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und, durch das Verhalten Frankreichs in Rastatt [* 2] verletzt, auch Österreich [* 3] und das Deutsche Reich [* 4] beitraten; doch blieben Preußen [* 5] und die ihm verbündeten Fürsten derselben fern. Der Krieg der zweiten Koalition verlief anfangs günstig: Italien [* 6] wurde wiedererobert und Jourdan durch den Sieg des Erzherzogs Karl bei Stockach über den Rhein zurückgedrängt. Aber die Eroberung der Schweiz [* 7] mißlang infolge der Uneinigkeit der österreichischen und russischen Feldherren; verstimmt sagte sich Kaiser Paul von Rußland von der Koalition los; ein Versuch der Engländer, Holland zu erobern, scheiterte, und 1800 sah sich Österreich allein den Streitkräften Frankreichs gegenüber, welche von Bonaparte, seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire Erstem Konsul, allein geleitet wurden.
Durch die Schlacht bei Marengo [* 8] verlor es Italien wieder; in Süddeutschland trieb Moreau den General Kray vom Rhein zurück und errang 3. Dez. über Erzherzog Johann bei Hohenlinden einen entscheidenden Sieg. Um Wien [* 9] zu retten, schloß Österreich 25. Dez. den Waffenstillstand von Steier, dem der Lüneviller Friede folgte. Dieser bestätigte im wesentlichen den Vertrag von Campo Formio, nur wurde er vom Kaiser auch im Namen des Reichs unterzeichnet. Das ganze linke Rheinufer, 60,000 qkm mit 3,5 Mill. Einw., wurde von Deutschland [* 10] abgetreten, und nicht bloß die deutschen Fürsten, welche auf dem linken Rheinufer Besitzungen gehabt, wurden durch säkularisiertes und mediatisiertes deutsches Gebiet entschädigt, sondern auch fremde depossedierte Fürsten, wie der Erbstatthalter der Niederlande, [* 11] die Herzöge von Modena und Toscana.
Zur Regelung der Entschädigung setzte der Regensburger Reichstag eine Reichsdeputation ein, welche aus Mainz, [* 12] Böhmen, [* 13] Sachsen, [* 14] Brandenburg, [* 15] Pfalz-Bayern, Württemberg, [* 16] Hessen-Kassel und dem Hoch- und Deutschmeister bestand. Diese verhandelte das ganze Jahr 1802 hindurch. Die maßgebende Entscheidung lag aber bei Frankreich und Rußland, welche im Oktober 1801 dahin übereingekommen waren, Österreichs und Preußens [* 17] Eifersucht so auszubeuten, daß keins von beiden viel gewinne, dagegen die südwestdeutschen Staaten, Bayern, [* 18] Württemberg, Hessen [* 19] und Baden, [* 20] als Kern einer dritten Staatengruppe und mit Rußland durch verwandtschaftliche Bande verknüpft, vorzugsweise zu begünstigen.
Ihr Vorschlag ward auch 1803 von der Reichsdeputation im wesentlichen angenommen und der Reichsdeputationshauptschluß vom Reichstag bestätigt. Derselbe säkularisierte alle geistlichen Fürstentümer und Stifter. Die Depossedierten behielten ihr geistliches Amt und eine Dotation. Bloß der Hoch- und Deutschmeister und der Kurerzkanzler blieben als Reichsstände bestehen; nur verlor der letztere das Kurfürstentum Mainz und erhielt Regensburg [* 21] nebst Wetzlar [* 22] und Aschaffenburg [* 23] und die Würde eines Primas von Deutschland. Alle deutschen Reichsstädte wurden mediatisiert, mit Ausnahme von sechs: Bremen, [* 24] Lübeck, [* 25] Hamburg, [* 26] Frankfurt, [* 27] Nürnberg [* 28] und Augsburg. [* 29]
Das gewonnene Gebiet war so bedeutend, daß die Entschädigung reichlicher ausfiel als der Verlust, zumal nur die größern Fürsten berücksichtigt wurden. Österreich bekam die Bistümer Trient [* 30] und Brixen und für den Großherzog von Toscana Salzburg, [* 31] wogegen es den Breisgau nebst der Ortenau an den Herzog von Modena abtrat;
Preußen die Stifter Hildesheim, [* 32] Paderborn, [* 33] den größten Teil von Münster, [* 34] Erfurt [* 35] und das Eichsfeld, die Abteien Essen, [* 36] Werden und Quedlinburg [* 37] und die Städte Nordhausen, [* 38] Mühlhausen [* 39] und Goslar, [* 40] fast fünfmal mehr, als es verloren;
Hannover [* 41] erhielt Osnabrück, [* 42] Bayern die Stifter Würzburg, [* 43] Bamberg, [* 44] Freising, [* 45] Augsburg, Passau [* 46] und eine Anzahl Reichsstädte, Württemberg die von seinem Gebiet umschlossenen oder begrenzten Reichsstädte und Abteien, Baden siebenmal mehr, als es verloren;
auch Hessen-Darmstadt und Nassau wurden ansehnlich vergrößert. An Stelle von Köln [* 47] und Trier [* 48] wurde Württemberg, Baden, Hessen-Kassel und Salzburg die Kurwürde verliehen, so daß das Kurfürstenkollegium aus zehn Mitgliedern bestand.
Die katholischen Fürsten verringerten sich so, daß das Fürstenkollegium fortan 50 evangelische gegen 30 katholische Stimmen zählte. Die auf dem Besitz der Stifter und Kapitel beruhende Reichsaristokratie war damit in der Wurzel [* 49] getroffen, die Reichsritterschaft verlor den Fürsten gegenüber ihren letzten Schutz und konnte ihre Unabhängigkeit nicht länger behaupten. Die Macht des Kaisertums war durch die Veränderung der Stimmverhältnisse auf dem Reichstag zu gunsten der großen evangelischen Stände fast vernichtet. Der Reichsdeputationshauptschluß bedeutet daher in Wirklichkeit die Auflösung des Reichs in selbständige Staaten und damit sein Ende als Staatswesen, wenn es auch noch ein paar Jahre seinen Namen fristete. Kaiser Franz II. nahm deshalb den Titel eines Erbkaisers von Österreich (als Franz I.) an.
Zugleich bezeichnet der Vertrag von 1803 eine tiefe Erniedrigung des deutschen Volkes, dessen Schicksal von fremden Mächten nach Laune und Willkür entschieden wurde. Indes dafür hatte die überwiegende Mehrzahl der Nation keine Empfindung, selbst die Gebildeten nicht. Der Nationalstolz war völlig erloschen und einem Kosmopolitismus und einer Humanitätsschwärmerei gewichen, welche in andern Sphären Trost und Zuflucht suchten. Viele erwarteten von dem Zusammenbruch des alten feudalen Reichs eine neue Ära für vernünftige Freiheit und Bildung.
Nur wenige erleuchtete Geister, wie Schiller, erkannten die Gefahr und bemühten sich, die Deutschen aus ihrer selbstsüchtigen, trägen Gleichgültigkeit gegen das Schicksal ihrer Volksgenossen und ihrer Heimat aufzurütteln, wenn auch vergeblich. Weder die Besetzung Hannovers trotz der vertragsmäßig anerkannten Neutralität dieses Reichslandes (1803) noch die Entführung des Herzogs von Enghien von deutschem Boden nach Vincennes, wo er erschossen wurde, riefen einen Protest des Reichstags oder der deutschen Großmächte hervor, und die Nation blieb stumm.
Die dritte Koalition, welche sich 1805 unter englischem Einfluß bildete, war daher das Werk reiner Kabinettspolitik, nicht einer Volkserhebung. Rußland, Österreich, Schweden [* 50] und Neapel, [* 51] welche sich ihr anschlossen, thaten es, weil sie teils in ihren Erwartungen auf Machtvergrößerung enttäuscht, teils durch den Übermut und die Willkür Napoleons, der seit sich Kaiser der Franzosen nannte, verletzt waren. Der französische Einfluß hatte sich an den deutschen Fürstenhöfen so befestigt, daß Bayern, Württemberg und Baden trotz drohender Okkupation durch die Österreicher sich mit Napoleon verbündeten, Preußen und der Norden [* 52] wiederum neutral blieben. Und die süddeutschen Fürsten hatten sich in ihrer Berechnung nicht getäuscht. Das österreichische Heer drang bloß bis Ulm [* 53] vor; hier wurde Mack mit einem großen Teil desselben von Napoleon umzingelt und mit 23,000 Mann zur Kapitulation gezwungen. Jetzt stand den Franzosen der Weg nach Wien offen, wo ¶
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sie 13. Nov. einzogen, und wurde das vereinigte russisch-österreichische Heer in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz [* 55] völlig besiegt. Rußland schied, weil es so bald keine neuen Streitkräfte aus dem Innern des Reichs heranzuziehen vermochte, ohne Frieden zu schließen, aus dem Krieg aus. Österreich, völlig erschöpft, schloß 25. Dez. mit Frankreich den Frieden von Preßburg, [* 56] welcher ihm harte Bedingungen auferlegte: es mußte Venetien an den französischen Vasallenstaat Italien, Tirol [* 57] und Vorarlberg an Bayern, den Breisgau an Baden abtreten und erhielt bloß Salzburg zur Entschädigung, welches der Großherzog von Toscana gegen Würzburg vertauschte.
Ferner mußte es die Souveränität der neuen Könige von Bayern und Württemberg und des Großherzogs von Baden anerkennen und im voraus seine Zustimmung zu einem engern Bund Napoleons mit deutschen Fürsten geben. Dieser, der Rheinbund (s. d.), ward von 16 deutschen Fürsten: Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Berg, Nassau, dem Fürsten-Primas v. Dalberg u. a., abgeschlossen und wahrte durch Berufung einer ständigen Bundesversammlung nach Frankfurt seinen föderativen Charakter, war aber ganz in der Gewalt seines Protektors, des französischen Kaisers, gegen den sich jeder einzelne Fürst zu ewigem Bündnis und zur Stellung eines fest normierten Kontingents in jedem Krieg verpflichten mußte. Dafür erhielten die Rheinbundsfürsten die Erlaubnis, die noch unabhängigen Reichsgrafen und Reichsfürsten in ihrem Gebiet zu mediatisieren. Auf die Anzeige an den Regensburger Reichstag von der Bildung des Rheinbundes und dem Austritt seiner Mitglieder aus dem Reichsverband legte Franz II. 6. Aug. die Kaiserwürde nieder, und der Reichstag ging auseinander. Dies war das Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, nachdem es lange schon abgestorben war. Sein Untergang ließ die deutsche Nation fast unberührt, so sehr war durch seine Ohnmacht sein Ansehen gesunken.
Nachdem Napoleon durch den Preßburger Frieden Österreich aus Deutschland herausgedrängt und durch den Rheinbund Süd- und Westdeutschland seiner Botmäßigkeit unterworfen hatte, schritt er zum Sturz der preußischen Macht.
Preußen führte seinen Untergang durch eigne Schuld herbei. Zwar hatte die neue Regierung Friedrich Wilhelms III. (1797-1840) die zerrütteten Finanzen durch Sparsamkeit geregelt, aber der gefährliche Mißstand der Kabinettsregierung, welcher die Minister vom König fern hielt und ihn in die Gewalt schmeichlerischer Günstlinge brachte, blieb bestehen. An dem Heerwesen wurde nichts geändert; trotz der Erfahrungen in den französischen Feldzügen, trotz der glänzenden Erfolge der Napoleonischen Heeresorganisation und Kriegführung konnte man sich nicht zu Reformen in den Heereseinrichtungen entschließen.
Hochmütiger Dünkel erfüllte die Offiziere, und die altersschwachen Generale, welche die höchsten Kommandos innehatten, glaubten das Feldherrntalent Friedrichs II. zu besitzen, weil sie noch unter ihm gedient hatten. Die Neutralität verschaffte dem Staat eine längere Friedenszeit. In dieser gab sich aber das Volk der Genußsucht und der geistigen Schwelgerei hin und entfremdete sich, wenigstens an seiner Oberfläche, den edlen, erhabenen Ideen patriotischer Hingebung und der Vaterlandsliebe.
Die Leiter der äußern Politik, Haugwitz, Lucchesini und Lombard, waren zwar nach Machtvergrößerung lüstern, wagten aber weder die offene Allianz, die Napoleon wiederholt anbot, anzunehmen, noch sich gegen ihn zu erklären. So nahm Preußen 1803 Hannover nicht von Napoleon an, duldete aber, daß die Franzosen es besetzten. 1805 war der König entschlossen, aus seiner schwächlichen Zurückhaltung herauszutreten und sich mit der dritten Koalition zu verbünden.
Eine anmaßende Drohung des ungeduldigen russischen Kaisers verhinderte einen sofortigen Entschluß. Der eigenmächtige Durchmarsch der Franzosen durch Ansbach [* 58] bewirkte dann, daß Preußen sein Heer auf Kriegsfuß setzte und Haugwitz in das französische Hauptquartier sich begab, um von Napoleon die Räumung Deutschlands [* 59] und die Rückkehr zu den frühern Verträgen zu fordern, widrigenfalls ein preußisches Heer von 180,000 Mann zu den Verbündeten stoßen werde. Aber der eitle, schwache Haugwitz ließ sich bis nach der Schlacht von Austerlitz hinhalten und dann den Vertrag von Schönbrunn aufnötigen, nach welchem Preußen ein neues Schutz- und Trutzbündnis mit Frankreich schloß und gegen Abtretung Ansbachs, Neuenburgs und Kleves Hannover annahm. Nach dem Frieden von Preßburg wagte der völlig isolierte Berliner [* 60] Hof [* 61] nicht, diesem Vertrag die Genehmigung zu versagen, und gab auch seine Zustimmung zur Stiftung des Rheinbundes und zur Auflösung des Deutschen Reichs gegen die Zusage Napoleons, die Bildung eines norddeutschen Bundes unter preußischer Hegemonie zu befördern.
Jetzt, da der französische Despot seinen Zweck erreicht, Preußen den übrigen Mächten verächtlich gemacht und seine moralische Kraft [* 62] gebrochen hatte, ließ er es den ganzen Zorn und die Geringschätzung fühlen, die ihm seine Feigheit und Schwäche eingeflößt hatten. Er verhinderte die Bildung des norddeutschen Bundes, bot England Hannover wieder an, ließ durch den Großherzog von Berg preußische Gebietsteile besetzen und beschuldigte in höhnischen Noten Preußen der Anmaßung und übermütigen Kriegslust.
Als sich endlich Friedrich Wilhelm III. zu einem energischen Ultimatum entschloß, lehnte er es ab und begann sofort den Krieg, für den er den ganzen Sommer hindurch die umfassendsten Vorbereitungen getroffen hatte. Die preußische Armee wurde bei Jena [* 63] und Auerstädt [* 64] (14. Okt.) vernichtet, die Monarchie Friedrichs d. Gr. brach schmählich zusammen und konnte auch durch russische Hilfe nicht gerettet werden. Nach den Schlachten [* 65] von Eylau (7. und und Friedland (14. Juni) von Alexander I. im Stiche gelassen, mußte Preußen den Frieden von Tilsit [* 66] (9. Juli) schließen, in welchem es seine sämtlichen deutschen Besitzungen links der Elbe und die Erwerbungen der zweiten und dritten polnischen Teilung verlor; seine Festungen blieben bis zur Bezahlung der auf eine unerschwingliche Höhe hinaufgeschraubten Kontributionen von Franzosen besetzt.
Nun war auch Norddeutschland dem corsischen Eroberer unterthan, und er schaltete hier mit noch größerer Willkür als im Süden. Die Verbündeten Preußens, der Kurfürst von Hessen und der Herzog von Braunschweig, [* 67] wurden ihrer Lande beraubt und aus ihnen, einem Teil Hannovers und den übrigen preußischen Besitzungen zwischen Elbe und Weser das neue bonapartistische Vasallenkönigreich Westfalen, [* 68] das Napoleons jüngster Bruder, Jérôme, erhielt, gebildet. Von den andern bisher preußischen Gebieten fielen Münster und die Grafschaft Mark an Berg, Ostfriesland an Holland, die fränkischen Fürstentümer an Bayern, die polnischen Besitzungen außer Danzig, [* 69] das Freistaat wurde, an Sachsen, ¶