Verfasser mit
Recht die langen
Reden, in denen er sich als Redekünstler zu zeigen sucht, und die weitläufigen politischen,
oft eine große Unkenntnis verratenden Betrachtungen zum Vorwurf gemacht; gleichwohl ist das Werk von nicht geringem
Werte,
da es auf der Benutzung zahlreicher älterer Quellenschriftsteller beruht und neben
Livius die einzige
zusammenhängende
Darstellung der ältesten römischen Geschichte bildet. Die erste
Ausgabe des
Originals erschien zu
Paris
[* 2] 1546 und 1547 von
R.
Stephanus, sie enthält aber nur die 10 ersten
Bücher der
Archäologie und einen Teil der rhetorischen
Schriften.
Vollständig sind die
Ausgaben von
Sylburg (Frankf. 1586, mit lateinischer Übersetzung), vonReiske (Leipz. 1774 bis
1776, 6 Bde.), von welcher letztern der Tauchnitzsche
Text (das. 1823, 6
Tle.) ein
Abdruck ist,
Schwartz
(Utrecht
[* 3] 1877) und
Jacoby
(Leipz. 1885 ff.). Die
Archäologie allein ist in neuerer Zeit herausgegeben von Kießling (Leipz. 1860-70), übersetzt
ist dieselbe von
Schaller und
Christian (Stuttg. 1827-50, 12 Bdchn.). Von
Ausgaben einzelner
Schriften sind
hervorzuheben: »Dionysii historiographica« von
Krüger
(Halle
[* 4] 1823);
»De compositione verborum« von
Göller
(Jena
[* 5] 1815) und von
Hanow (Leipz. 1868).
6) Dionysios Areopagita,Beisitzer des Areopaggerichts zu
Athen,
[* 9] wird
Apostelgesch. 17, 34. als vom
ApostelPaulus zu
Athen für das
Christentum
gewonnen genannt und soll nach der
Tradition als
Bischof zu
Athen hingerichtet worden sein. Der heil. Dionysios von
Paris, welcher nach seiner
Enthauptung mit dem
Kopf in der
Hand
[* 10] noch bis zu dem nach ihm genannten
St.-Denis gegangen sein soll
und am 9. Okt. in
Frankreich verehrt wird, ist eine ganz andre
Person und gehört wahrscheinlich dem 3. Jahrh. an. Berühmt wurde
derName des Dionysios durch eine Anzahl ihm zugeschriebener
Schriften, welche dem Gebiet der theosophischen
Mystik
angehören und nicht lange vor ihrer ersten Erwähnung 533 entstanden sein können.
Dieselben stellen eine durchgängige Umsetzung der christlichen
Dogmatik in die neuplatonische
Spekulation dar und leiten die
vollkommene
Gnosis, die sie versprechen, unmittelbar aus der angeblichen
Erfahrung einer im Innern sich
vollziehenden realen und übernatürlichen Einigung mit der »überwesentlich übererhabenen
Übergottheit« ab. Durch
Joh.
Scotus Erigena, der ihnen vieles entlehnte, wurden dieselben ins
Lateinische übersetzt. Mit der
abendländischen
Mystik, deren Grundlage sie bilden, mischte sich seitdem pantheistische
Sympathie. Die Normalausgabe der Werke
des Dionysios lieferte Balthasar Corderius
(Antwerpen
[* 11] 1634, 1644 u. öfter, 2
Tle.). Eine deutsche Übersetzung
mit Abhandlung gab
Engelhardt (Sulzb. 1823, 2
Tle.) heraus.
Vgl. Hipler, Dionysios, der Areopagite (Regensb. 1861);
Bei der Aufhebung des Templerordens nahm er die großen Besitzungen desselben in seine
Hand und überwies
sie dem neugebildeten
Christusorden. Daneben verbesserte er die
Rechtspflege, begünstigte den
Ackerbau, die
Wissenschaften und
schönen
Künste und hob den Bürgerstand durch freie
Städteordnungen. 1290 stiftete er die
UniversitätLissabon,
[* 14] die er 1308 nach
Coimbra verlegte. Seine
Regierung erhob
so denStaat auf eine hohe
Stufe des Wohlstandes und der Macht. In
seinen letzten Lebensjahren entstand ein langer Streit zwischen seinen beiden
Söhnen, indem der rechtmäßige Thronerbe Alfonso
mit der angeblichen Bevorzugung des Alfonso
Sanchez, eines natürlichen
Sohns des
Königs, unzufrieden war. Der
Krieg, der infolgedessen
zwischen
Vater und Sohn entstand, wurde erst kurz vor dem
Tode des Dionysius, besonders durch die Bemühungen
der
KöniginIsabella, beigelegt. Dionysius starb und hinterließ den
Ruhm des Begründers der
GrößePortugals.
Exigŭus (der
»Kleine« oder
»Geringe«, wie er sich aus
Bescheidenheit selbst nannte), 530
Abt eines
Klosters
in
Rom,
[* 15] gestorben daselbst um 556, gilt als
Urheber derDionysischen Jahresrechnung (s.
Ära), die aber schon 465 von
Victorin oder
Victorius aus
Aquitanien aufgestellt war, während Dionysius nur den Anfang des
Jahrs vom
Karfreitag auf den ersten Weihnachtstag
verlegte. Wichtiger ist Dionysius als erster namhafter
Urheber einer den päpstlichen
Primat begünstigenden Sammlung von
Kirchengesetzen,
die er um 526 aus 50 sogen.
Kanons der
Apostel, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Konzilienbeschlüssen
und den
Dekretalen der römischen
Bischöfe von
Siricius bis
Anastasius II. zusammenstellte.
schafft Dionysos als »Sorgenbrecher«
(Lyäos) Lebensgenuß, fördert
Liebe und
Gesang, überhaupt
gesellige
Bildung und ist daher dem
Eros
[* 17] wie den
Horen,
[* 18]
Grazien und
Musen
[* 19] samt
Apollon
[* 20] nahe verwandt. Als Gott aller
Fruchtbarkeit
und
Zeugung hat er zu
Symbolen denPhallos, den Granatapfel, Weinrebe und Weinlaub,
Epheu, den
Thyrsos,
[* 21] d. h.
einen
Stab,
[* 22] ursprünglich mit Epheublättern bekränzt, später mit Pinienapfel bekrönt. Insofern dem
Wein aber auch eine
mächtig aufregende, begeisternde, berauschende
Kraft
[* 23] innewohnt, ist Dionysos
¶
SeinVater ist Zeus
[* 28] in Gestalt eines Drachen, des mysteriösen Symbols der Unterwelt, seine MutterPersephone.
Zeus hat ihn zum König bestimmt und setzt ihn auf den Himmelsthron; aber die Titanen, von der eifersüchtigen Hera
[* 29] angestiftet,
überfallen ihn, während er mit buntem Spielwerk beschäftigt ist, töten, zerreißen und verzehren ihn. Pallas rettet das
noch zuckende Herz, den Sitz des Lebens und des Geistes; Zeus verschlingt dasselbe und erzeugt daraus den
Sohn zum zweitenmal.
Auch rächt er denMord, indem er die Titanen mit seinen Blitzen niederschmettert. Da aus ihrer Asche die Menschen hervorgehen,
so ist auch in diesen Dionysos vorhanden, aber als ein auf frevle Weise zerrissener Gott. Hier ist der Punkt, an den sich
die tiefere Auffassung des Dionysosdienstes anknüpft, aber freilich auch die leidenschaftlichere, wie sie besonders in den
trieterischen Festen sich kundgibt, die nach allen zwei Mittwintern einmal stattfanden, und zu denen besonders Frauen (Bacchen,
Mänaden, Thyiaden,
[* 16]
Fig. 1) auf den schneebedeckten Bergen
[* 30] (Kithäron, Parnaß) schwärmten, mit Fackeln unter allerlei heiligem
Unfug die Mitleidenschaft mit dem »Zerrissenen« ausdrückend, mit Rehkalbfell,
Thyrsos und Handpauken, unter Lärm und Tanz.
Ziemlich alt sind auch diese mehr ans Orientalische streifenden Orgien, die in voller Wildheit nur außerhalb Attika im Schwange
waren, doch immerhin jünger und erst allmählich aufgekommen im Vergleich mit dem Dienst, bei welchem
dem Gott einfach die Winzer zujubelten. Dieser Dionysos war der Sohn der Semele (wohl ursprünglich Personifikation der Erde), einer
Tochter des Kadmos, welche auch den NamenThyone (die »Rasende«) führt. Als dieselbe vom Blitz erschlagen worden war, entriß
der Vater die sechsmonatliche Frucht dem Schoß der Mutter und barg sie bis zur völligen Reife in seiner
Hüfte.
Dieser Zug,
überraschend beim indischen Soma wiederkehrend, ist auf die regenschwangere,
fruchtbare Wetterwolke (den Sitz der
zeugenden Manneskraft des Himmelsgottes) bezogen worden, indem jener Blitz als das Feuer der schaffenden Naturkraft aufgefaßt
wurde. Aus der Hüfte des Vaters als ein unsterblicher Gott hervorgegangen, wurde Dionysos von Hermes
[* 31] den Nymphen
oder den Hyaden oder den Horen auf dem Waldgebirge Nysa zur Erziehung übergeben. Als Gott des Regens (Hyes oder Hyeus) wird er
von Lykurgos, eigentlich dem Lichtmacher, dem Sonnengott, welcher als König von Thrakien erscheint, bekämpft.
Erschreckt floh vor diesem der seiner Götterwürde noch unbewußte Knabe ins Meer, wo ihn Thetis liebreich
aufnahm; Lykurgos aber erblindete. Schrecklicher noch erwies sich die Macht des an dem thebanischen König Pentheus, welcher
der Verehrung des Gottes sich widersetzte und diesen selbst in den Kerker warf; von seiner Mutter und deren Schwestern, die
ihn in wildem Taumel für einen Löwen
[* 32] oder Eber ansahen, wurde Pentheus auf dem Kithäron zerrissen. Eine
schöne und erhabene, wiewohl spätere Dichtung ist die von dem dreijährigen Zug
des Dionysos durch Syrien, Ägypten
[* 33] und Indien bis an den
Ganges mit einem Heer schwärmender Männer, Weiber und niederer Naturgottheiten, auf einem von Löwen und
Tigern gezogenen Wagen; überall bändigt er die rohen Naturkräfte, lehrt er die besiegten Völker den Weinbau und höhern Lebensgenuß,
verpflanzt er unter sie hellenische Kultur. Auf der durch Weinbau ausgezeichneten InselNaxos nahm er Ariadne zur Gattin. Sie
zeigt sich Dionysos verwandt: wie er der qualvoll Verstorbene und der jubelnden Welt Wiedererweckte, so ist
sie die (von Theseus) verlassene Trauernde, die an des Dionysos Seite nun ein höheres Glück genießt.
Der Ursprung des Dionysosdienstes ist wohl in Nord- und Mittelgriechenland zu suchen. Durch die Thraker gelangte er frühzeitig
nach Phokis und Böotien, wo Theben für des Gottes Geburtsort galt. Besonders empfänglich zeigten sich
für den Bakchosdienst Äolier und Ionier (auch in Attika, doch hier, wie schon erwähnt, ohne den wilden Charakter), minder
Achäer und Dorier. Was sich in Attika als ältester Dionysosdienst vorfand, feierte einfach in ländlicher Fröhlichkeit den
Gott der Weinlese.