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kaiserliche Würde unmittelbar von Gott allein herstamme, und daß der von den Kurfürsten Erwählte sofort und durch die Wahl allein König und Kaiser werde, folglich der Anerkennung und Bestätigung des apostolischen Stuhls nicht bedürfe. Aber bald geriet Ludwig durch die übermäßige Erweiterung seiner Hausmacht mit den Fürsten in Konflikt. Schon 1323 war es ihm gelungen, für seine Familie ein mächtiges Fürstentum zu gewinnen, indem er nach dem Aussterben der Askanier (1320) die Mark Brandenburg [* 2] seinem ältesten Sohn, Ludwig, übertrug; dann hatte er sich in zweiter Ehe mit der Erbin von Holland, Zeeland, Friesland und Hennegau vermählt und mit diesen Landen seinen zweiten Sohn belehnt; 1341 erklärte er ferner die in seiner Hand [* 3] vereinigten Herzogtümer Ober- und Niederbayern für unteilbar.
Damit nicht zufrieden, vermählte er 1342, um Tirol [* 4] zu erwerben, die Gräfin Margarete Maultasch, Erbin von Tirol und Kärnten, mit seinem Sohne, nachdem er ihre erste Ehe mit Johann Heinrich von Luxemburg, [* 5] einem Sohn Johanns von Böhmen, [* 6] eigenmächtig getrennt hatte. Diese Ländergier empörte die Fürsten, sein Eingriff in kirchliche Rechte zog ihm von neuem den päpstlichen Bann zu. Auf Antrieb des Papstes vereinigten sich fünf Kurfürsten 1346 in Rhense zur Absetzung Ludwigs und zur Wahl Karls von Luxemburg, welcher die Ansprüche des Papstes wieder in weitestem Umfang anerkannte.
Ludwig war zwar gewillt, seine Krone mit Gewalt zu verteidigen, starb jedoch schon 1347. Sein Sohn Ludwig von Brandenburg setzte den Widerstand gegen Karl noch eine Zeitlang fort und stellte in Günther von Schwarzburg [* 7] einen Gegenkönig auf. Indes das Auftreten des falschen Waldemar in Brandenburg, den Karl anzuerkennen nicht säumte, bewog ihn zu einer Verständigung mit den Luxemburgern. Günther starb, nachdem er gegen 22,000 Mk. Silber auf seine Kronansprüche verzichtet, bereits 1349.
So war nun Karl IV. (1346-78) unbestrittener Herr in Deutschland, [* 8] das jedoch von der Herstellung des innern Friedens nicht viel Vorteil zog, da es gerade damals von einer furchtbaren Pest, dem Schwarzen Tode, der namentlich am Rhein wütete, heimgesucht wurde. Karl unternahm 1355 eine Romfahrt, um sich von einem Kardinal zum Kaiser krönen zu lassen, mußte sich aber gegen den Papst verpflichten, sofort nach der Krönung Rom [* 9] zu verlassen; den Rest der Reichsrechte in Italien [* 10] wahrte er nicht, sondern er verkaufte ihn an die Städte und Dynasten. In Deutschland suchte er eine festere oligarchische Verfassung zu begründen, indem er nach längern Verhandlungen mit den Reichsständen 1356 auf dem Reichstag zu Metz [* 11] die Goldene Bulle (s. d.), das erste umfassende Reichsgrundgesetz, erließ.
Durch diese wurde einmal das bestehende Wahlrecht gesetzlich anerkannt: die Erzbischöfe von Mainz, [* 12] Trier [* 13] und Köln [* 14] und die weltlichen Fürsten von Sachsen-Wittenberg, Pfalz, Böhmen und Brandenburg wurden als Kurfürsten bestätigt, womit dem Streit in den Häusern Wittelsbach und Sachsen [* 15] über die Führung der Kurstimme ein Ende gemacht wurde, und, um fernern Streitigkeiten vorzubeugen, bestimmt, daß fortan diejenigen Lande, an denen die Kurstimme haftete, unteilbar und nach dem Rechte der Erstgeburt erblich sein sollten. Die Wahl sollte durch die Majorität der Stimmen entschieden werden; des Papstes und seines angeblichen Bestätigungsrechts ward nicht Erwähnung gethan. Wahlstadt sollte Frankfurt, [* 16] Krönungsstadt Aachen [* 17] sein. Alljährlich sollten die Kurfürsten mit dem Kaiser zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten zusammenkommen.
Die oligarchische Verfassung, zu welcher durch die Goldene Bulle der Grund gelegt war, und wonach die eigentliche Leitung des Reichs dem Kurfürstenkollegium zufiel, während der Kaiser auf Ehrenrechte beschränkt wurde, hätte segensreich für Deutschland werden und namentlich den Landfrieden fest und dauernd begründen können. Indes auch dazu kam es nicht. Der Kaiser entschlug sich doch in den wichtigsten Dingen des Beirats der Kurfürsten, diese verfolgten meist nur ihre eigennützigen Interessen, und ihre Privilegien reizten die übrigen Stände, sich auch in Besitz dieser bevorzugten Stellung zu setzen, was ihnen teilweise gelang.
Karl IV. widmete seine Regententhätigkeit fast ausschließlich seinen Erblanden, und durch eine umsichtige Finanzverwaltung erzielte er in der Hebung [* 18] ihres Wohlstandes und ihrer Kultur und in ihrer Vermehrung bedeutende Erfolge. Böhmen wurde ein blühendes, gewerbthätiges Land, in Prag, [* 19] das er durch herrliche Bauten schmückte, stiftete er 1348 die erste deutsche Universität. 1353 erwarb er einen Teil der Oberpfalz, bald darauf die Lehnshoheit über ganz Schlesien [* 20] und die Reichsstadt Eger [* 21] mit ihrem Gebiet, 1363 zu der schon früher mit Böhmen vereinigten Oberlausitz auch die Niederlausitz; 1373 endlich kaufte er von dem wittelsbachischen Markgrafen Otto die Mark Brandenburg, welche er formell seinem Sohn Wenzel übertrug, thatsächlich aber selbst regierte. So vereinigte er im Osten Deutschlands [* 22] ein zusammenhängendes Gebiet unter seiner Herrschaft, das von der Donau bis fast an die Ostsee reichte.
Aber noch weiter reichten seine Blicke. Er faßte auch die Erwerbung der Königreiche Polen und Ungarn [* 23] für sein Haus ins Auge, [* 24] indem er mit Ludwig d. Gr. Verhandlungen anknüpfte über eine Vermählung seines Sohns Siegmund mit dessen Erbtochter. Er plante also die Bildung eines großen luxemburgischen Reichs im Osten Europas. Dagegen gab er das Königreich Burgund völlig preis, indem er durch Ernennung des französischen Dauphins zum Generalvikar des burgundisch-arelatischen Königreichs (1377) die Verbindung desselben mit Deutschland löste.
Karls mit so überraschendem Erfolg geschaffenes Werk ging freilich unter seinem Nachfolger wieder zu Grunde. Wenzel (1378-1400), gegen die Bestimmung der Goldenen Bulle noch bei Lebzeiten des Vaters gewählt, wußte die Einheit des luxemburgischen Hauses nicht aufrecht zu erhalten. Sein Oheim, Markgraf Jobst von Mähren, und sein Bruder Siegmund, der die Mark Brandenburg erhielt und später durch seine Heirat mit Ludwigs d. Gr. Tochter Maria das Königreich Ungarn erwarb, standen Wenzel nicht nur nicht zur Seite, sondern halfen seine Macht in Böhmen schwächen, indem sie sich mit den aufrührerischen Ständen gegen ihn verbündeten; Wenzel geriet einige Zeit in deren Gefangenschaft und mußte 1401 die Lausitz an Jobst abtreten.
Nicht einmal in seinen Erblanden Herr, war Wenzel natürlich noch weniger in Deutschland im stande, sein Ansehen zu behaupten. Anfangs zeigte er die Absicht, die Aufrechterhaltung des Landfriedens zu sichern, und veranlaßte auf den Reichstagen zu Nürnberg [* 25] (1383) und Heidelberg [* 26] (1384) dahin zielende Beschlüsse. Aber ihre Durchführung gegenüber dem Widerstreben aller Stände war ihm nicht möglich. Je weniger bisher die Reichsgewalt die niedern Stände, die Städte und die Ritter, berücksichtigt hatte, desto mehr sträubten sich diese, sich ihrer Autorität zu unterwerfen und die selbständige Verfolgung ihrer Sonderinteressen auf Reichsgebot einzustellen. Wie im Norden [* 27] der Städtebund der Hansa allein durch eigne Kraft, [* 28] ohne Hilfe ¶
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und Schutz von Kaiser und Reich, seinen Handel über den ganzen Nordosten ausgebreitet, die Herrschaft über die Ostsee erobert und sogar ein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung des dänischen Königsthrons sich erzwungen hatte: so thaten sich auch in Süddeutschland die schwäbischen, die rheinischen, die wetterauischen Städte zu Bünden zusammen, um ihre Freiheit gegen die Fürsten zu verteidigen, so bildete sich in der Schweiz [* 30] die Eidgenossenschaft gegen das Haus Habsburg. In ähnlicher Weise schlossen die Ritter der verschiedenen Landschaften Bünde, wie den der Schlegler, den von St. Georg u. a., um die Unabhängigkeit und die Rechte ihres Standes, worunter sie freilich besonders das Raubritterwesen meinten, zu wahren. 1377 war der schwäbische Städtekrieg zwischen den Städten und Graf Eberhard von Württemberg [* 31] entbrannt, und 1386 kam es in Schwaben zu einem allgemeinen Kampf des territorialen Fürstentums gegen die Eidgenossenschaft und die städtischen Bünde.
Nur die erstere siegte über die Österreicher bei Sempach (1386) und Näfels (1388) und sicherte ihre Selbständigkeit. Der schwäbische Städtebund erlitt durch Eberhard 1388 bei Döffingen, der rheinische durch Ruprecht von der Pfalz bei Worms [* 32] (1388), der wetterauische durch die Ritterschaft bei Eschborn blutige Niederlagen; auch Straßburg [* 33] und die fränkischen Städte wurden von den Nachbarfürsten hart bedrängt, und wenn auch die Städte nicht völlig unterworfen wurden und als dritter Reichsstand neben Kurfürsten und Fürsten bestehen blieben, so hatten doch ihre Macht und ihr Einfluß eine empfindliche Einbuße erlitten.
Wenzel hatte sich anfangs der Städte angenommen, in denen er eine Stütze für die Königsgewalt gegen die Fürsten erkannte; nun aber gab er sie auf dem Reichstag zu Eger 1389 preis, indem er jede fernere Einung von Städten verbot. Gleichwohl sicherte er sich durch diese Nachgiebigkeit die Anhänglichkeit der Fürsten nicht. Als er sich bei seinen Bemühungen, die Kirchenspaltung zu beendigen, mit Papst Bonifacius IX. überwarf, setzten ihn die rheinischen Kurfürsten auf dessen Antrieb und unter dem Vorwand, daß er durch Übertragung des Reichsvikariats in der Lombardei auf Galeazzo Visconte von Mailand [* 34] wichtige Reichsrechte preisgegeben, 1400 ab und wählten statt seiner Ruprecht von der Pfalz (1400-1410), den zweiten Wittelsbacher auf dem deutschen Thron. [* 35]
Wenzel verweigerte allerdings die Anerkennung seiner Absetzung, that aber fast nichts, um sie zu verhindern. Wie er, so kümmerten sich auch die nord- und ostdeutschen Fürsten fast gar nicht mehr um das Reich. Ruprecht fand, nachdem er, um Visconte Mailand zu entreißen, einen unglücklichen Zug nach Italien unternommen hatte, der seine letzten Geldkräfte aufzehrte, kaum in Südwestdeutschland Anerkennung; Johann von Mainz stiftete 1405 den Marbacher Bund, der die königliche Gewalt völlig aufhob, und den Ruprecht vergeblich zu unterdrücken sich bemühte.
Als er 1410 starb, spalteten sich die Kurfürsten in zwei Parteien, indem die eine den Markgrafen Jobst von Mähren, die andre den König Siegmund von Ungarn, Wenzels Bruder, zum Kaiser wählte. Da Wenzel noch immer Anspruch auf die deutsche Krone erhob, so drohte im Reich durch das Vorhandensein von drei Prätendenten auf den Thron die größte Verwirrung auszubrechen. Glücklicherweise starb Jobst 1411, Wenzel, der noch bis 1419 lebte, ließ sich mit dem Titel eines römischen Königs und dem Besitz Böhmens abfinden, und Siegmund ward nun als alleiniger Kaiser anerkannt.
Reformversuche in Kirche und Reich.
Siegmund (1410-37) nahm durch seine ansehnliche Hausmacht (Ungarn und Brandenburg) eine mächtige Stellung ein, und indem er, hochbegabt und gebildet, seine Würde im höchsten Sinn auffaßte und als deutscher König die Errichtung einer geordneten Reichsverfassung sowie als Kaiser und Schirmvogt der Kirche die Beseitigung des Schismas und eine Reform der Kirche sich zur Aufgabe stellte, schien das deutsche Kaisertum wieder an die Spitze des Abendlandes treten zu sollen, um so mehr, als England und Frankreich von neuem in heftigem Kriege gegeneinander entbrannt waren.
Da es seit 1378 zwei Päpste, in Rom und in Avignon, gab, welche sich und ihre Obedienzen gegenseitig in den Bann thaten, und der Versuch der Kardinäle, auf dem Konzil von Pisa [* 36] 1409 die Kirchenspaltung zu beenden, nur zur Wahl eines dritten Papstes geführt hatte, so war die Kirche, um sich aus ihrem Verfall zu retten, auf den Beistand des Kaisers angewiesen. Siegmund versammelte daher 1414 das Konzil zu Konstanz, [* 37] eine glänzende Vereinigung von Prälaten, Doktoren und Geistlichen der gesamten abendländischen Christenheit, Gesandten fremder Könige und den meisten deutschen Reichsfürsten.
Denn nicht bloß die Angelegenheiten der Kirche, sondern auch politische Dinge, die Herstellung des Friedens zwischen Frankreich und England und die Reform des Deutschen Reichs, sollten beraten werden. Die Kirchenspaltung wurde durch Siegmunds Entschlossenheit und Klugheit und die Einigkeit der Konzilsväter, welche durch einen förmlichen Beschluß die Suprematie des Konzils über dem Papsttum aussprachen, rasch beendigt: die drei Päpste wurden abgesetzt, und ein Versuch des Herzogs Friedrich von Tirol, Johanns XXIII.
Widerruf zu unterstützen, wurde energisch zurückgewiesen. Die Reform der Kirche jedoch, welche die päpstliche Allmacht erheblich beschränken und den Schwerpunkt [* 38] in den national gegliederten Episkopat verlegen sollte, geriet bald ins Stocken, nicht am wenigsten durch die Schuld des Kaisers, der gerade in der entscheidenden Zeit behufs der Friedensvermittelung eine lange Reise nach Frankreich und England unternahm, auf welcher er nichts erreichte und nur durch Geldverlegenheiten die kaiserliche Würde aufs kläglichste kompromittierte. Die päpstliche Partei setzte es 1417 durch, daß noch vor der Kirchenreform die Wahl eines neuen Papstes vorgenommen wurde, und dieser, Martin V., löste 1418 das Konzil auf, nachdem er die Opposition durch Konkordate mit den einzelnen Nationen (mit der deutschen beschwichtigt hatte, die im wesentlichen alles beim alten ließen. Nur das Papsttum hatte also von dem Konzil Vorteil gezogen.
Auch die Reform der Reichsverfassung kam nicht zu stande, obwohl Siegmund in Konstanz einen der eifrigsten Anhänger derselben, Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg, zur Belohnung für frühere Dienste [* 39] mit einem der bedeutendsten Reichsfürstentümer, mit Brandenburg, belehnte (1417). Siegmund fehlte es bei allen seinen Unternehmungen an Ausdauer; sich auf ein nahes Ziel zu beschränken und daran bis zur Erreichung desselben festzuhalten, war seine Sache nicht und doch wäre eine Reform besonders der deutschen Heeresverfassung, wie sie damals geplant wurde, für Deutschland höchst notwendig gewesen. Denn unmittelbar nach dem Konzil wurde es in die furchtbare Krisis der Hussitenkriege (s. d.) gestürzt, in denen es mit einer von religiösem und nationalem Fanatismus erfüllten und zur höchsten Kraftentfaltung begeisterten Volksmasse zu kämpfen hatte, der das ¶