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Kulturentwickelung gerichteten Schwung in den Geistern verdankt Deutschland [* 2] der Größe und dem Glanz des Staufergeschlechts, dessen Herrschaft durch diese geistige Einwirkung überdauert wurde, und das gerade in dieser idealen Richtung noch jahrhundertelang wirksam fortgelebt hat.
Deutschland unter der Herrschaft verschiedener Kaiserhäuser. 1273-1410.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland II«.)
Als im J. 1272 Richard von Cornwallis gestorben und, da Alfons von Kastilien sich nie um Deutschland kümmerte, der deutsche Thron [* 3] erledigt war, erkannten die Wahlfürsten doch die Notwendigkeit der Neuwahl eines Königs, der Deutschland vor Zersplitterung bewahren, und unter dessen Schutz sie selbst ihre herrschende Stellung befestigen konnten. Auf die Anregung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg [* 4] wählten sie im September 1273 den Grafen Rudolf von Habsburg, einen tapfern, klugen Fürsten aus einem alten, am Oberrhein reichbegüterten, aber im Vergleich zu den Häuptern der deutschen Aristokratie nicht sehr mächtigen Geschlecht.
Die Absicht der Wahlfürsten dabei war, daß fortan der König zwar Sicherheit des Rechts und Frieden im Innern des Reichs herstellen und erhalten, nach außen die Rechte seiner Krone wahrnehmen, aber dabei von den Fürsten stets abhängig sein solle. Der König mußte allerdings von vornherein darauf verzichten, die kaiserliche Macht in dem Umfang, wie die Sachsen [* 5] und Salier sie besessen, die Staufer noch beansprucht hatten, auszuüben. Die Reichsgüter, welche seinen Vorgängern zu Gebote gestanden, waren verloren gegangen, die alten königlichen Rechte des obersten Gerichts, des Heerbannes, der Zölle in den Besitz der Fürsten gekommen, welchen sie nicht mehr streitig gemacht werden konnten, und die Fürstentümer durch die Erweiterung des Erbrechts fast ganz der Verfügung des Königs entzogen.
Als materielle Grundlage seiner Herrschergewalt blieb ihm allein sein eigner fürstlicher Besitz, seine Hausmacht. Diese nun durch geschickte Benutzung des Restes kaiserlicher Befugnisse zu vergrößern und so das Ansehen und die Macht der Krone wieder zu erhöhen, war das Streben Rudolfs und seiner Nachfolger. Die Fürsten suchten dieser Gefahr einer Erstarkung der Königsgewalt durch ihre Begründung auf eine große Hausmacht dadurch zu begegnen, daß sie die Vererbung der Krone in Einem Geschlecht nicht aufkommen ließen, sondern kraft ihres unbeschränkten Wahlrechts immer neue Dynastien auf den Thron setzten.
Die rücksichtslose Anwendung dieses Wahlrechts, die so weit ausgedehnt wurde, daß sich die Kurfürsten auch das Recht der Absetzung eines Königs zusprachen, und die allzu eigennützige Politik gerade der Dynastien, welche die größte Hausmacht gewannen, haben dann bewirkt, daß das Kaisertum sich im Besitz auch seiner geschmälerten Rechte nicht dauernd befestigen konnte und Deutschlands [* 6] Staatsverfassung mehr und mehr einen oligarchischen Charakter annahm.
Rudolf I. (1273-91) gab zwar den Gedanken, in Italien [* 7] einzugreifen und die Kaiserkrone zu erwerben, nie ganz auf; aber er ließ ihn zunächst zurücktreten und verstand sich, um mit dem Papst in gutem Einvernehmen zu bleiben, dazu, die thatsächlichen Verhältnisse in Italien auch rechtlich anzuerkennen. Sein ganzes Augenmerk richtete er auf die Befestigung seiner Stellung in Deutschland selbst. Mit Nachdruck forderte er die seit Friedrichs II. Absetzung (1245) entfremdeten Reichsrechte und Reichsgüter zurück.
Davon wurde vor allen König Ottokar von Böhmen [* 8] betroffen, der nach dem Erlöschen des babenbergischen Herzogshauses (1246) die Lande Österreich, [* 9] Steiermark, [* 10] Kärnten und Krain [* 11] an sich gerissen hatte und in stolzer Zuversicht auf seine Macht dem ohne sein Zuthun gewählten Rudolf die Huldigung verweigerte; noch weniger war er geneigt, Österreich herauszugeben. Mit geringer Heeresmacht (denn an ein Reichsaufgebot war nicht zu denken) zog Rudolf gegen ihn, eroberte mit Hilfe der österreichischen Ritter die babenbergischen Lande und schlug Ottokar 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld, in der der stolze Böhmenkönig selbst fiel.
Sein unmündiger Sohn Wenzel ward auf Böhmen und Mähren beschränkt; Österreich, Steiermark und Krain verlieh Rudolf mit Zustimmung der Kurfürsten seinen Söhnen Albrecht und Rudolf, während Kärnten Meinhard von Tirol [* 12] erhielt. So brachte der Kaiser große, blühende Fürstentümer an sein Geschlecht und begründete eine starke habsburgische Hausmacht. Nun widmete er sich der Herstellung des Landfriedens im südlichen und mittlern Deutschland und schritt mit rühmlicher Strenge gegen die wüsten Raubritter ein, deren mehrere am Galgen endeten, und deren Raubburgen in großer Zahl gebrochen wurden.
Die Erfolge konnten freilich bloß partielle und vorübergehende sein. Nur ein nachhaltiges, ungestörtes Wirken der obersten Reichsgewalt in dieser Richtung hätte geordnete Rechtszustände schaffen können. Gerade dies aber erreichte Rudolf nicht; es gelang ihm nicht, die Kurfürsten noch bei seinen Lebzeiten zur Wahl seines Sohns Albrecht zu vermögen. Diesen erschien die Macht des Hauses Habsburg, zumal in der Hand [* 13] eines so strengen, energischen Mannes wie Albrecht mit der deutschen Krone vereinigt, schon viel zu groß und für ihre Selbständigkeit gefährlich.
Nach Rudolfs Tod wählten die Fürsten daher wieder einen kleinen Grafen, Adolf von Nassau (1292-98), zum König, nachdem sie, besonders Erzbischof Gerhard von Mainz, [* 14] ihn zu den drückendsten Zugeständnissen in Bezug auf das Zollrecht der rheinischen Fürsten verpflichtet hatten. Als jedoch Adolf sofort nach Erwerbung einer Hausmacht strebte und einen Familienzwist im wettinischen Fürstenhaus in gehässiger Weise benutzte, um von Albrecht dem Unartigen Thüringen und Meißen [* 15] für 12,000 Mk. Silber zu kaufen, als er, um diese Kaufsumme zu erlangen, sich gegen Hilfsgelder zur Beteiligung am Krieg Englands gegen Frankreich verpflichtete, als ferner sein Versuch, die erkauften Lande zu besetzen, an dem mannhaften Widerstand der Söhne Albrechts, Friedrich und Diezmann, kläglich scheiterte, und als er endlich, um die Städte für sich zu gewinnen, sein bei der Wahl erteiltes Versprechen brach und die Rheinzölle freigab: da schritten die Kurfürsten dazu, Adolf förmlich zu entsetzen und Albrecht von Österreich zu wählen. Adolf fiel im Kampf gegen seinen Gegner bei Göllheim
Klug, zäh und rücksichtslos in der Wahl seiner Mittel, war der neue König, Albrecht I. (1298-1308), vor allem bemüht, die übermütigen rheinischen Erzbischöfe zu unterdrücken. Er wagte gegen sie einen offenen Kampf, als sie mit Absetzung drohten, und errang den Sieg; er that nun die Rheinzölle wieder ab, um die Städte zu fördern, schirmte den Landfrieden, suchte in den Landständen eine Stütze gegen die Fürstengewalt zu gewinnen, ja er trat mit Papst Bonifacius VIII. in Verbindung, damit derselbe aus päpstlicher Machtvollkommenheit den Kurfürsten das Wahlrecht nehme und die deutsche Krone für erblich erkläre. Indessen Bonifacius VIII. wurde schon 1303 vom französischen König Philipp IV. gestürzt, und seine Nachfolger ¶
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gerieten ganz unter französischen Einfluß. Die Versuche Albrechts, seine Hausmacht zu vergrößern, scheiterten alle: in Holland und Zeeland, die er für eröffnete Lehen erklären und seinen Söhnen übertragen wollte, mußte er die weibliche Nachfolge des Hauses Avesnes anerkennen;
ein Einfall kaiserlicher Söldner in Thüringen und Meißen, um diese von seinem Vorgänger erkauften Lande in Besitz zu nehmen, ward von den Brüdern Friedrich und Diezmann siegreich zurückgewiesen;
in Böhmen ward zwar 1306 nach dem Erlöschen des Hauses der Przemysliden von einem Teil der Stände sein Sohn Rudolf zum König erwählt, aber als dieser schon 1307 starb, übertrug die den Habsburgern feindliche Mehrheit dem Herzog Heinrich von Kärnten die Krone.
Ehe Albrecht die Unterwerfung der Fürsten vollenden und das bei seinem Streben, die habsburgischen Lande zu vermehren, erlittene Mißgeschick ausgleichen konnte, ward er bei einem Besuch in der Schweiz, [* 17] angesichts der Stammburg seines Hauses, ermordet; der Mörder war sein Neffe Johann von Schwaben (Parricida), der, durch vermeintliche Zurücksetzung gegen seinen Oheim erbittert, von dem Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, und andern Fürsten zu der Frevelthat angestachelt worden war.
Erzbischof Peter beeilte sich, den Gewinn des Mordes den Fürsten zu sichern, indem er die Nachfolge eines Habsburgers verhinderte und im Einverständnis mit Balduin von Trier [* 18] die Wahl der Kurfürsten auf Balduins Bruder, den Grafen Heinrich von Luxemburg, [* 19] lenkte. Zwar benutzte der neue König, Heinrich VII., seine Stellung mit Erfolg dazu, seinem Haus eins der bedeutendsten Fürstentümer des Reichs als Hausmacht zuzuwenden, indem er seinen Sohn Johann mit der przemyslidischen Prinzessin Elisabeth vermählte und mit Hilfe der Kurfürsten und eines Teils der böhmischen Stände Heinrich von Kärnten aus Böhmen verdrängte (1310). Aber sein Streben ging weiter: schwungvoll und phantastisch, gedachte er die alte Kaisermacht wiederherzustellen und als oberster Schiedsrichter der Christenheit der Welt den ersehnten Frieden zurückzugeben;
seine erhabene Würde und sein reiner, edler Wille, glaubte er, würden genügen, um dies Ziel zu erreichen. So zog er, von einem stattlichen Gefolge von Reichsfürsten umgeben, 1310 über die Alpen [* 20] nach Italien, das seit der staufischen Zeit kein Kaiser betreten hatte, und wo ihn die ghibellinische Partei, an ihrer Spitze Dante, freudig begrüßte;
denn Italien war durch den unversöhnlichen Parteihader der Guelfen und Ghibellinen verwirrt und verwüstet und sehnte sich nach einem kraftvollen Herrscher, der das politisch zerrüttete Land einigte.
Anfangs nicht ohne Erfolg, ward Heinrich VII. mit der lombardischen Königskrone gekrönt und empfing auch 1312 im Lateran zu Rom [* 21] die Kaiserkrone. Aber als er, statt sich zu einem Werkzeug der ghibellinischen Partei zu machen, die Idee eines über allen Parteien stehenden Kaisertums durchzuführen versuchte, verbanden sich die in ihren selbstsüchtigen Hoffnungen Getäuschten mit den unversöhnten Guelfen; an ihre Spitze trat König Robert von Neapel, [* 22] und auch der Papst Clemens V., der anfangs Heinrichs Unternehmen begünstigt, schleuderte den Bann gegen ihn. Unter den Vorbereitungen eines Feldzugs gegen Neapel starb der Kaiser 1313 in Buonconvento bei Siena. Sein Unternehmen hatte nur dazu gedient, die Opposition der Italiener gegen die deutsche Fremdherrschaft wieder zu erwecken, und die Unmöglichkeit des alten Kaisertums dargethan.
Nach Heinrichs VII. frühem Tod betrieben die Habsburger ihre Bewerbung um den deutschen Thron mit um so größerm Eifer, als die Festsetzung der Luxemburger in Böhmen ihrer Herrschaft in Österreich gefährlich zu werden drohte. Albrechts ältester Sohn, Friedrich der Schöne, gewann auch einen Teil der Wahlfürsten, Kurköln, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten als Prätendenten der böhmischen Krone, für sich. Die luxemburgische Partei, voran Balduin von Trier und Peter von Mainz, denen sich Brandenburg [* 23] und Sachsen-Lauenburg anschlossen, stellte Herzog Ludwig von Bayern [* 24] als ihren Kandidaten auf, da König Johann von Böhmen zu jung war und auf den Widerwillen der Kurfürsten, die Krone sich vererben zu lassen, stieß. Friedrich wurde im Oktober 1314 von seinen Anhängern in Sachsenhausen, Ludwig von den seinigen gleichzeitig in Frankfurt [* 25] gewählt. Nur Waffengewalt konnte zwischen den beiden Nebenbuhlern entscheiden. Nachdem die habsburgische Partei im Kampf gegen die Schweizer bei Morgarten 1315 einen empfindlichen Schlag erlitten, erlag König Friedrich in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf seinem Gegner und geriet selbst in dessen Gefangenschaft.
Ludwig der Bayer (1314-46) war jetzt in Deutschland Alleinherrscher. Allerdings setzte Friedrichs stolzer Bruder, Herzog Leopold von Österreich, den Kampf fort und gewann den König von Frankreich, dem er die Aussicht auf die deutsche Krone eröffnete, und der vor allem seine Macht in Burgund auf Kosten des Reichs erweiterte, sowie den Papst Johann XXII. für sich. Letzterer beanspruchte sogar die Entscheidung des deutschen Thronstreits und verhängte, als Ludwig sich weigerte, die durch die Waffen [* 26] eroberte Krone der Gnade des Papstes preiszugeben, über diesen den Bann, über Deutschland das Interdikt. Indes durch direkte Verständigung zwischen Ludwig und Friedrich (1325) und den frühen Tod Leopolds (1326) wurde der innere Zwist in Deutschland dahin geschlichtet, daß Friedrich gegen den Verzicht auf die Kaiserkrone und auf Italien in Deutschland eine Mitregentschaft eingeräumt wurde, die bis zu seinem Tod (1330) dauerte.
Ermutigt durch die allgemeine Opposition in Deutschland gegen das anmaßende, übereilte Verfahren des Papstes, der sich sogar der einflußreiche Franziskanerorden anschloß, nahm Ludwig den Kampf mit dem Papsttum auf. Mit einem kleinen Söldnerheer zog er 1327 nach Italien, wo ihn die Ghibellinen anfangs unterstützten, empfing 1328 in Rom die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes und erhob, nachdem er Johann XXII. als Hochverräter und Ketzer hatte absetzen lassen, einen frommen Minoritenmönch als Nikolaus V. auf den Stuhl Petri.
Aber Ludwigs Ungeschick und die übermäßige Begehrlichkeit seiner Anhänger führten bald zu einem Zwist mit demselben, der den Kaiser auf einmal aller Macht beraubte und ihn zwang, einen fast fluchtähnlichen Rückzug nach Deutschland anzutreten. In dem weitern Streit mit den durch Frankreichs Schutz gesicherten Päpsten benahm er sich mutlos und schwankend und verscherzte durch diese Haltung seinen Ruhm und sein Ansehen. Erst als die Kurfürsten (mit Ausnahme Böhmens) sich zur Zurückweisung der päpstlichen Anmaßung ermannten, die um so unwürdiger war, als der Papst ganz in der Gewalt des französischen Königs stand, und auf dem Kurverein zu Rhense erklärten, die Wahl der Kurfürsten, nicht die Bestätigung des Papstes mache den König, wagte es Ludwig, auf dem darauf folgenden Reichstag in Frankfurt 8. Aug. mit Zustimmung der zahlreich versammelten Reichsstände feierlich zu erklären, daß die ¶