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den spanischen und auf den polnischen Thron, [* 2] ihn bewogen, an dem alten Bekenntnis festzuhalten. Wie die evangelischen Stände in Deutschland [* 3] die Sache ihrer Religion durch ihre verblendete Uneinigkeit schädigten, so sahen sie auch dem verzweifelten Ringen ihrer Glaubensgenossen in Frankreich und in den Niederlanden gegen die Jesuiten und den spanischen Despotismus fast gleichgültig und unthätig zu. Nur geringfügige Geldunterstützungen und einige freiwillige Glaubenskämpfer kamen den Hugenotten und Geusen aus Deutschland zu Hilfe.
Inzwischen hatten aber schon die Jesuiten die Gegenreformation im stillen begonnen. Ihr letztes Ziel war die Ausrottung der Ketzerei in aber sie hüteten sich wohl, es voreilig kundzuthun, um keinen Verdacht zu erwecken. Langsam und allmählich setzten sie sich in Deutschland fest, als Professoren an den katholischen Universitäten, als Beichtväter und politische Räte der katholischen Fürsten. Ihre zahlreichen Gymnasien leisteten in einer gewissen vornehmen Erziehung und formalen Gelehrtenbildung so Bedeutendes, daß die vornehmern Stände, auch unter den Protestanten, ihre Kinder mit Vorliebe den Jesuiten anvertrauten.
Als 1576 nach Maximilians Tode dessen ältester, in Spanien [* 4] erzogener Sohn, Rudolf II. (1576 bis 1612), den Kaiserthron bestieg, erlangten die Jesuiten auch am habsburgischen Hof [* 5] den herrschenden Einfluß und trieben nun den Kaiser und die katholischen Reichsstände, an deren Spitze die bayrischen Wittelsbacher standen, an, auf Grund des Augsburger Religionsfriedens den Protestanten entgegenzutreten. Vor allem schien es wichtig, den »geistlichen Vorbehalt« wieder zur Geltung zu bringen und weiterer Säkularisation geistlicher Fürstentümer vorzubeugen.
Der Neid und Eigennutz der evangelischen Fürstenhäuser unterstützten die katholische Reaktion. Den evangelischen Inhabern von Stiftern wurde zuerst Sitz und Stimme auf den Reichstagen verweigert. Als wieder ein Kurfürst von Köln, [* 6] Gebhard Truchseß von Waldburg, nachdem er selbst zur reformierten Konfession übergetreten war und sich vermählt hatte, nun auch in seinem Erzstift die neue Lehre [* 7] erfolgreich einführte, wurde er vom Papst abgesetzt, durch spanische Truppen, die der Kaiser aus den Niederlanden zu Hilfe rief, vertrieben (1583) und an seine Stelle ein den Jesuiten ganz ergebener bayrischer Prinz, Ernst, zum Erzbischof erhoben, welcher, auch zum Bischof von Münster [* 8] und Hildesheim [* 9] ernannt, hier wie in Köln die Ketzerei ausrottete; auf Grund eines kaiserlichen Mandats unterwarf er auch die freie Reichsstadt Aachen [* 10] der katholischen Kirche.
Sachsen [* 11] und Brandenburg [* 12] ließen das ruhig geschehen und begnügten sich mit Protesten; war Gebhard doch calvinistisch, nicht lutherisch gewesen. Dieser Erfolg ermutigte zu weiterm Vorgehen. Der 1592 von der Majorität des Straßburger Domkapitels als Bischof postulierte Markgraf Johann Georg von Brandenburg mußte schließlich, da er von seinen fürstlichen Glaubensgenossen gar keine Unterstützung erhielt, seinem katholischen Nebenbuhler, dem Kardinal Karl von Lothringen, weichen.
Zwei Zöglinge der Jesuiten, Erzherzog Ferdinand von Steiermark [* 13] und Herzog Maximilian von Bayern, [* 14] rotteten kraft des Grundsatzes »Cujus regio, ejus religio« die evangelische Lehre in ihren Gebieten mit Feuer und Schwert aus, und letzterer wußte 1607 einen Streit in der freien Reichsstadt Donauwörth zwischen dem protestantischen Rat und der katholischen Minorität über das Verbot öffentlicher Prozessionen dazu zu benutzen, um einen kaiserlichen Achtspruch gegen die Stadt zu erwirken und sie als Vollstrecker desselben nicht bloß dem Katholizismus wieder zu unterwerfen, sondern sie auch zu einer bayrischen Landstadt zu machen.
Diese Gewaltthat öffnete endlich einem Teil der evangelischen Reichsstände die Augen über die drohende Gefahr. Unter Führung des Kurfürsten Friedrich IV. von der Pfalz schlossen der Pfalzgraf von Neuburg, [* 15] die Markgrafen von Baden-Durlach, von Kulmbach und von Ansbach [* 16] und der Herzog von Württemberg [* 17] die Union von Ahausen zur Abwehr weiterer Verletzungen der Reichsverfassung. Doch hielten sich die mächtigsten protestantischen Fürsten des Nordens, Sachsen, Brandenburg, Hessen, [* 18] aus Eifersucht gegen Kurpfalz von der Union fern, und diese selbst ließ es bei der bloßen Vereinigung, die nicht einmal eng und dauernd war, bewenden, ohne für die Mittel zu der wirksamen Durchführung ihrer Absichten, die Aufstellung einer bewaffneten Macht und die Sammlung eines Kriegsschatzes, Sorge zu tragen.
Von ganz andrer Bedeutung war daher die unter Führung Maximilians von Bayern gestiftete katholische Liga zum Schutz der Reichsgesetze und der katholischen Religion, die durch Errichtung einer Bundeskasse und Aufstellung eines vortrefflichen, von bayrischen Feldherren befehligten Heers sich zur Aufnahme des Kampfes in dem für sie günstigsten Augenblick bereit machte. Die Spannung zwischen den beiden Religionsparteien war jetzt so weit gediehen, daß es aus einem geringfügigen Anlaß zum offenen Kampf kommen konnte.
Heinrich IV. von Frankreich und Spanien standen bereit, dieses für die Liga, jener für die Union, in denselben einzutreten. Der jülich-klevesche Erbfolgestreit (1609-1614, s. Jülich) schien das Signal zum Ausbruch geben zu wollen, da es sich darum handelte, ob die reiche Erbschaft, die das ganze Gebiet des Niederrheins umfaßte, der katholischen oder der protestantischen Partei zufallen würde. Die Ermordung Heinrichs IV. (1610) und die Wirren im österreichischen Kaiserhaus bewirkten, daß sich die streitenden Parteien ohne offenen Kampf verständigten. Der erste feindliche Zusammenstoß erfolgte indes nicht lange darauf an einer andern Stelle.
Rudolfs II. Regierung hatte in seinen Erblanden ebensoviel Verwirrung und Zwist angestiftet wie in Deutschland Trübsinnig, mißtrauisch und gewaltthätig, reizte er die Stände seiner Reiche und seine eignen Verwandten, die Mitglieder des habsburgischen Erzhauses, zur Empörung. Sein Bruder Matthias wurde dem Kaiser 1606 zum Vormund bestellt und setzte sich 1608 in den Besitz von Österreich, [* 19] Ungarn [* 20] und Mähren. [* 21] Böhmen rettete sich Rudolf dadurch, daß er den Ständen durch den »Majestätsbrief« (1609) Religionsfreiheit in derselben Weise gewährte, wie sie den deutschen Ständen im Augsburger Religionsfrieden bewilligt war: nur die Stände hatten das Jus reformandi, nicht die einzelnen Individuen.
Auch Böhmen entriß Matthias 1611 dem alten Kaiser, der 1612 starb. Indessen hatte nun Matthias (1612-19) mit der Unbotmäßigkeit der Stände der Erblande und seiner Verwandten, der Erzherzöge, ebenso zu kämpfen wie Rudolf und stand ihr ebenso machtlos gegenüber. Um den habsburgischen Besitz zu retten, drängten ihm die Erzherzöge den streng katholischen Ferdinand von Steiermark 1617 zum Mitregenten auf; derselbe wurde auch in Böhmen zum König gewählt und gekrönt. Unter seinem Einfluß zog die kaiserliche Regierung die Zügel gegen die protestantischen Stände schärfer an. Eine Beschwerde der Böhmen über vermeintliche Verletzungen des Majestätsbriefs (der Abt von Braunau hatte eine neue ¶
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evangelische Kirche in seinem Gebiet kraft seines Jus reformandi schließen, der Erzbischof von Prag [* 23] eine andre niederreißen lassen) erfuhr eine schroffe, ungnädige Abweisung, die den Ausbruch eines Aufstandes in Prag zur Folge hatte. Die aufrührerischen Protestanten setzten über Böhmen eine selbständige Regierung ein und wiegelten auch die österreichischen Stände zur Empörung auf. Mitten in diesen Wirren starb Matthias, und Ferdinand II. (1619 bis 1637) übernahm die Herrschaft unter den schwierigsten Verhältnissen: die Böhmen standen vor Wien, [* 24] der österreichische Adel bedrängte Ferdinand in der Hofburg selbst, Bethlen Gabor von Siebenbürgen drohte von Ungarn her.
Aber furchtlos und voll Zutrauen zu sich und zu seiner Aufgabe, den alten Glauben in seiner frühern Herrschaft herzustellen, nahm Ferdinand den Kampf gegen alle seine Feinde auf und schuf sich für denselben eine rechtliche Grundlage, indem er seine Wahl zum Kaiser von den Kurfürsten zu erlangen wußte. Mit Hilfe der ligistischen Heeresmacht besiegte er die Böhmen, welche den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum König gewählt hatten, 8. Nov. in der Schlacht am Weißen Berg, und nun verhängte er über die Empörer ein furchtbares Strafgericht; nicht bloß in Böhmen, sondern auch in Österreich wurde die evangelische Kirche mit Waffengewalt unterdrückt und damit auch die Macht der Stände gebrochen. Ferdinand war wieder unumschränkter Herr in den habsburgischen Landen.
Doch damit hatte er nur einen Teil seiner Aufgabe erfüllt. Sein weiteres Ziel war, auch Deutschland dem Katholizismus wiederzuerobern und dasselbe nach dem Muster Spaniens in eine mächtige Militärmonarchie umzuwandeln, die mit der spanischen vereint die habsburgische Weltherrschaft, wie sie Karl V. geplant, begründen konnte. Zu diesem Zweck setzte er den Kampf gegen Friedrich V. und seine Verbündeten auch in Deutschland fort und verwickelte es so in den furchtbaren Dreißigjährigen Krieg (1618-48, s. d.). Nachdem er den Kurfürsten geächtet und die pfälzische Kur auf seinen Verbündeten, Maximilian von Bayern, übertragen hatte, vertrieben kaiserliche, ligistische und spanische Truppen in Gemeinschaft die Anhänger der Union aus Süddeutschland und unterwarfen dasselbe der Herrschaft des Kaisers und des Katholizismus.
Überall führte Tilly, der Feldherr Ferdinands und der Liga, auf Grund des geistlichen Vorbehalts die Restitution des säkularisierten oder reformierten Kirchenguts an die katholische Kirche und zwar zu handen der Jesuiten im weitesten Umfang und mit größter Strenge durch, bald auch im nordwestlichen Deutschland, als ihn die Verfolgung des Herzogs Christian von Braunschweig [* 25] dorthin führte. Als die Fürsten des niedersächsischen Kreises, hierdurch in ihrem Besitzstand bedroht, sich unter der Führung des Königs Christian von Dänemark [* 26] zur Abwehr rüsteten, wurden die Pläne Ferdinands deutlicher kund. Er stellte nun selbst mit Hilfe Wallensteins ein Heer auf, das im Bund mit Tilly den niedersächsischen Kreis [* 27] unterjochte und den Dänenkönig auf seine Inseln verjagte.
Ganz Norddeutschland wurde von den kaiserlichen Truppen militärisch besetzt, die Rechte und Privilegien auch der mächtigsten Fürsten, wie der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, die ihre schmähliche Neutralität vergeblich bereuten, rücksichtslos mit Füßen getreten, der kaiserliche Generalissimus Wallenstein mit dem Reichsfürstentum Mecklenburg [* 28] belehnt, die Vertreibung noch andrer Dynastien und die Verleihung ihrer Fürstentümer an kaiserliche Feldherren in Aussicht genommen.
Mehrere norddeutsche Stifter zugleich wurden österreichischen Erzherzögen übertragen. Der kaiserliche Hof plante sogar die Errichtung einer großen Seemacht in der Nord- und Ostsee, welche die Seeherrschaft der Vereinigten [* 29] Niederlande [* 30] vernichten und die spanisch-österreichische Macht am Niederrhein wiederherstellen sollte. 1629 erließ Ferdinand II. das Restitutionsedikt (s. d.), welches, scheinbar nur eine strikte Auslegung u. Anwendung des Augsburger Religionsfriedens und seiner von den Protestanten leichtsinnig zugegebenen Klauseln, wirklich durchgeführt die gänzliche Vernichtung des Protestantismus und die völlige Restitution des Katholizismus in Deutschland bedeutet hätte.
Denn es befahl nicht nur die Rückgabe aller reichsunmittelbaren Stifter an die katholische Kirche, sondern auch die der landständischen; es gewährte den katholischen Ständen, also auch den neuen katholischen Prälaten in den evangelischen Stiftern, das Recht, ihre Unterthanen zu ihrer Religion zu zwingen, und gestand den Religionsfrieden und die Religionsfreiheit nur denjenigen Reichsständen zu, welche sich zur unveränderten Augsburgischen Konfession bekannten, d. h. außer dem Hause Sachsen nur sehr wenigen. Das Restitutionsedikt brachte die höchste Verzweiflung unter den Protestanten hervor, aber niemand außer Magdeburg [* 31] wagte sich zu widersetzen. Die kaiserliche Soldateska hielt ganz Deutschland unter dem eisernen Druck der Waffen. [* 32] Wie 1548 drohten Deutschland der absolute Dominat des Hauses Habsburg und das Joch des Papsttums.
Aber in diesem entscheidenden Moment zeigte sich Ferdinand II. der doppelten Aufgabe, die er durchzuführen unternommen, nicht gewachsen. Während er sich durch das Restitutionsedikt mit den protestantischen Ständen tödlich entzweite und diese den fremden Mächten in die Arme trieb, entfremdete er sich die katholischen Stände, besonders Maximilian von Bayern, durch die Militärdiktatur, die Wallenstein ausübte, und die eine Aristokratie von glücklichen Soldaten an Stelle der deutschen Fürsten zu setzen bestimmt schien.
An der Spitze der Stände verlangte Maximilian auf dem Fürstentag von Regensburg [* 33] 1630 die Entlassung Wallensteins und die Verminderung des kaiserlichen Heers. Ferdinand hätte es verweigern und den Kampf mit der Fürstenaristokratie aufnehmen können, aber dann mußte er sich entschließen, sich auf die kleinern Stände und das Volk zu stützen und deren Vertrauen durch Anerkennung des Protestantismus zu erwerben. Lieber verzichtete er auf die militärische Herrschaft als auf die Ausrottung der Ketzerei, und so gab er Wallenstein preis und schlug mit seiner Entlassung seiner Heereskraft den Kopf in demselben Augenblick ab, da Gustav Adolf von Schweden [* 34] auf Frankreichs Antrieb in Pommern [* 35] landete.
Die Folge dieser Unklugheit war, daß die desorganisierte kaiserliche Armee Schritt für Schritt aus dem nordöstlichen Deutschland verdrängt, endlich bei Breitenfeld [* 36] völlig vernichtet wurde und der Schwedenkönig ganz Deutschland befreite und Anfang 1632 sogar den Kaiser in seinen Erblanden bedrohte. Aus dieser äußersten Gefahr ward er durch Wallenstein gerettet. Gustav Adolfs kühne Pläne auf Errichtung eines protestantischen Kaisertums gingen mit ihm auf dem Schlachtfeld von Lützen [* 37] zu Grunde, aber von der Errichtung einer starken kaiserlichen Militärmacht konnte jetzt nicht mehr die Rede sein, da Wallenstein vor allem danach strebte, sich den Preis seiner Thaten auch gegen den kaiserlichen Hof zu sichern. Zwar gelang es Ferdinand 1634, sich des allzu mächtigen Feldherrn durch Mord zu entledigen, sein Heer für sich zu gewinnen und mit demselben den Sieg bei Nördlingen [* 38] über die Schweden ¶