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Mainz [* 2] und machten dem tollen Treiben der Mainzer Klubbisten ein Ende, worauf sie die Pfalz besetzten und gegen alle Angriffe der Franzosen behaupteten.
Während dieser Kämpfe nahm jedoch die Eifersucht zwischen Österreich [* 3] und Preußen [* 4] mehr und mehr zu. Das Projekt, Bayern [* 5] gegen Belgien [* 6] zu tauschen, billigte zwar der Berliner [* 7] Hof, [* 8] wies aber das österreichische Ansinnen, die 1791 an Preußen heimgefallenen Fürstentümer Ansbach [* 9] und Baireuth [* 10] abzutreten, entschieden zurück. Die Erbitterung Österreichs wuchs, als ihm der neue polnische Teilungsvertrag bekannt wurde, den Rußland und Preußen 1793 abschlossen, und durch welchen jenes einen großen Teil Litauens und Wolhyniens, dieses Danzig, [* 11] Thorn [* 12] und Südpreußen (Großpolen) erhielt, wogegen Österreich bloß die Zustimmung zum bayrisch-belgischen Ländertausch angeboten wurde, und das zu einer Zeit, wo Belgien nach den Niederlagen der Engländer bei Hondschoote (8. Sept.) und der Kaiserlichen bei Wattignies (16. Okt.) nur mit Mühe behauptet ward. Noch wurde zwar durch die Bemühungen Pitts die Koalition zusammengehalten und das finanziell erschöpfte, durch Verwickelungen in Polen bedrohte Preußen bewogen, gegen Zahlung von Subsidien durch die Seemächte ein Heer von 50,000 Mann unter dem Befehl Möllendorfs am Rhein zu lassen. Dieses siegte zweimal, im Mai und im September, bei Kaiserslautern [* 13] über die Franzosen, beutete aber aus politischen Rücksichten diese Siege nicht zu energischem Vordringen in Feindesland aus, denn schon war Preußen im Osten in einen Krieg gegen die aufständischen Polen verwickelt. Die Österreicher wurden von Jourdan bei Fleurus geschlagen, und Thugut beschloß nun, Belgien ganz preiszugeben, dagegen durch engen Anschluß an Rußland Preußen bei der bevorstehenden letzten Teilung Polens zu überflügeln. Dies gelang ihm auch. Obwohl der König selbst das preußische Heer in Polen befehligte, vermochte er doch nicht der Empörung Herr zu werden. Erst den Russen unter Suworow glückte es, und Katharina II. war es wieder, die über Polens Schicksal entschied und es in einem besondern Abkommen mit Österreich so teilte, daß dieses, obwohl es am Kampf gar nicht teilgenommen, Westgalizien, ein ebenso großes Gebiet wie das preußische, erhielt.
Nun scheute sich Preußen auch nicht, den von Frankreich wiederholt angebotenen Separatfrieden von Basel [* 14] abzuschließen. In demselben räumte es seine linksrheinischen Besitzungen Frankreich ein unter der Zusicherung, daß, wenn im allgemeinen Frieden der Rhein die französische Grenze werde, es durch geistliches Gebiet auf dem rechten Rheinufer entschädigt werden solle; unter seiner Vermittelung wurden die norddeutschen Fürsten in den Frieden eingeschlossen und das neutrale Norddeutschland durch eine Demarkationslinie von Süddeutschland getrennt.
Der Baseler Friede war allerdings durch die finanzielle Erschöpfung Preußens [* 15] in gewisser Hinsicht geboten, dennoch aber ein bedauerlicher Abfall von der deutschen Sache, ein Akt der Selbstsucht und feigen Schwäche, der durch Österreichs Ränke noch nicht gerechtfertigt war, und darum so verhängnisvoll für Preußen, weil es sich nebst den in seinem Machtbereich gelegenen Staaten in eitler Verblendung und kurzsichtigem Egoismus völlig von den allgemeinen Angelegenheiten zurückzog und sich in eine ganz falsche Vorstellung von seiner Macht und Sicherheit einwiegte, bis die Katastrophe von 1806 es aus seinem Traum aufschreckte. Die deutschen und europäischen Interessen auf dem Kontinent gegen Frankreich zu schützen, überließ Preußen an Österreich u. verzichtete damit auf seine Führerstellung in Deutschland [* 16] zu dessen gunsten.
Seit dem Winter 1794/95 im Besitz Hollands, das in eine »batavische Republik« umgewandelt worden, und nun auch am Niederrhein gegen einen Angriff gesichert, konnten die Franzosen 1795 mit zwei Heeren unter Pichegru und Jourdan in das rechtsrheinische Deutschland vordringen und, nachdem sie von Clerfait über den Rhein zurückgeworfen worden waren, 1796 dies Unternehmen wiederholen. Zwar wurde Jourdan auch diesmal vom Erzherzog Karl bei Amberg [* 17] (24. Aug.) und Würzburg [* 18] (3. Sept.) besiegt und ebenso wie Moreau am Oberrhein zum Rückzug auf das linke Rheinufer gezwungen, auf welchem die Franzosen von dem durch unmenschliche Bedrückungen empörten Landvolk angefallen und verfolgt wurden. Inzwischen hatte aber Bonaparte die Österreicher aus Oberitalien [* 19] vertrieben, alle Versuche, Mantua [* 20] zu entsetzen, vereitelt, die Verbündeten des Kaisers in Italien [* 21] zum Frieden gezwungen, dann Mantua erobert und trat Anfang 1797 seinen kühnen Zug in das Herz der österreichischen Erblande an, welcher den kaiserlichen Hof dermaßen einschüchterte, daß er 18. April zu Leoben in Steiermark [* 22] einen Waffenstillstand mit Bonaparte schloß, der am 17. Okt. zu Campo Formio in einen definitiven Frieden verwandelt wurde. In diesem gab Österreich, Preußens Beispiel folgend, Deutschland dem Sieger preis: das linke Rheinufer ward an Frankreich abgetreten und die Entschädigung der deutschen Fürsten, welche hier Gebiet verloren, durch säkularisiertes Kirchengut auf dem rechten Rheinufer ausgemacht; Österreich selbst erhob als Ersatz für die Niederlande [* 23] auf Salzburg [* 24] und einen Teil Bayerns Anspruch; für Mailand [* 25] nahm es die durch einen Gewaltakt ihrer Selbständigkeit beraubte Republik Venedig [* 26] nebst Istrien [* 27] und Dalmatien an.
Seinen eignen Vorteil wahrte Österreich trotz fünfjähriger, meist unglücklicher Kämpfe; sein Gebiet rundete sich durch die neuen Gebietserwerbungen vortrefflich ab, und die deutschen Stände konnten sich über den Frieden von Campo Formio nicht beklagen, da sie teils gar nichts zu ihrer Verteidigung gethan hatten, teils mit der Unterwerfung unter Frankreich vorangegangen waren; so noch zuletzt im August 1796 die süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg [* 28] und Baden. [* 29]
Dennoch blieb es eine Schmach auch für Franz II., der ja noch immer die deutsche Kaiserkrone trug, daß er an der Vergewaltigung wehrloser kleiner Staaten sich selbst beteiligte und dem brutalen Sieger die Neuordnung der Dinge in Deutschland überließ. Diese wurde auf dem Rastatter Kongreß verhandelt, der im Dezember 1797 zusammentrat. Hier gebärdeten sich die französischen Gesandten als die Herren Deutschlands: [* 30] während sie außer dem linken Rheinufer auch eine Reihe fester Plätze auf dem rechten, wie Kehl, Mannheim [* 31] und Kassel, [* 32] forderten, nahmen sie die Bestimmung der zu säkularisierenden und mediatisierenden Stände und die Verteilung des zur Entschädigung bestimmten Gebiets in die Hand. [* 33] Die Fürsten und Stände überboten sich in Erniedrigung und Demütigung vor den hochmütigen Gesandten.
Indes noch ehe die schwierige Verhandlung zu einem Resultat geführt hatte, brach Österreich sie ab und sprengte den Kongreß durch den an den französischen Gesandten verübten Mord Die ägyptische Expedition Bonapartes, welche durch die Vernichtung der französischen Flotte bei Abukir von Europa [* 34] abgeschnitten wurde, hatte nämlich England zur Bildung einer neuen Koalition veranlaßt, welcher Rußland, die Türkei, [* 35] Neapel [* 36] ¶
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und, durch das Verhalten Frankreichs in Rastatt [* 38] verletzt, auch Österreich und das Deutsche Reich [* 39] beitraten; doch blieben Preußen und die ihm verbündeten Fürsten derselben fern. Der Krieg der zweiten Koalition verlief anfangs günstig: Italien wurde wiedererobert und Jourdan durch den Sieg des Erzherzogs Karl bei Stockach über den Rhein zurückgedrängt. Aber die Eroberung der Schweiz [* 40] mißlang infolge der Uneinigkeit der österreichischen und russischen Feldherren; verstimmt sagte sich Kaiser Paul von Rußland von der Koalition los; ein Versuch der Engländer, Holland zu erobern, scheiterte, und 1800 sah sich Österreich allein den Streitkräften Frankreichs gegenüber, welche von Bonaparte, seit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire Erstem Konsul, allein geleitet wurden.
Durch die Schlacht bei Marengo [* 41] verlor es Italien wieder; in Süddeutschland trieb Moreau den General Kray vom Rhein zurück und errang 3. Dez. über Erzherzog Johann bei Hohenlinden einen entscheidenden Sieg. Um Wien [* 42] zu retten, schloß Österreich 25. Dez. den Waffenstillstand von Steier, dem der Lüneviller Friede folgte. Dieser bestätigte im wesentlichen den Vertrag von Campo Formio, nur wurde er vom Kaiser auch im Namen des Reichs unterzeichnet. Das ganze linke Rheinufer, 60,000 qkm mit 3,5 Mill. Einw., wurde von Deutschland abgetreten, und nicht bloß die deutschen Fürsten, welche auf dem linken Rheinufer Besitzungen gehabt, wurden durch säkularisiertes und mediatisiertes deutsches Gebiet entschädigt, sondern auch fremde depossedierte Fürsten, wie der Erbstatthalter der Niederlande, die Herzöge von Modena und Toscana.
Zur Regelung der Entschädigung setzte der Regensburger Reichstag eine Reichsdeputation ein, welche aus Mainz, Böhmen, [* 43] Sachsen, [* 44] Brandenburg, [* 45] Pfalz-Bayern, Württemberg, Hessen-Kassel und dem Hoch- und Deutschmeister bestand. Diese verhandelte das ganze Jahr 1802 hindurch. Die maßgebende Entscheidung lag aber bei Frankreich und Rußland, welche im Oktober 1801 dahin übereingekommen waren, Österreichs und Preußens Eifersucht so auszubeuten, daß keins von beiden viel gewinne, dagegen die südwestdeutschen Staaten, Bayern, Württemberg, Hessen [* 46] und Baden, als Kern einer dritten Staatengruppe und mit Rußland durch verwandtschaftliche Bande verknüpft, vorzugsweise zu begünstigen.
Ihr Vorschlag ward auch 1803 von der Reichsdeputation im wesentlichen angenommen und der Reichsdeputationshauptschluß vom Reichstag bestätigt. Derselbe säkularisierte alle geistlichen Fürstentümer und Stifter. Die Depossedierten behielten ihr geistliches Amt und eine Dotation. Bloß der Hoch- und Deutschmeister und der Kurerzkanzler blieben als Reichsstände bestehen; nur verlor der letztere das Kurfürstentum Mainz und erhielt Regensburg [* 47] nebst Wetzlar [* 48] und Aschaffenburg [* 49] und die Würde eines Primas von Deutschland. Alle deutschen Reichsstädte wurden mediatisiert, mit Ausnahme von sechs: Bremen, [* 50] Lübeck, [* 51] Hamburg, [* 52] Frankfurt, [* 53] Nürnberg [* 54] und Augsburg. [* 55]
Das gewonnene Gebiet war so bedeutend, daß die Entschädigung reichlicher ausfiel als der Verlust, zumal nur die größern Fürsten berücksichtigt wurden. Österreich bekam die Bistümer Trient [* 56] und Brixen und für den Großherzog von Toscana Salzburg, wogegen es den Breisgau nebst der Ortenau an den Herzog von Modena abtrat;
Preußen die Stifter Hildesheim, [* 57] Paderborn, [* 58] den größten Teil von Münster, [* 59] Erfurt [* 60] und das Eichsfeld, die Abteien Essen, [* 61] Werden und Quedlinburg [* 62] und die Städte Nordhausen, [* 63] Mühlhausen [* 64] und Goslar, [* 65] fast fünfmal mehr, als es verloren;
Hannover [* 66] erhielt Osnabrück, [* 67] Bayern die Stifter Würzburg, Bamberg, [* 68] Freising, [* 69] Augsburg, Passau [* 70] und eine Anzahl Reichsstädte, Württemberg die von seinem Gebiet umschlossenen oder begrenzten Reichsstädte und Abteien, Baden siebenmal mehr, als es verloren;
auch Hessen-Darmstadt und Nassau wurden ansehnlich vergrößert. An Stelle von Köln [* 71] und Trier [* 72] wurde Württemberg, Baden, Hessen-Kassel und Salzburg die Kurwürde verliehen, so daß das Kurfürstenkollegium aus zehn Mitgliedern bestand.
Die katholischen Fürsten verringerten sich so, daß das Fürstenkollegium fortan 50 evangelische gegen 30 katholische Stimmen zählte. Die auf dem Besitz der Stifter und Kapitel beruhende Reichsaristokratie war damit in der Wurzel [* 73] getroffen, die Reichsritterschaft verlor den Fürsten gegenüber ihren letzten Schutz und konnte ihre Unabhängigkeit nicht länger behaupten. Die Macht des Kaisertums war durch die Veränderung der Stimmverhältnisse auf dem Reichstag zu gunsten der großen evangelischen Stände fast vernichtet. Der Reichsdeputationshauptschluß bedeutet daher in Wirklichkeit die Auflösung des Reichs in selbständige Staaten und damit sein Ende als Staatswesen, wenn es auch noch ein paar Jahre seinen Namen fristete. Kaiser Franz II. nahm deshalb den Titel eines Erbkaisers von Österreich (als Franz I.) an.
Zugleich bezeichnet der Vertrag von 1803 eine tiefe Erniedrigung des deutschen Volkes, dessen Schicksal von fremden Mächten nach Laune und Willkür entschieden wurde. Indes dafür hatte die überwiegende Mehrzahl der Nation keine Empfindung, selbst die Gebildeten nicht. Der Nationalstolz war völlig erloschen und einem Kosmopolitismus und einer Humanitätsschwärmerei gewichen, welche in andern Sphären Trost und Zuflucht suchten. Viele erwarteten von dem Zusammenbruch des alten feudalen Reichs eine neue Ära für vernünftige Freiheit und Bildung.
Nur wenige erleuchtete Geister, wie Schiller, erkannten die Gefahr und bemühten sich, die Deutschen aus ihrer selbstsüchtigen, trägen Gleichgültigkeit gegen das Schicksal ihrer Volksgenossen und ihrer Heimat aufzurütteln, wenn auch vergeblich. Weder die Besetzung Hannovers trotz der vertragsmäßig anerkannten Neutralität dieses Reichslandes (1803) noch die Entführung des Herzogs von Enghien von deutschem Boden nach Vincennes, wo er erschossen wurde, riefen einen Protest des Reichstags oder der deutschen Großmächte hervor, und die Nation blieb stumm.
Die dritte Koalition, welche sich 1805 unter englischem Einfluß bildete, war daher das Werk reiner Kabinettspolitik, nicht einer Volkserhebung. Rußland, Österreich, Schweden [* 74] und Neapel, welche sich ihr anschlossen, thaten es, weil sie teils in ihren Erwartungen auf Machtvergrößerung enttäuscht, teils durch den Übermut und die Willkür Napoleons, der seit sich Kaiser der Franzosen nannte, verletzt waren. Der französische Einfluß hatte sich an den deutschen Fürstenhöfen so befestigt, daß Bayern, Württemberg und Baden trotz drohender Okkupation durch die Österreicher sich mit Napoleon verbündeten, Preußen und der Norden [* 75] wiederum neutral blieben. Und die süddeutschen Fürsten hatten sich in ihrer Berechnung nicht getäuscht. Das österreichische Heer drang bloß bis Ulm [* 76] vor; hier wurde Mack mit einem großen Teil desselben von Napoleon umzingelt und mit 23,000 Mann zur Kapitulation gezwungen. Jetzt stand den Franzosen der Weg nach Wien offen, wo ¶