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und Schutz von Kaiser und Reich, seinen Handel über den ganzen Nordosten ausgebreitet, die Herrschaft über die Ostsee erobert und sogar ein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung des dänischen Königsthrons sich erzwungen hatte: so thaten sich auch in Süddeutschland die schwäbischen, die rheinischen, die wetterauischen Städte zu Bünden zusammen, um ihre Freiheit gegen die Fürsten zu verteidigen, so bildete sich in der Schweiz [* 2] die Eidgenossenschaft gegen das Haus Habsburg. In ähnlicher Weise schlossen die Ritter der verschiedenen Landschaften Bünde, wie den der Schlegler, den von St. Georg u. a., um die Unabhängigkeit und die Rechte ihres Standes, worunter sie freilich besonders das Raubritterwesen meinten, zu wahren. 1377 war der schwäbische Städtekrieg zwischen den Städten und Graf Eberhard von Württemberg [* 3] entbrannt, und 1386 kam es in Schwaben zu einem allgemeinen Kampf des territorialen Fürstentums gegen die Eidgenossenschaft und die städtischen Bünde.
Nur die erstere siegte über die Österreicher bei Sempach (1386) und Näfels (1388) und sicherte ihre Selbständigkeit. Der schwäbische Städtebund erlitt durch Eberhard 1388 bei Döffingen, der rheinische durch Ruprecht von der Pfalz bei Worms [* 4] (1388), der wetterauische durch die Ritterschaft bei Eschborn blutige Niederlagen; auch Straßburg [* 5] und die fränkischen Städte wurden von den Nachbarfürsten hart bedrängt, und wenn auch die Städte nicht völlig unterworfen wurden und als dritter Reichsstand neben Kurfürsten und Fürsten bestehen blieben, so hatten doch ihre Macht und ihr Einfluß eine empfindliche Einbuße erlitten.
Wenzel hatte sich anfangs der Städte angenommen, in denen er eine Stütze für die Königsgewalt gegen die Fürsten erkannte; nun aber gab er sie auf dem Reichstag zu Eger [* 6] 1389 preis, indem er jede fernere Einung von Städten verbot. Gleichwohl sicherte er sich durch diese Nachgiebigkeit die Anhänglichkeit der Fürsten nicht. Als er sich bei seinen Bemühungen, die Kirchenspaltung zu beendigen, mit Papst Bonifacius IX. überwarf, setzten ihn die rheinischen Kurfürsten auf dessen Antrieb und unter dem Vorwand, daß er durch Übertragung des Reichsvikariats in der Lombardei auf Galeazzo Visconte von Mailand [* 7] wichtige Reichsrechte preisgegeben, 1400 ab und wählten statt seiner Ruprecht von der Pfalz (1400-1410), den zweiten Wittelsbacher auf dem deutschen Thron. [* 8]
Wenzel verweigerte allerdings die Anerkennung seiner Absetzung, that aber fast nichts, um sie zu verhindern. Wie er, so kümmerten sich auch die nord- und ostdeutschen Fürsten fast gar nicht mehr um das Reich. Ruprecht fand, nachdem er, um Visconte Mailand zu entreißen, einen unglücklichen Zug nach Italien [* 9] unternommen hatte, der seine letzten Geldkräfte aufzehrte, kaum in Südwestdeutschland Anerkennung; Johann von Mainz [* 10] stiftete 1405 den Marbacher Bund, der die königliche Gewalt völlig aufhob, und den Ruprecht vergeblich zu unterdrücken sich bemühte.
Als er 1410 starb, spalteten sich die Kurfürsten in zwei Parteien, indem die eine den Markgrafen Jobst von Mähren, [* 11] die andre den König Siegmund von Ungarn, [* 12] Wenzels Bruder, zum Kaiser wählte. Da Wenzel noch immer Anspruch auf die deutsche Krone erhob, so drohte im Reich durch das Vorhandensein von drei Prätendenten auf den Thron die größte Verwirrung auszubrechen. Glücklicherweise starb Jobst 1411, Wenzel, der noch bis 1419 lebte, ließ sich mit dem Titel eines römischen Königs und dem Besitz Böhmens abfinden, und Siegmund ward nun als alleiniger Kaiser anerkannt.
Reformversuche in Kirche und Reich.
Siegmund (1410-37) nahm durch seine ansehnliche Hausmacht (Ungarn und Brandenburg) [* 13] eine mächtige Stellung ein, und indem er, hochbegabt und gebildet, seine Würde im höchsten Sinn auffaßte und als deutscher König die Errichtung einer geordneten Reichsverfassung sowie als Kaiser und Schirmvogt der Kirche die Beseitigung des Schismas und eine Reform der Kirche sich zur Aufgabe stellte, schien das deutsche Kaisertum wieder an die Spitze des Abendlandes treten zu sollen, um so mehr, als England und Frankreich von neuem in heftigem Kriege gegeneinander entbrannt waren.
Da es seit 1378 zwei Päpste, in Rom und [* 14] in Avignon, gab, welche sich und ihre Obedienzen gegenseitig in den Bann thaten, und der Versuch der Kardinäle, auf dem Konzil von Pisa [* 15] 1409 die Kirchenspaltung zu beenden, nur zur Wahl eines dritten Papstes geführt hatte, so war die Kirche, um sich aus ihrem Verfall zu retten, auf den Beistand des Kaisers angewiesen. Siegmund versammelte daher 1414 das Konzil zu Konstanz, [* 16] eine glänzende Vereinigung von Prälaten, Doktoren und Geistlichen der gesamten abendländischen Christenheit, Gesandten fremder Könige und den meisten deutschen Reichsfürsten.
Denn nicht bloß die Angelegenheiten der Kirche, sondern auch politische Dinge, die Herstellung des Friedens zwischen Frankreich und England und die Reform des Deutschen Reichs, sollten beraten werden. Die Kirchenspaltung wurde durch Siegmunds Entschlossenheit und Klugheit und die Einigkeit der Konzilsväter, welche durch einen förmlichen Beschluß die Suprematie des Konzils über dem Papsttum aussprachen, rasch beendigt: die drei Päpste wurden abgesetzt, und ein Versuch des Herzogs Friedrich von Tirol, [* 17] Johanns XXIII.
Widerruf zu unterstützen, wurde energisch zurückgewiesen. Die Reform der Kirche jedoch, welche die päpstliche Allmacht erheblich beschränken und den Schwerpunkt [* 18] in den national gegliederten Episkopat verlegen sollte, geriet bald ins Stocken, nicht am wenigsten durch die Schuld des Kaisers, der gerade in der entscheidenden Zeit behufs der Friedensvermittelung eine lange Reise nach Frankreich und England unternahm, auf welcher er nichts erreichte und nur durch Geldverlegenheiten die kaiserliche Würde aufs kläglichste kompromittierte. Die päpstliche Partei setzte es 1417 durch, daß noch vor der Kirchenreform die Wahl eines neuen Papstes vorgenommen wurde, und dieser, Martin V., löste 1418 das Konzil auf, nachdem er die Opposition durch Konkordate mit den einzelnen Nationen (mit der deutschen beschwichtigt hatte, die im wesentlichen alles beim alten ließen. Nur das Papsttum hatte also von dem Konzil Vorteil gezogen.
Auch die Reform der Reichsverfassung kam nicht zu stande, obwohl Siegmund in Konstanz einen der eifrigsten Anhänger derselben, Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg, [* 19] zur Belohnung für frühere Dienste [* 20] mit einem der bedeutendsten Reichsfürstentümer, mit Brandenburg, belehnte (1417). Siegmund fehlte es bei allen seinen Unternehmungen an Ausdauer; sich auf ein nahes Ziel zu beschränken und daran bis zur Erreichung desselben festzuhalten, war seine Sache nicht und doch wäre eine Reform besonders der deutschen Heeresverfassung, wie sie damals geplant wurde, für Deutschland [* 21] höchst notwendig gewesen. Denn unmittelbar nach dem Konzil wurde es in die furchtbare Krisis der Hussitenkriege (s. d.) gestürzt, in denen es mit einer von religiösem und nationalem Fanatismus erfüllten und zur höchsten Kraftentfaltung begeisterten Volksmasse zu kämpfen hatte, der das ¶
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schwerfällige deutsche Heerwesen sich nicht gewachsen zeigte. Große deutsche Ritterheere, geführt vom Kaiser selbst oder den angesehensten Reichsfürsten, erlitten von rohen Bauernhaufen schmähliche Niederlagen; die siegreichen Hussitenscharen überfluteten endlich die Böhmen benachbarten Lande raubend und verwüstend, und das mächtige Deutsche Reich [* 23] ließ dies wehrlos geschehen. Erst als die Böhmen, durch Parteiungen gespalten, sich selbst mit Erbitterung bekämpften und aufrieben, gelang es, durch einen Vertrag mit der gemäßigten Partei, den Kalixtinern, die sogen. Prager Kompaktaten (1433), den Aufstand zu dämpfen, so daß Siegmund 1436 den seit Wenzels Tod (1419) erledigten böhmischen Thron besteigen konnte.
Trotz dieser beschämenden Erfahrungen waren alle Versuche Siegmunds, des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg und Friedrichs des Streitbaren von Sachsen, [* 24] den verrotteten Reichskörper umzugestalten, vergeblich. Die Wiederaufnahme des kirchlichen Reformwerks durch das Baseler Konzil (1431-48) führte zu einem heftigen Konflikt zwischen Konzil und Papst, während dessen Siegmund ohne männliche Nachkommen starb und das luxemburgische Kaiserhaus erlosch.
Durch die Wahl der Kurfürsten gelangte Siegmunds Schwiegersohn und Erbe, Herzog Albrecht von Österreich, [* 25] König von Böhmen und Ungarn, auf den Thron. Albrecht II. regierte aber nur ein Jahr (1438-39). Ihm folgte sein Vetter Friedrich III., Herzog von Steiermark [* 26] (1440-93), der gewählt wurde, obwohl oder gerade weil man seine Unfähigkeit kannte. In der That ist Friedrichs Regierung wie die längste, so die ruhmloseste und schädlichste gewesen, die Deutschland gehabt hat.
Weder bemühte er sich um die dringend notwendige und von vielen ersehnte Reform der Kirche und des Reichs, noch that er etwas, um die Angriffe auf Deutschlands [* 27] Sicherheit und Integrität abzuwehren und das Reich vor Verlusten zu hüten. Im Gegenteil beschwor er durch seinen kurzsichtigen Eigennutz selbst die Gefahren herauf. Der Streit zwischen Konzil und Papst war den kirchlichen Reformbestrebungen günstig, und noch bei Lebzeiten Albrechts II. hatten die Kurfürsten durch die Beschlüsse des Reichstags von Mainz (die sogen. Mainzer Acceptation, im März 1439) einen großen Teil der Reformdekrete des Konzils von Basel [* 28] anerkannt und somit einen Weg betreten, der, energisch weiter verfolgt, zur Bildung einer nationalen deutschen, gegen die Übergriffe des Papsttums geschützten Kirche hätte führen können.
Friedrich III. dagegen opferte 1445 gegen das Versprechen der Kaiserkrönung, welche, die letzte in Rom, 1452 stattfand, und gegen Zugeständnisse an seinen schmutzigen Geiz und Eigennutz die Rechte des Reichs auf, indem er ohne Zustimmung desselben das Baseler Konzil preisgab und den römischen Papst Eugen IV. anerkannte. Die Macht des Konzils war damit gebrochen; durch Einzelverhandlungen mit den Fürsten gelang es Eugens Nachfolger Nikolaus V., die deutsche Opposition zu sprengen, und die ganze Reformbewegung endete damit, daß der Kaiser 1448 mit dem Papst im Namen der deutschen Nation die Wiener oder Aschaffenburger Konkordate abschloß, in welchen dem römischen Stuhl alles das wieder zurückgegeben wurde, was durch die Beschlüsse von Basel hatte abgestellt werden sollen, während die von der Kurie gemachten Konzessionen illusorisch blieben.
Ebenso verliefen alle Verhandlungen auf den Reichstagen über Herstellung des Landfriedens u. Reform der Reichswehrverfassung infolge von Friedrichs Gleichgültigkeit resultatlos. Die Fürsten suchten die finanziellen Lasten der Reform möglichst auf die allerdings hierin leistungsfähigen Städte abzuwälzen; diese widersetzten sich daher aus nicht unberechtigtem Mißtrauen jeder Änderung des bestehenden Zustandes. Unthätig und teilnahmlos sah der Kaiser den zerstörenden territorialen Kämpfen zu, welche Deutschland spalteten. In Sachsen wütete 1445-50 der Bruderkrieg zwischen Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und Herzog Wilhelm; in Westfalen [* 29] entspann sich die sogen. Soester Fehde (1444-49) zwischen Erzbischof Dietrich von Köln [* 30] und der Stadt Soest, [* 31] in welche eine große Anzahl andrer Reichsstände, wie Münster, [* 32] Kleve u. a., verwickelt wurden; in Franken und Schwaben kämpfte der streitbare Markgraf Albrecht Achilles erst an der Spitze der Fürsten und Grafen gegen die Städte, vor allen gegen das mächtige Nürnberg, dann gegen die bayrischen und pfälzischen Wittelsbacher, welche wieder untereinander in fortwährender Fehde lagen.
Währenddessen ging im Nordosten der preußische Ordensstaat dem Deutschtum verloren, indem der Orden, [* 33] durch die Empörung der Landstände geschwächt, den Polen, von denen er 1410 bei Tannenberg schon einmal besiegt worden war, 1455-66 völlig erlag und im Thorner Frieden ganz Westpreußen [* 34] abtreten, Ostpreußen aber von der polnischen Krone zu Lehen nehmen mußte. Im Südosten trieb Friedrich durch seine Bemühungen, die böhmische und die ungarische Krone an sich zu reißen, diese beiden Völker in einen feindlichen Gegensatz zu D. Beide wählten sich nationale Könige, die Böhmen Georg Podiebrad, die Ungarn Matthias Corvinus.
Ersterer benutzte seinen Einfluß im Reich, um alle kirchlichen und politischen Reformpläne zu durchkreuzen; Matthias wurde durch Friedrichs fortgesetzte Versuche, ihn zu stürzen, genötigt, seine Waffen [* 35] gegen ihn zu kehren, und konnte sich nicht mit ganzer Kraft [* 36] den Türken entgegenstellen, welche seit der Eroberung Konstantinopels (1453) Ungarn immer mehr bedrängten und 1469 zuerst die Grenzen [* 37] Deutschlands überschritten. Der Kaiser ward endlich von Matthias aus seinen Erblanden vertrieben und irrte lange Zeit als ohnmächtiger Flüchtling im Reich umher, Städten und Klöstern ein beschwerlicher Gast. Im Westen begann Friedrich 1443 eine Fehde gegen die Eidgenossen, um die alten habsburgischen Hoheitsrechte wiederzuerobern, und als er allein nichts ausrichtete, rief er die unter dem Namen der Armagnaken (s. d.) bekannten und berüchtigten französischen Söldner unter dem Dauphin zu Hilfe, welche zwar von den tapfern Schweizern bei St. Jakob an der Birs zurückgeworfen wurden, aber nun um so schrecklicher im Elsaß hausten; ja, sogar von der Eroberung dieses Landes war damals unter den Franzosen die Rede.
Auch der Bildung eines völlig unabhängigen Reichs im Westen Deutschlands stellte Friedrich III. nicht das geringste Hindernis in den Weg, obwohl dieselbe wesentlich auf Kosten Deutschlands erfolgte. Die Herzöge von Burgund aus dem französischen Königshaus Valois, welchen Karl IV. bereits Deutsch-Burgund überlassen, hatten im Lauf des 14. und 15. Jahrh. die reichen, blühenden niederländischen Provinzen, das Mündungsgebiet des Rheins, der Maas und der Schelde, erworben. Seit 1467 wurde dies burgundische Reich von Karl dem Kühnen beherrscht, einem der glänzendsten Fürsten seiner Zeit, welcher das ganze linke Rheinufer zu erobern trachtete und durch den Königstitel die völlige Unabhängigkeit zu erringen hoffte. Friedrich III. trat ihm nicht entgegen, als er 1467 Lüttich [* 38] eroberte, 1473 Gelderland und Zütphen erwarb, 1474 Neuß [* 39] ¶