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legte der Reichsverweser 20. Dez. sein längst ohnmächtiges, für die preußische Unionspolitik aber immerhin störendes Amt nieder. Als der Verwaltungsrat der Union 19. Okt. die Wahlen für das Volkshaus auf ausschrieb und dann den künftigen Reichstag zum 20. März nach Erfurt [* 2] berief, wogegen Österreich [* 3] sofort protestierte, nahmen Sachsen [* 4] und Hannover [* 5] an diesen Akten schon nicht mehr teil, weil ihre Voraussetzung der Vereinigung aller deutschen Staaten durch Bayerns und Württembergs Weigerung nicht erfüllt sei, sagten sich im Februar 1850 ganz vom Dreikönigsbündnis los und schlossen mit den süddeutschen Königreichen das Vierkönigsbündnis ab, in welchem ein neuer Verfassungsentwurf mit einer Volksvertretung von 300 durch die Kammern der Einzelstaaten zu wählenden Mitgliedern aufgestellt wurde. Österreich erklärte sich bereit, dem Bund beizutreten, wenn ihm der Eintritt mit dem ganzen Umfang seiner Staaten ermöglicht würde.
Die zaudernde, schwächliche Politik der Regierung zu Berlin, [* 6] wo sich zwei Parteien, zwischen denen der König schwankte, bekämpften, indem die eine die Unionspolitik bis an die Grenze des Möglichen verfocht, die andre die Union als ein Gewächs der Revolutionszeit verabscheute, mußte ihre Gegner immer mehr ermutigen. Zwar wurde das Erfurter Parlament mit einer entschieden unionistischen Rede des Generals v. Radowitz eröffnet, und die Majorität desselben nahm 17. April den Verfassungsentwurf des Dreikönigsbündnisses mit Verzicht auf jede Einzelberatung an, setzte aber dadurch die unentschlossene preußische Regierung in solche Verlegenheit, daß dieselbe das Parlament 29. April plötzlich vertagte, um es nicht wieder zusammenzuberufen.
Als Österreich hierauf sämtliche Mitglieder des Deutschen Bundes einlud, zum 10. Mai ihre Gesandten nach Frankfurt [* 7] zu schicken, antwortete Preußen [* 8] mit der Berufung der Unionsfürsten nach Berlin, und die Kleinstaaten folgten fast alle seinem Ruf, während die vier Könige, ferner Dänemark, [* 9] die Niederlande [* 10] und die beiden Hessen [* 11] die österreichische Partei ergriffen. Die Unionsfürsten wurden aber den ganzen Sommer hindurch mit leeren Verhandlungen hingehalten und ihnen der Rücktritt von der Union förmlich nahegelegt.
Einer nach dem andern benutzte diese Freiheit, um sich dem Frankfurter Kongreß anzuschließen oder Beziehungen zu ihm anzuknüpfen, um so mehr, da derselbe energisch vorging, sich für den alten nur suspendierten, nicht aufgehobenen Bundestag erklärte und als solcher unter Vorbehalt des demnächstigen Eintritts der wenigen Staaten, welche noch zur Union hielten, seine Sitzungen unter dem Vorsitz Österreichs wieder eröffnete. Er bekam sofort Gelegenheit, seine Macht der preußischen Unionspolitik gegenüber zu erproben.
Der Kurfürst von Hessen hatte mit Hassenpflugs Hilfe die Verfassung von 1831 zu stürzen versucht, war aber bei dem einmütigen, entschlossenen Widerstand des Landes 12. Sept. nach Frankfurt entflohen und rief nun hier die Hilfe des Bundes an. Er erwirkte auch 21. Sept. einen ihm günstigen Bundesbeschluß. Auf einer Zusammenkunft des Kaisers von Österreich mit den Königen von Bayern [* 12] und Württemberg [* 13] in Bregenz [* 14] (10.-14. Okt. 1850) wurde verabredet, in Kurhessen von Bundes wegen zu intervenieren und das Land durch ein österreichisch-bayrisches Heer besetzen zu lassen. Am 25. Okt. beschloß der Bund die Intervention, und 1. Nov. überschritt das Exekutionsheer die kurhessische Grenze. Zu gleicher Zeit ratifizierte der Bund den Frieden mit Dänemark, den Preußen, nachdem der Krieg 1849 von neuem ausgebrochen, aber bereits 10. Juli d. J. durch einen Waffenstillstand beendet worden war, zu Berlin abgeschlossen hatte; man überließ die Herzogtümer nicht bloß ihrem Schicksal, sondern erwog auch bereits eine Bundesexekution, um sie dem Verlangen der europäischen Mächte gemäß zur Unterwerfung unter Dänemark zu zwingen.
Preußen schien zu mannhafter Verteidigung seiner Unionspolitik entschlossen: am 26. Sept. war Radowitz, die Seele derselben, zum Minister des Auswärtigen ernannt worden, und preußische Truppen rückten in Kurhessen ein und besetzten die vertragsmäßigen Etappenstraßen. Angesichts des drohenden Konflikts wendeten sich beide Mächte, Österreich und Preußen, an Rußland. Kaiser Franz Joseph begab sich selbst zu einer Zusammenkunft mit Kaiser Nikolaus nach Warschau [* 15] (26.-28. Okt. 1850), Friedrich Wilhelm schickte seinen Ministerpräsidenten, den Grafen Brandenburg, [* 16] dahin.
Der hochmütige Zar, der sich berufen glaubte, die Revolution in ganz Europa [* 17] bis zur Wurzel [* 18] auszurotten, stellte sich entschieden auf die Seite Österreichs. Friedrich Wilhelm wurde nun wieder schwankend. Die Armee wurde zwar 6. Nov. mobil gemacht, aber Radowitz entlassen und durch Manteuffel ersetzt. Dieser erbot sich zur Befolgung der Bundesbeschlüsse betreffs Kurhessens und Schleswig-Holsteins und verlangte nur noch freie Verhandlung über die Verfassungsfrage.
Aber Schwarzenberg forderte die sofortige Anerkennung des Bundestags und Auflösung der Union, also bedingungslose Unterwerfung. Schon kam es in Kurhessen bei Bronnzell 8. Nov. zwischen preußischen und Bundestruppen zu einer Plänkelei. Aber da die Mobilmachung erhebliche Schäden im preußischen Heerwesen aufgedeckt hatte, wagte der König keinen Krieg und zog die demütige Unterwerfung unter Österreichs Bedingungen vor. Am 29. Nov. unterzeichnete Manteuffel den Olmützer Vertrag, welcher Preußen den Verzicht auf sein Unionsprojekt und auf die mit Baden, [* 19] Anhalt, [* 20] Mecklenburg [* 21] und Braunschweig [* 22] abgeschlossenen Militärkonventionen, die Räumung von Baden und Hessen und die Rückführung der schleswig-holsteinischen Armee hinter die Eider durch preußisch-österreichische Kommissare auferlegte; die deutsche Verfassungsfrage sollte auf freien Ministerkonferenzen verhandelt werden.
Ende November kehrten der Kurfürst und Hassenpflug unter dem Schutz der Exekution nach Kassel [* 23] zurück und schalteten nach Beseitigung der Verfassung von 1831 nach Willkür und Laune im Land. Am trafen die österreichisch-preußischen Kommissare in Kiel [* 24] ein, lösten die schleswig-holsteinische Landesversammlung und das Heer auf und überlieferten das Land wehrlos den Dänen. Die zur Beratung der Verfassungsfrage berufenen freien Dresdener Konferenzen wurden eröffnet, brachten aber bei dem hochmütigen Verhalten Österreichs, das auch nicht die geringste Konzession zu machen gewillt war, nach monatelangen Verhandlungen (bis nur einen Stoß Protokolle zu stande, die als »schätzbares Material« für die deutsche Frage in das Bundesarchiv wanderten. Schon Ende März 1851 forderte Preußen die Staaten der Union auf, gleich ihm selbst den alten Bundestag wieder zu beschicken.
Unter dem Schutz des alten Bundestags, der am eine Bundeszentralkommission einsetzte, welche die Aufgabe hatte, die bestehenden ¶
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Verfassungen zu revidieren und alles Staatsgefährliche daraus zu entfernen, feierte die Reaktion in der Verfolgung aller nationalen und freiheitlichen Bestrebungen ihre Triumphe. Das Schicksal Schleswig-Holsteins wurde durch das Londoner Protokoll besiegelt. Die aus den freiwilligen Gaben der Nation gebildete deutsche Flotte ward zur Versteigerung verurteilt. Die kurhessische Verfassung von 1831 wurde durch Bundesbeschluß vom für mit den Grundgesetzen des Bundes unvereinbar erklärt.
Die konstitutionelle Verfassung Mecklenburgs mußte der alten feudalständischen wieder weichen. Das hannöversche Ministerium Borries wurde bei seinem neuen Verfassungsbruch vom Bund eifrig unterstützt. Fast in allen deutschen Staaten suchte ein reaktionäres Polizeiregiment die Erinnerungen an das Jahr 1848 wieder auszutilgen und durch Beschränkung der Volksrechte, Präventivmaßregeln und strenge büreaukratische Kontrolle der Wiederkehr einer solchen Katastrophe vorzubeugen.
Der Thron [* 26] schloß zu diesem Zweck einen Bund mit dem Altar, [* 27] und während an protestantischen Höfen die buchstabengläubige, herrschsüchtige Orthodoxie sich breit machte, verstand es die katholische Kirche vortrefflich, die in der Revolutionszeit errungene Freiheit von staatlicher Aufsicht durch besondere Konkordate sich zu sichern. Der Nation bemächtigte sich aber teils eine pessimistische Verzweiflung, da die edelste, schönste Erhebung des gesamten Volkes ein so erbärmliches Ende gefunden, teils eine stumpfe Resignation, die sich auf die nächstliegenden Sorgen beschränkte. Die Auswanderung (1851: 113,000 Personen) bewies, welcher Überdruß sich aller Kreise [* 28] bemächtigt hatte.
Nur auf einem Gebiet wurde die Selbständigkeit der deutschen Entwickelung gewahrt, auf dem der wirtschaftlichen Politik. Auch hier hatte Österreich den Versuch gemacht, das besiegte Preußen sich dienstbar zu machen. Im Mai 1850 stellte es den Antrag, mit seinem Gesamtstaat in den Zollverein aufgenommen zu werden. Sämtliche Mittelstaaten, mit Ausnahme von Hannover, erklärten sich auf einer Konferenz in Darmstadt [* 29] bereit, dies Verlangen bei der 1854 erforderlichen Erneuerung der Zollvereinsverträge zu unterstützen.
Entweder also war zu befürchten, daß das wenig entwickelte Österreich den Deutschen Zollverein zu seinem
Vorteil ausbeutete und beherrschte, oder daß Deutschland
[* 30] in zwei Zollgebiete, ein österreichisches und ein preußisches,
geteilt wurde. Preußen ließ es auf diese letztere Gefahr ankommen und vereitelte dadurch den Plan seiner Gegner. Nach längern
Verhandlungen gab Österreich sein Verlangen auf und schloß mit Preußen und den Zollvereinsstaaten einen
Handels- und Schiffahrtsvertrag auf dessen Grundlage später eine engere Annäherung herbeigeführt werden sollte.
Münz- und Postverträge folgten. 1856 wurde auf Antrag Bayerns ein Ausschuß eingesetzt, der ein allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch
ausarbeiten sollte; dasselbe kam 1861 zu stande. Während das öffentliche Leben der Nation nur unerfreuliche Bilder
darbot, war die stille Friede
nsarbeit in Kunst und Wissenschaft, Gewerbe und Handel von günstigem Erfolg begleitet und die Saat
einer bessern Zukunft gestreut.
Vergebliche Versuche einer Bundesreform.
Wenn in den 20er und 30er Jahren die Mittelstaaten als die Zufluchtsstätte freiheitlicher konstitutioneller Entwickelung gegolten hatten, so hatten sie jetzt, wo die Minister Pfordten in Bayern, Beust in Sachsen, Linden in Württemberg und Borries in Hannover den reaktionärsten Anschauungen huldigten und die liberalen Elemente im Volk nach Kräften zu unterdrücken suchten, alle Sympathien im deutschen Volk verwirkt. Man erwartete nichts Heilbringendes von ihnen, und die Versuche, die einige Mittelstaaten, besonders Bayern, machten, nach der Niederlage Preußens [* 31] den Dualismus der beiden deutschen Großmächte dadurch unschädlich zu machen, daß die Mittel- und Kleinstaaten zu einer dritten, rein deutschen Macht vereinigt und Deutschland so in drei Teile (Trias) geteilt wurde, hatten nicht den geringsten Erfolg.
Die Ohnmacht der Mittel- und Kleinstaaten neben Österreich und Preußen zeigte sich deutlich während des Krimkriegs (1854-56). Österreich glaubte seine Interessen im Orient durch eine entschieden antirussische Haltung in Anlehnung an die Westmächte wahren zu müssen, während Preußen an einer strikten Neutralität festhielt. Dies ermutigte die Mittelstaaten, Ende Mai 1854 auf den Bamberger Konferenzen den Versuch zu machen, auch Großmachtspolitik zu treiben: sie verlangten in russischem Interesse, daß, wenn von Rußland die Räumung der Donaufürstentümer verlangt werde, die Westmächte auch das türkische Gebiet räumen müßten, und daß dem Deutschen Bund beim Friedensschluß eine Stimme eingeräumt werde.
Indes Österreich und Preußen, die sich inzwischen über ein Schutz- und Trutzbündnis geeinigt hatten, nötigten 24. Juni dem Bund den Beitritt zu ihrer Allianz auf, »um jeden Zweifel zu beseitigen, daß alle Bundesgenossen fest entschlossen seien, kräftig zusammenzustehen in den Prüfungen, welche die nächste Zukunft dem Vaterland bringen könnte«. Von einer Beteiligung des Bundes am Pariser Friedenskongreß war keine Rede. Für Deutschland hatte übrigens der Krimkrieg die Wirkung, daß er das russisch-österreichische Bündnis, welches 1850 so verhängnisvoll gewirkt, zerriß und die von Österreich geleitete Reaktion des russischen Rückhalts beraubte.
Das öffentliche Leben nahm einen freiern Aufschwung, und die Hoffnungen der Nation lebten wieder auf. Die innern Verhältnisse Preußens und seine Stellung zum deutschen Volk erhielten mit dem Regierungsantritt des Prinz-Regenten (1858) eine ganz andre Richtung, und wiederum wendeten sich die Blicke der national gesinnten, liberalen Deutschen auf den Hohenzollernstaat, während in Österreich das künstliche absolutistische Machtgebäude mehr und mehr ins Wanken geriet.
Der Krieg zwischen Österreich und Frankreich um Italien [* 32] (1859) drohte Deutschland von neuem in Zwist und Verwirrung zu stürzen, brachte aber schließlich eine heilsame Krisis hervor. Der unerwartete Angriff Napoleons III. auf Österreichs Herrschaft in Italien rief in Süddeutschland anfangs lebhafte Besorgnisse hervor; man befürchtete, daß der Napoleonide damit nur nach dem Muster seines Oheims die Reihe seiner Eroberungen beginnen wolle, daß nach Niederwerfung Österreichs Deutschland ihm wehrlos preisgegeben sei, und glaubte, daß der Rhein am Po verteidigt werden müsse.
In der Presse [* 33] wie in manchen Kammern kam diese Anschauung zum lebhaftesten Ausdruck, und Österreich säumte nicht, sie zu seinen gunsten auszubeuten, indem es für seinen Krieg mit Frankreich die bewaffnete Hilfe des Bundes in Anspruch nahm. Auch beschloß der Bund 24. April Marschbereitschaft der Bundeskontingente und Armierung der Bundesfestungen. Aber die von Hannover 13. Mai beantragte Aufstellung eines Beobachtungsheers am Rhein lehnte Preußen ab. Dies war entschlossen, das deutsche Bundesgebiet gegen jeden Angriff zu verteidigen; als nach der Schlacht bei ¶