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Tragödie »Das
Haus der Barneveldt« ungewöhnliche
Wirkung gethan, von König
Maximilian II. zum
Intendanten des bayrischen
Hof-
und
Nationaltheaters zu
München
[* 2] ernannt. Hier bildete er eins der hervorragendsten
Glieder
[* 3] der poetisch-gelehrten
Tafelrunde
und der »norddeutschen
Kolonie«, welche der König um sich versammelt hatte, erzielte mit seiner Bühnenleitung glänzende
Resultate, unter denen das große, in den
Annalen der deutschen Theatergeschichte unvergeßliche Gesamtgastspiel
vom Jahr 1854 in erster
Linie stand, zog sich aber den bittersten
Haß der ultramontanen bayrisch-nativistischen
Partei zu.
Den
Intrigen derselben gelang es 1856, seine plötzliche Entlassung zu bewirken. Im nächstfolgenden Jahr schon ward Dingelstedt
als
Generalintendant der großherzoglichen Hofbühne nach
Weimar
[* 4] berufen, deren Leitung er bis 1867 behielt,
und auf der er nach eigner Bearbeitung den ganzen
Cyklus der Shakespeareschen »Historien« zuerst zur Aufführung brachte.
Im
Herbst 1867 ward er zum artistischen
Direktor des
Wiener Hofoperntheaters ernannt, 1872 mit der
Direktion des Hofburgtheaters
betraut, die er bis an seinen
Tod führte. Er starb in
Wien.
[* 5]
Schon 1867 durch den bayrischen
Adel ausgezeichnet, war Dingelstedt
vom
Kaiser von
Österreich
[* 6] 1876 in den Freiherrenstand erhoben worden,
wie es ihm denn das
Geschick an äußern Erfolgen und
Ehren nicht fehlen ließ. Dingelstedt
ist in seinem gesamten
Schaffen ein
poetischer
Repräsentant der Übergänge, welche von der gestaltlosen Geistreichigkeit der jungdeutschen
Belletristik zu einem
kräftig-anschaulichen
Realismus, von der rhetorisch-politischen
Lyrik zum vollen Lebensbild, zu Gestalten, in denen politische
Leidenschaft lebt, herüberführen. Er nahm als
Lyriker seinen Ausgangspunkt zu gleicher Zeit von der naiven subjektiven
Lyrik,
deren
Töne er, wie seine »Gedichte« (Stuttg.
1845, 2. Aufl. 1858) erweisen, immer wieder zu treffen wußte, und von der politischen
Poesie der 40er Jahre, deren Durchschnittsleistungen
er in den heißblütigen, kräftigen und anschaulichen besten »Liedern des kosmopolitischen
Nachtwächters«, in den Meisterstücken: »Aus der
Nordsee«, »Die Flüchtlinge« etc.
weit hinter sich ließ. Die Lebensbilder der nichtpolitischen Gedichte, der leidenschaftliche und dabei
plastische und farbenvolle
Cyklus »Ein
Roman« und die
»Bilder aus dem
Münchener
Totentanz« verraten ein unausgelebtes episches
Talent. Die Gedichtsammlung
»Nacht und
Morgen« (Stuttg. 1851) schloß sich an die Nachtwächterlieder an, ohne jedoch einen
dichterischen Fortschritt zu bekunden.
Als Erzähler bethätigte sich Dingelstedt
durch zwei größere Werke, den schon erwähnten
Roman »Unter der
Erde«
und »Die
Amazone«
[* 7] (Stuttg. 1868, 2. Aufl. 1869),
letzteres ein echt modernes Produkt, welches ein ernstes Problem und tiefe Empfindungen in keck spielender, frivol-humoristischer Weise behandelt. Unter seinen Novellen, die in verschiedenen Sammlungen, wie: »Licht [* 8] und Schatten [* 9] in der Liebe« (Kassel [* 10] 1838),
»Frauenspiegel« (Nürnb. 1838),
»Heptameron« (Magdeb. 1841, 2 Bde.),
»Sieben friedliche Erzählungen« (Stuttg. 1844, 2 Bde.),
»Novellenbuch« (Leipz. 1856),
erschienen, sind einzelne, wie: »Das Mädchen von
Helgoland«,
[* 11] »Deutsche
[* 12]
Nächte in
Paris«,
[* 13] von
seltener Farbenfülle und
Energie der
Darstellung, während viele andre matter und farbloser erscheinen und sich nur durch
größere
Schärfe des
Stils über gewöhnliche belletristische
Produktion erheben. Einen sehr bedeutenden dramatischen
Anlauf,
[* 14] dem er leider keine
Folge gab, nahm Dingelstedt
mit dem
Trauerspiel »Das
Haus der Barneveldt« (1850), das noch immer
den besten dramatischen
Dichtungen der
Periode nach 1848 hinzugezählt werden muß.
Daß ein Autor von so großer Weltbildung und mannigfachen Lebenserfahrungen, von so ausgeprägter Lust des Schauens und Schilderns sich in der Wiedergabe äußerlich und innerlich erlebter Dinge mit Glück bewegt, erweisen die Reiseskizzen »Jusqu'à la mer. Erinnerungen an Holland« (Leipz. 1847),
die Essays seines »Litterarischen Bilderbuchs« (Berl. 1880),
vor allem das prächtige, hochinteressante Fragment einer Selbstbiographie unter dem Titel: »Münchener Bilderbogen« (das. 1879). Aus seiner langjährigen und erfolgreichen dramaturgischen Thätigkeit erwuchsen die »Studien und Kopien nach Shakespeare« (Wien 1858),
die Bühnenbearbeitung der Shakespeareschen »Historien« (Berl. 1867, 3 Bde.),
die Übertragung einer Reihe Shakespearescher Dramen (»Der Sturm«, »Was ihr wollt«, »Wie es euch gefällt«, »Die Komödie der Irrungen«) für die Hildburghäuser Shakespeare-Ausgabe sowie eine Übertragung von Beaumarchais' »Figaros Hochzeit« (Hildburgh. 1865),
endlich die dramaturgische
Studie »Eine
Faust-Trilogie« (Berl.
1876).
In den
Jahren 1859-65 fungierte Dingelstedt
als
Präsident der
Schiller-Stiftung; auch war er Mitbegründer der
Deutschen
Shakespeare-Gesellschaft.
Die
Ausgabe seiner »Sämtlichen Werke« (Berl.
1877, 12 Bde.) erwies sich als eine vortreffliche
Auswahl.
Vgl. Ad. Stern, Zur Litteratur der Gegenwart (Leipz. 1880);
Rodenberg, Heimaterinnerungen an F. Dingelstedt
und
Fr.
Ötker (Berl.
1882).
2) Jenny, geborne Lutzer, Bühnensängerin, Gattin des vorigen, geb. zu Prag, [* 15] machte ihre Gesangstudien am dortigen Konservatorium und begann ihre Bühnenlaufbahn, nachdem Ciccimara in Wien ihre musikalische Ausbildung vollendet hatte, zu Prag im Mai 1832 in der Titelrolle von Rossinis »Fräulein vom See«. Einem Ruf nach Wien Folge leistend, verließ sie Prag und gehörte bis 1845 (1844 ausgenommen), zur Kammersängerin ernannt, dem Wiener Kärntnerthor-Theater an. Sie erhielt die für die damalige Zeit ungemein hohe Gage von 16,000 Gulden pro Jahr.
Durch Gastspiele errang sie sich während der
Ferien auf den meisten großen
Bühnen außerhalb
Wiens ebenfalls verdienten
Ruhm
und wurde besonders 1842 in
London
[* 16] gefeiert. 1843 verheiratete sie sich mit
Franz Dingelstedt
und zog sich bald darauf von der
Bühne
zurück, was in
Wien
Anlaß gab, ihr zu
Ehren eine
Medaille zu schlagen. Sie starb in der
Nacht vom 2. zum in
Wien. Das
Beste, was sie als Sängerin leistete, war die
Prinzessin in
»Robert der
Teufel« und die
Königin in den
»Hugenotten«,
wenn auch im allgemeinen die
Rollen
[* 17] heitern
Genres ihrem Künstlernaturell besser zusagten als die der
großen
Oper.