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sie den Torpedos [* 2] gegenüber nicht mehr zeitgemäß sein würden, nicht gebaut. Inzwischen hatte sich das Torpedowesen im Gleichschritt mit dem Bau kleiner Dampfer von großer Fahrgeschwindigkeit außerordentlich entwickelt und sich als ein neues Element in die Kriegsmarine derart eingeführt, daß der Wert großer Panzerschiffe [* 3] in demselben Grad einbüßte, wie der der Torpedoboote in taktischer Beziehung gewann. Dies war die Veranlassung zu der dem Reichstag 1884 vorgelegten »Denkschrift über die weitere Entwickelung der kaiserlichen Marine«, die in weiten Kreisen Aufsehen erregte und Anerkennung fand.
Sie forderte für die Beschaffung von 70 Torpedobooten, unterseeischen Torpedobatterien etc. 18,790,000 Mk., welche auch bewilligt wurden. Nach der Denkschrift soll die Torpedoflottille auf 150 Torpedoboote gebracht werden. Bis 1886 sollen die 70 fertig sein, und die Marine wird dann über 105 Torpedoboote, einschließlich der schon vorhandenen, verfügen. Diese Entwickelung unsers Flottenmaterials bedingte auch eine entsprechende Verstärkung [* 4] des Personals; es hatte eine Stärke [* 5] von 86 Flagg- und Stabsoffizieren, 97 Kapitänleutnants, 235 Leutnants (418 Offizieren), 137 Deckoffizieren, Feldwebeln etc., 658 Maaten, 5539 Mann (6334 Seeleuten), 2538 Mann der Werftdivisionen und 690 Mann Matrosenartillerie. Nach Fertigstellung aller Torpedoboote soll die Kriegsstärke betragen: 12 Admirale, 120 Stabsoffiziere, 217 Kapitänleutnants, 664 Leutnants (1015 Seeoffiziere), 53 Maschineningenieure, 154 Zahlmeister, 16,781 Mann Matrosendivisionen, 7221 Mann Werftdivisionen, 5076 Mann Matrosenartillerie, zusammen 29,078 Mann.
Ende 1884 wurde eine andre Einteilung und Benennung der Schiffe [* 6] eingeführt. Die Flotte besteht jetzt (1885) aus folgenden Schiffen: I. 14 Panzerschiffen (früher 7 Panzerfregatten, 6 Panzerkorvetten und 1 Panzerfahrzeug Arminius);
II. 13 Panzerfahrzeugen (bisher Panzerkanonenboote);
III. 11 Kreuzerfregatten (bisher gedeckte Korvetten);
IV. 10 Kreuzerkorvetten (bisher Glattdeckskorvetten);
V. 5 Kreuzern (bisher Kanonenboote der Albatroßklasse);
VI. 5 Kanonenbooten (bisher Kanonenboote erster Klasse); VII. 8 Avisos; VIII. 1 Artillerieschiff, 7 Dampf- und 4 Segelschiffen als Schulschiffe. Dazu treten die Torpedoboote, deren Zahl nach und nach auf 150 gebracht werden soll. Entsprechend der allmählichen Erweiterung der Marine sowie in Veranlassung vermehrter Einstellung von Schiffsjungen und Rekruten der Landbevölkerung und der fortgeschrittenen technischen Anforderungen ist die Zahl der Schulschiffe erheblich vermehrt worden. Es sind jetzt Kadetten- und Schiffsjungen-, Artillerie-, Maschinen- und Torpedoschulschiffe vorhanden.
Die Aufgaben des diplomatischen und handelspolitischen Dienstes haben durch die Gründung deutscher Kolonien in West- und Ostafrika sowie im australischen Archipel einen bedeutenden Zuwachs erhalten und erfordern die Stationierung einer größern Anzahl von Schiffen, die nach Erfordern zu Geschwadern zusammengezogen werden, in diesen Gewässern. Außerdem sind noch im Mittelmeer (Konstantinopel), [* 7] in Ostasien, Westindien [* 8] und an der Westküste Südamerikas Schiffe stationiert. Es finden hierbei die Kreuzer, Kanonenboote, Avisos und ein Teil der Schulschiffe Verwendung.
Die oberste Behörde der Marine ist die Admiralität, deren »Chef« Oberbefehlshaber der Marine und Leiter ihrer Verwaltung ist; ihr sind unterstellt: die deutsche Seewarte in Hamburg [* 9] und die Marinestationen der Ostsee und der Nordsee, erstere in Kiel, [* 10] letztere in Wilhelmshaven. [* 11] Jeder Marinestation ist eine Marineinspektion, diesen sind je eine Matrosen- und eine Werftdivision, aus 4 Kompanien bestehend, und die Schulschiffe sowie die Hafenbaukommission, die Werften, Fortifikation, Intendantur etc. unterstellt. Zur Marinestation der Ostsee gehört auch das Seebataillon (s. d.). Die Inspektion der Marineartillerie, welcher die beiden Matrosenartillerieabteilungen sowie die Artillerie-, Seeminen- und Torpedodepots mit den dazu gehörigen Werkstätten und das gesamte Zeug-, Feuerwerks- und Torpedopersonal unterstellt sind, sowie die Inspektion der Marinebildungsanstalten unterstehen der Admiralität.
Das Wappen [* 12] des Deutschen Reichs bildet ein einköpfiger schwarzer Adler [* 13] mit rotem Schnabel nebst roten Fängen und dem preußischen Adler in silbernem Schild [* 14] auf der Brust; im Wappen des preußischen Adlers das Wappen von Hohenzollern; [* 15] über dem Ganzen die goldene Kaiserkrone mit goldenem Band. [* 16] Eine genaue Beschreibung des deutschen Reichsadlers und des Kaiserwappens enthält das Erklärungsblatt zu beifolgender Tafel. - Die Flagge der deutschen Marine ist schwarz-weiß-rot (die Kriegsflagge mit dem preußischen Adler und dem Eisernen Kreuz); [* 17] eine Übersicht der deutschen Flaggen [* 18] gibt unsre Tafel »Flaggen I«.
Vgl. Graf Stillfried, Die Attribute des neuen Deutschen Reichs (3. Aufl., Berl. 1882).
Litteratur zur Geographie und Statistik.
K. F. V. Hoffmann, Deutschland [* 19] und seine Bewohner (Stuttg. 1834-36, 4 Bde.);
v. Hoff, Deutschland in seiner natürlichen Beschaffenheit, seinem frühern und jetzigen politischen Verhältnis (Gotha [* 20] 1838);
Winderlich, Das deutsche Land und seine Bewohner (3. Aufl., Leipz. 1852);
Kutzen, Das deutsche Land (3. Aufl., Bresl. 1880);
Brachelli, Deutsche [* 21] Staatenkunde (Wien [* 22] 1856, 2 Bde.): Berghaus, Deutschland und seine Bewohner (Berl. 1860, 2 Tle.);
Derselbe, Deutschland seit hundert Jahren (Leipz. 1860-61, 2 Bde.);
Daniel, Deutschland nach seinen physischen und politischen Verhältnissen (5. Aufl., das. 1878, 2 Bde.);
v. Cotta, Deutschlands [* 23] Boden (2. Aufl., das. 1858, 2 Bde.);
v. Dechen, Die nutzbaren Mineralien [* 24] und Gebirgsarten im Deutschen Reich (Berl. 1873);
v. Festenberg-Packisch, Der deutsche Bergbau [* 25] (das. 1885);
Delitsch, Deutschlands Oberflächenform (Bresl. 1880);
»Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde« (hrsg. von Lehmann, Stuttg. 1885 ff.);
Böckh, Der Deutschen Volkszahl und Sprachgebiet in den europäischen Staaten (Berl. 1870);
Neumann, Das Deutsche Reich in geographischer, statistischer etc. Beziehung (das. 1874, 2 Bde.);
Derselbe, Geographisches Lexikon des Deutschen Reichs (Leipz. 1883);
Brunkow, Die Wohnplätze des Deutschen Reichs (Berl. 1880 ff.);
die vom kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebene »Statistik des Deutschen Reichs« und »Statistisches Jahrbuch« (seit 1881);
über die Reichsbehörden das jährlich erscheinende amtliche »Handbuch des Deutschen Reichs«, dazu Velhagen u. Klasings »Kleines Staatshandbuch des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten«;
über das Reichsstaatsrecht die Werke von Rönne (2. Aufl., Leipz. 1876, 2 Bde.), Laband, Zorn;
Störk, Handbuch der deutschen Verfassungen (das. 1884);
Baumbach, Staatslexikon (das. 1882, populär), u. a.
[Karten.]
Die besten Karten lieferten außer den Generalstabskarten Reymann (Zentraleuropa in 423 Blättern, 1:200,000, seit 1825; 1874 in den Besitz des preußischen Generalstabs übergegangen), Liebenow (Zentraleuropa in 164 Blättern, 1:300,000, Hannov. seit 1869), Stieler (Atlas [* 26] von Deutschland, 1:750,000, Gotha 1876, 25 Karten), Ravenstein (Atlas des ¶
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Deutschen Reichs, 1:850,000, Leipz. 1883, 10 Blätter). Eine von der kartographischen Abteilung der königlich preußischen Landesaufnahme herausgegebene Karte des Deutschen Reichs in 1:100,000 erscheint seit 1880. Wandkarten: »Post- und Eisenbahnkarte des Deutschen Reichs«, 1:600,000 (offiziell, Berl. 1873-76, 12 Blätter);
von Petermann (Gotha),
H. Wagner (das.),
Kiepert (Berl.),
Handtke (Glogau) [* 28] u. a.;
Dechen, Geologische Karte von Deutschland (Berl. 1869, 2 Blätter);
Andree und Peschel, Physikalisch-statistischer Atlas von Deutschland (Leipz. 1877);
»Atlas der Bodenkultur des Deutschen Reichs« (hrsg. vom kaiserlichen Statistischen Amt, Berl. 1881, 15 Karten);
Kiepert, Völker- und Sprachenkarte [* 29] von Deutschland (das. 1874).
Geschichte Deutschlands.
Übersicht der deutschen Könige und Kaiser.
Sächsisches Haus: | |
---|---|
919-936 | Heinrich I. |
936-973 | Otto I. |
973-983 | Otto II. |
983-1002 | Otto III. |
1002-1024 | Heinrich II. |
Fränkisches Haus: | |
1024-1039 | Konrad II. |
1039-1056 | Heinrich III. |
1056-1106 | Heinrich IV. |
1106-1125 | Heinrich V. |
- | |
1125-1137 | Lothar II. v. Sachsen |
Hohenstaufen: | |
1138-1152 | Konrad III. |
1152-1190 | Friedrich I. |
1190-1197 | Heinrich VI. |
1198-1208 | Philipp v. Schwaben; zugleich: |
1198-1215 | Otto VI. v. Braunschweig |
1215-1250 | Friedrich II. |
1250-1254 | Konrad IV. |
- | |
1273-1291 | Rudolf v. Habsburg |
1292-1298 | Adolf von Nassau |
1298-1308 | Albrecht I. v. Österreich |
1308-1313 | Heinrich VII. von Luxemburg |
1314-1346 | Ludwig IV. deutschland Bayer; zugleich: |
1314-1330 | Friedrich der Schöne von Österreich |
Luxemburger: | |
1346-1378 | Karl IV. |
1378-1400 | Wenzel |
- | |
1400-1410 | Ruprecht von der Pfalz |
1410-1437 | Siegmund von Luxemburg |
Habsburger: | |
1438-1439 | Albrecht II. |
1440-1493 | Friedrich III. |
1493-1519 | Maximilian I. |
1519-1556 | Karl V. |
1556-1564 | Ferdinand I. |
1564-1576 | Maximilian II. |
1576-1612 | Rudolf II. |
1612-1619 | Matthias |
1619-1637 | Ferdinand II. |
1637-1657 | Ferdinand III. |
1658-1705 | Leopold I. |
1705-1711 | Joseph I. |
1711-1740 | Karl VI. |
- | |
1742-1745 | Karl VII. v. Bayern |
Habsburg-Lothringer: | |
1745-1765 | Franz I. |
1765-1790 | Joseph II. |
1790-1792 | Leopold II. |
1792-1806 | Franz II. |
- | |
Haus Hohenzollern: | |
Seit 1871 | Wilhelm I., König von Preußen. |
Der Name »Deutsch« (s. d.) kommt für die Sprache [* 30] der das ostfränkische Reich bildenden germanischen Stämme erst im 9. Jahrh. unsrer Zeitrechnung auf, für das aus demselben gebildete Volk und Reich erst im 10. Jahrh. Streng genommen darf man nur von König Heinrich I. (919-936) an, dem Begründer der sächsischen Dynastie, von einer »deutschen Geschichte« reden. Bis dahin bildeten die Stämme, aus welchen das deutsche Volk erwuchs, bloß einen Teil der großen germanischen Völkerfamilie, welche in ältester Zeit ganz Mittel- und Nordeuropa bewohnte, und welcher auch die zahlreichen Stämme angehörten, die zur Zeit der Völkerwanderung mächtige germanische Reiche in Italien, [* 31] Gallien, Britannien, Spanien [* 32] und Afrika [* 33] gründeten.
Nur ein kleiner Teil der Germanen blieb in den alten Wohnsitzen, von denen das ganze Gebiet östlich der Elbe überhaupt geräumt und durch die Slawen in Besitz genommen wurde. Während die meisten in das römische Reich eingedrungenen Germanen (mit Ausnahme der Angelsachsen) zu Grunde gingen und gänzlich verschollen oder, mit den Romanen in Sprache und Kultur verschmolzen, ihre germanische Nationalität verloren, teilten sich die in dem ursprünglich germanischen Gebiet zurückgebliebenen Germanen in zwei Gruppen, die Nordgermanen (Skandinavier) und die Süd- oder Westgermanen, welche letztern in der Zeit vom 5.-8. Jahrh. unter der Herrschaft des Frankenreichs vereinigt wurden und dadurch eine engere politische Zusammengehörigkeit gewannen.
Diese wurde verstärkt, als durch die Teilungsverträge von Verdun [* 34] (843) und Mersen (870) die Stämme des Frankenreichs, welche ihre germanische Nationalität bewahrt hatten, von den romanisierten endgültig getrennt wurden, und führte endlich zur Bildung einer neuen Nationalität, des deutschen Volkes, das sprachlich allerdings zunächst noch in eine hochdeutsche und eine niederdeutsche Hälfte geteilt war, allmählich aber auch in dieser Beziehung durch das Übergewicht des Hochdeutschen und dessen Erhebung zur allgemein gültigen Schriftsprache zu einem einheitlichen Ganzen verschmolz.
Vorgeschichte (bis 919).
Die erste Kunde von dem Gebiet der Nordsee und einem an deren Südostküste wohnenden Völkerstamm, welcher sich von den bis dahin der Welt des Altertums bekannten Völkern als einer eigenartigen Nationalität angehörig unterschied, hat uns der griechische Geograph Pytheas von Massilia überliefert, der im 4. Jahrh. v. Chr. in jene Gegenden vordrang. Die benachbarten Kelten und demnächst die Römer [* 35] legten diesem Völkerstamm den Namen Germanen (s. d.) bei. Die West- und Südgrenze desselben reichte aber in ältester Zeit durchaus nicht so weit nach Westen und Süden wie jetzt.
Der Rhein bildete im Westen, die Gegend am Main im Süden die Grenze der festen Wohnsitze, welche allerdings bald von verschiedenen Stämmen überschritten wurde, die teils keltische Völkerschaften verdrängten, teils sich unter ihnen niederließen und mit ihnen verschmolzen. Einige Stämme, wie die Cimbern und Teutonen (s. d.), drangen sogar bis an die Grenzen [* 36] des römischen Weltreichs vor und wurden erst nach langen blutigen Kämpfen 102 und 101 v. Chr. vernichtet.
Eine andre Germanenschar, die unter dem Suevenfürsten Ariovist sich im innern Gallien festgesetzt und einen beträchtlichen Teil des Landes sich unterworfen hatte, ward 58 v. Chr. von Cäsar am Oberrhein besiegt, worauf dieser alle auf das linke Rheinufer vorgedrungenen Germanen teils ausrottete, teils unterjochte. Das linke Rheinufer wurde darauf in die beiden römischen Provinzen Germania [* 37] superior und Germania inferior eingeteilt. Das jenseit des Rheins gelegene eigentliche Gebiet der Germanen hieß Germania magna.
Den westlichsten Teil desselben zwischen Rhein und Elbe, Donau und Nordsee bewohnten die drei Hauptvölker der Istävonen, Ingävonen und Hermionen, denen den Wohnsitzen nach die spätern Gesamtnamen der Franken am Rhein, der Sachsen [* 38] an der Nordsee, der Thüringer im Mittelland entsprechen. Auch die dazu gehörigen Stämme haben an der Völkerwanderung teilgenommen, insofern die Franken sich über Belgien [* 39] und das nördliche Gallien ausbreiteten und die Sachsen nach Britannien übersetzten. Indes die Hauptmassen dieser Stämme haben ihre ältesten Wohnsitze und vereinzelt auch ihre Volksnamen, welche zu landschaftlichen geworden sind, festgehalten, so die Hermunduren, d. h. Thüringer, die Katten (Hessen), [* 40] Friesen, Sachsen, Angrivarier (Angeln) u. a. Diese westlichen Stämme der Germanen führten ein durchaus seßhaftes Leben, trieben Ackerbau und Viehzucht und [* 41] hatten eine wohlgeordnete, ¶