mehr
of life« (1846) u. a., welchen reizenden Dichtungen wieder eine Reihe größerer Romane, darunter seine besten, nachfolgte. Zu letztern gehören: »Dombey and Son« (1847) und »David Copperfield« (1849-1850), das erstere ein Spiegel [* 2] bürgerlichen Lebens, dessen Bilder das Herz wie eine Tragödie erschüttern und durch hochkomische Szenen erheitern, letzteres durch treffliche Charakterzeichnung und einen wahrscheinlichern und besser ausgeführten Plan vor den andern Werken ausgezeichnet.
Auch »Bleakhouse« (1852) zählt zu den bessern. Seine »Hard times« (1853),
»Little Dorrit« (1855),
»Tale of two cities« (1859),
»Great expectations« (1861),
»Our mutual friend« (1864) und sein letzter unvollendeter Roman: »The mystery of Edwin Drood«, wurden zunächst für seine Zeitschriften geschrieben. Dickens hatte 1842 eine Reise nach Nordamerika, [* 3] zwei Jahre später eine nach Italien [* 4] unternommen, wo er ein Jahr verweilte. Nach seiner Rückkehr übernahm er 1845 die Redaktion der neubegründeten Zeitung »Daily News«, in der er zuerst seine »Pictures of Italy« veröffentlichte, zog sich aber bald von dem Blatt [* 5] zurück und begann 1850 die Herausgabe einer Wochenschrift: »Household Words«, die Unterhaltung mit Belehrung verbinden sollte und, seit 1860 unter dem Titel: »All the year round« erscheinend, ungemeine Verbreitung fand. Eine Ergänzung bildete das monatlich erscheinende »Household narrative of current events«, eine Übersicht der Zeitgeschichte. Weniger Teilnahme als seine Romane fanden seine »American notes« (1842),
die
Frucht
seiner erwähnten
Reise, worin er sich wenig günstig über die Amerikaner und viele ihrer
Institutionen äußerte.
Sein Werk
»A child's history of
England« (1852) ist eine für
Kinder geschriebene Geschichte
Englands. Auch seine »Memoirs of
Clown
Grimaldi«
seien erwähnt.
In den von der »Literary guild«, einer Anstalt
für altersschwache Schriftsteller, in den großen
Städten gegebenen Theatervorstellungen entwickelte Dickens auch bedeutendes
dramatisches
Talent; ebenso erntete er durch die Vorlesungen seiner Werke, die er in den Hauptstädten
Englands, 1868 auch
auf einer zweiten
Reise in
Nordamerika hielt, außerordentlichen Beifall.
Indessen erschöpfte er sich durch unermüdliche Anstrengungen derart, daß seine Gesundheit litt und er bereits am Schlag starb. Seine Werke erschienen mehrmals gesammelt, zuletzt als »Library edition« (1881, 30 Bde.) und als »Charles edition« (1881, 21 Bde.); seine öffentlichen Vorträge erschienen unter dem Titel: »Speeches, literary and social« (1871 u. öfter). Von Gesamtausgaben deutscher Übersetzungen sind zu erwähnen: die Webersche (von Roberts, Scott u. a., Leipz. 1842 bis 1870, 125 Bde., illustriert), die Hoffmannsche (von Kolb, Zoller u. a., Stuttg. 1855 ff., 25 Bde.), die Seybtsche (neue Ausg., Leipz. 1862, 24 Bde.);
eine Auswahl gab A. Scheibe (Halle [* 6] 1880 f.).
Zur Erläuterung seiner Schriften veröffentlichte Pierce ein »Dickens' dictionary« (Boston [* 7] 1872). Dickens schildert das Leben, die Charaktere der Weltstadt von den Gemächern der Aristokratie bis zur Dachstube oder den Kellern, wo die Armut und das Verbrechen wohnen, mit Humor, Satire und Gefühl, meist in der Absicht, zu bessern und Mißbräuche zu beseitigen; diese Tendenz ist das einzige Ideale an seinen Werken. Im übrigen ist das Reich, das er als darstellender Schriftsteller beherrscht, eng begrenzt.
Das Londoner Leben der mittlern und untern Stände ist seine Sphäre; will er weiter hinauf und Bilder aus den höhern Ständen oder aus der Geschichte liefern, so mißlingt es ihm. Im Drolligen ist er zu Hause; sein Pathos reicht aus, wahr und ergreifend den Tod eines Kindes zu schildern, aber nicht, eine tiefe Leidenschaft zum Ausdruck zu bringen. Seine Liebesszenen sind bisweilen albern, seine Verbrecher Ungeheuer, deren Charakter zu motivieren kaum versucht wird. Seine Figuren baut er sich auf aus einigen Eigentümlichkeiten, Charakterzügen oder Phrasen, durch die sie von andern unterschieden sind.
Von Frauengestalten weiß er alte Damen und Dienstboten gut zu schildern; seine Liebhaberinnen sind unbedeutend. Dagegen gelingt ihm die Zeichnung von Kindern meisterhaft. Dickens war ein scharfer Beobachter mit viel Sinn für das Humoristische, aber mit wenig Sinn für das Schöne und Anmutige; ja, das Häßliche hatte oft Anziehungskraft für ihn. Ein weiterer Fehler vieler seiner Romane ist ihr Mangel an einheitlichem Plan, wahrscheinlich eine Folge davon, daß sie in Lieferungen erschienen, ohne daß sie der Verfasser harmonisch zum Abschluß gebracht.
Daher das Gedränge am Ende, wenn über
Hals und
Kopf abzuschließen ist. Aber trotz aller
Mängel werden
Dickens' Werke stets
Leser finden um ihres glücklichen
Humors, ihrer
Phantasie und der überall
durchblickenden Menschenliebe, welche
die öffentliche
Aufmerksamkeit auf die
Armen und Verlassenen lenkte, um der
Wahrheit der
Beobachtungen und der eigenartigen,
kräftigen
Darstellung willen, durch die sie sich auszeichnen, und nicht minder, weil auch die Frauenwelt
sie ohne
Anstand in die
Hand
[* 8] nehmen kann, trotzdem der Dichter den
Leser so häufig in die
Höhlen des
Verbrechens führt.
Vgl. J. ^[John] Forster, The life of Charles Dickens (Lond. 1871-74, 3 Bde., u. öfter; deutsch von F. Althaus, Berl. 1872-75);
Julian Schmidt, Bilder aus dem geistigen Leben unsrer Zeit (neue Folge, Leipz. 1872), und »The letters of Charles Dickens« (hrsg. von seiner ältesten Tochter, Lond. 1879-80, 3 Bde.).