Tochter des wohlhabenden Pastors Hildebrand, lernte 1788 W. v. Humboldt (damals Göttinger Student) in Pyrmont kennen und ging 1798 eine
Ehe mit einem Dr. jur. Diede in Kassel ein, die jedoch schon nach drei Jahren wieder getrennt wurde. Nachdem sie infolge der
Kriegsunruhen ihr in braunschweigischen Papieren angelegtes Vermögen verloren, wandte sie sich um Rat in
ihren Angelegenheiten an Humboldt, der damals als preußischer Minister dem Wiener Kongreß beiwohnte. Letzterer unterstützte
sie großmütig und blieb mit ihr in Briefwechsel bis zu seinem Tod. Später gewährte ihr der König von Preußen eine Pension.
Sie starb in Kassel. Humboldts klassische Briefe an sie (ihre eignen sind nicht mehr vorhanden)
wurden nach ihrem Tod von Frau v. Lützow (Therese v. Bacheracht) unter dem Titel: »Briefe an eine Freundin« (Leipz. 1847, 11. Aufl.
1883) veröffentlicht und gehören zu den Zierden der deutschen Litteratur. Neuerdings erschienen »Briefe von Charlotte an
Karl Schulz«, den Bruder von Humboldts Sekretär (Leipz. 1883).
Vgl. Piderit und Hartwig, Charlotte Diede (Halle
1884).
[* ] (franz. Thionville), Kreisstadt und Festung (155 m ü. M.) im deutschen Bezirk Lothringen, an dem linken Ufer
der Mosel, 28 km unterhalb Metz gelegen, hat eine kath. Kirche, ein evang. Bethaus, ein Realgymnasium, eine Getreidehalle,
bedeutenden Wein-, Obst- und Gemüsebau und (1880) mit Militär (3 Bataillone Infanterie Nr. 70, 1. pommersches Ulanenregiment
Nr. 4, Artillerie) 7155 Einw., darunter 1264 Evangelische und 183 Juden. Diedenhofen, ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt (Eisenbahnen
nach Metz, Luxemburg, Sedan, Trier), ist eine Festung nach altem System, mit einem Brückenkopf auf der rechten
Moselseite und ohne große Bedeutung, da sie von den 1500-3000 m entfernten Höhen beherrscht wird. - Diedenhofen bestand schon zur
Zeit der Merowinger als Theudonevilla, Totonisvilla, Theodunvilla und war bereits unter Pippin (753) eine königliche Pfalz,
in der mehrere Reichstage abgehalten worden sind, z. B. 835, wo die Absetzung Ludwigs des Frommen für ungültig
erklärt wurde.
Später gehörte Diedenhofen zur Grafschaft Arlon und kam mit dieser an Limburg, im 13. Jahrh. aber an Lothringen. Nach dem Sieg Piccolominis
über die Franzosen unter Feuquières bei Diedenhofen wurde die Stadt von Condé erobert, fiel 1683 an Frankreich
und wurde durch Vauban neu befestigt. 1792, 1814 und 1815 ward Diedenhofen von den Verbündeten vergeblich belagert. In dem deutsch-französischen
Krieg von 1870/71 ward der General v. Kameke mit der 14. preußischen Infanteriedivision zur Eroberung von Diedenhofen 9. Nov. von Metz aus
entsandt und zernierte die Festung, die nach einem heftigen Bombardement 22.-24. Nov., wodurch ein großer
Teil der Stadt zerstört wurde, kapitulieren mußte. Am 25. Nov. ward Diedenhofen von den Deutschen besetzt; 120 Offiziere und etwa 4000 Mann
wurden kriegsgefangen, 200 Geschütze und vieles Kriegsmaterial erbeutet.
Vgl. Teissier, Histoire de Thionville (Metz 1828);
Spohr, Die Belagerung von Thionville 1870/71 (Berl. 1875).
Lorenz, Sprachforscher, geb. zu Ostheim in Hessen, studierte 1821-23 zu Gießen Theologie und Philosophie,
fungierte eine Reihe von Jahren als Pfarrer und Bibliothekar in Solms-Laubach und ließ sich 1848 dauernd in Frankfurt a. M. nieder,
wo er sich ganz der litterarischen Thätigkeit widmete und 1865 als zweiter Stadtbibliothekar angestellt
wurde. Nachdem er 1876 in den Ruhestand getreten, ließ er sich in Darmstadt nieder, wo er starb.
Außer
litterarischen und politischen Aufsätzen und »Gedichten« (Gießen 1840-1841) veröffentlichte Diefenbach eine Reihe wissenschaftlicher
Werke, von denen wir als die bedeutenden anführen: »Über Leben, Geschichte und Sprache« (das. 1835);
»Celtica« (Stuttg. 1839-40, 3 Bde.);
»Mittellateinisch-hochdeutsch-böhmisches Wörterbuch« (Frankf. a. M. 1846);
»Pragmatische deutsche Sprachlehre« (2. Aufl.,
das. 1851);
»Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache« (das. 1846-51, 2 Bde.);
»Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis« (das.
1857),
Ergänzung zu Ducanges bekanntem Werk, die im »Novum glossarium« (das. 1867) eine Fortsetzung erhielt;
»Origines europaeae. Die alten Völker Europas mit ihren Sippen« (das. 1861);
»Vorschule der Völkerkunde« (das. 1864) und »Hoch-
und niederdeutsches Wörterbuch« (mit Wülcker, Frankf. u. Basel
1874-85, 2 Bde.);
ferner die bei Ausbruch des russisch-türkischen Kriegs verfaßte Schrift »Die Volksstämme der europäischen Türkei« (Frankf.
1877) und »Völkerkunde Osteuropas« (Bd. 1:
»Türkisches Reich«, Darmst. 1880).
Hierzu kommen noch Romane und Novellen: »Ein Pilger und seine Genossen« (Frankf. 1851);
»Eschenburg
und Eschenhof« (das. 1852);
»Der Vertauschte« (das. 1858);
»Arbeit macht frei« (Bremen 1873);
»Novellen« (Frankf. 1856-1865, 2 Bde.);
»Die Pfarrerskinder« (das. 1867);
»Margarete« (Berl. 1868) u. a. Diefenbach war
Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften.
1) Johann Friedrich, Chirurg, geb. zu Königsberg i. Pr., studierte seit 1810 zu Rostock und Greifswald
Theologie, diente 1813-1815 als freiwilliger Jäger und studierte seit 1816 Medizin, besonders Chirurgie, in Königsberg, seit 1820 in
Bonn, promovierte 1822 zu Würzburg, durch seine Inauguralschrift »Über die Transplantation tierischer
Stoffe« allgemeines Aufsehen erregend, begab sich sodann nach Berlin, wo sein operatives Talent überraschend schnell Anerkennung
fand, und ward schon 1830 zum dirigierenden Wundarzt einer chirurgischen Abteilung des Chariteekrankenhauses, 1832 zum außerordentlichen, 1840 zum
ordentlichen Professor und Direktor der chirurgischen Klinik ernannt. Er starb Unter den verschiedenen
Zweigen der Operativchirurgie hat namentlich die anbildende Chirurgie dem Scharfsinn Dieffenbachs ihre höchste Ausbildung zu
verdanken.
In der Rhinoplastik, Blepharoplastik, Ceratoplastik etc. sowie für viele andre Operationen hat er Verbesserungen und zum Teil
ganz neue Methoden angegeben und namentlich die chirurgische Technik wesentlich vereinfacht. Dieffenbach war nur ein Mann
der Praxis;
seine akademischen Vorträge waren ohne streng wissenschaftliche Haltung und, wie auch seine Schriften, durchaus
kunstlos. Er schrieb: »Chirurgische Erfahrungen« (Berl. 1829-1834, 4 Abtlgn.);
die Fortsetzung des Scheelschen Werkes »Die Transfusion des Bluts und die Einspritzung der Arzneien in die Adern« (das. 1827);
»Über die Durchschneidung der Sehnen und Muskeln« (das. 1841);
»Die Heilung des Stotterns« (das. 1841);
»Über das Schielen« (das. 1842);
»Die operative Chirurgie« (Leipz. 1844-49, 2 Bde.)
und »Der Äther gegen den Schmerz« (Berl. 1847).
Seine »Vorträge in der chirurgischen Klinik« wurden von K. Th. Meier (Berl. 1840)
und französisch von Phillips (das. 1840) herausgegeben.
Vgl. Breuning, Dieffenbachs chirurgische Leistungen
in Wien (Wien 1841).
2) Ernst, Verwandter des vorigen, geb. zu Gießen, studierte Medizin und Naturwissenschaft und beteiligte sich 1839 an
einer Expedition nach
mehr
Neuseeland, um dessen Kolonisierung er sich große Verdienste erwarb. Die Veröffentlichung der Resultate seiner Forschungen
über Geognosie, Geographie, Naturgeschichte und Ethnographie in »New-Zealand and its native population« (Lond.
1841) und »Travels in New-Zealand« (das. 1843, 2 Bde.)
trug ihm nach seiner Rückkehr 1850 eine außerordentliche Professur für Geologie zu Gießen ein, wo er starb.
Er lieferte auch eine deutsche Bearbeitung von De la Bèches »Vorschule der Geologie« (Braunschw. 1853) und Darwins »Naturwissenschaftlichen
Reisen« (das. 1844, 2 Bde.).
3) Christian, Theolog und Liederdichter, geb. zu Schlitz in Hessen, studierte 1840-44 in Gießen und Friedberg und
wirkt seit 1855 als Geistlicher (seit 1873 Oberpfarrer) in seiner Vaterstadt. Sein poetisches Gemütsleben hat besonders anmutigen
Ausdruck in seinen Kinderliedern und Gedichten erhalten, von denen viele weit bekannt und beliebt sind. Sie erschienen unter
den Titeln: »Kinderlieder« (Mainz 1852, 2. Aufl. 1870) und »Fünfzig Kinderlieder« mit Melodien von Kern (3.
Aufl., das. 1877);
»Gedichte« (das. 1857; neue Ausg.:
»Lied und Leben«, Wolfenb. 1879);
»In der deutschen Frühlingszeit«, Kriegs- und Siegeslieder (Hannov. 1871);
»Aus dem Kinderleben«,
mit Bildern von Richter (Gotha 1879-81, 2 Sammlungen),
etc. Von seinen theologischen und erbaulichen Schriften sind die »Evangelische
Hausagende« (4. Aufl., Mainz 1878),
»Ein Hochzeitsstrauß, aus Gottes Garten und von den Wiesen der Welt gesammelt«
(4. Aufl., Gotha 1883) und die »Bibelandachten«
(das. 1876-84, 4 Bde.) hervorzuheben.
4) Anton, Maler, geb. 1831 zu Wiesbaden, kam in früher Jugend nach Straßburg und widmete sich anfangs hier und später in Paris
unter Pradier der Bildhauerkunst. Nach des letztern Tod (1852) verlebte er wieder drei Jahre in seiner Vaterstadt
und beschloß, zur Malerei überzugehen. Zu diesem Zweck ging er nach Düsseldorf und widmete sich unter Jordans Leitung den
Darstellungen aus dem bäuerlichen Leben. Von 1858 bis 1863 lebte er wieder in Wiesbaden, dann bildete er sich in
Paris und ließ sich 1871 in Berlin nieder. Seine Motive sind wohldurchdacht, seine Bilder trefflich komponiert und von kräftigem
Kolorit. Zu den bedeutenden gehören: das Jägerlatein, die beiden durch den Stich der Brüder Varin bekannten Bilder: der Tag
vor der Hochzeit (im Besitz des Königs von Württemberg) und der Christbaum, der verfehlte Fuchs, eine Schlittenpartie,
das Leinwand bleichende Mädchen, der Besuch bei der Amme, der erste Ausgang, Brüderchen hier lassen!