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Gewalt, und so entstand der Schmalkaldische Krieg (1546-47).
Obwohl die schmalkaldischen Verbündeten dies hatten voraussehen müssen, so machten sie doch von ihrer augenblicklichen militärischen Überlegenheit keinen Gebrauch, dem Rat Luthers, der nur Verteidigung gegen Gewalt für erlaubt erklärte, auch nach seinem Tod gehorsam. Sie zogen zwar 1546 zum Schutz der süddeutschen Bundesmitglieder ein stattliches Heer an der Donau zusammen, ließen es aber ruhig geschehen, daß Karl italienische und spanische Truppen gegen die ausdrückliche Bestimmung der Wahlkapitulation aus Italien [* 2] an sich zog und das kaiserliche Heer sich immer mehr verstärkte.
Während sie müßig an der Donau standen, schloß Karl mit Herzog Moritz von Sachsen, [* 3] der, gegen seinen ernestinischen Vetter wegen eines Streits über die sächsischen Stifter erbittert, diesem die Kur entreißen wollte, einen geheimen Vertrag, worauf derselbe plötzlich in Kursachsen einfiel und den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen [* 4] zum Schutz ihrer Lande ihre Truppen nach Norden [* 5] zu führen nötigte. Nun war Süddeutschland der Übermacht des Kaisers preisgegeben und wurde noch 1546 ohne Mühe unterworfen. Im Frühjahr 1547 wandte sich Karl nach Sachsen, überfiel 24. April bei Mühlberg das Heer Johann Friedrichs, zersprengte es und nahm ihn selbst gefangen. Die sächsische Kur nebst den Kurlanden wurde auf Moritz, das Haupt der albertinischen Linie des Hauses Wettin, übertragen. Landgraf Philipp unterwarf sich dem Kaiser in Halle, [* 6] wurde aber ebenfalls in Haft behalten. Der Schmalkaldische Bund war vernichtet, Karl hatte einen Sieg über die mächtigsten Reichsstände erfochten, wie es seit Friedrich I. keinem Kaiser wieder gelungen war. Niemand wagte ihm mehr entgegenzutreten, er war Meister in Deutschland. [* 7]
Auf dem Reichstag zu Augsburg, [* 8] welcher im September 1547 sich versammelte, beschloß nun Karl, die Dinge in Deutschland nach seinem Sinn zu ordnen, bewies aber dabei seinen völligen Mangel an Verständnis in religiösen Dingen. Er ließ nämlich eine Glaubensformel ausarbeiten, das Augsburger Interim (s. Interim) von 1548, welches eine Vereinbarung des alten und neuen Glaubens, zugleich aber eine Antwort sein sollte auf das eigenmächtige Verfahren des Papstes, welcher in Trient [* 9] sogleich gerade die Hauptlehren der Protestanten für ketzerisch erklären ließ, statt durch Versöhnlichkeit ihnen die Beschickung zu erleichtern, und 1547 das Konzil nach Bologna verlegte, um es aus dem Machtbereich des Kaisers zu entfernen.
Das Interim gestand den Protestanten das Abendmahl in beiderlei Gestalt und die Priesterehe zu, näherte sich auch in der Rechtfertigungslehre dem protestantischen Standpunkt und beschränkte die Macht des Papstes in Deutschland, wollte aber die katholische Hierarchie und den alten Kultus aufrecht erhalten wissen und verlangte von den Protestanten jedenfalls Unterwerfung unter die künftige Entscheidung des Konzils, das sie beschicken sollten. Die katholischen Stände wiesen diesen Ausgleich sofort zurück, und Karl verzichtete auf ihre Anerkennung.
Die Protestanten wagten nach ihrer Niederlage keine offene Opposition; nur die beiden gefangenen Fürsten blieben standhaft bei ihrer Weigerung, sich dem Interim zu unterwerfen. Aber nur ein Teil der Stände verkündete es, keiner versuchte seine gewaltsame Durchführung. Die protestantische Bevölkerung [* 10] lehnte sich energisch dagegen auf; die fliegende Presse [* 11] jener Zeit verurteilte Moritz' Verrat mit Unwillen und Entrüstung und pries Magdeburgs Heldenmut, der einzigen Stadt, die das Interim offen zurückwies. In den Städten Oberdeutschlands, die der kaiserlichen Soldateska wehrlos preisgegeben waren, versuchte der Kaiser die gewaltsame Durchführung; Hunderte von überzeugungstreuen Predigern wurden vertrieben.
Aber von einem Gelingen seines Plans, durch Oktroyierung einer neuen Glaubensformel kirchlichen Frieden und Einheit in Deutschland wiederherzustellen, konnte um so weniger die Rede sein, als der Papst nicht damit einverstanden war und Karl V. zugleich andre weitgehende Entwürfe betrieb, die ihm seine bisherigen Anhänger entfremdeten. Die Ernennung der Beisitzer des Reichskammergerichts zog er ganz an sich, erklärte auch Eingriffe in geistliches Eigentum und Störungen der geistlichen Gerichtsbarkeit für Landfriedensbruch und errichtete eine Reichskriegskasse, welche ihm mit Mitteln des Reichs die Möglichkeit gewährte, Deutschland durch ein spanisches Heer fortwährend im Zaum zu halten.
Durch die Pragmatische Sanktion vereinigte er sein burgundisches Erbe zu einem politischen Ganzen, das als zehnter Kreis [* 12] mit dem Reich verbunden und unter seinen Schutz gestellt, aber dem Reichskammergericht und der Reichsregierung nicht unterworfen wurde. Endlich aber hegte er die Absicht, die Verbindung Deutschlands [* 13] mit Spanien [* 14] und seine Unterordnung unter die habsburgische Weltherrschaft dadurch zu verewigen, daß er seinen Sohn Philipp auch zu seinem Nachfolger im Kaisertum bestimmte und auf dem Reichstag in Augsburg 1551 von seinem Bruder Ferdinand und dessen Sohn Maximilian den Verzicht auf die Kaiserwürde verlangte. Da erhob sich Kurfürst Moritz, um die Unabhängigkeit der deutschen Fürsten und die Religionsfreiheit zu retten.
Mit meisterhaftem Geschick wußte er den Kaiser zu täuschen und in Sicherheit zu wiegen, während er das durch seinen frühern Verrat erwachte Mißtrauen der protestantischen Fürsten beschwichtigte und sich ihres Beistandes versicherte. Auch erlangte er durch den Vertrag von Friedewald vom König Heinrich II. von Frankreich das Versprechen einer Diversion gegen den Kaiser und Subsidienzahlungen, wogegen der König das Recht haben sollte, als Reichsvikar die französisch redenden Stifter und Städte Cambrai, Metz, [* 15] Toul [* 16] und Verdun [* 17] zu besetzen.
Als alle Vorbereitungen getroffen waren, erließ Moritz ein Manifest gegen die »viehische erbliche Servitut«, die Deutschland von Spanien drohe, und brach im März 1552 von Sachsen in Eilmärschen nach dem Süden auf, indem er unterwegs die Truppen der verbündeten Fürsten an sich zog. Anfang April war er bereits in Augsburg und hatte ganz Oberdeutschland in seiner Gewalt. Der Kaiser, dem der Weg nach Flandern abgeschnitten war, flüchtete von Innsbruck [* 18] nach Steiermark. [* 19] Krank und durch das Scheitern seiner Lebenspläne aufs tiefste erschüttert, überließ er seinem Bruder Ferdinand die Unterhandlung mit den deutschen Fürsten, welche zu dem Passauer Vertrag führte; in diesem wurde die Freigebung der gefangenen Fürsten, die Aufhebung des Interim und die Errichtung eines beständigen Friedens zwischen beiden Parteien auf Grund der ständischen Religionsfreiheit den protestantischen Fürsten zugestanden. Der definitive Friede wurde in Augsburg abgeschlossen (Augsburger Religionsfriede, s. d.). In demselben wurde den Reichsständen das Recht, die Konfession für sich und ihr Territorium frei zu wählen (jus reformandi), gewährt und damit der Grundsatz »Cujus regio, ejus religio«, den schon der Reichstag ¶
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von Speier [* 21] 1526 aufgestellt, erneuert; katholische und evangelische Reichsstände sollten fortan in ihren Rechten gleich sein, religiöse Streitigkeiten nur durch christliche, friedliche Mittel geschlichtet werden. Doch gaben die Protestanten, an deren Spitze seit Moritz' Tod (1553) kein kluger, energischer Fürst stand, im leichtsinnigen Vertrauen auf das Übergewicht der Reformation, welcher das deutsche Volk zumeist anhing, einige Beschränkungen des allgemeinen Grundsatzes zu, welche ihnen später verhängnisvoll geworden sind.
Das Recht der Religionsfreiheit wurde nämlich, um das Sektenwesen abzuwehren, auf die Anhänger der Augsburgischen Konfession beschränkt, also auch die Reformierten (Zwinglianer und Calvinisten) vom Frieden ausgeschlossen; ferner bestimmte eine Klausel, der »geistliche Vorbehalt« (reservatum ecclesiasticum), daß die geistlichen Fürsten das Jus reformandi nur für ihre Person haben und, wenn sie zur neuen Lehre [* 22] überträten, ihres geistlichen Amtes und Fürstentums verlustig gehen sollten.
Die Deklaration, die den Protestanten zum Ersatz gewährt wurde, daß nämlich der Besitzstand der evangelischen Kirche in den geistlichen Territorien, wie er jetzt sei, nicht angetastet werden solle, verlor dadurch ihren Wert, daß sie nicht in den Reichstagsabschied aufgenommen ward. Im Vergleich zu dem Anspruch unbedingter Herrschaft, welchen die römische Kirche bisher erhob, war die formelle Anerkennung einer ihr nicht unterworfenen Religionspartei in Deutschland dennoch ein ungeheurer Fortschritt. Gebrochen war der Bann der mittelalterlich-kirchlichen Staatsordnung und dem modernen Staate die Bahn selbständiger freier Entwickelung geöffnet; gebrochen war auch der Bann der Geister u. das Recht freier Forschung die Grundlage der neuen Lehre wie aller Wissenschaft siegreich erkämpft.
Karl V. hatte an diesen Verhandlungen noch indirekten Anteil genommen und die Zugeständnisse an die Protestanten nach Kräften zu beschränken gesucht. Indes machte er sich mehr und mehr mit dem Gedanken vertraut, die unmittelbare Regierung seines Reichs niederzulegen, zumal nachdem sein Versuch, Frankreich die geraubten deutschen Stifter wieder zu entreißen, mit der vergeblichen Belagerung von Metz (Januar 1553) gescheitert war. Sein Unternehmen, das mittelalterliche Kaisertum zu erneuern, hatte trotz der ungeheuern Machtmittel, die ihm zu Gebote standen, mit einem jähen Zusammenbruch geendet, denn es war in schroffen Gegensatz zu den herrschenden Strömungen, der nationalen Idee und dem Geist religiöser Freiheit, getreten, die es durch bloß äußerliche, herzlose, wenn auch schlaue und geschickte Kabinettspolitik nicht zu überwinden vermochte.
Karl beschloß daher, seine Macht zu teilen; seinem Sohn Philipp übertrug er 1555 das burgundische Reich, dazu 1556 Spanien und Italien, seinem Bruder Ferdinand die österreichischen Lande sowie Böhmen [* 23] und Ungarn; [* 24] auch verzichtete er zu seinen gunsten auf die Kaiserkrone, worauf er sich in das spanische Kloster San Yuste zurückzog, wo er 1558 starb. Verlor auch das Reich an die spanische Monarchie nicht bloß seine frühere Herrschaft in Italien, sondern auch die westlichen Grenzlande, so ward es doch von der Verbindung mit Spanien und seiner Politik losgelöst und erlangte die Freiheit selbständiger nationaler Entwickelung zurück.
Die Gegenreformation und der Dreißigjährige Krieg.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland III«.)
Der große geistige Kampf der Reformationszeit und sein Ausgang hatten eine gewisse Abspannung der Geister und Gemüter im deutschen Volk zur Folge. Die humanistische Richtung der Pflege und Wiederbelebung des klassischen Altertums zog sich in die Gelehrtenschulen zurück, die schöne Litteratur bildete sich nur in einigen Gattungen aus, die geistige und wissenschaftliche Thätigkeit der Nation wurde fast ganz von den religiösen Erörterungen und Streitigkeiten in Anspruch genommen, welche aber besonders im Gebiet des strengen Luthertums in gehässige dogmatische Zänkereien, neidische Verketzerungen und grausame Verfolgungswut ausarteten.
Die lutherischen Hoftheologen verfielen bald in dieselben Fehler, hochmütige Herrschsucht und fanatische Intoleranz, welche man der alten Kirche besonders zum Vorwurf gemacht hatte. Die Fürsten huldigten kurzsichtigem Eigennutz und gingen ganz in dem Streben nach habgieriger Vermehrung ihres Besitzes auf, soweit sie nicht bloß materieller Genußsucht frönten. Deutschland genoß in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. eines behäbigen Wohlstandes;
die Bevölkerung mehrte sich;
die Städte schmückten sich durch Bauten, Straßen- und Brunnenanlagen, und die bildenden Künste brachten zwar keine Werke von idealer Bedeutung hervor, durchdrangen und veredelten jedoch das ganze Gewerbe.
Aber es fehlten der Nation die treibende Schaffenskraft sowie das gemeinschaftliche Streben nach einem hohen Ziel. Ihre Einheit ging durch die politische und religiöse Zerrissenheit mehr und mehr verloren, und trotz ihrer Lebensfülle war sie nicht im stande, ihren Handel im Wettkampf mit andern Nationen auszubreiten, ja nicht einmal ihn in seinem bisherigen Umfang zu behaupten; in Nord- und Ostsee verlor die Hansa ihre herrschende Stellung. Neue Kolonien deutschen Volkstums wurden nicht gegründet, die alten Ansiedelungen im Osten dem Mutterland entfremdet. Nicht einmal die Türkengefahr wußte das mächtige Volk dauernd von seinen Grenzen [* 25] zurückzuweisen. Über die Sicherheit des errungenen Besitzes wiegte sich die protestantische Mehrheit in eine unbegreifliche Verblendung und träumte noch von völligem Sieg ihrer Sache, als der Feind schon in ihrem eignen Lager [* 26] war.
Die beiden Nachfolger Karls V., Ferdinand I. (1556-64) und dessen Sohn Maximilian II. (1564 bis 1576), waren redlich bemüht, den religiösen Frieden aufrecht zu erhalten. Der früher so streng katholische Ferdinand überwarf sich sogar mit dem Papst, als dieser durch die Beschlüsse des Trienter Konzils auch die gemäßigtesten Reformforderungen zurückweisen ließ und so eine unübersteigliche Scheidewand zwischen Katholizismus und Protestantismus errichtete.
Maximilian trug sich ernstlich mit dem Gedanken, die religiöse Einheit in Deutschland durch seinen Übertritt zur Reformation zu ermöglichen, und duldete, daß sich der Protestantismus in Böhmen und Ungarn, ja selbst in den Städten und dem Adel der österreichischen Erblande, sowohl der ihm gehörigen als der seines Bruders Karl, ausbreitete. Und auch im Reich machten sich die protestantischen Fürsten die wohlwollende Gesinnung des Kaisers zu nutze, indem sie trotz des geistlichen Vorbehalts zahlreiche Stifter und Kirchengüter in Norddeutschland reformierten und säkularisierten. Hauptsächlich waren es der erbitterte Kampf der Lutheraner gegen die verhaßten Calvinisten, an deren Spitze seit 1566 Kurpfalz stand, und die Zwistigkeiten unter den Lutheranern selbst, besonders zwischen den Albertinern und den Ernestinern, welche Maximilian von einer Entscheidung abhielten und ihn der Reformation entfremdeten, bis dynastische Interessen, die zeitweilige Aussicht auf ¶