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Reformation der Kirche, die Heinrich III. unternommen, eifrig befördert und durch das Dekret Nikolaus' II. 1059, welches die Wahl der Päpste dem Kardinalskollegium übertrug und die Befugnis des Kaisers auf ein unbestimmtes, bald gänzlich mißachtetes Bestätigungsrecht beschränkte, die Unabhängigkeit des Papsttums erreicht. Als er 1073 selbst den Stuhl Petri bestieg, beschloß er, der Kirche als der allein sittlich berechtigten Macht in der Welt nicht bloß völlige Freiheit von aller weltlichen Gewalt zu verschaffen, sondern, da auch er an der Idee einer Weltherrschaft festhielt, die sich nur in der päpstlichen Hierarchie, nicht im Kaisertum verkörpern müsse, die Unterordnung aller weltlichen Gewalten, selbst der höchsten, unter das Papsttum durchzusetzen.
Durch das Gebot des Cölibats suchte er die Geistlichkeit vom Volk loszureißen und ganz an die Kirche zu fesseln. Die Einsetzung (Investitur, s. d.) der Bischöfe und Äbte wollte er nicht bloß durch strenges Verbot der Simonie von unerlaubter Vermischung mit egoistischen Motiven befreien, sondern beanspruchte sie als alleiniges Recht für die Kirche. Hiermit focht er nicht bloß die kaiserliche Oberhoheit an, sondern beeinträchtigte in einem wichtigen Punkte die Machtstellung des deutschen Königtums, das der hohen Geistlichkeit bedeutende weltliche Rechte und Besitzungen zugestanden hatte, welche die Bischöfe und Äbte den mächtigsten Reichsfürsten gleichstellten, dafür aber die Ernennung und Belehnung der geistlichen Reichsfürsten beanspruchte und auch bisher unbeanstandet vollzogen hatte.
Durch die Verletzung kaiserlicher Rechte in Oberitalien [* 2] von seiten Gregors schon längst gereizt, durch eine hochmütige Vorladung des Papstes an ihn, um sich wegen Simonie vor seinem Richterstuhl zu verantworten, und durch päpstliche Einmischung in die Angelegenheit der unterworfenen sächsischen Bischöfe aufs äußerste erbittert, nahm Heinrich IV. im Vollgefühl seines Siegs über die Sachsen [* 3] den Kampf gegen das Papsttum auf, indem er durch eine Synode deutscher Bischöfe in Worms [* 4] im Januar 1076 Gregor VII. absetzen ließ.
Dieser antwortete mit dem Bannstrahl, welcher den deutschen Fürsten den ersehnten Vorwand gab, von neuem vom König abzufallen und das drückende Joch einer starken Monarchie abzuschütteln. Mit Einem Schlag sah sich Heinrich der Früchte seines Siegs beraubt. Ebenso kleinmütig und verzagt im Unglück wie übermütig im Glück, ließ er es geschehen, daß die Fürsten im Oktober 1076 in Tribur über ihn zu Gericht saßen, und unterzog sich allen Demütigungen, um nur seine sofortige Absetzung zu verhindern.
Doch wurde dieselbe bloß aufgeschoben; auf einem Reichstag in Augsburg [* 5] im Februar 1077 sollte sie unter Vorsitz des Papstes erfolgen. Dies vereitelte Heinrich, indem er durch seine schimpfliche Buße zu Canossa Gregor zur Aufhebung des Bannes nötigte. Als die enttäuschten Fürsten dennoch zur Absetzung Heinrichs und zur Wahl eines neuen Königs in der Person Rudolfs von Schwaben schritten, der das Wahlrecht der Fürsten ausdrücklich anerkennen mußte, ermannte sich Heinrich IV. und griff, unterstützt von dem niedern Adel und den Städten, tapfer zum Schwert.
Nach hartnäckigen Kämpfen fiel Rudolf in der Schlacht bei Zeitz [* 6] (1080), und wenn auch die Sachsen den Widerstand noch einige Zeit fortsetzten, sogar in Hermann von Lützelburg einen neuen Gegenkönig wählten, so war doch die Kraft [* 7] der Empörung in Deutschland [* 8] gebrochen. Heinrich zog daher 1081 nach Italien [* 9] und nahm Rom [* 10] ein, wo er einen Gegenpapst, Clemens III., auf den päpstlichen Thron [* 11] setzte und sich von ihm zum Kaiser krönen ließ; Gregor VII. wurde von den Normannen aus der Engelsburg gerettet und starb 1085 in Salerno im Exil.
Aber einen dauernden Sieg über die Kirche hatte der Kaiser damit nicht erzielt. Die Macht des Papsttums bestand in seiner Herrschaft über die Geister und Gemüter, welche durch den gleichzeitigen religiösen Aufschwung der Kreuzzugsbewegung aufs höchste gesteigert wurde. Dieser Hydra gegenüber war die auf die schwankende Treue habsüchtiger Vasallen begründete Gewalt des Kaisers machtlos. Immer neue Empörungen reizte die Hierarchie gegen Heinrich IV. auf, den sie mit unversöhnlichem Haß verfolgte; seine eignen Söhne erhoben, von der Kirche verführt, gegen ihn die Fahne des Aufruhrs, erst Konrad (1092), dann Heinrich (1105). Diesem Schlag erlag der schwer geprüfte Mann 1106.
Heinrich V. (1106-25) verdankte zwar der päpstlichen Partei und den Fürsten die Krone, aber sowie er sich allgemein anerkannt sah, versuchte er sowohl der Kirche als den Vasallen gegenüber die kaiserlichen Rechte unverkürzt zur Geltung zu bringen. Durch Klugheit und rücksichtslose Energie erzwang er auf seinem Römerzug 1111 von Papst Paschalis einen Vertrag, der ihm die Einsetzung der Geistlichkeit ausdrücklich zugestand. Aber gerade da zeigte sich, wie wehrlos die materielle Gewalt der Kaiser gegen die geistige der Kirche war.
Paschalis brach zwar den Vertrag nicht, wohl aber eröffneten die Kardinäle und ein Teil des Klerus den Kampf von neuem mit Bannflüchen und aufrührerischen Agitationen. Als das kaiserliche Heer im Kriege gegen die aufständischen sächsischen Großen 1115 am Welfesholz unterlag, als der Friede mit dem Papste durch den Streit über die Mathildische Erbschaft wieder gebrochen wurde, sah sich Heinrich V. genötigt, mit Papst Calixtus II. über einen Vergleich zu unterhandeln und im Wormser Konkordat 1122 den entscheidenden Anteil an der Einsetzung der geistlichen Fürsten der Kirche einzuräumen. 1125 starb er kinderlos in Utrecht. [* 12]
Mit ihm erlosch das fränkische Kaiserhaus, dessen Regierung so glänzend begonnen hatte, das aber die politische und Kulturentwickelung Deutschlands [* 13] nicht förderte. Die weltlichen Großen hatten durch die Erblichkeit aller Lehen ihre Unabhängigkeit und Macht verstärkt, die Bischöfe hingen nicht mehr vom Kaiser, sondern vom Papst ab, der die Kirche mit monarchischer Gewalt regierte und in dem Streben nach Weltherrschaft das Kaisertum überholt hatte; die Kolonisationen des deutschen Volkes im Osten waren zerstört, die dortige Grenze seit der Ottonenzeit zurückgegangen und durch slawische Barbarei gefährdet; durch die innern Kämpfe war Deutschland dem großartigen geistigen Aufschwung der romanischen Völker, der sich im ersten Kreuzzug offenbarte, fern gehalten worden und in der Pflege der Künste und Wissenschaften hinter den andern Kulturvölkern des Abendlandes zurückgeblieben und nun gab das Erlöschen der Dynastie den Großen Gelegenheit, ihren Anspruch auf die freie Wahl des neuen Herrschers geltend zu machen.
Die staufische Zeit.
Die natürlichen Erben der Salier waren die staufischen Brüder Friedrich von Schwaben und Konrad von Franken. Sie waren Neffen Heinrichs V.; auf sie gingen dessen Eigengüter über, und Friedrich hatte der sterbende Kaiser die Reichsinsignien übergeben. Aber gerade weil Friedrich ein Anhänger des erloschenen Kaiserhauses gewesen, weil er der Erbe desselben, überdies ein mächtiger Reichsfürst war, wählten die in Mainz [* 14] versammelten Fürsten auf Antrieb des ¶
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päpstlichen Legaten nicht ihn, sondern das Haupt der fürstlichen Opposition, den Herzog von Sachsen, Lothar von Supplingenburg, zum König. Im Kampf gegen die Staufer, welche sich weigerten, ihn anzuerkennen, stützte sich Lothar (1125-37) auf das welfische Haus, dessen Haupt, Heinrich dem Stolzen von Bayern, [* 16] er seine einzige Tochter und Erbin, Gertrud, vermählte. Gegen die Kirche verhielt sich Lothar allzu nachgiebig und unterwürfig. In der Regierung Deutschlands aber bewährte er Einsicht und Thatkraft. Er brachte die Staufer zur Unterwerfung, hielt Ordnung und Frieden im Reich aufrecht und nahm die Wiedereroberung der wendischen Grenzlande auf.
Als er starb, wiederholte sich der Vorgang bei seiner eignen Wahl. Nicht sein Schwiegersohn und Erbe Heinrich der Stolze, dem er noch auf dem Sterbebett zu Bayern das Herzogtum Sachsen übertragen, und der reiche Allode in Deutschland und Tuscien in Italien besaß, wurde gewählt, sondern der Staufer Konrad von Franken. Die Regierung dieses ersten Staufers, Konrad III. (1138-1152), war keine glückliche. Obwohl Heinrich der Stolze die Reichskleinodien auslieferte, sprach ihm der König Sachsen ab, und als der Welfe sich weigerte, zu verzichten, nahm er ihm auch Bayern.
Der jähe Tod des stolzen Herzogs (1139) verschaffte Konrad einen teilweisen Sieg. Nach ihrer Niederlage bei Weinsberg (1140) verzichtete die welfische Partei im Frankfurter Frieden (1142) auf Bayern, das die österreichischen Babenberger erhielten, und Heinrich der Löwe behielt bloß Sachsen, von welchem überdies die Nordmark oder Mark Brandenburg [* 17] als selbständiges Reichslehen unter Albrecht dem Bären abgetrennt wurde. Aber der feindliche Gegensatz zwischen den Staufern (Waiblingern) und Welfen, deren Namen später Parteinamen von prinzipieller Bedeutung geworden sind, blieb bestehen und ließ das Reich unter Konrad nie zur Ruhe kommen. Die Beteiligung des Königs am zweiten Kreuzzug (1147-49), der ganz erfolglos blieb, konnte sein Ansehen nicht erhöhen. Als er 1152 starb, empfahl er den Fürsten nicht seinen unmündigen Sohn, sondern seinen Neffen, Herzog Friedrich von Schwaben, zum Nachfolger, und dieser wurde auch in Frankfurt [* 18] a. M. unter allgemeiner Zustimmung gewählt und in Aachen [* 19] gekrönt.
Mit Friedrich I. (1152-90) bestieg einer der bedeutendsten Herrscher, die Deutschland gehabt hat, den Thron. Er faßte seine kaiserliche Würde als die erste Macht der Christenheit, als den Quell aller Gewalt auf und war entschlossen, sie zu dieser Höhe wieder zu erheben. So erhaben stand er über den deutschen Fürsten, daß er darauf verzichtete, ihre bereits bestehenden Rechte zu verkümmern, sondern vielmehr nur danach strebte, die Kräfte aller ihm untergeordneten Vasallen für die Erreichung seines hohen Ziels, der kaiserlichen Weltherrschaft, zusammenzufassen. Er versöhnte sich daher sofort mit den Welfen, indem er Heinrich dem Löwen [* 20] Bayern zurückgab; die Babenberger wurden entschädigt, indem Österreich [* 21] zu einem selbständigen Herzogtum erhoben ward.
Gegen die Nachbarreiche machte er die kaiserlichen Hoheitsrechte mit Mäßigung, aber Festigkeit [* 22] geltend: Polen wurde durch einen glänzenden Zug bis nach Posen [* 23] hin (1157) zur erneuten Anerkennung seiner Lehnsunterthänigkeit genötigt;
einen Streit zwischen zwei dänischen Prinzen, Swen und Knut, entschied er zu gunsten des erstern, krönte ihn und empfing von ihm den Lehnseid;
Böhmen [* 24] kettete er durch Verleihung des Königstitels enger an das Reich;
in Burgund wurde das Ansehen des kaiserlichen Namens wiederhergestellt.
Mit dem Papst wünschte er in Frieden zu bleiben; er bestritt nicht dessen Herrschaft über die Kirche, sondern beanspruchte nur für den Schutz, den er als Schirmvogt der Kirche verlieh, die Anerkennung seiner Macht als einer ebenbürtigen. Auf seinem ersten Römerzug leistete er Papst Hadrian IV. einen wesentlichen Dienst, indem er die dem Papsttum feindliche Bewegung des kühnen Reformators Arnold von Brescia unterdrückte. Aber die Päpste waren nicht gewillt, die Herrschaft über die Welt mit einer andern Macht zu teilen, und der von Friedrich anfangs gemiedene Konflikt brach aus, als dieser seine kaiserlichen Rechte im vollen Umfang über die lombardischen Städte verwirklichen wollte.
Während diese sich empörten, ward nach Hadrians IV. Tod von der Mehrzahl der Kardinäle Alexander III. (Kardinal Roland) gewählt, den Friedrich als einen anmaßenden Priester anzuerkennen sich weigerte. Der Kampf zwischen dem kühnen Papst und dem lombardischen Städtebund einer-, dem Kaiser und den ihm treu anhängenden deutschen Fürsten anderseits endete nach wunderbaren Glückswechseln 1176 mit der Niederlage Friedrichs bei Legnano und der Unterwerfung unter den Papst 1177 in Venedig, [* 25] der 1183 im Frieden zu Konstanz [* 26] die Anerkennung der Selbständigkeit der oberitalischen Städte folgte.
Dennoch trug dieser Kampf einen andern Charakter als der Heinrichs IV. und war für das deutsche Volk nicht ohne segensreiche Folgen. Unter der Führung der glänzenden, genialen Persönlichkeit Friedrichs wurde das deutsche Volk in das Kulturleben des Abendlandes hineingezogen, von dem es sich nur zu lange zurückgehalten hatte. Die Getreuen, die dem Kaiser in den Krieg folgten, kämpften für ein ideales Ziel, für den Glanz der höchsten Krone der Christenheit, für den Ruhm des deutschen Namens.
Hingebende Begeisterung für den kaiserlichen Feldherrn und edle Ruhmbegierde erfüllten Friedrichs Heer, das zumeist aus den Dienstmannen der größern Vasallen, den Ministerialen, gebildet war. Hatte schon früher die Ehre des Waffendienstes diesem ursprünglich nicht vollfreien Ritterstand eine Stellung über den Gemeinfreien errungen, so wurde er jetzt im Dienste [* 27] der edlen staufischen Herrscher noch höher geadelt und durch Streben nach feiner Sitte und Bildung der Träger [* 28] der geistigen Kultur Deutschlands.
Überhaupt entfesselte die nach freien, großartigen Gesichtspunkten geleitete Herrschaft der Staufer die Kräfte des deutschen Volkes. Durch den Aufschwung des Handels und Verkehrs nahm der Wohlstand zu; die Bewohner der Städte verschmolzen zu einem neuen Stande, dem Bürgerstand, der sich von den Fürsten, besonders von den Bischöfen, das Recht der Selbstregierung zu erringen wußte und bald auch im Reich durch seine feste Anhänglichkeit an das Königtum eine politische Bedeutung erlangte.
Wissenschaften und Künste begannen von neuem aufzublühen und nicht mehr bloß in den einsamen Zellen der Klöster: die Bürger schmückten ihre Städte mit Kirchen, die Ritter pflegten nach dem Vorgang der Franzosen die Poesie. In besonders großartiger Weise zeigte sich die deutsche Volkskraft bei der Kolonisation und Germanisierung der rechtselbischen Gebiete, welche das tapfere Schwert Albrechts des Bären und Heinrichs des Löwen wieder der christlichen Kultur und deutschen Herrschaft unterworfen hatte. Das östliche Holstein, Mecklenburg [* 29] und Pommern, [* 30] das Havel- und Spreegebiet, endlich Schlesien [* 31] wurden von deutschen Ansiedlern bevölkert und das Gebiet des Reichs um ausgedehnte Territorien vergrößert. Mochte auch Friedrich I. den Vertrag von Venedig als eine tiefe ¶