mehr
verlangte Ermächtigung zu Unterhandlungen mit
Österreich
[* 2] nach heftiger
Debatte (11.-13. Jan. 1849) nur mit 261 gegen 224
Stimmen
erteilt, und 60
Österreicher protestierten von vornherein gegen jeden Beschluß, der den Ausschluß
Österreichs herbeiführe.
Der
Antrag, daß die
Würde des Reichsoberhauptes einem der regierenden deutschen
Fürsten
übertragen werde, ward 19. Jan. mit 258 gegen 211
Stimmen
angenommen, die
Erblichkeit der
Würde aber verworfen und nur der
Titel
»Kaiser von Deutschland«
[* 3] mit 214 gegen 205
Stimmen zugestanden
(25. Jan.). Hiermit war die erste
Lesung des Verfassungsentwurfs beendet.
Österreich protestierte dagegen 4. Febr. und veranlaßte
die
Bildung eines »großdeutschen
Klubs«, schnitt aber selbst jede Verständigung mit der deutschen
Zentralgewalt
ab, indem es 7. März eine österreichische
Verfassung oktroyierte, welche ganz
Österreich mit
Ungarn
[* 4] und
Lombardo-Venetien für
eine unteilbare konstitutionelle
Monarchie erklärte; es war für
Österreich fortan im neuen deutschen
Bundesstaat kein Platz,
wenn es sich nicht zum unbedingten Herrscher desselben aufschwingen konnte.
Nun beantragte selbst ein
bisheriger Gegner der erbkaiserlichen
Partei,
Welcker, 12. März, die
Verfassung, wie sie vorliege, sofort ohne zweite und dritte
Lesung endgültig anzunehmen, etwanige Verbesserungen einem nächsten
Reichstag vorzubehalten und die erbliche Kaiserwürde
dem König von
Preußen
[* 5] zu
übertragen. Durch die vereinten Anstrengungen der Gegner der
Kleindeutschen
ward 21. März die
Ablehnung dieses
Antrags mit 283 gegen 252
Stimmen erreicht. Die Beratung über die
Verfassung ging also ihren
regelmäßigen
Gang
[* 6] weiter. Mit äußerster Kraftanspannung
setzte die Einheitspartei, 267 gegen 263
Stimmen, 27. März die
Erblichkeit
der Kaiserwürde durch. Am 28. März fand die Kaiserwahl statt: von 538 Anwesenden wählten 290 den König
von
Preußen (248 enthielten sich der
Abstimmung). Unter Glockengeläute und Kanonendonner wurde die
Wahl
Friedrich
Wilhelms IV.
zum erblichen
Kaiser von Deutschland proklamiert. Hiermit war die
Reichsverfassung, der im voraus 28
Regierungen sich unterwerfen zu
wollen erklärt hatten, abgeschlossen; ihre
Publikation erfolgte
Die Reichsverfassung beschränkte die Rechte der Einzelstaaten nicht unbedeutend: sie verloren das Recht, eigne Gesandte zu halten, ihre Truppenmacht wurde der Zentralgewalt untergeordnet u. dgl. Der Reichsgewalt war die oberste Gesetzgebung vorbehalten. Der Kaiser übt seine Gewalt durch verantwortliche Minister, erklärt Krieg und schließt Frieden, beruft und schließt den Reichstag, welcher in ein Staatenhaus und ein Volkshaus zerfällt. Das erstere bilden die Vertreter der einzelnen Staaten, welche zur Hälfte die Regierung, zur Hälfte die Volksvertretung des einzelnen Staats ernennt; das Volkshaus wird durch allgemeine, direkte Wahlen (auf 100,000 Seelen ein Abgeordneter) gebildet.
Den Beschlüssen des Reichstags gegenüber hatte der Kaiser nur ein suspensives Veto, eine Bestimmung von geringer politischer Bedeutung, welche jedoch die Autorität des Reichsoberhauptes von vorherein zu sehr schwächte. Der radikal-demokratische Charakter der Verfassung prägte sich namentlich im sechsten Abschnitt aus, welcher die »Grundrechte des deutschen Volkes« enthielt: unbeschränkte Freizügigkeit, unbedingte Preßfreiheit, welche selbst nicht durch Konzessionen, Kautionen und Staatsauflagen beschränkt werden darf, volle Glaubens- und Gewissensfreiheit, Aufhebung der Staatskirchen, Gleichheit der bürgerlichen Rechte ohne Rücksicht auf Stand und Glauben, Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre, [* 7] Unentgeltlichkeit des Volksunterrichts, fast unbeschränktes Vereins- und Versammlungsrecht, Abschaffung der Adels und aller Titel: Grundsätze, die teilweise das politisch noch unreife Volk selbst nicht durchgeführt hätte sehen mögen, viel weniger die Regierungen. Gleichwohl war die Reichsverfassung lebens- und verbesserungsfähig, und es kam nur darauf an, ob der Fürst, dem die Nation die Reichsgewalt anvertraute, entschlossen war, sie zu verwirklichen. Noch schien der Einheitsdrang mächtig genug, um den Widerstand, der sich gegen das neue Reich regte, im Verein mit Preußens [* 8] Kraft [* 9] niederzuwerfen.
Aber Friedrich Wilhelm vermochte diesen Entschluß nicht zu fassen. Zwar erkannte er wohl, daß Deutschlands [* 10] Macht und Einheit nur in der Richtung zu finden war, welche die Mehrheit des Frankfurter Parlaments, Männer, deren Mäßigung, Besonnenheit und Loyalität er anerkennen mußte, in den letzten entscheidenden Beschlüssen eingeschlagen hatte. Aber seinen romantischen Vorurteilen widerstrebte es, die Kaiserkrone aus der Hand [* 11] der »Revolution«, wie er die Bewegung von 1848 nannte, zu empfangen. Er erklärte daher der Kaiserdeputation in feierlicher Audienz im königlichen Schloß zu Berlin [* 12] daß die Wahl ihm ein Anrecht gebe, dessen Wert er zu schätzen wisse, daß er sie aber ohne das freie Einverständnis der Fürsten und Freien Städte Deutschlands nicht annehmen könne.
Eine
Note des preußischen
Ministeriums vom 4. April bestätigte die Absicht des
Königs, die deutsche
Verfassung auf dem Weg der
Vereinbarung zu stande zu bringen, und lud die deutschen
Regierungen ein, zu diesem
Zweck
Bevollmächtigte
nach
Frankfurt
[* 13] zu senden. Die
Nationalversammlung ernannte 11. April ihrerseits hierzu einen Dreißigerausschuß.
Noch war die
Sache
nicht hoffnun
gslos.
Österreich hatte zwar seine Abgeordneten zurückgerufen und damit kundgethan, daß es sich nicht gutwillig
fügen werde.
Aber damals erlitten seine Heere in Ungarn Niederlage auf Niederlage, die es dem Untergang nahebrachten. Am 14. April übergaben die Vertreter der 28 Regierungen dem preußischen Bevollmächtigten in Frankfurt a. M. eine Note, in der sie der Wahl des Königs von Preußen zum Kaiser und der Reichsverfassung zustimmten. Allerdings fehlten die vier Königreiche. Aber König Wilhelm von Württemberg, [* 14] der zuerst mit Entschiedenheit verkündet hatte, er unterwerfe sich keinem Hohenzoller, fügte sich 24. April aus Furcht vor einem Volksaufstand, und in Bayern, [* 15] Sachsen [* 16] und Hannover [* 17] drängte ein großer Teil der Bevölkerung [* 18] zu demselben Entschluß. Am 21. April nahm die preußische Zweite Kammer einen Antrag von Rodbertus auf Anerkennung der Rechtsbeständigkeit der deutschen Reichsverfassung an und stellte ihren Beistand der Regierung zur Verfügung.
Jedoch gerade dieser Beschluß, welcher als ein Eingriff in die königlichen Prärogativen aufgefaßt wurde, verhalf der reaktionären Strömung in Berlin zum Sieg. Am 27. April wurde die Kammer aufgelöst, und in einer Note an die deutsche Zentralgewalt vom 28. April verwandelte die preußische Regierung die bedingte Ablehnung der Kaiserkrone in eine unbedingte, indem sie zugleich erklärte, daß, wenn die Nationalversammlung nicht auf eine Vereinbarung mit den Regierungen eingehe, diese selbst eine Verfassung oktroyieren müßten. Durch diese unnötige und auch gar nicht ausführbare Drohung warf der preußische König dem Frankfurter Parlament den Fehdehandschuh hin und überlieferte einen großen Teil Deutschlands aufs neue der ¶
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Revolution und der Anarchie. Denn die Versammlung, in welcher das Verfahren des Königs den radikalen Elementen wieder das Übergewicht verschaffte, konnte sich nicht ohne weiteres von ihrem Rechtsboden, der Reichsverfassung, verdrängen lassen und mußte versuchen, die gefaßten Beschlüsse auch ohne und gegen den König von Preußen durchzuführen. Am 4. Mai forderte sie die gesamte Nation, Volk und Regierungen, auf, die beschlossene Verfassung des Deutschen Reichs zur Geltung zu bringen. Sie entfesselte damit eine Bewegung, deren sich die Republikaner und Revolutionäre mit ungeduldiger Begierde bemächtigten, und die der Versammlung selbst bald über den Kopf wuchs und ihre Auflösung herbeiführte.
Die Bewegung begann in der Pfalz, wo eine große Volksversammlung in Kaiserslautern [* 20] 1. Mai bayrischen Regierung den Gehorsam aufkündigte, weil sie die Reichsverfassung anzuerkennen sich weigerte, und einen Landesverteidigungsausschuß einsetzte; zu gleicher Zeit kam es in Dresden [* 21] zu einem Aufstand, vor dem der König und seine Minister auf den Königstein flüchteten. Nach mehrtägigen Barrikadenkämpfen ward mit Hilfe preußischer Bataillone die Erhebung in Dresden 9. Mai unterdrückt.
Indes trotz dieser Niederlage an Einer Stelle griff die Bewegung weiter und weiter: in Hessen,
[* 22] Baden,
[* 23] am Rhein, in Frankfurt, in
Württemberg und Franken forderte man in stürmischen Volksversammlungen schleunigste Bewaffnung und Organisation zur Durchführung
der Reichsverfassung. In mehreren rheinischen Städten kam es zu gewaltsamen Konflikten mit dem Militär und zu offener Gehorsamsverweigerung
der eingezogenen Landwehr. Zum vollen Durchbruch aber kam die neue Revolution indem seit langem unterwühlten Baden, obwohl
Großherzog und Regierung die Reichsverfassung mit zuerst und unumwunden anerkannt hatten. In Freiburg
[* 24] und Rastatt
[* 25] brachen die Soldaten 11. Mai offene Meuterei aus und verbündeten sich mit den Bürgerwehren; eine Empörung der Garnison in Karlsruhe
[* 26] 14. Mai zwang
den Großherzog mit den Behörden zur Flucht, und das ganze Land unterwarf sich nun
dem republikanischen Landesausschuß, welcher 17. Mai mit
der revolutionären Regierung der Pfalz ein Schutz u. Trutzbündnis abschloß. Die Bewegung verpflanzte sich
schon in bedrohlicher Weise nach Württemberg.
Die Reichsgewalt war dem gegenüber ohnmächtig. Am 10. Mai hatte das Ministerium Gagern seine Entlassung genommen und der Reichsverweser 16. Mai ein neues durch ein Mitglied der äußersten Rechten, den preußischen Justizrat Grävell, gebildet, welches beim Parlament nicht den geringsten Einfluß hatte und daher die Auflösung der Versammlung beschleunigte. Diese selbst trug durch ihre radikalen Beschlüsse nach Kräften bei. Am 10. Mai nahm sie einen energischen Protest gegen Preußens »Reichsfriedensbruch« in Sachsen an; ein Beschluß vom 12. verlangte die Verpflichtung der gesamten bewaffneten Macht Deutschlands auf die Reichsverfassung. Am 14. Mai rief darauf die Berliner [* 27] Regierung die preußischen Abgeordneten ab, am 21. folgte ihr Sachsen, am 23. Hannover, und am 20. zeigte der Rest der erbkaiserlichen Partei, 90 Mitglieder, Gagern an der Spitze, seinen Austritt an. Da sich inzwischen in der Nähe Frankfurts Truppenmassen zusammenzogen und die Anwesenheit in Stuttgart [* 28] der Revolution in Württemberg möglicherweise zum Sieg verhalf, so beschloß das Parlament 30. Mai, seine nächste Sitzung 4. Juni Stuttgart abzuhalten.
Dort trat die Versammlung, noch 104 Mitglieder zählend (Rumpfparlament), 6. Juni unter Löwes Vorsitz wieder zusammen, setzte zum Zweck der Durchführung der Reichsverfassung eine Reichsregentschaft ein, welche aus fünf Mitgliedern, Raveaux, K. Vogt, H. Simon, Schüler und Becher, [* 29] bestand, stellte 16. Juni die Bewegungen in Baden und der Pfalz unter den Schutz des Deutschen Reichs und forderte von der württembergischen Regierung Truppen zur Ausführung ihrer Beschlüsse.
Der Minister Römer,
[* 30] in die Mitte gestellt zwischen eine hoffnun
gslose Revolution und die Pflichten gegen
das eigne Land, lehnte dies Ansinnen ab, forderte von der Versammlung ihre Verlegung in einen andern Staat und verhinderte 18. Juni ihren
Zusammentritt durch militärische Gewalt. Zu einer fernern Sitzung kam es nicht mehr, und so endete in kläglicher Ohnmacht
die erste deutsche Nationalversammlung, auf welche das deutsche Volk die höchsten Hoffnungen gesetzt hatte.
Obwohl nicht ohne Schuld an dem Scheitern ihres Werkes, lebte diese Versammlung, welche die besten Geister der Nation vereinigt
hatte, dennoch als eine große und rühmliche Erinnerung im Volk fort, an welcher es sich während der nun
folgenden
Mißregierung trösten und erheben konnte; und auch ihre Arbeit war nicht vergeblich: die Reichsverfassung von 1849 blieb das
Ideal der deutschen Einheitsbestrebungen und das Muster, auf das die Zukunft mit Glück zurückgreifen konnte.
Wiederherstellung des Bundestags.
Inzwischen war es den preußischen und Reichstruppen gelungen, den Aufruhr in der Pfalz und in Baden zu dämpfen, in letzterm Land allerdings nicht ohne blutige Kämpfe, in welchen sich aber die Überlegenheit der preußischen Armee bewährte. Als Friedrich Wilhelm IV. Sachsen durch seine in Dresden geleistete Hilfe gerettet hatte und sich anschickte, den bedrängten süddeutschen Fürsten Hilfe zu bringen, unternahm er es, früherer Verheißungen eingedenk, die Herstellung der deutschen Einheit unter Preußens Führung auf dem Weg freier Zustimmung der deutschen Regierungen, auch Österreichs, zu erreichen.
Eine Proklamation an das Volk vom 15. Mai enthielt die Grundzüge der beabsichtigten preußischen Union: die zu vereinbarende Verfassung werde eine einheitliche Exekutive und freiheitliche Institutionen, gesichert durch eine gesetzgebende Volksvertretung, errichten;
die Reichsverfassung sollte ihr zu Grunde gelegt, mit Österreich ein besonderes Bundesverhältnis vereinbart werden.
Ein in diesem Sinn abgefaßter Entwurf war dem Dreikönigsbündnis zu Grunde gelegt, welches Preußen, Sachsen und Hannover 26. Mai auf ein Jahr abschlossen. Die erbkaiserliche Partei des Frankfurter Parlaments war geneigt, den Entwurf zu unterstützen; auf einer Versammlung zu Gotha [* 31] (26. Juni) sprachen sich 130 von 148 Mitgliedern für die neue Verfassung aus. Bis zum September schlossen sich 21 deutsche Staaten dem Dreikönigsbündnis an, 5 andre zeigten sich geneigt. Nur Bayern und Württemberg weigerten sich entschieden, der preußischen Union beizutreten, und fanden hierbei jetzt einen mächtigen Rückhalt an Österreich, dessen Bedrängnis in Ungarn Friedrich Wilhelm nicht durch rasches Handeln ausgebeutet hatte, und das nun nach Unterdrückung der ungarischen Insurrektion mit russischer Hilfe sofort die Wiederherstellung des alten Bundestags in Angriff nahm. Ja, Preußen bahnte ihm selbst hierzu die Wege, indem es mit Österreich das sogen. Interim schloß, einen Vertrag zur Einsetzung einer provisorischen Bundesgewalt, die durch je zwei Bevollmächtigte beider Staaten bis in Frankfurt ausgeübt werden sollte. In die Hand dieser Gewalt ¶