welche
den Gegenstand der Untersuchung bildete, ein
Dienstvergehen enthalten.
Hat die gerichtliche Verurteilung den Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt, so kann das Disziplinarverfahren zum Zweck der Herbeiführung dieses Verlustes annoch eintreten. Wichtig ist übrigens die Einschränkung, welche die Disziplinargewalt den richterlichen und denjenigen Beamten gegenüber erfährt, welche den Richterbeamten gleichgestellt sind. Dienstentlassung und Strafversetzung können nur durch gerichtliches Urteil gegen einen Richter ausgesprochen werden, ja das Prinzip der Unabhängigkeit des Richteramtes hat dahin geführt, daß nach manchen Gesetzen, so z. B. nach dem preußischen Gesetz vom welches auch auf die Mitglieder der Oberrechnungskammer Anwendung findet, auch für die Verhängung leichterer Disziplinarstrafen ein richterliches Urteil nach vorgängigem gerichtlichen Verfahren gefordert wird.
Gewissen richterlichen Beamten gegenüber ist sogar jedwede Disziplinarbestrafung ausgeschlossen, so gegenüber den Mitgliedern des preußischen Oberverwaltungsgerichts, des Bundesamts für das Heimatswesen, des Reichsgerichts, des Rechnungshofs für das Deutsche Reich [* 4] und der richterlichen Militärjustizbeamten. Übrigens finden die Grundsätze über die disziplinarische Behandlung der Staatsverwaltungsbeamten auch analoge Anwendung gegenüber den Kommunalbeamten. Auch die Rechtsanwalte sind einer besondern Disziplinargewalt der Berufsgenossen unterstellt (s. Rechtsanwalt).
Für das deutsche Reichsheer ist das Disziplinarverfahren durch die Disziplinarstrafordnung für das Heer vom (Armeeverordnungsblatt, S. 330 ff.) und für die kaiserliche Marine durch die Disziplinarstrafordnung für die Marine vom (Marineverordnungsblatt, Beilage zu Nr. 22) geregelt. Nach dem Einführungsgesetz zum deutschen Militärstrafgesetzbuch (§ 3) kann eine Bestrafung auf Grund dieses Gesetzbuchs der Regel nach nur durch gerichtliches Erkenntnis erfolgen; doch ist es ausdrücklich statuiert, in leichtern Fällen gewisse Vergehen auch im Disziplinarweg zu ahnden; jedoch darf alsdann keine andre Freiheitsstrafe als Arrest festgesetzt werden, und die Dauer desselben soll 4 Wochen gelinden Arrestes oder Stubenarrestes, 3 Wochen mittlern Arrestes oder 14 Tage strengen Arrestes nicht übersteigen.
Nach der Disziplinarstrafordnung für das Heer unterliegen außerdem der Disziplinarbestrafung Handlungen gegen die militärische Zucht und Ordnung und gegen die Dienstvorschriften, für welche die Militärgesetze keine Strafbestimmungen enthalten. Als Disziplinarstrafen sind zulässig für Offiziere:
1) Verweis und zwar einfacher (ohne Zeugen oder im Beisein eines Vorgesetzten), förmlicher (vor versammeltem Offizierskorps) und strenger (durch Parolebefehl, mit Eintragung der Veranlassung in die Parolebücher);
2) Stubenarrest bis zu 14 Tagen; für Unteroffiziere:
1) Verweis (einfacher, förmlicher oder strenger);
2) die Auferlegung gewisser Dienstverrichtungen außer der Reihe, z. B. Strafwachen;
3) Arreststrafen und zwar Kasernen, Quartier oder gelinder Arrest bis zu 4 Wochen oder mittlerer Arrest bis zu 3 Wochen; für Gemeine mit Einschluß der Obergefreiten und Gefreiten:
1) kleinere Disziplinarstrafen, nämlich die Auferlegung gewisser Dienstverrichtungen außer der Reihe, z. B. Strafexerzieren, Strafwachen, Strafdienst in der Kaserne, den Ställen, den Montierungskammern oder auf den Schießständen, Erscheinen zum Rapport oder zum Appell in einem bestimmten Anzug, ferner die Entziehung der freien Verfügung über die Löhnung und die Überweisung derselben an einen Unteroffizier zur Auszahlung in täglichen Raten bis auf die Dauer von 4 Wochen, endlich die Auferlegung der Verpflichtung, zu einer bestimmten Zeit vor dem Zapfenstreich in die Kaserne oder in das Quartier zurückzukehren, bis auf die Dauer von 4 Wochen;
2) Arreststrafen und zwar Kasernen, Quartier oder gelinder Arrest bis zu 4 Wochen, mittlerer Arrest bis zu 3 Wochen, strenger Arrest bis zu 14 Tagen;
3) für Obergefreite und Gefreite die Entfernung von dieser Charge;
4) für Gemeine der zweiten Klasse des Soldatenstandes nach fruchtloser Anwendung der vorstehend ¶
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erwähnten Strafen die Einstellung in eine Arbeiterabteilung. Die Disziplinargewalt steht nur solchen Offizieren zu, denen der Befehl über eine Truppenabteilung, über ein abgesondertes Kommando, über eine Militärbehörde oder über eine militärische Anstalt, mit Verantwortlichkeit für die Disziplin, übertragen ist, und erstreckt sich auf die Untergebenen dieses Befehlsbereichs. Unteroffiziere haben keine Disziplinarstrafgewalt.
Zu beachten ist übrigens, daß man nicht selten die sog. Ordnungsstrafen den Disziplinarstrafen beizählt, wie z. B. die gegen Geschworne und Schöffen wegen Verweigerung der Dienstpflicht, gegen Zeugen wegen unbefugter Verweigerung des Zeugnisses und gegen Sachverständige, welche die Abgabe eines Gutachtens unberechtigterweise ablehnen, ausgesprochenen Strafen. Ebenso werden zuweilen, allerdings unrichtigerweise, die sogen. Zwangsstrafen als Disziplinarstrafen bezeichnet, d. h. diejenigen Strafen, welche von einer zuständigen Behörde angedroht und in Vollzug gesetzt werden, um die Erfüllung einer amtlichen Auflage zu erzwingen.
Vgl. Thilo, Die preußische Disziplinargesetzgebung (Berl. 1864);
Seydel, Das preußische Disziplinargesetz vom (das. 1883).