mehr
gerieten ganz unter französischen Einfluß. Die Versuche Albrechts, seine Hausmacht zu vergrößern, scheiterten alle: in Holland und Zeeland, die er für eröffnete Lehen erklären und seinen Söhnen übertragen wollte, mußte er die weibliche Nachfolge des Hauses Avesnes anerkennen;
ein Einfall kaiserlicher Söldner in Thüringen und Meißen, [* 2] um diese von seinem Vorgänger erkauften Lande in Besitz zu nehmen, ward von den Brüdern Friedrich und Diezmann siegreich zurückgewiesen;
in Böhmen [* 3] ward zwar 1306 nach dem Erlöschen des Hauses der Przemysliden von einem Teil der Stände sein Sohn Rudolf zum König erwählt, aber als dieser schon 1307 starb, übertrug die den Habsburgern feindliche Mehrheit dem Herzog Heinrich von Kärnten die Krone.
Ehe Albrecht die Unterwerfung der Fürsten vollenden und das bei seinem Streben, die habsburgischen Lande zu vermehren, erlittene Mißgeschick ausgleichen konnte, ward er bei einem Besuch in der Schweiz, [* 4] angesichts der Stammburg seines Hauses, ermordet; der Mörder war sein Neffe Johann von Schwaben (Parricida), der, durch vermeintliche Zurücksetzung gegen seinen Oheim erbittert, von dem Erzbischof von Mainz, [* 5] Peter von Aspelt, und andern Fürsten zu der Frevelthat angestachelt worden war.
Erzbischof Peter beeilte sich, den Gewinn des Mordes den Fürsten zu sichern, indem er die Nachfolge eines Habsburgers verhinderte und im Einverständnis mit Balduin von Trier [* 6] die Wahl der Kurfürsten auf Balduins Bruder, den Grafen Heinrich von Luxemburg, [* 7] lenkte. Zwar benutzte der neue König, Heinrich VII., seine Stellung mit Erfolg dazu, seinem Haus eins der bedeutendsten Fürstentümer des Reichs als Hausmacht zuzuwenden, indem er seinen Sohn Johann mit der przemyslidischen Prinzessin Elisabeth vermählte und mit Hilfe der Kurfürsten und eines Teils der böhmischen Stände Heinrich von Kärnten aus Böhmen verdrängte (1310). Aber sein Streben ging weiter: schwungvoll und phantastisch, gedachte er die alte Kaisermacht wiederherzustellen und als oberster Schiedsrichter der Christenheit der Welt den ersehnten Frieden zurückzugeben;
seine erhabene Würde und sein reiner, edler Wille, glaubte er, würden genügen, um dies Ziel zu erreichen. So zog er, von einem stattlichen Gefolge von Reichsfürsten umgeben, 1310 über die Alpen [* 8] nach Italien, [* 9] das seit der staufischen Zeit kein Kaiser betreten hatte, und wo ihn die ghibellinische Partei, an ihrer Spitze Dante, freudig begrüßte;
denn Italien war durch den unversöhnlichen Parteihader der Guelfen und Ghibellinen verwirrt und verwüstet und sehnte sich nach einem kraftvollen Herrscher, der das politisch zerrüttete Land einigte.
Anfangs nicht ohne Erfolg, ward Heinrich VII. mit der lombardischen Königskrone gekrönt und empfing auch 1312 im Lateran zu Rom [* 10] die Kaiserkrone. Aber als er, statt sich zu einem Werkzeug der ghibellinischen Partei zu machen, die Idee eines über allen Parteien stehenden Kaisertums durchzuführen versuchte, verbanden sich die in ihren selbstsüchtigen Hoffnungen Getäuschten mit den unversöhnten Guelfen; an ihre Spitze trat König Robert von Neapel, [* 11] und auch der Papst Clemens V., der anfangs Heinrichs Unternehmen begünstigt, schleuderte den Bann gegen ihn. Unter den Vorbereitungen eines Feldzugs gegen Neapel starb der Kaiser 1313 in Buonconvento bei Siena. Sein Unternehmen hatte nur dazu gedient, die Opposition der Italiener gegen die deutsche Fremdherrschaft wieder zu erwecken, und die Unmöglichkeit des alten Kaisertums dargethan.
Nach Heinrichs VII. frühem Tod betrieben die Habsburger ihre Bewerbung um den deutschen Thron [* 12] mit um so größerm Eifer, als die Festsetzung der Luxemburger in Böhmen ihrer Herrschaft in Österreich [* 13] gefährlich zu werden drohte. Albrechts ältester Sohn, Friedrich der Schöne, gewann auch einen Teil der Wahlfürsten, Kurköln, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten als Prätendenten der böhmischen Krone, für sich. Die luxemburgische Partei, voran Balduin von Trier und Peter von Mainz, denen sich Brandenburg [* 14] und Sachsen-Lauenburg anschlossen, stellte Herzog Ludwig von Bayern [* 15] als ihren Kandidaten auf, da König Johann von Böhmen zu jung war und auf den Widerwillen der Kurfürsten, die Krone sich vererben zu lassen, stieß. Friedrich wurde im Oktober 1314 von seinen Anhängern in Sachsenhausen, Ludwig von den seinigen gleichzeitig in Frankfurt [* 16] gewählt. Nur Waffengewalt konnte zwischen den beiden Nebenbuhlern entscheiden. Nachdem die habsburgische Partei im Kampf gegen die Schweizer bei Morgarten 1315 einen empfindlichen Schlag erlitten, erlag König Friedrich in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf seinem Gegner und geriet selbst in dessen Gefangenschaft.
Ludwig der Bayer (1314-46) war jetzt in Deutschland [* 17] Alleinherrscher. Allerdings setzte Friedrichs stolzer Bruder, Herzog Leopold von Österreich, den Kampf fort und gewann den König von Frankreich, dem er die Aussicht auf die deutsche Krone eröffnete, und der vor allem seine Macht in Burgund auf Kosten des Reichs erweiterte, sowie den Papst Johann XXII. für sich. Letzterer beanspruchte sogar die Entscheidung des deutschen Thronstreits und verhängte, als Ludwig sich weigerte, die durch die Waffen [* 18] eroberte Krone der Gnade des Papstes preiszugeben, über diesen den Bann, über Deutschland das Interdikt. Indes durch direkte Verständigung zwischen Ludwig und Friedrich (1325) und den frühen Tod Leopolds (1326) wurde der innere Zwist in Deutschland dahin geschlichtet, daß Friedrich gegen den Verzicht auf die Kaiserkrone und auf Italien in Deutschland eine Mitregentschaft eingeräumt wurde, die bis zu seinem Tod (1330) dauerte.
Ermutigt durch die allgemeine Opposition in Deutschland gegen das anmaßende, übereilte Verfahren des Papstes, der sich sogar der einflußreiche Franziskanerorden anschloß, nahm Ludwig den Kampf mit dem Papsttum auf. Mit einem kleinen Söldnerheer zog er 1327 nach Italien, wo ihn die Ghibellinen anfangs unterstützten, empfing 1328 in Rom die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes und erhob, nachdem er Johann XXII. als Hochverräter und Ketzer hatte absetzen lassen, einen frommen Minoritenmönch als Nikolaus V. auf den Stuhl Petri.
Aber Ludwigs Ungeschick und die übermäßige Begehrlichkeit seiner Anhänger führten bald zu einem Zwist mit demselben, der den Kaiser auf einmal aller Macht beraubte und ihn zwang, einen fast fluchtähnlichen Rückzug nach Deutschland anzutreten. In dem weitern Streit mit den durch Frankreichs Schutz gesicherten Päpsten benahm er sich mutlos und schwankend und verscherzte durch diese Haltung seinen Ruhm und sein Ansehen. Erst als die Kurfürsten (mit Ausnahme Böhmens) sich zur Zurückweisung der päpstlichen Anmaßung ermannten, die um so unwürdiger war, als der Papst ganz in der Gewalt des französischen Königs stand, und auf dem Kurverein zu Rhense erklärten, die Wahl der Kurfürsten, nicht die Bestätigung des Papstes mache den König, wagte es Ludwig, auf dem darauf folgenden Reichstag in Frankfurt 8. Aug. mit Zustimmung der zahlreich versammelten Reichsstände feierlich zu erklären, daß die ¶
Deutschland beim Tode Karls IV.
1378.
Umfang des Römisch-Deutschen Reichs.
Luxemburgische Lande
Habsburgische Lande
Wittelsbachische Lande
Wettinische Lande
Anhaltinische Lande
Hohenzollersche Lande
Welfische Lande
Geistliches Gebiet
Reichstädtisches Gebiet
B. Markgrafschaft Baden [* 22]
DO. Deutschordensgebiet
E. Bistum Eichstedt
GK. Grafschaft Geroldseck
GZ. Grafschaft Görz [* 24]
H. Grafschaft Hanau [* 25]
HB. Grafschaft Hohenberg
HI. Bistum Hildesheim [* 26]
L. Burggrafschaft Leisnig
LB. Landgrafschaft Leuchtenberg
LI. Herrschaft Lichtenberg
LX. Herzogtum Luxemburg
MEI. Burggrafschaft Meißen
MZ. Erzbistum Mainz
N. Grafschaft Namur [* 30]
PF. Kurpfalz
T. Erzbistum Trier
WE. Grafschaft Werdenberg
WL. Grafschaft Wirtemberg
A. AB. AEI = Abtei
B. BM. = Bistum
BGFT. = Burggrafschaft
EB. EBM. ERZBM. = Erzbistum
ERZH. = Erzherzogtum
FM. FT. FT. = Fürstentum
GF. GF. GFT. = Grafschaft
HFT. HF. HS. = Herrschaft
HZTM. HZ. HZM. = Herzogtum
KGR. = Königreich
LGFT. = Landgrafschaft
MK. MK. MKGFT. MGFT. = Markgrafschaft
Die mit den Territorien übereinstimmenden Ortsnamen sind unterstrichen.
Zum Artikel »Deutschland«. ¶
mehr
kaiserliche Würde unmittelbar von Gott allein herstamme, und daß der von den Kurfürsten Erwählte sofort und durch die Wahl allein König und Kaiser werde, folglich der Anerkennung und Bestätigung des apostolischen Stuhls nicht bedürfe. Aber bald geriet Ludwig durch die übermäßige Erweiterung seiner Hausmacht mit den Fürsten in Konflikt. Schon 1323 war es ihm gelungen, für seine Familie ein mächtiges Fürstentum zu gewinnen, indem er nach dem Aussterben der Askanier (1320) die Mark Brandenburg seinem ältesten Sohn, Ludwig, übertrug; dann hatte er sich in zweiter Ehe mit der Erbin von Holland, Zeeland, Friesland und Hennegau vermählt und mit diesen Landen seinen zweiten Sohn belehnt; 1341 erklärte er ferner die in seiner Hand [* 35] vereinigten Herzogtümer Ober- und Niederbayern für unteilbar.
Damit nicht zufrieden, vermählte er 1342, um Tirol [* 36] zu erwerben, die Gräfin Margarete Maultasch, Erbin von Tirol und Kärnten, mit seinem Sohne, nachdem er ihre erste Ehe mit Johann Heinrich von Luxemburg, einem Sohn Johanns von Böhmen, eigenmächtig getrennt hatte. Diese Ländergier empörte die Fürsten, sein Eingriff in kirchliche Rechte zog ihm von neuem den päpstlichen Bann zu. Auf Antrieb des Papstes vereinigten sich fünf Kurfürsten 1346 in Rhense zur Absetzung Ludwigs und zur Wahl Karls von Luxemburg, welcher die Ansprüche des Papstes wieder in weitestem Umfang anerkannte.
Ludwig war zwar gewillt, seine Krone mit Gewalt zu verteidigen, starb jedoch schon 1347. Sein Sohn Ludwig von Brandenburg setzte den Widerstand gegen Karl noch eine Zeitlang fort und stellte in Günther von Schwarzburg [* 37] einen Gegenkönig auf. Indes das Auftreten des falschen Waldemar in Brandenburg, den Karl anzuerkennen nicht säumte, bewog ihn zu einer Verständigung mit den Luxemburgern. Günther starb, nachdem er gegen 22,000 Mk. Silber auf seine Kronansprüche verzichtet, bereits 1349.
So war nun Karl IV. (1346-78) unbestrittener Herr in Deutschland, das jedoch von der Herstellung des innern Friedens nicht viel Vorteil zog, da es gerade damals von einer furchtbaren Pest, dem Schwarzen Tode, der namentlich am Rhein wütete, heimgesucht wurde. Karl unternahm 1355 eine Romfahrt, um sich von einem Kardinal zum Kaiser krönen zu lassen, mußte sich aber gegen den Papst verpflichten, sofort nach der Krönung Rom zu verlassen; den Rest der Reichsrechte in Italien wahrte er nicht, sondern er verkaufte ihn an die Städte und Dynasten. In Deutschland suchte er eine festere oligarchische Verfassung zu begründen, indem er nach längern Verhandlungen mit den Reichsständen 1356 auf dem Reichstag zu Metz die Goldene Bulle (s. d.), das erste umfassende Reichsgrundgesetz, erließ.
Durch diese wurde einmal das bestehende Wahlrecht gesetzlich anerkannt: die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln und die weltlichen Fürsten von Sachsen-Wittenberg, Pfalz, Böhmen und Brandenburg wurden als Kurfürsten bestätigt, womit dem Streit in den Häusern Wittelsbach und Sachsen [* 38] über die Führung der Kurstimme ein Ende gemacht wurde, und, um fernern Streitigkeiten vorzubeugen, bestimmt, daß fortan diejenigen Lande, an denen die Kurstimme haftete, unteilbar und nach dem Rechte der Erstgeburt erblich sein sollten. Die Wahl sollte durch die Majorität der Stimmen entschieden werden; des Papstes und seines angeblichen Bestätigungsrechts ward nicht Erwähnung gethan. Wahlstadt sollte Frankfurt, Krönungsstadt Aachen [* 39] sein. Alljährlich sollten die Kurfürsten mit dem Kaiser zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten zusammenkommen.
Die oligarchische Verfassung, zu welcher durch die Goldene Bulle der Grund gelegt war, und wonach die eigentliche Leitung des Reichs dem Kurfürstenkollegium zufiel, während der Kaiser auf Ehrenrechte beschränkt wurde, hätte segensreich für Deutschland werden und namentlich den Landfrieden fest und dauernd begründen können. Indes auch dazu kam es nicht. Der Kaiser entschlug sich doch in den wichtigsten Dingen des Beirats der Kurfürsten, diese verfolgten meist nur ihre eigennützigen Interessen, und ihre Privilegien reizten die übrigen Stände, sich auch in Besitz dieser bevorzugten Stellung zu setzen, was ihnen teilweise gelang.
Karl IV. widmete seine Regententhätigkeit fast ausschließlich seinen Erblanden, und durch eine umsichtige Finanzverwaltung erzielte er in der Hebung [* 40] ihres Wohlstandes und ihrer Kultur und in ihrer Vermehrung bedeutende Erfolge. Böhmen wurde ein blühendes, gewerbthätiges Land, in Prag, [* 41] das er durch herrliche Bauten schmückte, stiftete er 1348 die erste deutsche Universität. 1353 erwarb er einen Teil der Oberpfalz, bald darauf die Lehnshoheit über ganz Schlesien [* 42] und die Reichsstadt Eger [* 43] mit ihrem Gebiet, 1363 zu der schon früher mit Böhmen vereinigten Oberlausitz auch die Niederlausitz; 1373 endlich kaufte er von dem wittelsbachischen Markgrafen Otto die Mark Brandenburg, welche er formell seinem Sohn Wenzel übertrug, thatsächlich aber selbst regierte. So vereinigte er im Osten Deutschlands [* 44] ein zusammenhängendes Gebiet unter seiner Herrschaft, das von der Donau bis fast an die Ostsee reichte.
Aber noch weiter reichten seine Blicke. Er faßte auch die Erwerbung der Königreiche Polen und Ungarn [* 45] für sein Haus ins Auge, [* 46] indem er mit Ludwig d. Gr. Verhandlungen anknüpfte über eine Vermählung seines Sohns Siegmund mit dessen Erbtochter. Er plante also die Bildung eines großen luxemburgischen Reichs im Osten Europas. Dagegen gab er das Königreich Burgund völlig preis, indem er durch Ernennung des französischen Dauphins zum Generalvikar des burgundisch-arelatischen Königreichs (1377) die Verbindung desselben mit Deutschland löste.
Karls mit so überraschendem Erfolg geschaffenes Werk ging freilich unter seinem Nachfolger wieder zu Grunde. Wenzel (1378-1400), gegen die Bestimmung der Goldenen Bulle noch bei Lebzeiten des Vaters gewählt, wußte die Einheit des luxemburgischen Hauses nicht aufrecht zu erhalten. Sein Oheim, Markgraf Jobst von Mähren, und sein Bruder Siegmund, der die Mark Brandenburg erhielt und später durch seine Heirat mit Ludwigs d. Gr. Tochter Maria das Königreich Ungarn erwarb, standen Wenzel nicht nur nicht zur Seite, sondern halfen seine Macht in Böhmen schwächen, indem sie sich mit den aufrührerischen Ständen gegen ihn verbündeten; Wenzel geriet einige Zeit in deren Gefangenschaft und mußte 1401 die Lausitz an Jobst abtreten.
Nicht einmal in seinen Erblanden Herr, war Wenzel natürlich noch weniger in Deutschland im stande, sein Ansehen zu behaupten. Anfangs zeigte er die Absicht, die Aufrechterhaltung des Landfriedens zu sichern, und veranlaßte auf den Reichstagen zu Nürnberg [* 47] (1383) und Heidelberg [* 48] (1384) dahin zielende Beschlüsse. Aber ihre Durchführung gegenüber dem Widerstreben aller Stände war ihm nicht möglich. Je weniger bisher die Reichsgewalt die niedern Stände, die Städte und die Ritter, berücksichtigt hatte, desto mehr sträubten sich diese, sich ihrer Autorität zu unterwerfen und die selbständige Verfolgung ihrer Sonderinteressen auf Reichsgebot einzustellen. Wie im Norden [* 49] der Städtebund der Hansa allein durch eigne Kraft, [* 50] ohne Hilfe ¶