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erkauft, denen er landeshoheitliche Gewalt in ihren Territorien einräumte und die niedern Stände, besonders die Städte, preisgab, und hing ganz von deren gutem Willen ab. Als sie sich dazu verstanden, den zweiten Sohn des Kaisers, Konrad, zum deutschen König zu wählen, sicherten sie sich die Unverletzlichkeit ihrer Rechte durch einen feierlichen Wahlvertrag. Als daher der Kaiser, nach Italien [* 2] zurückgekehrt, die Unterwerfung Oberitaliens begann, aber darüber wieder mit dem Papst in Streit geriet und, während er gegen die lombardischen Städte mit Aufbietung aller Kräfte, aber ohne entscheidenden Erfolg rang, erst in den Bann gethan, dann 1245 auf dem Konzil zu Lyon [* 3] von Innocenz IV. förmlich abgesetzt wurde, gehorchte ein Teil der Fürsten dem päpstlichen Befehl, einen neuen König zu wählen, und setzte erst Heinrich Raspe von Thüringen (1246-47), dann Wilhelm von Holland (1248-56) die Krone auf.
Nur einen kleinen Teil Deutschlands [* 4] behauptete Konrad in heftigen Kämpfen mit den Gegenkönigen. Auf die Kunde von dem Tod Friedrichs, der 1250, wütend verfolgt von der Kirche und von den schmerzlichsten Schicksalsschlägen niedergeschmettert, zu Fiorentino in Apulien starb, eilte Konrad IV. (1250-54), Deutschland [* 5] preisgebend, nach Italien, um sein sizilisches Erbreich zu retten. Aber er starb schon 1254. In erbittertem Ringen mit dem unversöhnlichen Papsttum, das den französischen Prinzen Karl von Anjou zu Hilfe rief, unterlag der edle Manfred, Friedrichs natürlicher Sohn, nach kurzem Glück und verlor 1266 bei Benevent Sieg und Leben. Konrads IV. Sohn Konradin, der letzte Staufer, büßte den Versuch, sein Erbreich den Franzosen zu entreißen, mit dem Tode durch das Henkerbeil (1268).
Während dieser erschütternden Ereignisse, die dem Untergang des glänzendsten Herrschergeschlechts vorausgingen, drohte auch das deutsche Königtum ganz zu Grunde zu gehen. Zwar ward nach dem Tod Wilhelms von Holland (1256) eine Neuwahl vorgenommen: die welfische Partei wählte den reichen englischen Prinzen Richard von Cornwallis, die staufische den König Alfons von Kastilien;
doch kam dieser nie nach Deutschland, jener nur einige Male, um Königsrechte an seine Anhänger zu verschleudern.
Eine monarchische Gewalt bestand thatsächlich nicht, und daher heißt diese Zeit das Interregnum (1254-1273). Die landesherrlichen Gewalten (Territorien) gelangten zu fast völliger Unabhängigkeit und vereinigten alle Regierungsrechte in ihrer Hand. [* 6] Unter den Reichsfürsten nahmen diejenigen eine hervorragende Stellung ein, auf welche sich allmählich das Recht, den König zu wählen, beschränkt hatte, die sieben Wahl- oder Kurfürsten; es waren das die Inhaber der alten Erzämter, die drei Erzbischöfe von Mainz, [* 7] Köln [* 8] und Trier [* 9] als Erzkanzler Deutschlands, Italiens [* 10] und Burgunds, der König von Böhmen [* 11] als Erzschenk (doch wurde die böhmische Kurstimme noch lange angefochten und von Bayern [* 12] beansprucht), der Herzog von Sachsen [* 13] als Erzmarschall, der Pfalzgraf vom Rhein als Erztruchseß und der Markgraf von Brandenburg [* 14] als Erzkämmerer.
Die Wahlfürsten waren bei der Kaiserwahl an kein Erbfolgerecht mehr gebunden; das Herkommen, welches früher den Mitgliedern oder Verwandten des herrschenden Geschlechts ein gewisses Anrecht verlieh, das ohne triftige Gründe nicht verletzt wurde, war in den Stürmen der letzten Zeit untergegangen. Neben den geistlichen und weltlichen Fürsten behaupteten noch eine große Zahl von Grafen und Rittern ihre Reichsunmittelbarkeit, und trotz der Ungunst der Zeiten und der geringen Unterstützung von seiten der Reichsgewalt erlangten etwa 60 Städte besonders im Süden und Westen des Reichs die Stellung von unabhängigen Gemeinwesen, die, nur dem Kaiser unterthan, sich ganz frei selbst verwalteten und in ihrem Gebiet die landeshoheitlichen Rechte ausübten.
Der Selbständigkeitstrieb im deutschen Volk zeigte sich so mächtig, daß in den Gebieten selbst der mächtigen Reichsfürsten Adel, Geistlichkeit und Städte, die Landstände, nach möglichst großer Ungebundenheit und Freiheit strebten und sich den Geboten der Territorialgewalt ebensowenig fügten wie die Reichsstände den kaiserlichen. Namentlich das Fehderecht, d. h. das Recht, ohne Rücksicht auf den Landfrieden nach ordnungsmäßiger Aufkündigung des Friedens sich mit gewaffneter Hand zu dem angesprochenen Recht zu verhelfen, nahmen gleich den Reichsfürsten auch die niedern Reichs- und die Landstände in Anspruch, und der Ritterstand, seit dem Untergang der Staufer und dem Ende der Kreuzzüge nicht mehr im Dienst großer, idealer Unternehmungen beschäftigt, verwilderte gänzlich durch den Mißbrauch dieses Fehderechts zu rohen Plünderungs- und Raubzügen. Das »vom Stegreif leben« ward ritterliches Handwerk und das Faustrecht das Zeichen der Zeit.
Indes trotz des Mangels einer gesetzlichen, durch berufene Organe energisch aufrecht erhaltenen Ordnung im Reich und trotz des schmählichen Zusammenbruchs der einst so stolzen Kaisermacht entwickelte das deutsche Volk eine so strotzende Kraft, [* 15] ein so reges geistiges und materielles Leben, daß jene Zeit in mehrfacher Hinsicht als ein Höhepunkt in der deutschen Volksgeschichte bezeichnet werden darf. Derselbe Selbständigkeitstrieb, welcher die Begründung einer geschlossenen Staatsordnung verhinderte, verlieh dem Einzelnen die Energie, sich selbst zu helfen und durch die eigne Kraft allein oder im Bund mit andern schwere Gefahren von Deutschland abzuwehren.
Die Städte schufen sich, unbeirrt durch die Feindseligkeiten der Reichsfürsten und die Räubereien der Ritter, einen Handelsverkehr und eine Gewerbthätigkeit, welche den ganzen Norden [* 16] und Osten Europas beherrschten. Der vernichtende Einfall, mit dem 1241 die Mongolen nach der Bewältigung ganz Osteuropas das Reich bedrohten, wurde von einer Anzahl schlesischer und mährischer Fürsten unter Führung des Herzogs Heinrich von Liegnitz [* 17] in der Schlacht auf der Walstatt zurückgewiesen.
Das Gebiet rechts der Elbe, welches Friedrich II. 1212 Dänemark [* 18] preisgegeben, ward durch den Sieg norddeutscher Fürsten und Städte über König Waldemar 1227 bei Bornhövede demselben wieder entrissen und Holstein, Mecklenburg [* 19] und Pommern [* 20] für Deutschland und für die Germanisierung zurückgewonnen. Die Eroberung Preußens [* 21] durch den Deutschen Ritterorden und die Begründung blühender, mächtiger deutscher Kolonien in Kurland, [* 22] Livland und Esthland im Nordosten, in Siebenbürgen im Südosten erfolgten ohne jede direkte und materielle Unterstützung von Kaiser und Reich.
Während die Geistlichkeit die Wissenschaften pflegte, fertigten Laien die ersten umfassenden Rechtsaufzeichnungen (so den Sachsen-, später den Schwabenspiegel) an. Der Ritterstand schuf die Poesie des Minnegesangs, in welcher sich die feine höfische Bildung jener Zeit ausprägte, und die zuerst eine deutsche Schriftsprache künstlerisch ausbildete. In den Städten brachte die Baukunst [* 23] unvergängliche Werke in den herrlichen Domen hervor, welche die Schwesterkünste der Bildhauerkunst [* 24] und Malerei auszuschmücken strebten. Diese üppige Entwickelung und Tüchtigkeit der Volkskraft, diesen idealen, auf die höchsten Ziele der ¶
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Kulturentwickelung gerichteten Schwung in den Geistern verdankt Deutschland der Größe und dem Glanz des Staufergeschlechts, dessen Herrschaft durch diese geistige Einwirkung überdauert wurde, und das gerade in dieser idealen Richtung noch jahrhundertelang wirksam fortgelebt hat.
Deutschland unter der Herrschaft verschiedener Kaiserhäuser. 1273-1410.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland II«.)
Als im J. 1272 Richard von Cornwallis gestorben und, da Alfons von Kastilien sich nie um Deutschland kümmerte, der deutsche Thron [* 26] erledigt war, erkannten die Wahlfürsten doch die Notwendigkeit der Neuwahl eines Königs, der Deutschland vor Zersplitterung bewahren, und unter dessen Schutz sie selbst ihre herrschende Stellung befestigen konnten. Auf die Anregung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg [* 27] wählten sie im September 1273 den Grafen Rudolf von Habsburg, einen tapfern, klugen Fürsten aus einem alten, am Oberrhein reichbegüterten, aber im Vergleich zu den Häuptern der deutschen Aristokratie nicht sehr mächtigen Geschlecht.
Die Absicht der Wahlfürsten dabei war, daß fortan der König zwar Sicherheit des Rechts und Frieden im Innern des Reichs herstellen und erhalten, nach außen die Rechte seiner Krone wahrnehmen, aber dabei von den Fürsten stets abhängig sein solle. Der König mußte allerdings von vornherein darauf verzichten, die kaiserliche Macht in dem Umfang, wie die Sachsen und Salier sie besessen, die Staufer noch beansprucht hatten, auszuüben. Die Reichsgüter, welche seinen Vorgängern zu Gebote gestanden, waren verloren gegangen, die alten königlichen Rechte des obersten Gerichts, des Heerbannes, der Zölle in den Besitz der Fürsten gekommen, welchen sie nicht mehr streitig gemacht werden konnten, und die Fürstentümer durch die Erweiterung des Erbrechts fast ganz der Verfügung des Königs entzogen.
Als materielle Grundlage seiner Herrschergewalt blieb ihm allein sein eigner fürstlicher Besitz, seine Hausmacht. Diese nun durch geschickte Benutzung des Restes kaiserlicher Befugnisse zu vergrößern und so das Ansehen und die Macht der Krone wieder zu erhöhen, war das Streben Rudolfs und seiner Nachfolger. Die Fürsten suchten dieser Gefahr einer Erstarkung der Königsgewalt durch ihre Begründung auf eine große Hausmacht dadurch zu begegnen, daß sie die Vererbung der Krone in Einem Geschlecht nicht aufkommen ließen, sondern kraft ihres unbeschränkten Wahlrechts immer neue Dynastien auf den Thron setzten.
Die rücksichtslose Anwendung dieses Wahlrechts, die so weit ausgedehnt wurde, daß sich die Kurfürsten auch das Recht der Absetzung eines Königs zusprachen, und die allzu eigennützige Politik gerade der Dynastien, welche die größte Hausmacht gewannen, haben dann bewirkt, daß das Kaisertum sich im Besitz auch seiner geschmälerten Rechte nicht dauernd befestigen konnte und Deutschlands Staatsverfassung mehr und mehr einen oligarchischen Charakter annahm.
Rudolf I. (1273-91) gab zwar den Gedanken, in Italien einzugreifen und die Kaiserkrone zu erwerben, nie ganz auf; aber er ließ ihn zunächst zurücktreten und verstand sich, um mit dem Papst in gutem Einvernehmen zu bleiben, dazu, die thatsächlichen Verhältnisse in Italien auch rechtlich anzuerkennen. Sein ganzes Augenmerk richtete er auf die Befestigung seiner Stellung in Deutschland selbst. Mit Nachdruck forderte er die seit Friedrichs II. Absetzung (1245) entfremdeten Reichsrechte und Reichsgüter zurück.
Davon wurde vor allen König Ottokar von Böhmen betroffen, der nach dem Erlöschen des babenbergischen Herzogshauses (1246) die Lande Österreich, [* 28] Steiermark, [* 29] Kärnten und Krain [* 30] an sich gerissen hatte und in stolzer Zuversicht auf seine Macht dem ohne sein Zuthun gewählten Rudolf die Huldigung verweigerte; noch weniger war er geneigt, Österreich herauszugeben. Mit geringer Heeresmacht (denn an ein Reichsaufgebot war nicht zu denken) zog Rudolf gegen ihn, eroberte mit Hilfe der österreichischen Ritter die babenbergischen Lande und schlug Ottokar 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld, in der der stolze Böhmenkönig selbst fiel.
Sein unmündiger Sohn Wenzel ward auf Böhmen und Mähren beschränkt; Österreich, Steiermark und Krain verlieh Rudolf mit Zustimmung der Kurfürsten seinen Söhnen Albrecht und Rudolf, während Kärnten Meinhard von Tirol [* 31] erhielt. So brachte der Kaiser große, blühende Fürstentümer an sein Geschlecht und begründete eine starke habsburgische Hausmacht. Nun widmete er sich der Herstellung des Landfriedens im südlichen und mittlern Deutschland und schritt mit rühmlicher Strenge gegen die wüsten Raubritter ein, deren mehrere am Galgen endeten, und deren Raubburgen in großer Zahl gebrochen wurden.
Die Erfolge konnten freilich bloß partielle und vorübergehende sein. Nur ein nachhaltiges, ungestörtes Wirken der obersten Reichsgewalt in dieser Richtung hätte geordnete Rechtszustände schaffen können. Gerade dies aber erreichte Rudolf nicht; es gelang ihm nicht, die Kurfürsten noch bei seinen Lebzeiten zur Wahl seines Sohns Albrecht zu vermögen. Diesen erschien die Macht des Hauses Habsburg, zumal in der Hand eines so strengen, energischen Mannes wie Albrecht mit der deutschen Krone vereinigt, schon viel zu groß und für ihre Selbständigkeit gefährlich.
Nach Rudolfs Tod wählten die Fürsten daher wieder einen kleinen Grafen, Adolf von Nassau (1292-98), zum König, nachdem sie, besonders Erzbischof Gerhard von Mainz, ihn zu den drückendsten Zugeständnissen in Bezug auf das Zollrecht der rheinischen Fürsten verpflichtet hatten. Als jedoch Adolf sofort nach Erwerbung einer Hausmacht strebte und einen Familienzwist im wettinischen Fürstenhaus in gehässiger Weise benutzte, um von Albrecht dem Unartigen Thüringen und Meißen [* 32] für 12,000 Mk. Silber zu kaufen, als er, um diese Kaufsumme zu erlangen, sich gegen Hilfsgelder zur Beteiligung am Krieg Englands gegen Frankreich verpflichtete, als ferner sein Versuch, die erkauften Lande zu besetzen, an dem mannhaften Widerstand der Söhne Albrechts, Friedrich und Diezmann, kläglich scheiterte, und als er endlich, um die Städte für sich zu gewinnen, sein bei der Wahl erteiltes Versprechen brach und die Rheinzölle freigab: da schritten die Kurfürsten dazu, Adolf förmlich zu entsetzen und Albrecht von Österreich zu wählen. Adolf fiel im Kampf gegen seinen Gegner bei Göllheim
Klug, zäh und rücksichtslos in der Wahl seiner Mittel, war der neue König, Albrecht I. (1298-1308), vor allem bemüht, die übermütigen rheinischen Erzbischöfe zu unterdrücken. Er wagte gegen sie einen offenen Kampf, als sie mit Absetzung drohten, und errang den Sieg; er that nun die Rheinzölle wieder ab, um die Städte zu fördern, schirmte den Landfrieden, suchte in den Landständen eine Stütze gegen die Fürstengewalt zu gewinnen, ja er trat mit Papst Bonifacius VIII. in Verbindung, damit derselbe aus päpstlicher Machtvollkommenheit den Kurfürsten das Wahlrecht nehme und die deutsche Krone für erblich erkläre. Indessen Bonifacius VIII. wurde schon 1303 vom französischen König Philipp IV. gestürzt, und seine Nachfolger ¶