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gestellt und den durch Karl d. Gr. unterdrückten Titel der Herzöge wieder erneuert. Sie regierten den Stamm und setzten sich meist auch in den Besitz der in dessen Gebiet belegenen ehemaligen königlichen Güter. Gestützt auf die noch keineswegs verwischten Unterschiede der Stämme, welche nicht einmal durch Eine Sprache verbunden waren, beanspruchten sie fast königliche Selbständigkeit. Der König behielt nur so viel Macht und Ansehen, als er durch persönliche Tüchtigkeit und tapfere Thaten zu erringen vermochte. So besiegte Karls des Dicken Neffe, König Arnulf von Kärnten (887-899), die Normannen bei Löwen an der Dyle 891, worauf dieselben die deutschen Küsten mit ihren räuberischen Einfällen verschonten, vernichtete 894 das Mährenreich Swatopluks und erlangte die Kaiserkrone.
Ihm ordneten sich die Herzöge bereitwilligst unter, nicht so seinem unmündigen Nachfolger Ludwig dem Kind (899-911). Bloß die hohe Geistlichkeit, an ihrer Spitze Erzbischof Hatto von Mainz, hielt an der Einheit des Reichs und an der königlichen Autorität fest. Selbst mit blutiger Strenge war es kaum möglich, die Macht der herzoglichen Geschlechter zu bezwingen. Freilich zeigten die schrecklichen Niederlagen, welche die Stammesherzöge in ihren Einzelkämpfen gegen die Magyaren erlitten, daß nur vereinte Kraft die drohende Gefahr der völligen Vernichtung durch die Barbarenhorden abzuwenden vermochte.
Gleichwohl war der nationale Zusammenhang zwischen den Stämmen des ostfränkischen Reichs schon so gelockert, daß 911, nach dem Tod Ludwigs des Kindes, mit welchem der ostfränkische Zweig der Karolinger erlosch, nur die zwei Stämme der Franken und Sachsen die Reichseinheit aufrecht zu erhalten sich entschlossen und zu einer neuen Königswahl schritten. Noch war das Übergewicht der Franken so bedeutend, daß nicht der edle sächsische Herzog Otto der Erlauchte, sondern der Herzog von Franken aus dem Geschlecht der Konradiner gewählt wurde. Er bestieg als Konrad I. (911-918) den Thron.
Seine Bemühungen, die Rechte des Reichs und des Königtums wahrzunehmen und alle ostfränkischen Stämme wieder unter seine Hoheit zu bringen, waren jedoch erfolglos; denn mit Strenge und Gewalt die Herzöge zu unterjochen, dazu war seine Macht zu gering, zumal er sich mit seinem einzigen Verbündeten, dem Herzog von Sachsen, verfeindete. Lothringen ging an Westfranken verloren, Bayern und Schwaben vermochte Konrad weder gegen die Magyaren zu verteidigen, noch zur Anerkennung seiner Herrschaft zu zwingen.
Als er 918 starb, lies er das ostfränkische Reich arg zerrüttet und dem Zerfall nahe zurück. Der nationale Zusammenhang der südgermanischen Stämme war nicht gewachsen, sondern geschwächt, die Grenzen bedroht, die Kultur durch Verwilderung des Volkes und die Eroberungszüge der benachbarten Barbaren gefährdet. Die Organisation eines dem Königtum ergebenen Beamtentums, die Karl d. Gr. geschaffen, war gänzlich zu Grunde gegangen; die Unterordnung des Adels unter das Stammesherzogtum und der Herzöge unter das Königtum beruhte durchaus auf dem Lehnsverhältnis, dessen Herrschaft eine feste politische Staatsform ausschloß und die Gemeinfreien des Volkes dem öffentlichen Leben mehr und mehr entfremdete und ihrer alten Rechte beraubte. Das ostfränkische Reich mußte von kräftiger Hand neu begründet werden, wenn es weiter bestehen sollte, und diese Neubegründung ist das Verdienst der sächsischen Dynastie, unter der das Reich nun auch den Namen eines »deutschen« erhielt.
Die Gründung des Deutschen und des Heiligen Römischen Reichs durch die sächsischen Kaiser. 919-1024.
Auf dem Sterbebett hatte Konrad I. nach seiner unglücklichen Regierung Deutschland wenigstens noch den großen Dienst geleistet, daß er seinen Bruder Eberhard verpflichtete, nicht selbst nach der Krone zu streben, sondern die Reichskleinodien dem Sachsenherzog Heinrich zu überbringen, da dieser allein sie mit Ehren würde tragen können. Der sächsische Stamm war unter allen deutschen Stämmen der kräftigste. Zwischen Rhein und Elbe bewohnte er ein ausgedehntes, in sich geschlossenes Gebiet; die unaufhörlichen Kämpfe mit Normannen und Slawen erhielten beim Volk den alten Kriegsmut.
Die Anhänglichkeit an das angestammte Herzogsgeschlecht der Ludolfinger verschaffte diesem eine Macht, wie sie kein andres Stammesherzogtum besaß. Und der damalige Träger dieser Würde, Ottos des Erlauchten Sohn Heinrich, war ein durch Tapferkeit und besonnene Mäßigung ausgezeichneter Fürst, der den Schwierigkeiten der königlichen Herrschaft wohl gewachsen war. So wählten denn Franken und Sachsen, zu Fritzlar an der Grenzscheide sächsischen und fränkischen Gebiets versammelt, im April 919 diesen Herzog als Heinrich I. zum deutschen König.
Nicht durch schroffe Geltendmachung alter Königsrechte und blutige Strenge gegen die Stammesherzöge wollte Heinrich die Einheit des Reichs wiederherstellen, sondern durch Anerkennung derselben in bestimmten Schranken sie zu gewinnen suchen. Er schonte die Stammeseigentümlichkeiten, die in Deutschland nun einmal vorhanden waren, und begnügte sich, gestützt auf die fast königliche Macht, die er in Sachsen und Thüringen besaß, mit der Unterordnung der Herzöge unter seine Oberhoheit.
Wie er Eberhard von Franken, dem er die Krone verdankte, als Herzog bestätigte, so beließ er auch Burchard im Besitz des Herzogtums Schwaben, als derselbe 920 ihm als Oberherrn huldigte, und behielt sich bloß die in Schwaben gelegenen königlichen Domänen und die Besetzung der Bistümer als sein Recht vor; die letztere gestand er noch Arnulf von Bayern zu, als derselbe bei einer friedlichen Besprechung in Regensburg sich zur Anerkennung seines Königtums bequemte. 925 gelang es ihm endlich, auch Herzog Giselbert von Lothringen, der sich dem westfränkischen Reich angeschlossen, nun aber von dem schwachen König Karl dem Einfältigen keine Hilfe zu erwarten hatte, für Deutschland wiederzugewinnen und durch Vermählung mit seiner Tochter Gerberga an sein Haus zu fesseln. So hatte er die fünf großen Herzogtümer, welche seit 870 das ostfränkische Reich bildeten, wieder zu einem Ganzen vereinigt und einen Grund gelegt, auf dem seine Nachfolger weiterbauen konnten.
Nun wendete er sich der Sicherung der Grenzen seines Reichs zu. Als die Magyaren 924 wieder einen Einfall in Sachsen gemacht hatten, schloß Heinrich mit ihnen einen Waffenstillstand auf neun Jahre, während dessen er sich sogar zu einem Tribut bequemte, nur um Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung zum Entscheidungskampf. Es galt vor allem, die Sachsen und Thüringer wieder wehrhaft zu machen. Er erneuerte daher die alten Ordnungen des Heerbannes und gewöhnte seine Krieger an den Kampf zu Roß, in welchem allein sie den Ungarn mit Erfolg begegnen konnten. Er schützte das offene Land durch Anlage von Städten und Burgen und unternahm, sowohl um sein Heer im Krieg zu üben, als um die Ostgrenze Sachsens zu sichern, 928-929 mehrere Feldzüge gegen die slawischen Völkerschaften zwischen Elbe und Oder; er bezwang die Heveller und die Daleminzier, legte in ihrem
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Gebiet Marken an und nötigte den Herzog von Böhmen zur Huldigung. Als 933 nach Ablauf des Waffenstillstandes die Magyaren von neuem in Thüringen einfielen, konnte ihnen Heinrich mit einem trefflichen Reiterheer entgegentreten und durch den glänzenden Sieg bei Riade in der Goldenen Aue Norddeutschland für immer von ihren Einfällen befreien. Nachdem Heinrich auf einem siegreichen Feldzug gegen die Dänen die Mark Schleswig gegründet und für die Nachfolge seines Sohns Otto die Zustimmung der Großen gewonnen hatte, starb er 936 in Memleben.
Die förmliche Königswahl Ottos I. (936-973) fand in Aachen statt, wo sich der neuerwählte König auch krönen ließ. Die königliche Macht war schon so gekräftigt, die Einheit der Stämme hatte so feste Wurzeln geschlagen, daß niemand dem neuen Herrscher den Gehorsam verweigerte und dieser die Herzöge als seine Lehnsträger betrachten durfte, die ihm bei Tisch und Hof die persönlichen Dienste der höchsten Hofbeamten zu leisten hatten. Nur die slawischen Grenzvölker benutzten den Thronwechsel zu erfolglosen Versuchen des Abfalles, die Magyaren zu einigen Plünderungszügen.
Erst ein Streit mit Eberhard von Franken entzündete im Innern des Reichs einen Aufruhr, an dem außer Eberhard die Brüder des Königs, Thankmar und Heinrich, Herzog Giselbert von Lothringen und Erzbischof Friedrich von Mainz teilnahmen, in den sich auch der westfränkische König einmischte, und der das Werk Heinrichs I. wieder zu zerstören drohte. Indes gelang es der unerschütterlichen Standhaftigkeit und Tapferkeit Ottos, dem nicht bloß seine Sachsen, sondern auch Große aus andern Stämmen treu zur Seite standen, die Empörung niederzuwerfen und damit die Herzogsgewalt unter die des Königs zu beugen.
Die Herzöge waren fortan Beamte und Vertreter des Königs, denen überdies Pfalzgrafen zur Seite gestellt wurden, welche die königlichen Güter verwalteten, an des Königs Statt Gericht abhielten und die Herzöge überwachten und beschränkten. In Franken wurde nach Eberhards Tod (939) die herzogliche Würde überhaupt beseitigt und das Land vom König selbst verwaltet; die übrigen Herzogtümer verlieh er nach ihrer Erledigung an Männer, die ihm nahe verwandt oder unbedingt ergeben waren, so: Bayern seinem Bruder Heinrich, Schwaben seinem Sohn Liudolf, Lothringen seinem Schwiegersohn Konrad dem Roten, dann seinem Bruder Bruno, Sachsen dem tapfern Grafen Hermann Billung.
Die Abzweigung oder Neugründung von Markgrafschaften, die Teilung einiger Herzogtümer beseitigten nach und nach die Gefahr eines Zerfalles des Reichs in die großen Stammesherzogtümer völlig. Endlich suchte Otto eine Stütze für die monarchische Autorität in der hohen Geistlichkeit, welche, vom König nach Gutdünken zu ihren Würden ernannt, von ihm ganz abhängig war und, im Besitz höherer Bildung und weniger von Egoismus und Habgier beherrscht, den wahren Interessen des Reichs eine größere Einsicht und Teilnahme entgegenbrachte.
Eine festgefugte, durch Gesetze und Herkommen genau geregelte Organisation fehlte auch diesem Staatswesen wie fast allen mittelalterlichen Reichen; die staatliche Kraft beruhte vielfach bloß auf persönlichen Beziehungen, die immer etwas Zufälliges und Schwankendes an sich hatten. Anderseits vermochte ein energischer Geist wie der Ottos einem solchen Gemeinwesen rasch einen außerordentlichen Aufschwung zu geben, und dies bewährte sich zunächst in der kraftvollen Entwickelung der deutschen Macht nach außen.
Die Wenden zwischen Elbe und Oder wurden der deutschen Herrschaft und dem Christentum unterworfen und die Kolonisation ihres Gebiets begonnen. Die Bistümer Havelberg, Brandenburg, Merseburg, Meißen und Zeitz (Naumburg) wurden gegründet und später (968) dem Erzstift Magdeburg unterstellt. Wie der Herzog von Böhmen, mußten auch der von Polen und der Dänenkönig Deutschlands Oberhoheit anerkennen. Nach Norden hin wurde die christliche Kultur durch Errichtung der Bistümer Oldenburg (Lübeck), Schleswig, Ripen und Aarhus ausgebreitet. Der glorreiche Sieg über die Magyaren auf dem Lechfeld bei Augsburg (10. Aug. 955) sicherte Deutschland für immer vor den Einfällen dieser Barbaren, welche sich fortan in festen Wohnsitzen an der Donau und Theiß niederließen.
Bis zur mittlern Donau und bis nach Istrien und Friaul dehnte Herzog Heinrich von Bayern die Herrschaft der christlichen Kultur und des deutschen Namens aus. Obwohl in jener Zeit gewaltigster Erhebung der deutschen Kraft die Stämme des Reichs sich zuerst mit dem Gesamtnamen der Deutschen zu bezeichnen begannen, so beschränkte sich der Ehrgeiz des Königs und seines Volkes doch nicht darauf, ein einheitliches Reich zu schaffen und seine Grenzen möglichst auszubreiten, sondern faßte sofort höhere Ziele ins Auge, vor allen die Ausbreitung der Herrschaft des deutschen Königs über die Nachbarlande und die Erwerbung der Kaiserkrone.
Das Mittelalter war ganz vom christlich-universalen Geist erfüllt, wie er sich im römischen Weltreich ausgebildet und in der germanischen Welt in Karl d. Gr. seinen glänzendsten Vertreter gefunden hatte. Die christliche Welt des Abendlandes sollte Ein Ganzes, Einen Leib bilden, der auf eine Nation beschränkte Staat erschien dem Mittelalter nie als politisches Endziel. Sowie daher Deutschland das politische Übergewicht in Mitteleuropa erlangt hatte, sobald der deutsche König von den burgundischen und italienischen Großen als Schiedsrichter angerufen wurde und in Frankreich den vertriebenen König wieder hatte einsetzen können, hielt er sich auch für berufen, das Werk Karls d. Gr. zu erneuern und die christlichen Völker des Abendlandes unter seinem Zepter zu vereinigen. Zu diesem Zweck unternahm er 951 seinen ersten Zug über die Alpen nach Italien, auf welchem er nebst der Hand der italienischen Königswitwe Adelheid die Lehnshoheit über das Königreich erwarb.
Auf dem zweiten Zug stürzte er den Lehnskönig Berengar, nahm mit der lombardischen Krone die unmittelbare Herrschaft über Italien an sich und ließ sich 962 in Rom von Papst Johann XII. zum römischen Kaiser krönen. Er erneuerte damit das Kaisertum Karls d. Gr., das selbst nur eine Wiederherstellung des weströmischen Kaiserreichs gewesen war, und stiftete das Heilige Römische Reich deutscher Nation, welches sich von dem alten römischen Reich dadurch unterschied, daß das herrschende Volk nicht mehr die Römer, sondern die Deutschen waren, deren König von selbst auch König von Italien war und ein Anrecht auf die Kaiserkrone hatte, aber ebenso wie jenes auf die Herrschaft über alle Länder des christlichen Abendlandes Anspruch erhob.
Ohne Zweifel hat das deutsche Volk, indem es sich fortan dieser universalen Aufgabe widmete, der Erbe der alten Römer zu sein, einen mächtigen Aufschwung genommen und die Entwickelung seiner Zivilisation durch die eifrige Pflege der antiken Kulturelemente, welche es in Italien noch vorfand, sehr gefördert, auch durch den Versuch der Organisation eines Weltreichs und durch die Errettung der Kirche aus völligem Verfall zur Entfesselung der geistigen Kräfte
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des Abendlandes sowie zur Begründung einer allgemeinen christlichen Kultur im Mittelalter wesentlich beigetragen. Aber wie alle Nationen, die sich zu ausschließlich dem Dienst einer weltgeschichtlichen Idee hingeben, so hat auch die deutsche ihrer Stellung an der Spitze des Abendlandes schwere Opfer bringen müssen und ihre gesunde politische und materielle Entwickelung dauernd geschädigt. Nicht bloß, daß in den Kämpfen um Italien unzählige deutsche Heere zu Grunde gegangen sind: verhängnisvoller war, daß die Deutschen ihren wichtigsten Lebensinteressen entfremdet wurden;
die großartig begonnene Kolonisation an der Ostgrenze geriet ins Stocken, die politischen Institutionen wurden nicht befestigt und weiter ausgebildet, die untern Stände den mächtigen Vasallen wehrlos preisgegeben und Deutschland fort und fort durch jede auswärtige Verwickelung auch in innere Unruhen und Wirren gestürzt.
Die Aufgabe, die Otto auf sich geladen, war sogar für ihn fast zu schwierig. Seit seiner Kaiserkrönung mußte er sich beinahe ausschließlich in Italien aufhalten, um immer neue Empörungen zu unterdrücken, und vermochte doch nicht die südlichen Provinzen Kalabrien und Apulien dem griechischen Kaiserreich zu entreißen. Wieviel weniger waren seine Nachfolger der Stellung gewachsen. Sein 18jähriger Sohn Otto II., der ihm 973 folgte, war bereits gewählt und gekrönt und trat daher ohne Schwierigkeit die Regierung an. Er verband mit seiner Bildung einen energischen, thatkräftigen Geist.
Eine Empörung seines Vetters, Herzog Heinrichs des Zänkers von Bayern, unterdrückte er und schwächte Bayern durch Abtrennung Österreichs, das als Markgrafschaft den Babenbergern gegeben wurde, und Kärntens, das er zum selbständigen Herzogtum erhob. Er bezwang aufs neue die Böhmen und Dänen und strafte einen treulosen Überfall des französischen Königs Lothar durch einen Rachezug bis vor die Thore von Paris (978). Als er aber 980 nach Italien zog und 982 die Eroberung Süditaliens unternahm, erlitt er südlich von Cotrone durch die Sarazenen eine völlige Niederlage, und ehe er sie rächen konnte, starb er 983 in Rom, einen dreijährigen Sohn, Otto III., hinterlassend, der zwar schon zum König gewählt und gekrönt war, dessen Unmündigkeit aber Heinrich der Zänker sofort zum Versuch benutzte, die Regentschaft und dann die Krone an sich zu reißen.
Allerdings wurde durch die Entschlossenheit Theophanos, Ottos Mutter, und die Weisheit des Erzbischofs Willigis von Mainz dieser Versuch vereitelt und die rechtmäßige Thronfolge gewahrt; aber die Wenden und Dänen, welche sich auf die Nachricht von Ottos II. Niederlage und Tod erhoben und mit dem Christentum die verhaßte Herrschaft der Deutschen abgeschüttelt hatten, wieder zu unterwerfen, war die Regentin Theophano nicht im stande. Während der Regierung der Kaiserin wie nach ihrem Tod (991) erlangten die Reichsfürsten, die Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen und Grafen, die Erzbischöfe, Bischöfe und größern Äbte, einen maßgebenden Einfluß auf die Regierungsgeschäfte, wandelten die ihnen übertragenen Ämter in erbliche Lehen um und rissen die Güter des Reichs und die Regalien der Krone (Münzrecht, Zollrecht und Gerichtsbann) an sich. Sobald Otto III. mündig geworden (996), zog er nach Rom, wo er sich mit geringen Unterbrechungen bis ans Ende seines Lebens aufhielt.
Seinem Volk, seinem deutschen Vaterland entfremdet, hing er dem phantastischen Gedanken nach, die Macht der Religion durch eine große Reform der Kirche zu erhöhen und das alte römische Reich in allen seinen Formen wiederherzustellen. Deutschland überließ er sich selbst, ja er schwächte es, indem er durch Errichtung des selbständigen Erzbistums Gnesen die Lostrennung der Polen von dem Verband mit Deutschland beförderte. Aber nicht einmal in Rom und Italien selbst vermochte er die kaiserliche Macht zur allgemeinen Anerkennung zu bringen. Durch einen Aufstand aus Rom vertrieben, starb er 1002 ohne Erben.
Nicht ohne Schwierigkeiten errang der letzte noch übrige Sproß des sächsischen Herrscherhauses, Herzog Heinrich von Bayern, Sohn Heinrichs des Zänkers, Urenkel König Heinrichs I., bei der Bewerbung um die Krone den Sieg über seine Nebenbuhler Hermann von Schwaben und Eckard von Meißen. Nur die bayrischen, fränkischen und oberlothringischen Großen wählten ihn zum König; die Stimmen der übrigen mußte er durch Zugeständnisse erkaufen. Während seiner Regierung (1002-1024) war Heinrich II. unermüdlich thätig, das Reich und den Kaiserthron wieder aufzubauen.
Nach außen hin gelang ihm dies nur teilweise. Gegen den mächtigen und kühnen Polenherzog Boleslaw Chrobry kämpfte er mit entschiedenem Unglück und mußte im Frieden von Bautzen (1018) nicht bloß dessen Unabhängigkeit anerkennen, sondern ihm auch die Lausitz abtreten, während er Böhmen behauptete. Das Land nördlich der Elbe ging in einem großen Aufstand der Wenden in Holstein und Mecklenburg gänzlich verloren. In Italien besiegte er den Markgrafen Arduin von Ivrea, der sich zum unabhängigen König hatte erheben wollen, erlangte 1014 die Kaiserkrone und stellte 1022 auf einem dritten Römerzug das kaiserliche Ansehen in ganz Italien wieder her. In Deutschland selbst hatte er in der ersten Zeit seiner Herrschaft fortwährend mit Empörungen einzelner Großen zu kämpfen; selbst Grafen und Herren wagten, ihm den Gehorsam zu verweigern.
Wenn es ihm auch endlich gelang, Ruhe und Frieden im Reich zu stiften und die Fürsten zur Botmäßigkeit zurückzuführen, so mußte er doch die Erblichkeit ihrer Lehen anerkennen und ihren Beirat in allen wichtigen Angelegenheiten sich gefallen lassen. Gegen den anmaßenden Trotz und die Habsucht der weltlichen Großen suchte er eine Stütze in der hohen Geistlichkeit, deren politischen Einfluß er durch Verleihung von weltlichen Ämtern und Besitzungen vermehrte, die er aber durch das unbeschränkte kaiserliche Ernennungsrecht in Abhängigkeit von sich erhielt.
Hierdurch und durch seinen Eifer für kirchliche Dinge (er trug sich ernstlich mit dem Gedanken einer streng asketischen Kirchenreform) hat er den Namen des Heiligen und die Kanonisation erworben. Mit seinem Tod 1024 erlosch das sächsische Herrscherhaus. Die Schöpfung Heinrichs I. und Ottos I., die unter Otto III. zusammenzubrechen drohte, hat Heinrich II. wiederhergestellt, freilich nicht ohne erhebliche Einbußen an innerer Kraft und äußerer Macht. Vor allem hatte sich aber die Verschmelzung der deutschen Stämme zu einem Volk, zu einer Reichseinheit dauerhaft und unlöslich erwiesen.
Der Kampf mit der Kirche unter dem fränkischen Kaiserhaus. 1024-1125.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland I«.)
Die Einheit des deutschen Volkes zeigte sich bei der großen Wahlversammlung im September 1024 in Kamba am Mittelrhein bei Mainz zur Neuwahl eines deutschen Königs. Die eigentliche Wahl, die auf den fränkischen Grafen Konrad, den Urenkel Konrads des Roten und Liutgards, der Tochter Ottos I., fiel, wurde allerdings von den Fürsten vollzogen; der Anteil des Volkes daran beschränkte sich auf den zustimmenden
Deutschland um das Jahr 1000
bearbeitet von Karl Wolf.
Maßstab 1:5500000
Römisch-Deutsches Kaiserreich.
KGR. Königreich, HZ. Herzogtum, MGR. Markgrafschaft.
L. = Lacus (See)
Zum Artikel »Deutschland«.
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Zuruf. Konrad II. (1024-1039), der erste Kaiser aus dem fränkischen oder salischen Haus, glich dem ersten Sachsen, Heinrich I., in nüchterner Besonnenheit, Ausdauer und weiser Beschränkung. Die Nord- und Ostgrenze des Reichs sicherte er, indem er mit dem mächtigen Beherrscher von Dänemark, Knut d. Gr., Frieden und Freundschaft schloß und durch Abtretung der nördlich der Eider gelegenen Teile der Mark Schleswig sich dessen Beistand gegen die Slawen verschaffte.
Das Polenreich zerfiel nach Boleslaws Tod ebenso schnell wieder, wie es aufgebaut war, und geriet von neuem in Abhängigkeit von Deutschland 1032 erwarb er nach dem Tode des Königs Rudolf III. auf Grund alter Verträge, die dieser schon mit Heinrich II. geschlossen, das Königreich Burgund, das, ohne mit Deutschland verschmolzen zu werden, das dritte Königreich des Kaiserreichs bildete. Auf seinem ersten Römerzug erwarb er 1027 die Kaiserkrone. Mehrere Empörungen von Großen, worunter die seines Stiefsohns Ernst von Schwaben vom Volk in Lied und Sage gefeiert wurde, unterdrückte er mit Kraft und Strenge.
Die Erblichkeit der Fürstentümer konnte er allerdings ebensowenig beseitigen, wie die Unbeschränktheit der kaiserlichen Gewalt erreichen. Der aufstrebenden Selbständigkeit der Herzogtümer brach er aber dadurch die Spitze ab, daß er die Mehrzahl derselben an seinen Sohn Heinrich (so Bayern und Schwaben) oder an nahe Verwandte brachte. Auch setzte er, oft ohne Rücksicht auf ihre kirchliche Befähigung, Anverwandte und Freunde in die höchsten geistlichen Reichsfürstentümer ein. Die kleinern Vasallen (Ministerialen) suchte er von ihren fürstlichen Lehnsherren unabhängig zu machen, indem er auch ihre Lehen für erblich erklärte. In Oberitalien geschah dies 1037 durch ein besonderes Gesetz. Die Erblichkeit der Krone selbst konnte Konrad aber nicht durchsetzen, er mußte sich begnügen, daß sein Sohn schon früh gewählt und gekrönt wurde u. ihm nach seinem Tod als Heinrich III. (1039-1056) ohne weiteres auf dem Thron folgte.
Heinrich III. führte das Werk seines Vaters mit Energie und Erfolg fort. Dänemark, Polen und Böhmen wurden in Gehorsam erhalten, selbst Ungarn durch mehrere Kriegszüge 1044 zur Anerkennung der deutschen Oberhoheit gezwungen. Rücksichtslos und streng verfuhr er gegen die Fürsten; wiederholt entsetzte er Herzöge ihres Amtes, und Bayern verlieh er sogar, um es nicht wieder aus der Hand zu lassen, seiner eignen Gemahlin Agnes. Freilich reizte diese Strenge zu immer neuen Empörungen, und nur die Hand am Schwert vermochte der Kaiser die erbitterten Fürsten niederzuhalten.
Eine kluge Beschränkung auf dies Ziel, die ausschließliche und andauernde Verwendung aller Machtmittel des neuerstarkten Kaisertums auf die Unterdrückung der Aristokratie, endlich wohlwollende Förderung der niedern Stände hätten die Begründung einer starken erblichen Monarchie in Deutschland zur Folge haben können. Aber wie 100 Jahre früher Otto I., so setzte auch Heinrich III. die neugewonnene Macht für die Erreichung eines universellern Ziels ein, nämlich für die Regeneration der entarteten Kirche im Sinn der Cluniacenser, welche durch Erweckung streng religiösen Sinnes die Herrschaft der Kirche über die Gemüter verstärken und durch Errettung des Papsttums aus seinem Verfall die bedrohte Einheit der abendländischen Christenheit fester begründen wollten.
Selbst streng asketisch gesinnt, setzte Heinrich nur kirchlich eifrige Bischöfe ein, und 1046 auf der Synode zu Sutri zum Schiedsrichter zwischen drei um die Tiara streitenden Päpsten aufgerufen, beseitigte er alle drei, um in einem frommen deutschen Bischof dem Stuhl Petri wieder einen würdigen Inhaber zu geben und das Ansehen des Papsttums wiederherzustellen. Seine Oberhoheit über die Kirche benutzte er nur, um sie von Mißbräuchen zu befreien, sittlich zu heben und sie zur erhabensten Institution auf Erden zu machen. Die von ihm eingesetzten Päpste unterstützte er eifrigst in dem Bestreben, ihre hierarchische Gewalt über die Kirche zu verstärken; selbst den Vertrag des Papstes mit den Normannen, durch welchen deren Reich in Unteritalien in ein päpstliches Lehen umgewandelt wurde, hinderte er nicht. So verhalf er selbst der Macht zur Herrschaft, welche seinem Nachfolger so verderblich wurde.
Die Gärung unter den unzufriedenen Fürsten, namentlich in Sachsen, war auf das höchste gestiegen und wurde nur durch die Furcht vor Heinrichs eiserner Strenge im Zaum gehalten, als dieser plötzlich in Bodfeld im Harz, noch nicht 40 Jahre alt, starb und das Reich einem sechsjährigen Kind, Heinrich IV. (1056-1106), unter Vormundschaft einer Frau, der Kaiserin Agnes, hinterließ. Je empfindlicher die Fürsten den gewaltigen Arm des verstorbenen Kaisers gefühlt hatten, desto mehr beeilten sie sich, die Schwäche der neuen Regierung zur Vermehrung ihrer Macht und Selbständigkeit zu benutzen.
Ein sächsischer Großer, Otto von Nordheim, zwang die Kaiserin, ihm das Herzogtum Bayern, ein burgundischer Fürst, Rudolf von Rheinfelden, ihm mit der Hand ihrer Tochter Schwaben, endlich der Zähringer Berthold, ihm Kärnten zu übertragen. Durch den Raub in Kaiserswerth (1062) bemächtigte sich der ehrgeizige, finstere Erzbischof Anno von Köln des königlichen Knaben, dessen Erziehung er fortan leitete, und für den er in Gemeinschaft mit den übrigen Großen die Regierung führte.
Unter dieser konnte, wer wollte, seine Habgier an dem Königsgut befriedigen; weder in Italien noch in Ungarn vermochte Anno das Ansehen des Reichs zu behaupten; durch eine Empörung der Wenden östlich der Elbe (1066) ging die deutsche Kultur in jenen Gegenden für lange Zeit verloren. Mit Hilfe Adalberts von Bremen befreite sich Heinrich von den verhaßten Fürsten, und sowie er zum Mann herangereift war, strebte er, die verlorne Macht seiner Väter wiederzugewinnen.
Die habsüchtigen, trotzigen Großen verfolgte er mit leidenschaftlicher Rachsucht. Otto von Nordheim beraubte er 1070 Bayerns, das er Welf verlieh; die Billunger wurden geächtet und durch Anlage von Burgen die Unterjochung der Sachsen, welche der Herrschaft der Franken hartnäckig widerstrebten, begonnen. 1073 kam es infolge von Gewaltthätigkeiten der Anhänger des Königs zu einem allgemeinen Aufstand der Sachsen, welcher den König in große Gefahr stürzte, da die deutschen Fürsten sich wankelmütig und treulos zeigten. Durch den glänzenden Sieg Heinrichs bei Hohenburg a. d. Unstrut 1075 wurde jedoch die Empörung unterdrückt, und die sächsischen Großen wurden streng bestraft.
Wäre es Heinrich, dessen glänzende Herrschereigenschaften sich jetzt zeigten, nun vergönnt gewesen, seine Gewalt ungestört zu befestigen, so würde er das während seiner Minderjährigkeit Verlorne wieder haben einbringen können. Da aber verwickelten ihn die Ansprüche auf die höchste Autorität in der Christenheit, welche ihm von seinen Vorfahren überkommen waren, in einen neuen, weit gefährlichern Kampf mit einem Gegner, dem er weder an Macht noch an Charakterstärke ebenbürtig war, mit Papst Gregor VII. Schon als Kardinal Hildebrand hatte dieser die mönchisch-strenge
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Reformation der Kirche, die Heinrich III. unternommen, eifrig befördert und durch das Dekret Nikolaus' II. 1059, welches die Wahl der Päpste dem Kardinalskollegium übertrug und die Befugnis des Kaisers auf ein unbestimmtes, bald gänzlich mißachtetes Bestätigungsrecht beschränkte, die Unabhängigkeit des Papsttums erreicht. Als er 1073 selbst den Stuhl Petri bestieg, beschloß er, der Kirche als der allein sittlich berechtigten Macht in der Welt nicht bloß völlige Freiheit von aller weltlichen Gewalt zu verschaffen, sondern, da auch er an der Idee einer Weltherrschaft festhielt, die sich nur in der päpstlichen Hierarchie, nicht im Kaisertum verkörpern müsse, die Unterordnung aller weltlichen Gewalten, selbst der höchsten, unter das Papsttum durchzusetzen.
Durch das Gebot des Cölibats suchte er die Geistlichkeit vom Volk loszureißen und ganz an die Kirche zu fesseln. Die Einsetzung (Investitur, s. d.) der Bischöfe und Äbte wollte er nicht bloß durch strenges Verbot der Simonie von unerlaubter Vermischung mit egoistischen Motiven befreien, sondern beanspruchte sie als alleiniges Recht für die Kirche. Hiermit focht er nicht bloß die kaiserliche Oberhoheit an, sondern beeinträchtigte in einem wichtigen Punkte die Machtstellung des deutschen Königtums, das der hohen Geistlichkeit bedeutende weltliche Rechte und Besitzungen zugestanden hatte, welche die Bischöfe und Äbte den mächtigsten Reichsfürsten gleichstellten, dafür aber die Ernennung und Belehnung der geistlichen Reichsfürsten beanspruchte und auch bisher unbeanstandet vollzogen hatte.
Durch die Verletzung kaiserlicher Rechte in Oberitalien von seiten Gregors schon längst gereizt, durch eine hochmütige Vorladung des Papstes an ihn, um sich wegen Simonie vor seinem Richterstuhl zu verantworten, und durch päpstliche Einmischung in die Angelegenheit der unterworfenen sächsischen Bischöfe aufs äußerste erbittert, nahm Heinrich IV. im Vollgefühl seines Siegs über die Sachsen den Kampf gegen das Papsttum auf, indem er durch eine Synode deutscher Bischöfe in Worms im Januar 1076 Gregor VII. absetzen ließ.
Dieser antwortete mit dem Bannstrahl, welcher den deutschen Fürsten den ersehnten Vorwand gab, von neuem vom König abzufallen und das drückende Joch einer starken Monarchie abzuschütteln. Mit Einem Schlag sah sich Heinrich der Früchte seines Siegs beraubt. Ebenso kleinmütig und verzagt im Unglück wie übermütig im Glück, ließ er es geschehen, daß die Fürsten im Oktober 1076 in Tribur über ihn zu Gericht saßen, und unterzog sich allen Demütigungen, um nur seine sofortige Absetzung zu verhindern.
Doch wurde dieselbe bloß aufgeschoben; auf einem Reichstag in Augsburg im Februar 1077 sollte sie unter Vorsitz des Papstes erfolgen. Dies vereitelte Heinrich, indem er durch seine schimpfliche Buße zu Canossa Gregor zur Aufhebung des Bannes nötigte. Als die enttäuschten Fürsten dennoch zur Absetzung Heinrichs und zur Wahl eines neuen Königs in der Person Rudolfs von Schwaben schritten, der das Wahlrecht der Fürsten ausdrücklich anerkennen mußte, ermannte sich Heinrich IV. und griff, unterstützt von dem niedern Adel und den Städten, tapfer zum Schwert.
Nach hartnäckigen Kämpfen fiel Rudolf in der Schlacht bei Zeitz (1080), und wenn auch die Sachsen den Widerstand noch einige Zeit fortsetzten, sogar in Hermann von Lützelburg einen neuen Gegenkönig wählten, so war doch die Kraft der Empörung in Deutschland gebrochen. Heinrich zog daher 1081 nach Italien und nahm Rom ein, wo er einen Gegenpapst, Clemens III., auf den päpstlichen Thron setzte und sich von ihm zum Kaiser krönen ließ; Gregor VII. wurde von den Normannen aus der Engelsburg gerettet und starb 1085 in Salerno im Exil.
Aber einen dauernden Sieg über die Kirche hatte der Kaiser damit nicht erzielt. Die Macht des Papsttums bestand in seiner Herrschaft über die Geister und Gemüter, welche durch den gleichzeitigen religiösen Aufschwung der Kreuzzugsbewegung aufs höchste gesteigert wurde. Dieser Hydra gegenüber war die auf die schwankende Treue habsüchtiger Vasallen begründete Gewalt des Kaisers machtlos. Immer neue Empörungen reizte die Hierarchie gegen Heinrich IV. auf, den sie mit unversöhnlichem Haß verfolgte; seine eignen Söhne erhoben, von der Kirche verführt, gegen ihn die Fahne des Aufruhrs, erst Konrad (1092), dann Heinrich (1105). Diesem Schlag erlag der schwer geprüfte Mann 1106.
Heinrich V. (1106-25) verdankte zwar der päpstlichen Partei und den Fürsten die Krone, aber sowie er sich allgemein anerkannt sah, versuchte er sowohl der Kirche als den Vasallen gegenüber die kaiserlichen Rechte unverkürzt zur Geltung zu bringen. Durch Klugheit und rücksichtslose Energie erzwang er auf seinem Römerzug 1111 von Papst Paschalis einen Vertrag, der ihm die Einsetzung der Geistlichkeit ausdrücklich zugestand. Aber gerade da zeigte sich, wie wehrlos die materielle Gewalt der Kaiser gegen die geistige der Kirche war.
Paschalis brach zwar den Vertrag nicht, wohl aber eröffneten die Kardinäle und ein Teil des Klerus den Kampf von neuem mit Bannflüchen und aufrührerischen Agitationen. Als das kaiserliche Heer im Kriege gegen die aufständischen sächsischen Großen 1115 am Welfesholz unterlag, als der Friede mit dem Papste durch den Streit über die Mathildische Erbschaft wieder gebrochen wurde, sah sich Heinrich V. genötigt, mit Papst Calixtus II. über einen Vergleich zu unterhandeln und im Wormser Konkordat 1122 den entscheidenden Anteil an der Einsetzung der geistlichen Fürsten der Kirche einzuräumen. 1125 starb er kinderlos in Utrecht.
Mit ihm erlosch das fränkische Kaiserhaus, dessen Regierung so glänzend begonnen hatte, das aber die politische und Kulturentwickelung Deutschlands nicht förderte. Die weltlichen Großen hatten durch die Erblichkeit aller Lehen ihre Unabhängigkeit und Macht verstärkt, die Bischöfe hingen nicht mehr vom Kaiser, sondern vom Papst ab, der die Kirche mit monarchischer Gewalt regierte und in dem Streben nach Weltherrschaft das Kaisertum überholt hatte; die Kolonisationen des deutschen Volkes im Osten waren zerstört, die dortige Grenze seit der Ottonenzeit zurückgegangen und durch slawische Barbarei gefährdet; durch die innern Kämpfe war Deutschland dem großartigen geistigen Aufschwung der romanischen Völker, der sich im ersten Kreuzzug offenbarte, fern gehalten worden und in der Pflege der Künste und Wissenschaften hinter den andern Kulturvölkern des Abendlandes zurückgeblieben und nun gab das Erlöschen der Dynastie den Großen Gelegenheit, ihren Anspruch auf die freie Wahl des neuen Herrschers geltend zu machen.
Die staufische Zeit.
Die natürlichen Erben der Salier waren die staufischen Brüder Friedrich von Schwaben und Konrad von Franken. Sie waren Neffen Heinrichs V.; auf sie gingen dessen Eigengüter über, und Friedrich hatte der sterbende Kaiser die Reichsinsignien übergeben. Aber gerade weil Friedrich ein Anhänger des erloschenen Kaiserhauses gewesen, weil er der Erbe desselben, überdies ein mächtiger Reichsfürst war, wählten die in Mainz versammelten Fürsten auf Antrieb des
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päpstlichen Legaten nicht ihn, sondern das Haupt der fürstlichen Opposition, den Herzog von Sachsen, Lothar von Supplingenburg, zum König. Im Kampf gegen die Staufer, welche sich weigerten, ihn anzuerkennen, stützte sich Lothar (1125-37) auf das welfische Haus, dessen Haupt, Heinrich dem Stolzen von Bayern, er seine einzige Tochter und Erbin, Gertrud, vermählte. Gegen die Kirche verhielt sich Lothar allzu nachgiebig und unterwürfig. In der Regierung Deutschlands aber bewährte er Einsicht und Thatkraft. Er brachte die Staufer zur Unterwerfung, hielt Ordnung und Frieden im Reich aufrecht und nahm die Wiedereroberung der wendischen Grenzlande auf.
Als er starb, wiederholte sich der Vorgang bei seiner eignen Wahl. Nicht sein Schwiegersohn und Erbe Heinrich der Stolze, dem er noch auf dem Sterbebett zu Bayern das Herzogtum Sachsen übertragen, und der reiche Allode in Deutschland und Tuscien in Italien besaß, wurde gewählt, sondern der Staufer Konrad von Franken. Die Regierung dieses ersten Staufers, Konrad III. (1138-1152), war keine glückliche. Obwohl Heinrich der Stolze die Reichskleinodien auslieferte, sprach ihm der König Sachsen ab, und als der Welfe sich weigerte, zu verzichten, nahm er ihm auch Bayern.
Der jähe Tod des stolzen Herzogs (1139) verschaffte Konrad einen teilweisen Sieg. Nach ihrer Niederlage bei Weinsberg (1140) verzichtete die welfische Partei im Frankfurter Frieden (1142) auf Bayern, das die österreichischen Babenberger erhielten, und Heinrich der Löwe behielt bloß Sachsen, von welchem überdies die Nordmark oder Mark Brandenburg als selbständiges Reichslehen unter Albrecht dem Bären abgetrennt wurde. Aber der feindliche Gegensatz zwischen den Staufern (Waiblingern) und Welfen, deren Namen später Parteinamen von prinzipieller Bedeutung geworden sind, blieb bestehen und ließ das Reich unter Konrad nie zur Ruhe kommen. Die Beteiligung des Königs am zweiten Kreuzzug (1147-49), der ganz erfolglos blieb, konnte sein Ansehen nicht erhöhen. Als er 1152 starb, empfahl er den Fürsten nicht seinen unmündigen Sohn, sondern seinen Neffen, Herzog Friedrich von Schwaben, zum Nachfolger, und dieser wurde auch in Frankfurt a. M. unter allgemeiner Zustimmung gewählt und in Aachen gekrönt.
Mit Friedrich I. (1152-90) bestieg einer der bedeutendsten Herrscher, die Deutschland gehabt hat, den Thron. Er faßte seine kaiserliche Würde als die erste Macht der Christenheit, als den Quell aller Gewalt auf und war entschlossen, sie zu dieser Höhe wieder zu erheben. So erhaben stand er über den deutschen Fürsten, daß er darauf verzichtete, ihre bereits bestehenden Rechte zu verkümmern, sondern vielmehr nur danach strebte, die Kräfte aller ihm untergeordneten Vasallen für die Erreichung seines hohen Ziels, der kaiserlichen Weltherrschaft, zusammenzufassen. Er versöhnte sich daher sofort mit den Welfen, indem er Heinrich dem Löwen Bayern zurückgab; die Babenberger wurden entschädigt, indem Österreich zu einem selbständigen Herzogtum erhoben ward.
Gegen die Nachbarreiche machte er die kaiserlichen Hoheitsrechte mit Mäßigung, aber Festigkeit geltend: Polen wurde durch einen glänzenden Zug bis nach Posen hin (1157) zur erneuten Anerkennung seiner Lehnsunterthänigkeit genötigt;
einen Streit zwischen zwei dänischen Prinzen, Swen und Knut, entschied er zu gunsten des erstern, krönte ihn und empfing von ihm den Lehnseid;
Böhmen kettete er durch Verleihung des Königstitels enger an das Reich;
in Burgund wurde das Ansehen des kaiserlichen Namens wiederhergestellt.
Mit dem Papst wünschte er in Frieden zu bleiben; er bestritt nicht dessen Herrschaft über die Kirche, sondern beanspruchte nur für den Schutz, den er als Schirmvogt der Kirche verlieh, die Anerkennung seiner Macht als einer ebenbürtigen. Auf seinem ersten Römerzug leistete er Papst Hadrian IV. einen wesentlichen Dienst, indem er die dem Papsttum feindliche Bewegung des kühnen Reformators Arnold von Brescia unterdrückte. Aber die Päpste waren nicht gewillt, die Herrschaft über die Welt mit einer andern Macht zu teilen, und der von Friedrich anfangs gemiedene Konflikt brach aus, als dieser seine kaiserlichen Rechte im vollen Umfang über die lombardischen Städte verwirklichen wollte.
Während diese sich empörten, ward nach Hadrians IV. Tod von der Mehrzahl der Kardinäle Alexander III. (Kardinal Roland) gewählt, den Friedrich als einen anmaßenden Priester anzuerkennen sich weigerte. Der Kampf zwischen dem kühnen Papst und dem lombardischen Städtebund einer-, dem Kaiser und den ihm treu anhängenden deutschen Fürsten anderseits endete nach wunderbaren Glückswechseln 1176 mit der Niederlage Friedrichs bei Legnano und der Unterwerfung unter den Papst 1177 in Venedig, der 1183 im Frieden zu Konstanz die Anerkennung der Selbständigkeit der oberitalischen Städte folgte.
Dennoch trug dieser Kampf einen andern Charakter als der Heinrichs IV. und war für das deutsche Volk nicht ohne segensreiche Folgen. Unter der Führung der glänzenden, genialen Persönlichkeit Friedrichs wurde das deutsche Volk in das Kulturleben des Abendlandes hineingezogen, von dem es sich nur zu lange zurückgehalten hatte. Die Getreuen, die dem Kaiser in den Krieg folgten, kämpften für ein ideales Ziel, für den Glanz der höchsten Krone der Christenheit, für den Ruhm des deutschen Namens.
Hingebende Begeisterung für den kaiserlichen Feldherrn und edle Ruhmbegierde erfüllten Friedrichs Heer, das zumeist aus den Dienstmannen der größern Vasallen, den Ministerialen, gebildet war. Hatte schon früher die Ehre des Waffendienstes diesem ursprünglich nicht vollfreien Ritterstand eine Stellung über den Gemeinfreien errungen, so wurde er jetzt im Dienste der edlen staufischen Herrscher noch höher geadelt und durch Streben nach feiner Sitte und Bildung der Träger der geistigen Kultur Deutschlands.
Überhaupt entfesselte die nach freien, großartigen Gesichtspunkten geleitete Herrschaft der Staufer die Kräfte des deutschen Volkes. Durch den Aufschwung des Handels und Verkehrs nahm der Wohlstand zu; die Bewohner der Städte verschmolzen zu einem neuen Stande, dem Bürgerstand, der sich von den Fürsten, besonders von den Bischöfen, das Recht der Selbstregierung zu erringen wußte und bald auch im Reich durch seine feste Anhänglichkeit an das Königtum eine politische Bedeutung erlangte.
Wissenschaften und Künste begannen von neuem aufzublühen und nicht mehr bloß in den einsamen Zellen der Klöster: die Bürger schmückten ihre Städte mit Kirchen, die Ritter pflegten nach dem Vorgang der Franzosen die Poesie. In besonders großartiger Weise zeigte sich die deutsche Volkskraft bei der Kolonisation und Germanisierung der rechtselbischen Gebiete, welche das tapfere Schwert Albrechts des Bären und Heinrichs des Löwen wieder der christlichen Kultur und deutschen Herrschaft unterworfen hatte. Das östliche Holstein, Mecklenburg und Pommern, das Havel- und Spreegebiet, endlich Schlesien wurden von deutschen Ansiedlern bevölkert und das Gebiet des Reichs um ausgedehnte Territorien vergrößert. Mochte auch Friedrich I. den Vertrag von Venedig als eine tiefe
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Demütigung seines Stolzes empfunden haben, in den Augen der Welt und seines Volkes galt er doch als der erste weltliche Monarch der Christenheit, dem die deutschen Ritter Ruhm und herrlichen Siegeslohn, das deutsche Volk innern Frieden und einen großartigen Aufschwung seiner Kraft zu danken hatte.
Daß die Macht des staufischen Kaisers durch den Ausgang des Streits mit dem Papst nicht erschüttert wurde, zeigte sich, als Friedrich den mächtigsten Reichsfürsten, Heinrich den Löwen, für seinen Verrat zu züchtigen beschloß. Denn weil Heinrich, uneingedenk der Großmut Friedrichs und voll Zuversicht auf seine fast königliche Macht, 1176 die Heeresfolge verweigert hatte, verlor der Kaiser die Entscheidungsschlacht bei Legnano. Da fast alle Fürsten dem Kaiser treu zur Seite standen, unterlag der Herzog trotz seiner Tapferkeit und Macht und behielt 1180 nur die welfischen Allode in Sachsen (Braunschweig und Lüneburg); Bayern erhielt Otto von Wittelsbach, Sachsen wurde zerstückelt: die geistlichen Territorien, mehrere Städte u. a. wurden reichsunmittelbar, Westfalen bekam das Erzstift Köln, der Name des Herzogtums Sachsen beschränkte sich fortan auf das Elbgebiet, welches den Askaniern verliehen wurde.
Damit ward auch das letzte große Stammesherzogtum vernichtet: wie schon früher Franken, so war auch seit der Thronbesteigung der Staufer Schwaben nicht wieder vergeben worden;
Lothringen hatte sich längst in eine Reihe kleinerer Gebiete aufgelöst;
Bayern war durch Abtrennung von Österreich, Meran, Kärnten etc. und durch die Vergrößerung der Stifter auch auf einen kleinen Teil seines frühern Umfangs beschränkt worden. An Stelle der wenigen Herzöge bildete sich jetzt eine neuere, zahlreichere Reichsaristokratie in dem Reichsfürstenstand, der sich aus den Herzögen, Pfalzgrafen, Landgrafen, Markgrafen, Erzbischöfen, Bischöfen und Fürstäbten zusammensetzte und gegen Grafen und Herren streng abschloß, so daß fortan die Reichsfürstenwürde besonders verliehen wurde.
Auf dem glänzenden Hoftag, den Friedrich 1184 in Mainz abhielt, trat des Kaisers erhabene Stellung über dieser Aristokratie glänzend hervor; sie war um so eifriger beflissen, ihm zu dienen, als er, obwohl er in der Ritterschaft und in den Städten unbedingt ergebene Anhänger hatte, dennoch die Rechte der deutschen Fürsten in keiner Weise antastete. Denn immer wieder richtete sich der Blick der Staufer auf Italien, auf ihre Weltherrschaftsansprüche, auf ihre Pflichten als die Führer der Christenheit. In diesem Sinn erwarb Friedrich 1186 durch die Heirat seines Sohns Heinrich mit der Erbtochter Konstanze für sein Haus die Anwartschaft auf das normännische Königreich beider Sizilien; aus diesem Grund stellte er sich 1189 an die Spitze des dritten Kreuzzugs, auf dem er sein ruhmvolles Leben 1190 glorreich endete.
Friedrichs Nachfolger Heinrich VI. (1190-97) trat die Regierung in dem Königreich Neapel und Sizilien nach blutiger Unterdrückung des Widerstandes einer Adelspartei an und entwarf von hier aus großartige, kühne Eroberungspläne, deren Verwirklichung ihn zum Herrn des ganzen Orients erhoben hätte. Gleichzeitig war er nach nochmaliger Besiegung der Welfenpartei bemüht, die Herrschaft seines Hauses in Deutschland dadurch dauernd zu befestigen, daß er die Kaiserkrone im staufischen Geschlecht erblich machte, wogegen er den Fürsten die unbedingte Erblichkeit der Lehen auch in weiblicher Linie zuzugestehen bereit war.
Wiederum, wie 983 und 1056, führte der plötzliche frühe Tod des Kaisers, welcher eine großartige Machtentfaltung in ihren Anfängen erstickte, einen verhängnisvollen Wendepunkt in der deutschen Geschichte herbei. Die zahlreichen Feinde der Staufer waren noch nicht unterdrückt, aber gewarnt, und so säumten sie nicht, die günstige Gelegenheit zum Sturz des hochstrebenden Geschlechts auszubeuten. Während die staufische Partei an Stelle des dreijährigen Sohns des Kaisers dessen Bruder Philipp von Schwaben (1198-1208) auf den Thron erhob, wählten die Anhänger der Welfen einen Sohn Heinrichs des Löwen, Otto IV. Ein wilder, langwieriger Kampf brach aus;
Papst Innocenz III. erhob den Anspruch auf das oberste schiedsrichterliche Amt auch über die deutsche Krone und erlangte von Otto die Anerkennung desselben;
die Fürsten erpreßten von den beiden Königen als Preis ihres Beistandes immer neue Zugeständnisse und beraubten das Königtum des größten Teils seiner Domänen;
die Nachbarreiche, namentlich Dänemark, rissen sich vom deutschen Lehnsverband los.
Als endlich Philipp das Übergewicht über seinen Gegner erlangt hatte und sich zur völligen Bezwingung desselben anschickte, ward er 1208 von Otto von Wittelsbach aus Privatrache ermordet. Otto IV. (1208-15) ward nun auch von der staufischen Partei in Deutschland anerkannt und empfing 1209 von Innocenz III. die Kaiserkrone. Aber sobald er die alten kaiserlichen und welfischen Rechte auf die Mathildischen Güter geltend machte und die kaiserliche Oberhoheit im Kirchenstaat und in Neapel beanspruchte, wurde er in den Bann gethan, und Innocenz stellte den Sohn Heinrichs VI., Friedrich, als Gegenkönig auf. Otto, von den wankelmütigen deutschen Fürsten im Stiche gelassen, suchte bei England Schutz und Hilfe. Sein Gegner verband sich mit dem mächtigen König Philipp II. von Frankreich. Dessen Sieg über die Engländer bei Bouvines 1214 entschied auch über die deutsche Krone. Otto IV. endete arm und ungeehrt 1218 auf der Harzburg, der junge Staufer Friedrich II. (1215-50) ward allgemein anerkannt und 1215 in Aachen mit großer Pracht gekrönt.
Friedrich II., geistreich und glänzend begabt, aber mehr Italiener als Deutscher, hatte, wie seine Vorfahren, die Errichtung einer Weltherrschaft als letztes Ziel vor Augen. Er begnügte sich daher, seine Herrschaft in Deutschland dadurch zu sichern, daß er seinen Sohn Heinrich 1220 zum deutschen König wählen ließ, und begab sich sofort nach Italien zurück, wo er 1220 in Rom von Honorius zum Kaiser gekrönt wurde. Den Kreuzzug, welchen zu unternehmen er dem Papst versprochen hatte, verschob er und widmete sich ganz seinem sizilischen Königreich, das er durch eine nach durchaus modernen Staatsgrundsätzen durchgeführte Reorganisation zu einem finanziell und militärisch kräftigen Staat umschuf, der das Fundament seiner weitern politischen Pläne bilden sollte.
Wegen der wiederholten Verschiebung des Kreuzzugs that ihn endlich Gregor IX. 1227 in den Bann, dessen Aufhebung aber Friedrich nach glücklicher Beendigung des Zugs nach Jerusalem, wo er sich selbst zum König krönte, im Frieden von San Germano 1230 erzwang. Als ihn ein Abfallsversuch des jungen Königs Heinrich nach Deutschland rief, strahlte das durch einen so edlen Fürsten vertretene Kaisertum im höchsten Glanz. Auf dem Reichstag zu Mainz verkündete er den ersten allgemeinen Landfrieden in deutscher Sprache, setzte ein ständiges kaiserliches Hofgericht ein, welches die oberste Gerichtsbarkeit in Deutschland ausüben sollte, und versöhnte die Welfen durch Erhebung Braunschweig-Lüneburgs zum Herzogtum.
Freilich war diese Machtstellung durch überaus schwerwiegende Zugeständnisse an die Fürsten
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erkauft, denen er landeshoheitliche Gewalt in ihren Territorien einräumte und die niedern Stände, besonders die Städte, preisgab, und hing ganz von deren gutem Willen ab. Als sie sich dazu verstanden, den zweiten Sohn des Kaisers, Konrad, zum deutschen König zu wählen, sicherten sie sich die Unverletzlichkeit ihrer Rechte durch einen feierlichen Wahlvertrag. Als daher der Kaiser, nach Italien zurückgekehrt, die Unterwerfung Oberitaliens begann, aber darüber wieder mit dem Papst in Streit geriet und, während er gegen die lombardischen Städte mit Aufbietung aller Kräfte, aber ohne entscheidenden Erfolg rang, erst in den Bann gethan, dann 1245 auf dem Konzil zu Lyon von Innocenz IV. förmlich abgesetzt wurde, gehorchte ein Teil der Fürsten dem päpstlichen Befehl, einen neuen König zu wählen, und setzte erst Heinrich Raspe von Thüringen (1246-47), dann Wilhelm von Holland (1248-56) die Krone auf.
Nur einen kleinen Teil Deutschlands behauptete Konrad in heftigen Kämpfen mit den Gegenkönigen. Auf die Kunde von dem Tod Friedrichs, der 1250, wütend verfolgt von der Kirche und von den schmerzlichsten Schicksalsschlägen niedergeschmettert, zu Fiorentino in Apulien starb, eilte Konrad IV. (1250-54), Deutschland preisgebend, nach Italien, um sein sizilisches Erbreich zu retten. Aber er starb schon 1254. In erbittertem Ringen mit dem unversöhnlichen Papsttum, das den französischen Prinzen Karl von Anjou zu Hilfe rief, unterlag der edle Manfred, Friedrichs natürlicher Sohn, nach kurzem Glück und verlor 1266 bei Benevent Sieg und Leben. Konrads IV. Sohn Konradin, der letzte Staufer, büßte den Versuch, sein Erbreich den Franzosen zu entreißen, mit dem Tode durch das Henkerbeil (1268).
Während dieser erschütternden Ereignisse, die dem Untergang des glänzendsten Herrschergeschlechts vorausgingen, drohte auch das deutsche Königtum ganz zu Grunde zu gehen. Zwar ward nach dem Tod Wilhelms von Holland (1256) eine Neuwahl vorgenommen: die welfische Partei wählte den reichen englischen Prinzen Richard von Cornwallis, die staufische den König Alfons von Kastilien;
doch kam dieser nie nach Deutschland, jener nur einige Male, um Königsrechte an seine Anhänger zu verschleudern.
Eine monarchische Gewalt bestand thatsächlich nicht, und daher heißt diese Zeit das Interregnum (1254-1273). Die landesherrlichen Gewalten (Territorien) gelangten zu fast völliger Unabhängigkeit und vereinigten alle Regierungsrechte in ihrer Hand. Unter den Reichsfürsten nahmen diejenigen eine hervorragende Stellung ein, auf welche sich allmählich das Recht, den König zu wählen, beschränkt hatte, die sieben Wahl- oder Kurfürsten; es waren das die Inhaber der alten Erzämter, die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier als Erzkanzler Deutschlands, Italiens und Burgunds, der König von Böhmen als Erzschenk (doch wurde die böhmische Kurstimme noch lange angefochten und von Bayern beansprucht), der Herzog von Sachsen als Erzmarschall, der Pfalzgraf vom Rhein als Erztruchseß und der Markgraf von Brandenburg als Erzkämmerer.
Die Wahlfürsten waren bei der Kaiserwahl an kein Erbfolgerecht mehr gebunden; das Herkommen, welches früher den Mitgliedern oder Verwandten des herrschenden Geschlechts ein gewisses Anrecht verlieh, das ohne triftige Gründe nicht verletzt wurde, war in den Stürmen der letzten Zeit untergegangen. Neben den geistlichen und weltlichen Fürsten behaupteten noch eine große Zahl von Grafen und Rittern ihre Reichsunmittelbarkeit, und trotz der Ungunst der Zeiten und der geringen Unterstützung von seiten der Reichsgewalt erlangten etwa 60 Städte besonders im Süden und Westen des Reichs die Stellung von unabhängigen Gemeinwesen, die, nur dem Kaiser unterthan, sich ganz frei selbst verwalteten und in ihrem Gebiet die landeshoheitlichen Rechte ausübten.
Der Selbständigkeitstrieb im deutschen Volk zeigte sich so mächtig, daß in den Gebieten selbst der mächtigen Reichsfürsten Adel, Geistlichkeit und Städte, die Landstände, nach möglichst großer Ungebundenheit und Freiheit strebten und sich den Geboten der Territorialgewalt ebensowenig fügten wie die Reichsstände den kaiserlichen. Namentlich das Fehderecht, d. h. das Recht, ohne Rücksicht auf den Landfrieden nach ordnungsmäßiger Aufkündigung des Friedens sich mit gewaffneter Hand zu dem angesprochenen Recht zu verhelfen, nahmen gleich den Reichsfürsten auch die niedern Reichs- und die Landstände in Anspruch, und der Ritterstand, seit dem Untergang der Staufer und dem Ende der Kreuzzüge nicht mehr im Dienst großer, idealer Unternehmungen beschäftigt, verwilderte gänzlich durch den Mißbrauch dieses Fehderechts zu rohen Plünderungs- und Raubzügen. Das »vom Stegreif leben« ward ritterliches Handwerk und das Faustrecht das Zeichen der Zeit.
Indes trotz des Mangels einer gesetzlichen, durch berufene Organe energisch aufrecht erhaltenen Ordnung im Reich und trotz des schmählichen Zusammenbruchs der einst so stolzen Kaisermacht entwickelte das deutsche Volk eine so strotzende Kraft, ein so reges geistiges und materielles Leben, daß jene Zeit in mehrfacher Hinsicht als ein Höhepunkt in der deutschen Volksgeschichte bezeichnet werden darf. Derselbe Selbständigkeitstrieb, welcher die Begründung einer geschlossenen Staatsordnung verhinderte, verlieh dem Einzelnen die Energie, sich selbst zu helfen und durch die eigne Kraft allein oder im Bund mit andern schwere Gefahren von Deutschland abzuwehren.
Die Städte schufen sich, unbeirrt durch die Feindseligkeiten der Reichsfürsten und die Räubereien der Ritter, einen Handelsverkehr und eine Gewerbthätigkeit, welche den ganzen Norden und Osten Europas beherrschten. Der vernichtende Einfall, mit dem 1241 die Mongolen nach der Bewältigung ganz Osteuropas das Reich bedrohten, wurde von einer Anzahl schlesischer und mährischer Fürsten unter Führung des Herzogs Heinrich von Liegnitz in der Schlacht auf der Walstatt zurückgewiesen.
Das Gebiet rechts der Elbe, welches Friedrich II. 1212 Dänemark preisgegeben, ward durch den Sieg norddeutscher Fürsten und Städte über König Waldemar 1227 bei Bornhövede demselben wieder entrissen und Holstein, Mecklenburg und Pommern für Deutschland und für die Germanisierung zurückgewonnen. Die Eroberung Preußens durch den Deutschen Ritterorden und die Begründung blühender, mächtiger deutscher Kolonien in Kurland, Livland und Esthland im Nordosten, in Siebenbürgen im Südosten erfolgten ohne jede direkte und materielle Unterstützung von Kaiser und Reich.
Während die Geistlichkeit die Wissenschaften pflegte, fertigten Laien die ersten umfassenden Rechtsaufzeichnungen (so den Sachsen-, später den Schwabenspiegel) an. Der Ritterstand schuf die Poesie des Minnegesangs, in welcher sich die feine höfische Bildung jener Zeit ausprägte, und die zuerst eine deutsche Schriftsprache künstlerisch ausbildete. In den Städten brachte die Baukunst unvergängliche Werke in den herrlichen Domen hervor, welche die Schwesterkünste der Bildhauerkunst und Malerei auszuschmücken strebten. Diese üppige Entwickelung und Tüchtigkeit der Volkskraft, diesen idealen, auf die höchsten Ziele der
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Kulturentwickelung gerichteten Schwung in den Geistern verdankt Deutschland der Größe und dem Glanz des Staufergeschlechts, dessen Herrschaft durch diese geistige Einwirkung überdauert wurde, und das gerade in dieser idealen Richtung noch jahrhundertelang wirksam fortgelebt hat.
Deutschland unter der Herrschaft verschiedener Kaiserhäuser. 1273-1410.
(Hierzu die »Geschichtskarte von Deutschland II«.)
Als im J. 1272 Richard von Cornwallis gestorben und, da Alfons von Kastilien sich nie um Deutschland kümmerte, der deutsche Thron erledigt war, erkannten die Wahlfürsten doch die Notwendigkeit der Neuwahl eines Königs, der Deutschland vor Zersplitterung bewahren, und unter dessen Schutz sie selbst ihre herrschende Stellung befestigen konnten. Auf die Anregung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg wählten sie im September 1273 den Grafen Rudolf von Habsburg, einen tapfern, klugen Fürsten aus einem alten, am Oberrhein reichbegüterten, aber im Vergleich zu den Häuptern der deutschen Aristokratie nicht sehr mächtigen Geschlecht.
Die Absicht der Wahlfürsten dabei war, daß fortan der König zwar Sicherheit des Rechts und Frieden im Innern des Reichs herstellen und erhalten, nach außen die Rechte seiner Krone wahrnehmen, aber dabei von den Fürsten stets abhängig sein solle. Der König mußte allerdings von vornherein darauf verzichten, die kaiserliche Macht in dem Umfang, wie die Sachsen und Salier sie besessen, die Staufer noch beansprucht hatten, auszuüben. Die Reichsgüter, welche seinen Vorgängern zu Gebote gestanden, waren verloren gegangen, die alten königlichen Rechte des obersten Gerichts, des Heerbannes, der Zölle in den Besitz der Fürsten gekommen, welchen sie nicht mehr streitig gemacht werden konnten, und die Fürstentümer durch die Erweiterung des Erbrechts fast ganz der Verfügung des Königs entzogen.
Als materielle Grundlage seiner Herrschergewalt blieb ihm allein sein eigner fürstlicher Besitz, seine Hausmacht. Diese nun durch geschickte Benutzung des Restes kaiserlicher Befugnisse zu vergrößern und so das Ansehen und die Macht der Krone wieder zu erhöhen, war das Streben Rudolfs und seiner Nachfolger. Die Fürsten suchten dieser Gefahr einer Erstarkung der Königsgewalt durch ihre Begründung auf eine große Hausmacht dadurch zu begegnen, daß sie die Vererbung der Krone in Einem Geschlecht nicht aufkommen ließen, sondern kraft ihres unbeschränkten Wahlrechts immer neue Dynastien auf den Thron setzten.
Die rücksichtslose Anwendung dieses Wahlrechts, die so weit ausgedehnt wurde, daß sich die Kurfürsten auch das Recht der Absetzung eines Königs zusprachen, und die allzu eigennützige Politik gerade der Dynastien, welche die größte Hausmacht gewannen, haben dann bewirkt, daß das Kaisertum sich im Besitz auch seiner geschmälerten Rechte nicht dauernd befestigen konnte und Deutschlands Staatsverfassung mehr und mehr einen oligarchischen Charakter annahm.
Rudolf I. (1273-91) gab zwar den Gedanken, in Italien einzugreifen und die Kaiserkrone zu erwerben, nie ganz auf; aber er ließ ihn zunächst zurücktreten und verstand sich, um mit dem Papst in gutem Einvernehmen zu bleiben, dazu, die thatsächlichen Verhältnisse in Italien auch rechtlich anzuerkennen. Sein ganzes Augenmerk richtete er auf die Befestigung seiner Stellung in Deutschland selbst. Mit Nachdruck forderte er die seit Friedrichs II. Absetzung (1245) entfremdeten Reichsrechte und Reichsgüter zurück.
Davon wurde vor allen König Ottokar von Böhmen betroffen, der nach dem Erlöschen des babenbergischen Herzogshauses (1246) die Lande Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain an sich gerissen hatte und in stolzer Zuversicht auf seine Macht dem ohne sein Zuthun gewählten Rudolf die Huldigung verweigerte; noch weniger war er geneigt, Österreich herauszugeben. Mit geringer Heeresmacht (denn an ein Reichsaufgebot war nicht zu denken) zog Rudolf gegen ihn, eroberte mit Hilfe der österreichischen Ritter die babenbergischen Lande und schlug Ottokar 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld, in der der stolze Böhmenkönig selbst fiel.
Sein unmündiger Sohn Wenzel ward auf Böhmen und Mähren beschränkt; Österreich, Steiermark und Krain verlieh Rudolf mit Zustimmung der Kurfürsten seinen Söhnen Albrecht und Rudolf, während Kärnten Meinhard von Tirol erhielt. So brachte der Kaiser große, blühende Fürstentümer an sein Geschlecht und begründete eine starke habsburgische Hausmacht. Nun widmete er sich der Herstellung des Landfriedens im südlichen und mittlern Deutschland und schritt mit rühmlicher Strenge gegen die wüsten Raubritter ein, deren mehrere am Galgen endeten, und deren Raubburgen in großer Zahl gebrochen wurden.
Die Erfolge konnten freilich bloß partielle und vorübergehende sein. Nur ein nachhaltiges, ungestörtes Wirken der obersten Reichsgewalt in dieser Richtung hätte geordnete Rechtszustände schaffen können. Gerade dies aber erreichte Rudolf nicht; es gelang ihm nicht, die Kurfürsten noch bei seinen Lebzeiten zur Wahl seines Sohns Albrecht zu vermögen. Diesen erschien die Macht des Hauses Habsburg, zumal in der Hand eines so strengen, energischen Mannes wie Albrecht mit der deutschen Krone vereinigt, schon viel zu groß und für ihre Selbständigkeit gefährlich.
Nach Rudolfs Tod wählten die Fürsten daher wieder einen kleinen Grafen, Adolf von Nassau (1292-98), zum König, nachdem sie, besonders Erzbischof Gerhard von Mainz, ihn zu den drückendsten Zugeständnissen in Bezug auf das Zollrecht der rheinischen Fürsten verpflichtet hatten. Als jedoch Adolf sofort nach Erwerbung einer Hausmacht strebte und einen Familienzwist im wettinischen Fürstenhaus in gehässiger Weise benutzte, um von Albrecht dem Unartigen Thüringen und Meißen für 12,000 Mk. Silber zu kaufen, als er, um diese Kaufsumme zu erlangen, sich gegen Hilfsgelder zur Beteiligung am Krieg Englands gegen Frankreich verpflichtete, als ferner sein Versuch, die erkauften Lande zu besetzen, an dem mannhaften Widerstand der Söhne Albrechts, Friedrich und Diezmann, kläglich scheiterte, und als er endlich, um die Städte für sich zu gewinnen, sein bei der Wahl erteiltes Versprechen brach und die Rheinzölle freigab: da schritten die Kurfürsten dazu, Adolf förmlich zu entsetzen und Albrecht von Österreich zu wählen. Adolf fiel im Kampf gegen seinen Gegner bei Göllheim
Klug, zäh und rücksichtslos in der Wahl seiner Mittel, war der neue König, Albrecht I. (1298-1308), vor allem bemüht, die übermütigen rheinischen Erzbischöfe zu unterdrücken. Er wagte gegen sie einen offenen Kampf, als sie mit Absetzung drohten, und errang den Sieg; er that nun die Rheinzölle wieder ab, um die Städte zu fördern, schirmte den Landfrieden, suchte in den Landständen eine Stütze gegen die Fürstengewalt zu gewinnen, ja er trat mit Papst Bonifacius VIII. in Verbindung, damit derselbe aus päpstlicher Machtvollkommenheit den Kurfürsten das Wahlrecht nehme und die deutsche Krone für erblich erkläre. Indessen Bonifacius VIII. wurde schon 1303 vom französischen König Philipp IV. gestürzt, und seine Nachfolger
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gerieten ganz unter französischen Einfluß. Die Versuche Albrechts, seine Hausmacht zu vergrößern, scheiterten alle: in Holland und Zeeland, die er für eröffnete Lehen erklären und seinen Söhnen übertragen wollte, mußte er die weibliche Nachfolge des Hauses Avesnes anerkennen;
ein Einfall kaiserlicher Söldner in Thüringen und Meißen, um diese von seinem Vorgänger erkauften Lande in Besitz zu nehmen, ward von den Brüdern Friedrich und Diezmann siegreich zurückgewiesen;
in Böhmen ward zwar 1306 nach dem Erlöschen des Hauses der Przemysliden von einem Teil der Stände sein Sohn Rudolf zum König erwählt, aber als dieser schon 1307 starb, übertrug die den Habsburgern feindliche Mehrheit dem Herzog Heinrich von Kärnten die Krone.
Ehe Albrecht die Unterwerfung der Fürsten vollenden und das bei seinem Streben, die habsburgischen Lande zu vermehren, erlittene Mißgeschick ausgleichen konnte, ward er bei einem Besuch in der Schweiz, angesichts der Stammburg seines Hauses, ermordet; der Mörder war sein Neffe Johann von Schwaben (Parricida), der, durch vermeintliche Zurücksetzung gegen seinen Oheim erbittert, von dem Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, und andern Fürsten zu der Frevelthat angestachelt worden war.
Erzbischof Peter beeilte sich, den Gewinn des Mordes den Fürsten zu sichern, indem er die Nachfolge eines Habsburgers verhinderte und im Einverständnis mit Balduin von Trier die Wahl der Kurfürsten auf Balduins Bruder, den Grafen Heinrich von Luxemburg, lenkte. Zwar benutzte der neue König, Heinrich VII., seine Stellung mit Erfolg dazu, seinem Haus eins der bedeutendsten Fürstentümer des Reichs als Hausmacht zuzuwenden, indem er seinen Sohn Johann mit der przemyslidischen Prinzessin Elisabeth vermählte und mit Hilfe der Kurfürsten und eines Teils der böhmischen Stände Heinrich von Kärnten aus Böhmen verdrängte (1310). Aber sein Streben ging weiter: schwungvoll und phantastisch, gedachte er die alte Kaisermacht wiederherzustellen und als oberster Schiedsrichter der Christenheit der Welt den ersehnten Frieden zurückzugeben;
seine erhabene Würde und sein reiner, edler Wille, glaubte er, würden genügen, um dies Ziel zu erreichen. So zog er, von einem stattlichen Gefolge von Reichsfürsten umgeben, 1310 über die Alpen nach Italien, das seit der staufischen Zeit kein Kaiser betreten hatte, und wo ihn die ghibellinische Partei, an ihrer Spitze Dante, freudig begrüßte;
denn Italien war durch den unversöhnlichen Parteihader der Guelfen und Ghibellinen verwirrt und verwüstet und sehnte sich nach einem kraftvollen Herrscher, der das politisch zerrüttete Land einigte.
Anfangs nicht ohne Erfolg, ward Heinrich VII. mit der lombardischen Königskrone gekrönt und empfing auch 1312 im Lateran zu Rom die Kaiserkrone. Aber als er, statt sich zu einem Werkzeug der ghibellinischen Partei zu machen, die Idee eines über allen Parteien stehenden Kaisertums durchzuführen versuchte, verbanden sich die in ihren selbstsüchtigen Hoffnungen Getäuschten mit den unversöhnten Guelfen; an ihre Spitze trat König Robert von Neapel, und auch der Papst Clemens V., der anfangs Heinrichs Unternehmen begünstigt, schleuderte den Bann gegen ihn. Unter den Vorbereitungen eines Feldzugs gegen Neapel starb der Kaiser 1313 in Buonconvento bei Siena. Sein Unternehmen hatte nur dazu gedient, die Opposition der Italiener gegen die deutsche Fremdherrschaft wieder zu erwecken, und die Unmöglichkeit des alten Kaisertums dargethan.
Nach Heinrichs VII. frühem Tod betrieben die Habsburger ihre Bewerbung um den deutschen Thron mit um so größerm Eifer, als die Festsetzung der Luxemburger in Böhmen ihrer Herrschaft in Österreich gefährlich zu werden drohte. Albrechts ältester Sohn, Friedrich der Schöne, gewann auch einen Teil der Wahlfürsten, Kurköln, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten als Prätendenten der böhmischen Krone, für sich. Die luxemburgische Partei, voran Balduin von Trier und Peter von Mainz, denen sich Brandenburg und Sachsen-Lauenburg anschlossen, stellte Herzog Ludwig von Bayern als ihren Kandidaten auf, da König Johann von Böhmen zu jung war und auf den Widerwillen der Kurfürsten, die Krone sich vererben zu lassen, stieß. Friedrich wurde im Oktober 1314 von seinen Anhängern in Sachsenhausen, Ludwig von den seinigen gleichzeitig in Frankfurt gewählt. Nur Waffengewalt konnte zwischen den beiden Nebenbuhlern entscheiden. Nachdem die habsburgische Partei im Kampf gegen die Schweizer bei Morgarten 1315 einen empfindlichen Schlag erlitten, erlag König Friedrich in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf seinem Gegner und geriet selbst in dessen Gefangenschaft.
Ludwig der Bayer (1314-46) war jetzt in Deutschland Alleinherrscher. Allerdings setzte Friedrichs stolzer Bruder, Herzog Leopold von Österreich, den Kampf fort und gewann den König von Frankreich, dem er die Aussicht auf die deutsche Krone eröffnete, und der vor allem seine Macht in Burgund auf Kosten des Reichs erweiterte, sowie den Papst Johann XXII. für sich. Letzterer beanspruchte sogar die Entscheidung des deutschen Thronstreits und verhängte, als Ludwig sich weigerte, die durch die Waffen eroberte Krone der Gnade des Papstes preiszugeben, über diesen den Bann, über Deutschland das Interdikt. Indes durch direkte Verständigung zwischen Ludwig und Friedrich (1325) und den frühen Tod Leopolds (1326) wurde der innere Zwist in Deutschland dahin geschlichtet, daß Friedrich gegen den Verzicht auf die Kaiserkrone und auf Italien in Deutschland eine Mitregentschaft eingeräumt wurde, die bis zu seinem Tod (1330) dauerte.
Ermutigt durch die allgemeine Opposition in Deutschland gegen das anmaßende, übereilte Verfahren des Papstes, der sich sogar der einflußreiche Franziskanerorden anschloß, nahm Ludwig den Kampf mit dem Papsttum auf. Mit einem kleinen Söldnerheer zog er 1327 nach Italien, wo ihn die Ghibellinen anfangs unterstützten, empfing 1328 in Rom die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes und erhob, nachdem er Johann XXII. als Hochverräter und Ketzer hatte absetzen lassen, einen frommen Minoritenmönch als Nikolaus V. auf den Stuhl Petri.
Aber Ludwigs Ungeschick und die übermäßige Begehrlichkeit seiner Anhänger führten bald zu einem Zwist mit demselben, der den Kaiser auf einmal aller Macht beraubte und ihn zwang, einen fast fluchtähnlichen Rückzug nach Deutschland anzutreten. In dem weitern Streit mit den durch Frankreichs Schutz gesicherten Päpsten benahm er sich mutlos und schwankend und verscherzte durch diese Haltung seinen Ruhm und sein Ansehen. Erst als die Kurfürsten (mit Ausnahme Böhmens) sich zur Zurückweisung der päpstlichen Anmaßung ermannten, die um so unwürdiger war, als der Papst ganz in der Gewalt des französischen Königs stand, und auf dem Kurverein zu Rhense erklärten, die Wahl der Kurfürsten, nicht die Bestätigung des Papstes mache den König, wagte es Ludwig, auf dem darauf folgenden Reichstag in Frankfurt 8. Aug. mit Zustimmung der zahlreich versammelten Reichsstände feierlich zu erklären, daß die
Deutschland beim Tode Karls IV.
1378.
Revidiert von Karl Wolf.
Maßstab 1:5500000
Umfang des Römisch-Deutschen Reichs.
Luxemburgische Lande
Habsburgische Lande
Wittelsbachische Lande
Wettinische Lande
Anhaltinische Lande
Hohenzollersche Lande
Welfische Lande
Geistliches Gebiet
Reichstädtisches Gebiet
Kleinere Lande
Abkürzungen:
AG. Bistum Augsburg
B. Markgrafschaft Baden
BR. Bistum Brixen
DO. Deutschordensgebiet
E. Bistum Eichstedt
FU. Abtei Fulda
FÜ. Grafschaft Fürstenberg
GH. Fürstentum Grubenhagen
GK. Grafschaft Geroldseck
GZ. Grafschaft Görz
H. Grafschaft Hanau
HB. Grafschaft Hohenberg
HI. Bistum Hildesheim
K. Erzbistum Köln
KO. Bistum Konstanz
L. Burggrafschaft Leisnig
LB. Landgrafschaft Leuchtenberg
LI. Herrschaft Lichtenberg
LX. Herzogtum Luxemburg
M. Bistum Metz
MEI. Burggrafschaft Meißen
MS. Bistum Meißen
MZ. Erzbistum Mainz
N. Grafschaft Namur
O. Grafschaft Orlamünde
PF. Kurpfalz
SP. Bistum Speyer
Sph. Grafschaft Sponheim
ST. Bistum Straßburg
T. Erzbistum Trier
W. Bistum Worms
WE. Grafschaft Werdenberg
WL. Grafschaft Wirtemberg
A. AB. AEI = Abtei
B. BM. = Bistum
BGFT. = Burggrafschaft
EB. EBM. ERZBM. = Erzbistum
ERZH. = Erzherzogtum
FM. FT. FT. = Fürstentum
GF. GF. GFT. = Grafschaft
HFT. HF. HS. = Herrschaft
HZTM. HZ. HZM. = Herzogtum
KGR. = Königreich
LGFT. = Landgrafschaft
MK. MK. MKGFT. MGFT. = Markgrafschaft
Die mit den Territorien übereinstimmenden Ortsnamen sind unterstrichen.
Zum Artikel »Deutschland«.
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kaiserliche Würde unmittelbar von Gott allein herstamme, und daß der von den Kurfürsten Erwählte sofort und durch die Wahl allein König und Kaiser werde, folglich der Anerkennung und Bestätigung des apostolischen Stuhls nicht bedürfe. Aber bald geriet Ludwig durch die übermäßige Erweiterung seiner Hausmacht mit den Fürsten in Konflikt. Schon 1323 war es ihm gelungen, für seine Familie ein mächtiges Fürstentum zu gewinnen, indem er nach dem Aussterben der Askanier (1320) die Mark Brandenburg seinem ältesten Sohn, Ludwig, übertrug; dann hatte er sich in zweiter Ehe mit der Erbin von Holland, Zeeland, Friesland und Hennegau vermählt und mit diesen Landen seinen zweiten Sohn belehnt; 1341 erklärte er ferner die in seiner Hand vereinigten Herzogtümer Ober- und Niederbayern für unteilbar.
Damit nicht zufrieden, vermählte er 1342, um Tirol zu erwerben, die Gräfin Margarete Maultasch, Erbin von Tirol und Kärnten, mit seinem Sohne, nachdem er ihre erste Ehe mit Johann Heinrich von Luxemburg, einem Sohn Johanns von Böhmen, eigenmächtig getrennt hatte. Diese Ländergier empörte die Fürsten, sein Eingriff in kirchliche Rechte zog ihm von neuem den päpstlichen Bann zu. Auf Antrieb des Papstes vereinigten sich fünf Kurfürsten 1346 in Rhense zur Absetzung Ludwigs und zur Wahl Karls von Luxemburg, welcher die Ansprüche des Papstes wieder in weitestem Umfang anerkannte.
Ludwig war zwar gewillt, seine Krone mit Gewalt zu verteidigen, starb jedoch schon 1347. Sein Sohn Ludwig von Brandenburg setzte den Widerstand gegen Karl noch eine Zeitlang fort und stellte in Günther von Schwarzburg einen Gegenkönig auf. Indes das Auftreten des falschen Waldemar in Brandenburg, den Karl anzuerkennen nicht säumte, bewog ihn zu einer Verständigung mit den Luxemburgern. Günther starb, nachdem er gegen 22,000 Mk. Silber auf seine Kronansprüche verzichtet, bereits 1349.
So war nun Karl IV. (1346-78) unbestrittener Herr in Deutschland, das jedoch von der Herstellung des innern Friedens nicht viel Vorteil zog, da es gerade damals von einer furchtbaren Pest, dem Schwarzen Tode, der namentlich am Rhein wütete, heimgesucht wurde. Karl unternahm 1355 eine Romfahrt, um sich von einem Kardinal zum Kaiser krönen zu lassen, mußte sich aber gegen den Papst verpflichten, sofort nach der Krönung Rom zu verlassen; den Rest der Reichsrechte in Italien wahrte er nicht, sondern er verkaufte ihn an die Städte und Dynasten. In Deutschland suchte er eine festere oligarchische Verfassung zu begründen, indem er nach längern Verhandlungen mit den Reichsständen 1356 auf dem Reichstag zu Metz die Goldene Bulle (s. d.), das erste umfassende Reichsgrundgesetz, erließ.
Durch diese wurde einmal das bestehende Wahlrecht gesetzlich anerkannt: die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln und die weltlichen Fürsten von Sachsen-Wittenberg, Pfalz, Böhmen und Brandenburg wurden als Kurfürsten bestätigt, womit dem Streit in den Häusern Wittelsbach und Sachsen über die Führung der Kurstimme ein Ende gemacht wurde, und, um fernern Streitigkeiten vorzubeugen, bestimmt, daß fortan diejenigen Lande, an denen die Kurstimme haftete, unteilbar und nach dem Rechte der Erstgeburt erblich sein sollten. Die Wahl sollte durch die Majorität der Stimmen entschieden werden; des Papstes und seines angeblichen Bestätigungsrechts ward nicht Erwähnung gethan. Wahlstadt sollte Frankfurt, Krönungsstadt Aachen sein. Alljährlich sollten die Kurfürsten mit dem Kaiser zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten zusammenkommen.
Die oligarchische Verfassung, zu welcher durch die Goldene Bulle der Grund gelegt war, und wonach die eigentliche Leitung des Reichs dem Kurfürstenkollegium zufiel, während der Kaiser auf Ehrenrechte beschränkt wurde, hätte segensreich für Deutschland werden und namentlich den Landfrieden fest und dauernd begründen können. Indes auch dazu kam es nicht. Der Kaiser entschlug sich doch in den wichtigsten Dingen des Beirats der Kurfürsten, diese verfolgten meist nur ihre eigennützigen Interessen, und ihre Privilegien reizten die übrigen Stände, sich auch in Besitz dieser bevorzugten Stellung zu setzen, was ihnen teilweise gelang.
Karl IV. widmete seine Regententhätigkeit fast ausschließlich seinen Erblanden, und durch eine umsichtige Finanzverwaltung erzielte er in der Hebung ihres Wohlstandes und ihrer Kultur und in ihrer Vermehrung bedeutende Erfolge. Böhmen wurde ein blühendes, gewerbthätiges Land, in Prag, das er durch herrliche Bauten schmückte, stiftete er 1348 die erste deutsche Universität. 1353 erwarb er einen Teil der Oberpfalz, bald darauf die Lehnshoheit über ganz Schlesien und die Reichsstadt Eger mit ihrem Gebiet, 1363 zu der schon früher mit Böhmen vereinigten Oberlausitz auch die Niederlausitz; 1373 endlich kaufte er von dem wittelsbachischen Markgrafen Otto die Mark Brandenburg, welche er formell seinem Sohn Wenzel übertrug, thatsächlich aber selbst regierte. So vereinigte er im Osten Deutschlands ein zusammenhängendes Gebiet unter seiner Herrschaft, das von der Donau bis fast an die Ostsee reichte.
Aber noch weiter reichten seine Blicke. Er faßte auch die Erwerbung der Königreiche Polen und Ungarn für sein Haus ins Auge, indem er mit Ludwig d. Gr. Verhandlungen anknüpfte über eine Vermählung seines Sohns Siegmund mit dessen Erbtochter. Er plante also die Bildung eines großen luxemburgischen Reichs im Osten Europas. Dagegen gab er das Königreich Burgund völlig preis, indem er durch Ernennung des französischen Dauphins zum Generalvikar des burgundisch-arelatischen Königreichs (1377) die Verbindung desselben mit Deutschland löste.
Karls mit so überraschendem Erfolg geschaffenes Werk ging freilich unter seinem Nachfolger wieder zu Grunde. Wenzel (1378-1400), gegen die Bestimmung der Goldenen Bulle noch bei Lebzeiten des Vaters gewählt, wußte die Einheit des luxemburgischen Hauses nicht aufrecht zu erhalten. Sein Oheim, Markgraf Jobst von Mähren, und sein Bruder Siegmund, der die Mark Brandenburg erhielt und später durch seine Heirat mit Ludwigs d. Gr. Tochter Maria das Königreich Ungarn erwarb, standen Wenzel nicht nur nicht zur Seite, sondern halfen seine Macht in Böhmen schwächen, indem sie sich mit den aufrührerischen Ständen gegen ihn verbündeten; Wenzel geriet einige Zeit in deren Gefangenschaft und mußte 1401 die Lausitz an Jobst abtreten.
Nicht einmal in seinen Erblanden Herr, war Wenzel natürlich noch weniger in Deutschland im stande, sein Ansehen zu behaupten. Anfangs zeigte er die Absicht, die Aufrechterhaltung des Landfriedens zu sichern, und veranlaßte auf den Reichstagen zu Nürnberg (1383) und Heidelberg (1384) dahin zielende Beschlüsse. Aber ihre Durchführung gegenüber dem Widerstreben aller Stände war ihm nicht möglich. Je weniger bisher die Reichsgewalt die niedern Stände, die Städte und die Ritter, berücksichtigt hatte, desto mehr sträubten sich diese, sich ihrer Autorität zu unterwerfen und die selbständige Verfolgung ihrer Sonderinteressen auf Reichsgebot einzustellen. Wie im Norden der Städtebund der Hansa allein durch eigne Kraft, ohne Hilfe
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und Schutz von Kaiser und Reich, seinen Handel über den ganzen Nordosten ausgebreitet, die Herrschaft über die Ostsee erobert und sogar ein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung des dänischen Königsthrons sich erzwungen hatte: so thaten sich auch in Süddeutschland die schwäbischen, die rheinischen, die wetterauischen Städte zu Bünden zusammen, um ihre Freiheit gegen die Fürsten zu verteidigen, so bildete sich in der Schweiz die Eidgenossenschaft gegen das Haus Habsburg. In ähnlicher Weise schlossen die Ritter der verschiedenen Landschaften Bünde, wie den der Schlegler, den von St. Georg u. a., um die Unabhängigkeit und die Rechte ihres Standes, worunter sie freilich besonders das Raubritterwesen meinten, zu wahren. 1377 war der schwäbische Städtekrieg zwischen den Städten und Graf Eberhard von Württemberg entbrannt, und 1386 kam es in Schwaben zu einem allgemeinen Kampf des territorialen Fürstentums gegen die Eidgenossenschaft und die städtischen Bünde.
Nur die erstere siegte über die Österreicher bei Sempach (1386) und Näfels (1388) und sicherte ihre Selbständigkeit. Der schwäbische Städtebund erlitt durch Eberhard 1388 bei Döffingen, der rheinische durch Ruprecht von der Pfalz bei Worms (1388), der wetterauische durch die Ritterschaft bei Eschborn blutige Niederlagen; auch Straßburg und die fränkischen Städte wurden von den Nachbarfürsten hart bedrängt, und wenn auch die Städte nicht völlig unterworfen wurden und als dritter Reichsstand neben Kurfürsten und Fürsten bestehen blieben, so hatten doch ihre Macht und ihr Einfluß eine empfindliche Einbuße erlitten.
Wenzel hatte sich anfangs der Städte angenommen, in denen er eine Stütze für die Königsgewalt gegen die Fürsten erkannte; nun aber gab er sie auf dem Reichstag zu Eger 1389 preis, indem er jede fernere Einung von Städten verbot. Gleichwohl sicherte er sich durch diese Nachgiebigkeit die Anhänglichkeit der Fürsten nicht. Als er sich bei seinen Bemühungen, die Kirchenspaltung zu beendigen, mit Papst Bonifacius IX. überwarf, setzten ihn die rheinischen Kurfürsten auf dessen Antrieb und unter dem Vorwand, daß er durch Übertragung des Reichsvikariats in der Lombardei auf Galeazzo Visconte von Mailand wichtige Reichsrechte preisgegeben, 1400 ab und wählten statt seiner Ruprecht von der Pfalz (1400-1410), den zweiten Wittelsbacher auf dem deutschen Thron.
Wenzel verweigerte allerdings die Anerkennung seiner Absetzung, that aber fast nichts, um sie zu verhindern. Wie er, so kümmerten sich auch die nord- und ostdeutschen Fürsten fast gar nicht mehr um das Reich. Ruprecht fand, nachdem er, um Visconte Mailand zu entreißen, einen unglücklichen Zug nach Italien unternommen hatte, der seine letzten Geldkräfte aufzehrte, kaum in Südwestdeutschland Anerkennung; Johann von Mainz stiftete 1405 den Marbacher Bund, der die königliche Gewalt völlig aufhob, und den Ruprecht vergeblich zu unterdrücken sich bemühte.
Als er 1410 starb, spalteten sich die Kurfürsten in zwei Parteien, indem die eine den Markgrafen Jobst von Mähren, die andre den König Siegmund von Ungarn, Wenzels Bruder, zum Kaiser wählte. Da Wenzel noch immer Anspruch auf die deutsche Krone erhob, so drohte im Reich durch das Vorhandensein von drei Prätendenten auf den Thron die größte Verwirrung auszubrechen. Glücklicherweise starb Jobst 1411, Wenzel, der noch bis 1419 lebte, ließ sich mit dem Titel eines römischen Königs und dem Besitz Böhmens abfinden, und Siegmund ward nun als alleiniger Kaiser anerkannt.
Reformversuche in Kirche und Reich.
Siegmund (1410-37) nahm durch seine ansehnliche Hausmacht (Ungarn und Brandenburg) eine mächtige Stellung ein, und indem er, hochbegabt und gebildet, seine Würde im höchsten Sinn auffaßte und als deutscher König die Errichtung einer geordneten Reichsverfassung sowie als Kaiser und Schirmvogt der Kirche die Beseitigung des Schismas und eine Reform der Kirche sich zur Aufgabe stellte, schien das deutsche Kaisertum wieder an die Spitze des Abendlandes treten zu sollen, um so mehr, als England und Frankreich von neuem in heftigem Kriege gegeneinander entbrannt waren.
Da es seit 1378 zwei Päpste, in Rom und in Avignon, gab, welche sich und ihre Obedienzen gegenseitig in den Bann thaten, und der Versuch der Kardinäle, auf dem Konzil von Pisa 1409 die Kirchenspaltung zu beenden, nur zur Wahl eines dritten Papstes geführt hatte, so war die Kirche, um sich aus ihrem Verfall zu retten, auf den Beistand des Kaisers angewiesen. Siegmund versammelte daher 1414 das Konzil zu Konstanz, eine glänzende Vereinigung von Prälaten, Doktoren und Geistlichen der gesamten abendländischen Christenheit, Gesandten fremder Könige und den meisten deutschen Reichsfürsten.
Denn nicht bloß die Angelegenheiten der Kirche, sondern auch politische Dinge, die Herstellung des Friedens zwischen Frankreich und England und die Reform des Deutschen Reichs, sollten beraten werden. Die Kirchenspaltung wurde durch Siegmunds Entschlossenheit und Klugheit und die Einigkeit der Konzilsväter, welche durch einen förmlichen Beschluß die Suprematie des Konzils über dem Papsttum aussprachen, rasch beendigt: die drei Päpste wurden abgesetzt, und ein Versuch des Herzogs Friedrich von Tirol, Johanns XXIII.
Widerruf zu unterstützen, wurde energisch zurückgewiesen. Die Reform der Kirche jedoch, welche die päpstliche Allmacht erheblich beschränken und den Schwerpunkt in den national gegliederten Episkopat verlegen sollte, geriet bald ins Stocken, nicht am wenigsten durch die Schuld des Kaisers, der gerade in der entscheidenden Zeit behufs der Friedensvermittelung eine lange Reise nach Frankreich und England unternahm, auf welcher er nichts erreichte und nur durch Geldverlegenheiten die kaiserliche Würde aufs kläglichste kompromittierte. Die päpstliche Partei setzte es 1417 durch, daß noch vor der Kirchenreform die Wahl eines neuen Papstes vorgenommen wurde, und dieser, Martin V., löste 1418 das Konzil auf, nachdem er die Opposition durch Konkordate mit den einzelnen Nationen (mit der deutschen beschwichtigt hatte, die im wesentlichen alles beim alten ließen. Nur das Papsttum hatte also von dem Konzil Vorteil gezogen.
Auch die Reform der Reichsverfassung kam nicht zu stande, obwohl Siegmund in Konstanz einen der eifrigsten Anhänger derselben, Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg, zur Belohnung für frühere Dienste mit einem der bedeutendsten Reichsfürstentümer, mit Brandenburg, belehnte (1417). Siegmund fehlte es bei allen seinen Unternehmungen an Ausdauer; sich auf ein nahes Ziel zu beschränken und daran bis zur Erreichung desselben festzuhalten, war seine Sache nicht und doch wäre eine Reform besonders der deutschen Heeresverfassung, wie sie damals geplant wurde, für Deutschland höchst notwendig gewesen. Denn unmittelbar nach dem Konzil wurde es in die furchtbare Krisis der Hussitenkriege (s. d.) gestürzt, in denen es mit einer von religiösem und nationalem Fanatismus erfüllten und zur höchsten Kraftentfaltung begeisterten Volksmasse zu kämpfen hatte, der das
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schwerfällige deutsche Heerwesen sich nicht gewachsen zeigte. Große deutsche Ritterheere, geführt vom Kaiser selbst oder den angesehensten Reichsfürsten, erlitten von rohen Bauernhaufen schmähliche Niederlagen; die siegreichen Hussitenscharen überfluteten endlich die Böhmen benachbarten Lande raubend und verwüstend, und das mächtige Deutsche Reich ließ dies wehrlos geschehen. Erst als die Böhmen, durch Parteiungen gespalten, sich selbst mit Erbitterung bekämpften und aufrieben, gelang es, durch einen Vertrag mit der gemäßigten Partei, den Kalixtinern, die sogen. Prager Kompaktaten (1433), den Aufstand zu dämpfen, so daß Siegmund 1436 den seit Wenzels Tod (1419) erledigten böhmischen Thron besteigen konnte.
Trotz dieser beschämenden Erfahrungen waren alle Versuche Siegmunds, des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg und Friedrichs des Streitbaren von Sachsen, den verrotteten Reichskörper umzugestalten, vergeblich. Die Wiederaufnahme des kirchlichen Reformwerks durch das Baseler Konzil (1431-48) führte zu einem heftigen Konflikt zwischen Konzil und Papst, während dessen Siegmund ohne männliche Nachkommen starb und das luxemburgische Kaiserhaus erlosch.
Durch die Wahl der Kurfürsten gelangte Siegmunds Schwiegersohn und Erbe, Herzog Albrecht von Österreich, König von Böhmen und Ungarn, auf den Thron. Albrecht II. regierte aber nur ein Jahr (1438-39). Ihm folgte sein Vetter Friedrich III., Herzog von Steiermark (1440-93), der gewählt wurde, obwohl oder gerade weil man seine Unfähigkeit kannte. In der That ist Friedrichs Regierung wie die längste, so die ruhmloseste und schädlichste gewesen, die Deutschland gehabt hat.
Weder bemühte er sich um die dringend notwendige und von vielen ersehnte Reform der Kirche und des Reichs, noch that er etwas, um die Angriffe auf Deutschlands Sicherheit und Integrität abzuwehren und das Reich vor Verlusten zu hüten. Im Gegenteil beschwor er durch seinen kurzsichtigen Eigennutz selbst die Gefahren herauf. Der Streit zwischen Konzil und Papst war den kirchlichen Reformbestrebungen günstig, und noch bei Lebzeiten Albrechts II. hatten die Kurfürsten durch die Beschlüsse des Reichstags von Mainz (die sogen. Mainzer Acceptation, im März 1439) einen großen Teil der Reformdekrete des Konzils von Basel anerkannt und somit einen Weg betreten, der, energisch weiter verfolgt, zur Bildung einer nationalen deutschen, gegen die Übergriffe des Papsttums geschützten Kirche hätte führen können.
Friedrich III. dagegen opferte 1445 gegen das Versprechen der Kaiserkrönung, welche, die letzte in Rom, 1452 stattfand, und gegen Zugeständnisse an seinen schmutzigen Geiz und Eigennutz die Rechte des Reichs auf, indem er ohne Zustimmung desselben das Baseler Konzil preisgab und den römischen Papst Eugen IV. anerkannte. Die Macht des Konzils war damit gebrochen; durch Einzelverhandlungen mit den Fürsten gelang es Eugens Nachfolger Nikolaus V., die deutsche Opposition zu sprengen, und die ganze Reformbewegung endete damit, daß der Kaiser 1448 mit dem Papst im Namen der deutschen Nation die Wiener oder Aschaffenburger Konkordate abschloß, in welchen dem römischen Stuhl alles das wieder zurückgegeben wurde, was durch die Beschlüsse von Basel hatte abgestellt werden sollen, während die von der Kurie gemachten Konzessionen illusorisch blieben.
Ebenso verliefen alle Verhandlungen auf den Reichstagen über Herstellung des Landfriedens u. Reform der Reichswehrverfassung infolge von Friedrichs Gleichgültigkeit resultatlos. Die Fürsten suchten die finanziellen Lasten der Reform möglichst auf die allerdings hierin leistungsfähigen Städte abzuwälzen; diese widersetzten sich daher aus nicht unberechtigtem Mißtrauen jeder Änderung des bestehenden Zustandes. Unthätig und teilnahmlos sah der Kaiser den zerstörenden territorialen Kämpfen zu, welche Deutschland spalteten. In Sachsen wütete 1445-50 der Bruderkrieg zwischen Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und Herzog Wilhelm; in Westfalen entspann sich die sogen. Soester Fehde (1444-49) zwischen Erzbischof Dietrich von Köln und der Stadt Soest, in welche eine große Anzahl andrer Reichsstände, wie Münster, Kleve u. a., verwickelt wurden; in Franken und Schwaben kämpfte der streitbare Markgraf Albrecht Achilles erst an der Spitze der Fürsten und Grafen gegen die Städte, vor allen gegen das mächtige Nürnberg, dann gegen die bayrischen und pfälzischen Wittelsbacher, welche wieder untereinander in fortwährender Fehde lagen.
Währenddessen ging im Nordosten der preußische Ordensstaat dem Deutschtum verloren, indem der Orden, durch die Empörung der Landstände geschwächt, den Polen, von denen er 1410 bei Tannenberg schon einmal besiegt worden war, 1455-66 völlig erlag und im Thorner Frieden ganz Westpreußen abtreten, Ostpreußen aber von der polnischen Krone zu Lehen nehmen mußte. Im Südosten trieb Friedrich durch seine Bemühungen, die böhmische und die ungarische Krone an sich zu reißen, diese beiden Völker in einen feindlichen Gegensatz zu D. Beide wählten sich nationale Könige, die Böhmen Georg Podiebrad, die Ungarn Matthias Corvinus.
Ersterer benutzte seinen Einfluß im Reich, um alle kirchlichen und politischen Reformpläne zu durchkreuzen; Matthias wurde durch Friedrichs fortgesetzte Versuche, ihn zu stürzen, genötigt, seine Waffen gegen ihn zu kehren, und konnte sich nicht mit ganzer Kraft den Türken entgegenstellen, welche seit der Eroberung Konstantinopels (1453) Ungarn immer mehr bedrängten und 1469 zuerst die Grenzen Deutschlands überschritten. Der Kaiser ward endlich von Matthias aus seinen Erblanden vertrieben und irrte lange Zeit als ohnmächtiger Flüchtling im Reich umher, Städten und Klöstern ein beschwerlicher Gast. Im Westen begann Friedrich 1443 eine Fehde gegen die Eidgenossen, um die alten habsburgischen Hoheitsrechte wiederzuerobern, und als er allein nichts ausrichtete, rief er die unter dem Namen der Armagnaken (s. d.) bekannten und berüchtigten französischen Söldner unter dem Dauphin zu Hilfe, welche zwar von den tapfern Schweizern bei St. Jakob an der Birs zurückgeworfen wurden, aber nun um so schrecklicher im Elsaß hausten; ja, sogar von der Eroberung dieses Landes war damals unter den Franzosen die Rede.
Auch der Bildung eines völlig unabhängigen Reichs im Westen Deutschlands stellte Friedrich III. nicht das geringste Hindernis in den Weg, obwohl dieselbe wesentlich auf Kosten Deutschlands erfolgte. Die Herzöge von Burgund aus dem französischen Königshaus Valois, welchen Karl IV. bereits Deutsch-Burgund überlassen, hatten im Lauf des 14. und 15. Jahrh. die reichen, blühenden niederländischen Provinzen, das Mündungsgebiet des Rheins, der Maas und der Schelde, erworben. Seit 1467 wurde dies burgundische Reich von Karl dem Kühnen beherrscht, einem der glänzendsten Fürsten seiner Zeit, welcher das ganze linke Rheinufer zu erobern trachtete und durch den Königstitel die völlige Unabhängigkeit zu erringen hoffte. Friedrich III. trat ihm nicht entgegen, als er 1467 Lüttich eroberte, 1473 Gelderland und Zütphen erwarb, 1474 Neuß