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frevelhaften Übermuts erregte einen solchen Sturm der Entrüstung, daß sich unter Führung Wilhelms von Oranien, der eben den letzten Stuart, Jakob II., vom englischen Thron [* 2] gestürzt, eine große Koalition gegen Frankreich bildete, welcher sich fast alle europäischen Mächte, selbst der Papst, anschlossen. Acht Jahre kämpften kaiserliche und deutsche Reichstruppen am Rhein und in den Niederlanden gegen die Franzosen; wenn es ihnen auch gelang, den Boden des Reichs zu schützen, so vermochten die Heere der Koalition doch im Landkrieg keine entscheidenden Erfolge zu erringen.
Beiderseitige Erschöpfung nötigte die Kriegführenden 1697 zum Frieden von Ryswyk, an dessen Verhandlungen auch die Reichsdeputierten sich beteiligten, ohne jedoch großen Einfluß auszuüben. Der Kaiser war es, der den Frieden abschloß und dabei das Interesse besonders der evangelischen Stände in wichtigen Punkten unberücksichtigt ließ: Frankreich gab einige Reunionen sowie Lothringen heraus, behielt aber das Elsaß mit Straßburg [* 3] und Saarlouis und setzte es durch, daß der in der Pfalz seit 1688 mit Gewalt hergestellte Katholizismus in 1922 Ortschaften herrschend blieb.
Die spanische Erbfolgefrage hatte wenige Jahre später den Ausbruch eines neuen Kriegs zur Folge, in welchen auch das Reich verwickelt wurde. Zwar war es Deutschlands [* 4] Interesse durchaus nicht, daß die spanische Monarchie mit Österreich [* 5] verbunden wurde. Wie die Seemächte, so mußte auch das Reich nur wünschen, daß Spanien [* 6] nicht an Frankreich fiel. Aber als die Kombination, die Erbschaft einem Dritten, dem bayrischen Kurprinzen Joseph Ferdinand, zu übertragen, durch dessen frühen Tod (1699) vereitelt wurde, als sich nach dem Tode des letzten spanischen Habsburgers, Karl II. ein Testament vorfand, welches Ludwigs XIV.
Enkel Philipp von Anjou zum Erben der ganzen Monarchie einsetzte, und der stolze Ludwig XIV. weder auf eine Teilung der Erbschaft eingehen, noch die immerwährende Trennung der französischen und der spanischen Monarchie versprechen wollte, sahen sich die Seemächte gezwungen, Österreich im Kampf gegen die maßlose Herrschsucht Frankreichs beizustehen, und auch das Reich mußte demselben 30. Sept. den Krieg erklären, nachdem das Bündnis der beiden Wittelsbacher, des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern [* 7] und des Erzbischofs Joseph Klemens von Köln, [* 8] mit Ludwig XIV. den Krieg auf Reichsgebiet übertragen hatte.
Überdies hatte der Kaiser die mächtigsten Reichsfürsten, wie die Kurfürsten von Hannover, [* 9] Pfalz, Sachsen [* 10] und Brandenburg, [* 11] durch besondere Bündnisse für sich gewonnen und zur Stellung ansehnlicher Hilfstruppen vermocht. Der spanische Erbfolgekrieg (s. d.) entbrannte zu gleicher Zeit in den Niederlanden, in Italien [* 12] und in Süddeutschland. Hier schien 1703 das Kriegsglück für die verbündeten Franzosen und Bayern sich entscheiden zu wollen. Der Marschall Villars eroberte Landau [* 13] und Breisach und rückte über den Oberrhein, den Markgraf Ludwig von Baden [* 14] 1702 mit Erfolg verteidigt hatte, in Schwaben ein, wo er sich mit Max Emanuel vereinigte, um in Tirol [* 15] dem in Oberitalien [* 16] vordringenden Herzog von Vendôme die Hand [* 17] zu reichen.
Der Aufstand des Tiroler Volkes verhinderte dies, aber die Verbündeten besetzten Augsburg [* 18] und 1704 auch Passau [* 19] und bedrohten die kaiserlichen Erblande, während ein Aufstand in Ungarn [* 20] wütete. Die kühne und mit Geschick durchgeführte Vereinigung der drei Feldherren der Verbündeten, Marlboroughs mit dem Heer der Seemächte, Eugens von Savoyen mit den Kaiserlichen und Ludwigs von Baden mit den Reichstruppen, an der obern Donau 1704 brachte einen völligen Umschwung hervor. Die beiden Siege Marlboroughs und Ludwigs am Schellenberg bei Donauwörth (2. Juli) und Marlboroughs und Eugens bei Höchstädt [* 21] (13. Aug.) über Tallard und Max Emanuel warfen die Franzosen über den Rhein zurück und brachten Bayern in die Gewalt der Kaiserlichen. Das eigentliche Reichsgebiet war von den Feinden befreit, der Krieg wurde fortan in Italien und den Niederlanden auf nichtdeutschem Boden und mit steigendem Kriegsglück geführt.
Aber nun zeigte sich, daß Österreich die durch die Unterstützung des Reichs und seiner Fürsten errungenen Erfolge nur zu seinem Vorteil auszubeuten suchte. Kaiser Joseph I. (1705-11), der älteste Sohn Leopolds I., erklärte die beiden wittelsbachischen Kurfürsten, ohne die verfassungsmäßige Gutheißung des Reichstags und nur auf die Zustimmung der übrigen Kurfürsten gestützt, in die Acht und unterwarf Bayern nach blutiger Erstickung eines Bauernaufstandes seiner Herrschaft.
Die Proteste des Reichsfürstenkollegiums gegen dies eigenmächtige Verfahren blieben unbeachtet. Als die Niederlagen der Franzosen bei Turin, [* 22] Ramillies, Oudenaarde und Malplaquet, die Erschöpfung der Menschen- und Geldkräfte sowie Hungersnot und Elend in seinem Land Ludwig XIV. so gedemütigt hatten, daß er 1709 dazu bereit war, auf die spanische Erbschaft zu verzichten und alle Eroberungen in Elsaß und Lothringen an das Reich zurückzugeben, wurde dies Anerbieten vom Kaiser mit der Forderung abgelehnt, Ludwig müsse seinen Enkel Philipp V., der den spanischen Thron mit Glück gegen den Habsburger Karl behauptete, selbst von demselben vertreiben helfen.
Dies übermütige Verlangen wies der französische König zurück, und der Sturz Marlboroughs und der kriegslustigen Whigpartei in England (1710), ferner der plötzliche Tod Josephs I., nach welchem, da Joseph keine Söhne hinterließ, dem spanischen Prätendenten Karl die ganze österreichische Hausmacht und die Kaiserkrone zufielen, bewirkten eine Spaltung unter den Verbündeten. Die Seemächte England und die Niederlande [* 23] konnten kein Interesse dafür haben, daß Spanien und Österreich in Einer Hand vereinigt wurden, und als Karl VI. (1711-40) in verblendeter Hartnäckigkeit bei dem Anspruch hierauf beharrte, knüpften sie separate Unterhandlungen mit Frankreich an, die 1713 zum Frieden von Utrecht [* 24] führten.
Der Kaiser setzte den Krieg gegen Ludwig XIV. und seinen Enkel fort, aber weder in Spanien noch am Oberrhein mit Erfolg. Der Kampfeseifer war bei den deutschen Fürsten schon so erlahmt, daß Prinz Eugen 1713-14 nur über kaiserliche und buntscheckige Reichstruppen verfügte, mit denen er der gesamten französischen Heeresmacht unter Villars nicht gewachsen war; er verlor selbst Landau, Freiburg [* 25] und Breisach wieder an die Feinde und riet nun selbst zum Frieden, der in Rastatt [* 26] zwischen Frankreich und dem Kaiser, in Baden in der Schweiz [* 27] mit dem Reich im wesentlichen auf Grund der Utrechter Bedingungen zu stande kam.
Österreich erwarb aus der spanischen Erbschaft die italienischen Besitzungen (Mailand, [* 28] Neapel [* 29] und Sizilien) [* 30] und die Niederlande, während das Reich zwar die verlornen rechtsrheinischen Festungen zurückerhielt, aber außer dem Elsaß nun auch Landau endgültig abtreten und die Ryswyker Klausel über die Religionsverhältnisse der Pfalz von neuem bestätigen mußte; die Kurfürsten von Bayern und von Köln wurden restituiert. So ging Deutschland [* 31] aus dem langen, blutigen Krieg ohne jeden Gewinn hervor und welche Wunden hatte der Krieg ¶
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dem mühsam sich erholenden Wohlstand Deutschlands geschlagen! Der Verwüstung der Pfalz durch die Franzosen folgte die Auswanderung zahlreicher Protestanten nach Amerika, [* 33] wo sie die in ihrer Heimat bedrohte Gewissensfreiheit fanden. Das ganze Rhein- und Donaugebiet hatte jahrelang unter den Greueln des Kriegs gelitten, die Unterhaltung so großer Heere ungeheure Summen verschlungen, die in dem verarmten Land nur durch den furchtbarsten Steuerdruck beschafft werden konnten.
Außer dem österreichischen Kaiserhaus hatten auch mehrere deutsche Fürstenhäuser von den politischen Verwickelungen der letzten Jahrzehnte Vorteil gezogen. Der Herzog Ernst August von Hannover erlangte 1692 für die Stellung beträchtlicher Hilfstruppen im Türken- und im Franzosenkrieg die Kurwürde; die Anerkennung dieser neunten Kur durch die übrigen Kurfürsten und das Reich erfolgte allerdings erst 1705. Immerhin machte sie den fortwährenden Teilungen ein Ende, welche das Welfenhaus an Erwerbung größern Einflusses im Reich immer wieder gehindert hatten, und 1714 bestieg dies neue Kurhaus Hannover den britischen Thron, mit dem seine deutschen Lande fortan durch Personalunion verbunden waren. 1697 erreichte es Kurfürst Friedrich August von Sachsen durch seinen Übertritt zum Katholizismus und durch großartige Bestechungen, daß er zum König von Polen gewählt wurde.
Das Haus Wettin verlor damit den letzten Anspruch auf die Führerschaft der evangelischen Reichsstände, welchen es allerdings schon längst durch seine engherzige, selbstsüchtige und feige Politik verwirkt hatte. An seine Stelle trat nun Brandenburg, dessen Kurfürst Friedrich III. ebenfalls 1700 durch eifrige Unterstützung der kaiserlichen Politik eine Rangerhöhung erreicht hatte. Am krönte er sich selbst zum König seines souveränen Landes Preußen. [* 34]
Indes wurde damit der Schwerpunkt [* 35] der brandenburgischen Macht nicht in das Ausland verlegt, wie es bei den beiden andern Rangerhöhungen zum Unsegen Deutschlands geschah. Namentlich die polnische Königskrone gereichte Sachsen und auch Deutschland zum größten Unheil, indem sie wenige Jahre nach ihrer Erwerbung Deutschland in den Nordischen Krieg (1700-1720) verwickelte. Die Teilnahme Augusts II. an dem Angriff auf Schweden [* 36] hatte zur Folge, daß Karl XII. ihn in Polen stürzte und bis in das Innere des Reichs verfolgte, wo er ihn 1706 zum Frieden von Altranstädt zwang.
Allerdings führte der Schwedenkönig durch sein tollkühnes Unternehmen gegen Rußland und sein hartnäckiges Verweilen in der Türkei [* 37] den Untergang der Großmachtstellung, welche Schweden im Dreißigjährigen Krieg errungen, herbei. Bremen [* 38] und Verden [* 39] gingen 1720 an Hannover, Vorpommern bis zur Peene mit Stettin [* 40] und den Odermündungen an Preußen, die Ostseeprovinzen an Rußland verloren. Die baltische Seeherrschaft Schwedens war vernichtet, indes Deutschland als Ganzes gewann wenig dabei. Die Verbindung zwischen Polen und Sachsen wurde wiederhergestellt, und an Schwedens Stelle trat als nordische Großmacht Rußland.
Die Bildung wirklicher Staaten auf dem Boden des Deutschen Reichs, wie der zweite preußische König, Friedrich Wilhelm I., einen schuf, und jene Verbindung andrer bedeutender Territorien mit fremden Königreichen beförderten ihre völlige Loslösung aus dem Rahmen des Reichs und den Verfall des Reichsorganismus um so mehr, da Kaiser Karl VI. auch nach dem spanischen Erbfolgekrieg bloß dynastische Politik betrieb. Nachdem der glänzende Aufschwung der kaiserlichen Armee unter der Führung eines Eugen von Savoyen sich noch einmal in einem glorreichen Türkenkrieg bewährt und Österreich im Frieden zu Passarowitz (1718) den Besitz Bosniens und Serbiens verschafft hatte, beschäftigte den Kaiser, der ohne männliche Erben blieb, einzig und allein die Sicherung der Erbfolge für seine älteste Tochter, Maria Theresia.
Nachdem er die Stände der kaiserlichen Erb- und Kronlande zur Anerkennung der neuen Thronfolgeordnung, der Pragmatischen Sanktion von 1723, bewogen, begann er die Verhandlungen über die Garantie dieser Sanktion mit Deutschland und Europa, [* 41] welche seine ganze weitere Regierungszeit ausfüllten. Spanien wurde durch Abtretungen in Italien, die Seemächte durch handelspolitische Vorteile, Rußland durch Einlenken in seine politischen Bahnen gewonnen. Preußens [* 42] Garantie erlangte Karl VI. durch Bestätigung von dessen Erbansprüchen auf Jülich-Berg und hielt sich derselben unter dem gut kaiserlich gesinnten und in seiner auswärtigen Politik ganz von Österreich abhängigen König Friedrich Wilhelm I. so fest versichert, daß er sich nicht scheute, 1738 Jülich-Berg der pfalz-sulzbachischen Linie zu versprechen.
Die übrigen Reichsfürsten wurden ohne Schwierigkeit zur Zustimmung bewogen, da ihre Interessen weniger von der Frage berührt wurden. Nur Bayern weigerte sich, auf seine Erbansprüche zu verzichten, welche teils auf alten Verträgen, teils auf der Vermählung des Kurfürsten mit Josephs I. Tochter beruhten. Das in ähnlicher Lage befindliche Sachsen ließ sich aber zur Anerkennung herbei, als der Kaiser die Bewerbung des Kurfürsten Friedrich August III. um den polnischen Königsthron gegen den von Frankreich begünstigten Stanislaus Leszczynski unterstützte und selbst vor einem Krieg dabei nicht zurückscheute.
Dieser polnische Erbfolgekrieg (1733-38, s. d.) erweiterte sich zu einem österreichisch-französischen Krieg und ward vorzugsweise in Italien und am Rhein geführt, wodurch auch das Reich in denselben verwickelt wurde. Auf Deutschlands Kosten ward auch 1738 der Wiener Friede geschlossen; gegen die Anerkennung Augusts III. als polnischen Königs und der Pragmatischen Sanktion von seiten Frankreichs ward Lothringen an Stanislaus abgetreten, nach dessen Tod (1766) es Frankreich zufallen sollte.
Auch Neapel und Sizilien mußte Österreich als Sekundogenitur den spanischen Bourbonen einräumen, erhielt aber dafür Toscana für den Gemahl Maria Theresias, Herzog Franz Stephan von Lothringen. Wie sehr durch die schwächliche Friedenspolitik die militärische Kraft [* 43] Österreichs gesunken war, wurde in dem neuen Kriege gegen die Türkei klar, welchen Karl VI. auf Antrieb Rußlands und im Bündnis mit diesem unternahm, und der nach mehreren blutigen Niederlagen mit dem Frieden von Belgrad [* 44] (1739) endete, in welchem Österreich alle im Passarowitzer Frieden Gewonnene wieder verlor. So hinterließ Karl VI. bei seinem Tod mit dem die österreichische Linie der Habsburger im Mannesstamm erlosch, Österreich militärisch und finanziell geschwächt und das Thronfolgerecht seiner Tochter Maria Theresia allein durch diplomatische Traktate gesichert, welche im 18. Jahrh. weniger Wert hatten als zu irgend einer andern Zeit.
Rivalität Österreichs unter Maria Theresia und Preußens unter Friedrich II.
In dem Jahrhundert, welches seit dem Westfälischen Frieden verflossen war, hatte der Reichskörper nicht die mindeste Kräftigung erfahren, der Verfall der überlieferten Reichsinstitutionen vielmehr bedeutende Fortschritte gemacht. In der Zeit der ¶