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Deutschland [* 2] einzuschreiten, und der Bund der beiden Häupter der Christenheit wurde 1530 durch eine persönliche Zusammenkunft in Bologna und die Kaiserkrönung Karls daselbst (24. Febr., die letzte in Italien) [* 3] besiegelt. Die heldenmütige Verteidigung Wiens gegen die Türken (Oktober 1529) und der Rückzug derselben beseitigten für einige Zeit auch die Türkengefahr.
Die veränderte Haltung des Kaisers wirkte schon auf den zweiten Speierer Reichstag 1529 entscheidend ein. Die der alten Kirche zugethanen Stände waren so zahlreich erschienen, daß sie die Majorität besaßen und der kaiserlichen Proposition gemäß beschlossen, daß das Wormser Edikt bestehen bleiben, den evangelischen Ständen jede weitere Neuerung, besonders Beeinträchtigung der geistlichen Obrigkeit, verboten sein und das Sektenwesen nicht geduldet werden solle. 19 evangelische Reichsstände, 5 Fürsten und 14 Städte, protestierten dagegen, daß in Gewissenssachen die Mehrheit gemeingültige Beschlüsse fassen könne; davon erhielten die Anhänger der neuen Lehre [* 4] den Namen »Protestanten«. Im Mai 1530 kehrte der siegreiche Kaiser nach Deutschland zurück und eröffnete 18. Juni die glänzende Reichsversammlung zu Augsburg. [* 5]
Als die evangelischen Stände seinem Befehl, die Neuerungen einzustellen, unter Berufung auf ihr Gewissen den Gehorsam verweigerten, verlangte er, daß ihm die Gegensätze der beiden Lehren [* 6] in Kürze dargelegt würden. Dies geschah: am 25. Juni ward vor versammeltem Reichstag das Augsburgische Glaubensbekenntnis verlesen, welches, von Melanchthon verfaßt, die Unterschiede der neuen und der alten Lehre mild und leidenschaftslos entwickelte und die erstere fein und gewandt rechtfertigte.
Die angesehensten katholischen Theologen reichten dagegen eine Gegenschrift, die Confutatio, ein. Hiermit erklärte Karl V. die Sache für erledigt und nahm Melanchthons Apologie der Confessio Augustana nicht an. Ohne sich auf Gewissensfragen einzulassen, verlangte Karl von den Protestanten, daß sie sich dem Papst wieder unterwerfen sollten, bis er das längst versprochene allgemeine Konzil in Rom [* 7] zu stande gebracht haben würde, und der Reichstagsabschied sprach deutlich und scharf die Drohung aus: wenn die Protestanten nicht bis zum gutwillig zur alten Kirche zurückkehrten, würde die neue Lehre mit Gewalt ausgerottet werden.
Unter dem Eindruck dieser Drohung schlossen die Häupter der Protestanten Anfang 1531 den Schmalkaldischen Bund (s. d.) zur Verteidigung der evangelischen Freiheit und Abwehr aller Gewalt. Indes der Wunsch, seinen Bruder Ferdinand zum römischen König gewählt zu sehen, die von neuem drohende Türkengefahr und die Unsicherheit des Friedens mit Frankreich bewogen Karl vorläufig zur Nachgiebigkeit, und so kam es zum Abschluß des Nürnberger Religionsfriedens, der den Anhängern der Augsburgischen Konfession freie Religionsübung bis zum bevorstehenden Zusammentritt eines allgemeinen Konzils gestattete.
Nachdem ein stattliches deutsches Heer die Türken zurückgetrieben hatte, begab sich Karl wieder nach Spanien, [* 8] von wo er nach großartigen Rüstungen [* 9] die Barbareskenstaaten an der Nordküste Afrikas zu unterwerfen begann; auch in neue Kriege mit Frankreich wurde er verwickelt, während Ferdinand für die Abwehr der Türken die Hilfe des Reichs immer wieder in Anspruch nehmen mußte. Die Berufung des Konzils verzögerte die Kurie unter allerlei Vorwänden, weil ihr der Verlust von einigen Hunderttausend Ketzern weniger gefährlich erschien als die Erneuerung der Konzilsbestrebungen von Konstanz [* 10] und Basel. [* 11]
So war den Protestanten eine längere Frist geschenkt, welche sie nicht säumten sich für die Ausbreitung der Reform nutzbar zu machen. Philipp von Hessen [* 12] führte 1534 den 1519 vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg [* 13] in sein von Österreich [* 14] besetztes Land zurück, das nun dem Luthertum sich anschloß. In Norddeutschland mehrten sich die Anhänger der neuen Lehre von Tag zu Tag; selbst die Errichtung eines phantastisch-tollen Wiedertäuferreichs in Münster, [* 15] welches durch die vereinigte Macht protestantischer und katholischer Fürsten 1535 vernichtet wurde, konnte die Ausbreitung des Protestantismus nicht hemmen.
Brandenburg, [* 16] Meißen, [* 17] die pfälzischen Linien, endlich auch der Kurfürst Otto Heinrich von der Pfalz selbst, eine Anzahl Städte, ja sogar schon Bischöfe traten zur Reformation über. Die Bevölkerung [* 18] in den Gebieten katholischer Fürsten, sogar in Böhmen [* 19] und Österreich, war zum guten Teil protestantisch. Der einzige Fürst im Norden, [* 20] welcher der alten Kirche treu blieb, Herzog Heinrich von Braunschweig, [* 21] wurde infolge von gewaltthätigen Angriffen auf die Reichsstädte Goslar [* 22] und Braunschweig vom Schmalkaldischen Bund aus seinen Landen vertrieben (1542). Selbst bei der Kurie regte sich ein versöhnlicher Geist; einflußreiche Kardinäle waren dafür, durch ehrliche Anerkennung der berechtigten Reformforderungen der Protestanten die Einheit der Kirche wiederherzustellen. 1540-41 wurden wiederholt Unterhandlungen eingeleitet und Religionsgespräche veranstaltet, um die friedliche Verständigung zwischen beiden Parteien anzubahnen, und auch Karl V. kam den Protestanten, deren Hilfe er von neuem gegen die Türken und gegen Frankreich bedurfte, im Regensburger Interim und im Reichsabschied vom auf das nachgiebigste entgegen: der Nürnberger Religionsfriede wurde bestätigt, die Ausschließung der Protestanten vom Kammergericht aufgehoben, der Übertritt zu ihrer Lehre jedermann erlaubt und eine christliche Ordnung und Reformation auf einem gemeinen oder Nationalkonzil versprochen.
Aber so weit auch der Kaiser in seinen Zugeständnissen ging, eine Restauration der einheitlichen Kirche, wenn auch nicht ohne Reform, behielt er sich immer noch vor. Auch diese drohte unmöglich zu werden, als der Kurfürst von Köln, [* 23] Hermann von Wied, sein Stift zu reformieren begann. Hatten die Protestanten erst die Majorität im Kurfürstenkollegium, und griff die Säkularisation der geistlichen Gebiete weiter um sich, so war bei der Stimmung des Volkes die dauernde Begründung des evangelischen Kirchentums durch den Kaiser und die wenigen katholischen Stände nicht mehr rückgängig zu machen und die Protestanten auch nicht mehr theoretisch zur Unterwerfung unter die päpstliche Autorität zu bringen.
Karl unterbrach daher im vierten französischen Krieg (1542-44) seinen Siegeslauf, der ihn bis in die Nähe von Paris [* 24] geführt, schloß 1544 plötzlich mit Franz I. den Frieden von Crépy, in dem er sich mit dem Stande der Dinge vor dem Krieg begnügte, erreichte dann endlich vom Papste die Berufung eines allgemeinen Konzils nach Trient, [* 25] einer zwar südlich der Alpen, [* 26] aber im Reichsgebiet gelegenen Stadt, wo es im Dezember 1545 eröffnet wurde, und forderte nun die Protestanten auf dem Wormser Reichstag (Mai 1545) zur Beschickung desselben auf. Indes diese weigerten sich, weil sie in Trient der überwiegenden Mehrheit italienischer Prälaten gegenüber auf gerechte Behandlung nicht rechnen konnten, und bestanden auf einem freien deutschen Nationalkonzil. Jetzt entschloß sich der Kaiser zur Anwendung von ¶
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Gewalt, und so entstand der Schmalkaldische Krieg (1546-47).
Obwohl die schmalkaldischen Verbündeten dies hatten voraussehen müssen, so machten sie doch von ihrer augenblicklichen militärischen Überlegenheit keinen Gebrauch, dem Rat Luthers, der nur Verteidigung gegen Gewalt für erlaubt erklärte, auch nach seinem Tod gehorsam. Sie zogen zwar 1546 zum Schutz der süddeutschen Bundesmitglieder ein stattliches Heer an der Donau zusammen, ließen es aber ruhig geschehen, daß Karl italienische und spanische Truppen gegen die ausdrückliche Bestimmung der Wahlkapitulation aus Italien an sich zog und das kaiserliche Heer sich immer mehr verstärkte.
Während sie müßig an der Donau standen, schloß Karl mit Herzog Moritz von Sachsen, [* 28] der, gegen seinen ernestinischen Vetter wegen eines Streits über die sächsischen Stifter erbittert, diesem die Kur entreißen wollte, einen geheimen Vertrag, worauf derselbe plötzlich in Kursachsen einfiel und den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen und Philipp von Hessen zum Schutz ihrer Lande ihre Truppen nach Norden zu führen nötigte. Nun war Süddeutschland der Übermacht des Kaisers preisgegeben und wurde noch 1546 ohne Mühe unterworfen. Im Frühjahr 1547 wandte sich Karl nach Sachsen, überfiel 24. April bei Mühlberg das Heer Johann Friedrichs, zersprengte es und nahm ihn selbst gefangen. Die sächsische Kur nebst den Kurlanden wurde auf Moritz, das Haupt der albertinischen Linie des Hauses Wettin, übertragen. Landgraf Philipp unterwarf sich dem Kaiser in Halle, [* 29] wurde aber ebenfalls in Haft behalten. Der Schmalkaldische Bund war vernichtet, Karl hatte einen Sieg über die mächtigsten Reichsstände erfochten, wie es seit Friedrich I. keinem Kaiser wieder gelungen war. Niemand wagte ihm mehr entgegenzutreten, er war Meister in Deutschland.
Auf dem Reichstag zu Augsburg, welcher im September 1547 sich versammelte, beschloß nun Karl, die Dinge in Deutschland nach seinem Sinn zu ordnen, bewies aber dabei seinen völligen Mangel an Verständnis in religiösen Dingen. Er ließ nämlich eine Glaubensformel ausarbeiten, das Augsburger Interim (s. Interim) von 1548, welches eine Vereinbarung des alten und neuen Glaubens, zugleich aber eine Antwort sein sollte auf das eigenmächtige Verfahren des Papstes, welcher in Trient sogleich gerade die Hauptlehren der Protestanten für ketzerisch erklären ließ, statt durch Versöhnlichkeit ihnen die Beschickung zu erleichtern, und 1547 das Konzil nach Bologna verlegte, um es aus dem Machtbereich des Kaisers zu entfernen.
Das Interim gestand den Protestanten das Abendmahl in beiderlei Gestalt und die Priesterehe zu, näherte sich auch in der Rechtfertigungslehre dem protestantischen Standpunkt und beschränkte die Macht des Papstes in Deutschland, wollte aber die katholische Hierarchie und den alten Kultus aufrecht erhalten wissen und verlangte von den Protestanten jedenfalls Unterwerfung unter die künftige Entscheidung des Konzils, das sie beschicken sollten. Die katholischen Stände wiesen diesen Ausgleich sofort zurück, und Karl verzichtete auf ihre Anerkennung.
Die Protestanten wagten nach ihrer Niederlage keine offene Opposition; nur die beiden gefangenen Fürsten blieben standhaft bei ihrer Weigerung, sich dem Interim zu unterwerfen. Aber nur ein Teil der Stände verkündete es, keiner versuchte seine gewaltsame Durchführung. Die protestantische Bevölkerung lehnte sich energisch dagegen auf; die fliegende Presse [* 30] jener Zeit verurteilte Moritz' Verrat mit Unwillen und Entrüstung und pries Magdeburgs Heldenmut, der einzigen Stadt, die das Interim offen zurückwies. In den Städten Oberdeutschlands, die der kaiserlichen Soldateska wehrlos preisgegeben waren, versuchte der Kaiser die gewaltsame Durchführung; Hunderte von überzeugungstreuen Predigern wurden vertrieben.
Aber von einem Gelingen seines Plans, durch Oktroyierung einer neuen Glaubensformel kirchlichen Frieden und Einheit in Deutschland wiederherzustellen, konnte um so weniger die Rede sein, als der Papst nicht damit einverstanden war und Karl V. zugleich andre weitgehende Entwürfe betrieb, die ihm seine bisherigen Anhänger entfremdeten. Die Ernennung der Beisitzer des Reichskammergerichts zog er ganz an sich, erklärte auch Eingriffe in geistliches Eigentum und Störungen der geistlichen Gerichtsbarkeit für Landfriedensbruch und errichtete eine Reichskriegskasse, welche ihm mit Mitteln des Reichs die Möglichkeit gewährte, Deutschland durch ein spanisches Heer fortwährend im Zaum zu halten.
Durch die Pragmatische Sanktion vereinigte er sein burgundisches Erbe zu einem politischen Ganzen, das als zehnter Kreis [* 31] mit dem Reich verbunden und unter seinen Schutz gestellt, aber dem Reichskammergericht und der Reichsregierung nicht unterworfen wurde. Endlich aber hegte er die Absicht, die Verbindung Deutschlands [* 32] mit Spanien und seine Unterordnung unter die habsburgische Weltherrschaft dadurch zu verewigen, daß er seinen Sohn Philipp auch zu seinem Nachfolger im Kaisertum bestimmte und auf dem Reichstag in Augsburg 1551 von seinem Bruder Ferdinand und dessen Sohn Maximilian den Verzicht auf die Kaiserwürde verlangte. Da erhob sich Kurfürst Moritz, um die Unabhängigkeit der deutschen Fürsten und die Religionsfreiheit zu retten.
Mit meisterhaftem Geschick wußte er den Kaiser zu täuschen und in Sicherheit zu wiegen, während er das durch seinen frühern Verrat erwachte Mißtrauen der protestantischen Fürsten beschwichtigte und sich ihres Beistandes versicherte. Auch erlangte er durch den Vertrag von Friedewald vom König Heinrich II. von Frankreich das Versprechen einer Diversion gegen den Kaiser und Subsidienzahlungen, wogegen der König das Recht haben sollte, als Reichsvikar die französisch redenden Stifter und Städte Cambrai, Metz, [* 33] Toul [* 34] und Verdun [* 35] zu besetzen.
Als alle Vorbereitungen getroffen waren, erließ Moritz ein Manifest gegen die »viehische erbliche Servitut«, die Deutschland von Spanien drohe, und brach im März 1552 von Sachsen in Eilmärschen nach dem Süden auf, indem er unterwegs die Truppen der verbündeten Fürsten an sich zog. Anfang April war er bereits in Augsburg und hatte ganz Oberdeutschland in seiner Gewalt. Der Kaiser, dem der Weg nach Flandern abgeschnitten war, flüchtete von Innsbruck [* 36] nach Steiermark. [* 37] Krank und durch das Scheitern seiner Lebenspläne aufs tiefste erschüttert, überließ er seinem Bruder Ferdinand die Unterhandlung mit den deutschen Fürsten, welche zu dem Passauer Vertrag führte; in diesem wurde die Freigebung der gefangenen Fürsten, die Aufhebung des Interim und die Errichtung eines beständigen Friedens zwischen beiden Parteien auf Grund der ständischen Religionsfreiheit den protestantischen Fürsten zugestanden. Der definitive Friede wurde in Augsburg abgeschlossen (Augsburger Religionsfriede, s. d.). In demselben wurde den Reichsständen das Recht, die Konfession für sich und ihr Territorium frei zu wählen (jus reformandi), gewährt und damit der Grundsatz »Cujus regio, ejus religio«, den schon der Reichstag ¶